Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: anhörung des kindes, vergütung, haushalt, beschränkung, erfüllung, gespräch, fahrkarte, abreise, eltern, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 WF 103/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 50 FGG, § 1836 BGB, § 1
VBVG, § 3 VBVG
Vergütung des Verfahrenspflegers: Anhörung des Kindes im
elterlichen Haushalt
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird die angefochtene Entscheidung teilweise
abgeändert und die Vergütung und der Aufwendungsersatz der Beschwerdegegnerin auf
insgesamt 654,79 Euro festgesetzt.
Gründe
Die gemäß §§ 50 Abs. 5, 67 a Abs. 5, 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG statthafte und in zulässiger
Weise eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Verfahrenspflegerin steht ein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend
§§ 1835 Abs. 1 und 4 BGB sowie eine Vergütung entsprechend §§ 1836 a BGB, 1
BVormVG für die Zeit bis zum 30. Juni 2005 und entsprechend §§ 1836 BGB, 1, 3 VBVG
für die Zeit ab 1. Juli 2005 zu. Dieser Ersatzanspruch bezieht sich jedoch nur auf
diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der
vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen (BVerfG FPR 2004,
622, 624; OLG Oldenburg FamRZ 2005, 391; vgl. auch BT-Drucks. 13/7158, S. 15).
Vergütet wird zudem nur der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand,
gemessen daran, was ein sorgfältig arbeitender, gewissenhafter Verfahrenspfleger zur
Wahrnehmung seiner Aufgaben als notwendig ansehen würde. Nach diesen Maßstäben
ist der geltend gemachte (Zeit-)Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (OLG
Oldenburg FamRZ 2005, 391; st. Rspr. des Senats, Brandenburgisches OLG FGPrax
2004, 73, 74; ZfJ 2002, 233; FPR 2002, 280; FamRZ 2001, 692).
Nach § 50 Abs. 1 FGG hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein
seine Person betreffendes Verfahren zu bestellen, sobald dies zur Wahrnehmung seiner
Interessen erforderlich ist. Dies lässt erkennen, dass der Verfahrenspfleger für die
Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des
Kindes tritt und an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen hat.
Der Verfahrenspfleger hat also nur das eigene Interesse des Kindes zu erkennen und zu
formulieren (ausdrücklich BVerfG FamRZ 1999, 85, 87); er hat darauf hinzuwirken, dass
das Verfahren - soweit dies möglich ist - kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem
Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen (BT-Drucks. 13/4899, S. 130). All dies
charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes;
seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist derjenigen eines Rechtsanwaltes als
Verfahrensbevollmächtigtem vergleichbar. Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, als
"reiner Parteivertreter" sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am
besten dienenden Entscheidung zu beteiligen; insbesondere hat er keine über die bloße
Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden Ermittlungen anzustellen (vgl. insgesamt
Senat FamRZ 2001, 692).
Im Rahmen dieser Plausibilitätsüberprüfung kann nicht festgestellt werden, dass die
Fahrten zu den Anhörungen der Jugendlichen im elterlichen Haushalt erforderlich waren.
Von mehreren gleichwertigen Alternativen zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner
gesetzlichen Aufgaben hat der Verfahrenspfleger diejenige zu wählen, die die Parteien
bzw. die Allgemeinheit in finanzieller Hinsicht am wenigsten belastet. So ist es
regelmäßig kostengünstiger, das Kind in den eigenen Büroräumen anzuhören, als im
Wohnumfeld des Kindes. Die Wahrnehmung der Anhörung im elterlichen Haushalt
kommt demzufolge nur in besonderen Fällen in Betracht, wenn die vertraute Umgebung
für das Kind von besonderer Bedeutung ist, was der Verfahrenspfleger substantiiert
darzutun hat (Brandenburgisches OLG Beschluss vom 23. März 2006 [9 WF 67/06] – zur
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darzutun hat (Brandenburgisches OLG Beschluss vom 23. März 2006 [9 WF 67/06] – zur
Veröffentlichung vorgesehen; Beschluss vom 26. Februar 2004 [15 WF 339/02]).
An einer derart substantiierten Darlegung der Notwendigkeit einer Anhörung der
betroffenen Jugendlichen im elterlichen Haushalt fehlt es hier. Zwar hat die
Beschwerdegegnerin nunmehr zu diesem Erfordernis mit Schriftsatz vom 9. Mai 2006
weiter vorgetragen. Jedoch sind die dargestellten Gründe nicht ausreichend. Es ist
sicherlich zutreffend, dass sich eine Anhörung von Kindern in ihrem häuslichen Umfeld
regelmäßig als einfacher darstellt. Aber dies dürfte grundsätzlich so sein und kann daher
nicht als für den konkreten Fall besonderer bedeutender Umstand eingestuft werden.
Soweit eine Anhörung der Jugendlichen in B… nach Auffassung der Verfahrenspflegerin
an deren Bereitschaft bzw. an finanziellen Möglichkeiten gescheitert wäre, sind dies
lediglich Mutmaßungen, die die Notwendigkeit der Anhörung am Wohnort ebenfalls nicht
begründen können.
Auch die Tatsache, dass der Verfahrenspflegerin keine eigenen Büroräume für eine
Anhörung zur Verfügung stehen, da sie solche aus finanziellen Gründen nicht unterhalte,
genügt nicht, um die Vergütungsfähigkeit des Zeitaufwandes bzw. der Kosten für die
Reisen zu den Anhörungsterminen begründen zu können.
Sowohl die Vergütung der Beschwerdegegnerin bis 30. Juni 2005 entsprechend §§ 1836 a
BGB, 1 BVormVG als auch die Vergütung für die Zeit danach entsprechend §§ 1836
BGB, 1, 3 VBVG erfolgt nach Pauschalsätzen; die Höhe dieser richtet sich nach ihren
erworbenen besonderen Kenntnissen. Die Vergütung mit einem pauschalen
Stundensatz umfasst die Abgeltung auch aller anteiligen allgemeinen (sachlicher und
personeller) Bürokosten des Berufsbetreuers (BGH NJW 2000, 3709; Brandenburgisches
OLG FPR 2002, 280; OLG Zweibrücken OLGR 2003, 76; Palandt/Diederichsen, BGB, 64.
Aufl., § 1836 a Rn. 3; Staudinger-Zimmermann, BGB, Neubearbeitung 2004, § 1836 Rn.
68; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl. 2000, § 1835, Rn. 8).
Demzufolge sind Miet- und Mietnebenkosten für Büroräume in der Vergütungspauschale
der Beschwerdegegnerin berücksichtigt, auch wenn solche Räume überhaupt
unterhalten und Kosten hierfür nicht anfallen. Da diese Tatsache aber zu einer
Bevorzugung der Beschwerdegegnerin gegenüber anderen, solche Räume
unterhaltenden Verfahrenspflegern und darüber hinaus zu einer nicht gerechtfertigten
Inanspruchnahme der Allgemeinheit durch die Erstattung tatsächlich nicht entstandener
Kosten führen würde, ist die Vergütung der Beschwerdegegnerin im Rahmen der
Plausibilitätskontrolle zu beschränken.
Da die Pauschalsätze lediglich an die Qualifikation des Verfahrenspflegers anknüpfen
und zudem Mindestsätze, die nicht unterschritten werden können (BGH a.a.O.),
darstellen, verbietet sich eine Beschränkung der Vergütung durch die Kürzung der
Pauschale. Demzufolge kann eine Beschränkung nur dergestalt erfolgen, dass sich die
Verfahrenpflegerin so behandeln lassen muss, als wenn sie Büroräume unterhalten
würde, deren Kosten mit der gezahlten Vergütung als abgegolten anzusehen wären.
Dann wiederum hätten die Anhörungen der betroffenen Jugendlichen aber nicht in ihrem
Umfeld stattfinden müssen, sodass jeweils eine Vergütung für die An- und Abreise sowie
die Kosten für die Fahrkarte nicht erstattungsfähig sind.
Somit ergibt sich folgender Vergütungsanspruch der Beschwerdegegnerin:
Auf die sofortige Beschwerde des Vertreters der Landeskasse war daher die
angefochtene Entscheidung teilweise abzuändern und die Vergütung abschließend
festzusetzen.
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