Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: örtliche zuständigkeit, gerichtsstandsvereinbarung, rechtliches gehör, willkür, bindungswirkung, zuständigkeitsstreit, gerichtsstandsklausel, garantie, meinung, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 AR 16/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 Abs 1 Nr 6 ZPO, § 36 Abs 2
ZPO, § 38 Abs 1 ZPO, § 281 Abs
2 S 2 ZPO, § 281 Abs 2 S 4 ZPO
Bestimmung des örtlich zuständigen Amtsgerichts bei "Berlin"
als vereinbartem Gerichtsstand und Bindungswirkung eines
Verweisungsbeschlusses
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kostenvorschuss, Feststellung der
Kostentragungspflicht und Erstattung von Anwaltskosten im Zusammenhang mit
Mängelbeseitigungsarbeiten am Bauvorhaben … in S. in Anspruch. Grundlage hierfür ist
ein zwischen den Parteien geschlossener Generalunternehmervertrag vom 21. Oktober
1998, der in § 14 Nr.3 folgende Bestimmung enthält: „Ausschließlicher Gerichtsstand für
Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist Berlin.“ Wegen der behaupteten Mängel hat die
Klägerin vor dem Landgericht Berlin (5 OH 9/03) ein selbständiges Beweisverfahren
durchgeführt. Sie hat ihre Klage bei dem für S. örtlich zuständigen Amtsgericht
Oranienburg eingereicht. Nach Klagezustellung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.
Januar 2006 unter Hinweis auf § 14 Nr. 3 des Generalunternehmervertrages die örtliche
Unzuständigkeit des Amtsgerichts Oranienburg gerügt. Mit Schriftsatz vom 14. Februar
2006 hat die Klägerin hierauf die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht
Berlin-Charlottenburg beantragt. Dem hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Februar
2006 zugestimmt. Durch Beschluss vom 20. Februar 2006 hat sich das Amtsgericht
Oranienburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht
Berlin-Charlottenburg verwiesen. Dieses hat sich mit Beschluss vom 10. März 2006
seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Brandenburgischen
Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 ZPO durch das
Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil das zu seinem Bezirk
gehörende Amtsgericht Oranienburg unter den am Zuständigkeitsstreit beteiligten
Gerichten zuerst mit der Sache befasst gewesen ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO
liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Oranienburg als auch das Amtsgericht Berlin-
Charlottenburg haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für
unzuständig erklärt, ersteres durch nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren
Verweisungsbeschluss vom 20. Februar 2006 und letzteres durch die seine
Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidung vom 10. März 2006, die als
solche den Anforderungen genügt, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne von § 36
Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass eine den
Parteien bekannt gemachte ausdrückliche beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt
(vgl. BGHZ Bd. 102, S. 338, 340; Bd. 104, S. 363, 366; BGH NJW 2002, S. 3634, 3635;
Senat, OLGR 2005, S. 1004 f.; OLG-NL 2005, S. 16, 17; NJW 2004, S. 780; OLG-NL 2001,
S. 70 und S. 214; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 36 Rdn. 24 f.;
Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, § 36 Rdn. 36; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO,
27. Aufl. 2005, § 36 Rdn. 23).
3. Zuständig ist das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg.
Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des
Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Februar 2006 (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
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Die Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO entfällt nur ausnahmsweise,
namentlich bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
oder bei objektiver Willkür, die etwa auch dann gegeben sein kann, wenn die Verweisung
offenbar gesetzeswidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft erfolgt ist (s. BGHZ Bd. 71, S.
69, 72; Bd. 102, S. 338, 341; BGH NJW 1993, S. 1273; NJW 2002, S. 3634, 3635;
BayObLG, NJW-RR 2000, S. 589; Senat, aaO.; Zöller/Greger, aaO., § 281 Rdn. 17, 17 a
m.w.Nw.; Baumbach/Hartmann, aaO., § 281 Rdn. 39 ff. m.w.Nw.; Thomas/Putzo/Reichold,
aaO., § 281 Rdn. 12). So liegt es hier aber nicht.
Der Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist beachtet worden.
Dass der Verweisungsbeschluss vom 20. Februar 2006 keine (nähere) Begründung
enthält, ist unschädlich, weil sich aus dem Akteninhalt zwanglos ergibt, dass der
Rechtsstreit im Hinblick auf die Regelung in § 14 Nr. 3 des Generalunternehmervertrages
vom 21. Oktober 1998 und die Erklärungen der Parteien in ihren Schriftsätzen vom 14.
und 17. Februar 2006 an das „als zuständig vereinbarte“ Amtsgericht Berlin-
Charlottenburg verwiesen werden sollte. Dem Begründungserfordernis ist genügt, wenn
sich die Begründung hinreichend eindeutig dem Akteninhalt entnehmen lässt (vgl. KG,
MDR 1993, S. 176; KG, MDR 1998, S. 618; Senat, OLG-NL 2001, S. 70; NJW 2004, S. 780;
Zöller/Greger, aaO., § 281 Rdn. 17 m.w.Nw.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO., § 281 Rdn. 12
m.w.Nw.).
Die Verweisungsentscheidung des Amtsgerichts Oranienburg erweist sich auch in der
Sache selbst nicht schon als geradezu objektiv willkürlich.
Im Interesse an einer baldigen Klärung der Gerichtszuständigkeit und der Vermeidung
von wechselseitigen (Rück-)Verweisungen zwischen Gerichten sind an die Annahme einer
objektiven Willkür im Allgemeinen strenge Anforderungen zu stellen. Der Gesetzgeber
hat sich für die grundsätzliche Bindungswirkung und Unanfechtbarkeit von - auch:
fehlerhaften - Verweisungsbeschlüssen entschieden (§ 281 Abs. 2 Satz 2 und 4 ZPO).
Deshalb kann objektive „Willkür“ nur unter bestimmten - engen - Voraussetzungen
bejaht werden, und zwar dann, wenn die verfassungsrechtliche Garantie des
gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) eine Durchbrechung der
Bindungswirkung erfordert (s. Senat, NJW 2004, S. 780; OLGR 2005, S. 1004, 1005).
Einfache Rechtsfehler genügen daher für die Annahme der Willkür nicht (BGH NJW-RR
1992, S. 902, 903; NJW 1993, S. 1273 und S. 2810; NJW-RR 1994, S. 126; NJW 2003, S.
3201 f.; BayObLGZ 1991, S. 387, 389; BayObLG, NJW-RR 2000, S. 589; NJW-RR 2001, S.
646, 647; Senat, ebd.; Zöller/Greger, aaO., § 281 Rdn. 17; Zöller/Vollkommer, aaO., § 36
Rdn. 28; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 281 Rdn. 17). Dies gilt erst recht für im
Ergebnis - noch - vertretbare Entscheidungen. Die Abweichung von einer (bisher)
„herrschenden Meinung“ oder einer „(fast) einhelligen Ansicht“ rechtfertigt für sich allein
die Annahme von objektiver Willkür nicht; entscheidend ist, ob die Verweisung im
Ergebnis noch „vertretbar“ ist (vgl. etwa BGH MDR 2002, S. 1450, 1451; NJW-RR 2002, S.
1498 f.; NJW 2003, S. 3201 f.; BayObLG NJW 2003, S. 1196, 1197; Senat, ebd.;
Baumbach/Hartmann, aaO., § 281 Rdn. 39 m.w.Nw.; vgl. auch OLG Hamburg, MDR 2002,
S. 1210 f.; Zöller/Greger, aaO., § 281 Rdn. 17; Musielak/Foerste, aaO., § 281 Rdn. 17;
Thomas/Putzo/Reichold, aaO., § 281 Rdn. 12). So liegt es hier.
Das Amtsgericht Oranienburg hat sich im Ergebnis vertretbar auf den Standpunkt
gestellt, dass die Parteien wirksam die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des
Amtsgericht Berlin-Charlottenburg vereinbart haben, sodass der Rechtsstreit an das
Amtsgericht Berlin-Charlottenburg zu verweisen war.
Diese Auffassung kann - vertretbar - sowohl auf die Gerichtsstandsvereinbarung in § 14
Nr. 3 des Generalunternehmervertrages vom 21. Oktober 1998 als auch auf eine
daneben tretende, weitere Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien vom 14./17.
Februar 2006 gestützt werden.
Die Gerichtsstandsvereinbarung in § 14 Nr. 3 des Generalunternehmervertrages vom
21. Oktober 1998 ist wirksam (§ 38 Abs. 1 ZPO). Die Eigenschaft der Parteien als
Vollkaufleute steht außer Zweifel. Die Vereinbarung genügt auch inhaltlich den
Anforderungen. Danach muss das als zuständig vereinbarte Gericht hinreichend
bestimmt oder zumindest bestimmbar sein (s. etwa Zöller/Vollkommer, aaO., § 38 Rdn.
13; Baumbach/Hartmann, aaO., § 38 Rdn. 5). Dem ist hier in Bezug auf die
(erstinstanzliche) landgerichtliche Zuständigkeit ohne weiteres Genüge getan, da in
Berlin nur ein Landgericht existiert. Hinsichtlich der amtsgerichtlichen Zuständigkeit
weist die Vereinbarung allerdings Unklarheiten auf, da Berlin mehrere Amtsgerichte
eingerichtet hat. Im Wege der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB; s. für „München“
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eingerichtet hat. Im Wege der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB; s. für „München“
etwa BGH NJW 1996, S. 3013, 3014) kann ein konkretes Berliner Amtsgericht nicht
ermittelt werden, da weder eine der Vertragsparteien noch das Bauvorhaben einen
Bezug zu einem (bestimmten) Berliner Stadtbezirk erkennen lassen. Unter diesen
Umständen können verschiedene rechtliche Schlussfolgerungen gezogen werden: Zum
einen kann die Gerichtsstandsvereinbarung nur hinsichtlich der (erstinstanzlichen)
landgerichtlichen Zuständigkeit für wirksam und im Übrigen für unwirksam erachtet
werden. Zum anderen ist es vertretbar, dem jeweiligen Kläger allein oder den Parteien
gemeinschaftlich ein Auswahlrecht unter den Berliner Amtsgerichten zuzubilligen (vgl.
zur Vereinbarung von noch auszuwählenden Gerichtsständen etwa BGH NJW 1983, S.
996; Zöller/Vollkommer, aaO., § 38 Rdn. 13). Im Gefolge der letztgenannten Ansicht
können für den vorliegende Fall sowohl eine einseitige „Auswahl“ durch die Klägerin als
auch eine gemeinsame „Auswahl“ durch beide Parteien bejaht werden: Denn die
Klägerin hat in ihrem Verweisungsantrag vom 14. Februar 2006 das Amtsgericht Berlin-
Charlottenburg „ausgewählt“, und die Beklagte hat dem mit Schriftsatz vom 17. Februar
2006 „zugestimmt“.
Die übereinstimmende „Auswahl“ des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg durch beide
Parteien vom 14./17. Februar 2006 könnte zudem - vertretbar - als weitere (gfs.
„konkretisierende“) Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von § 38 Abs. 1 ZPO
angesehen werden, die ihrerseits keiner bestimmten Form bedarf und auch
stillschweigend erfolgen kann (s. dazu etwa Zöller/Vollkommer, aaO., § 38 Rdn. 21
m.w.Nw.; Baumbach/Hartmann, aaO., § 38 Rdn. 20 m.w.Nw.).
Ob die Gerichtsstandsvereinbarung einen ausschließlichen Gerichtsstand oder - lediglich
- einen Wahlgerichtsstand im Sinne von § 35 ZPO bestimmt, ist Auslegungsfrage (vgl.
etwa KG, MDR 1999, S. 56; Zöller/Vollkommer, aaO., § 38 Rdn. 2, 14, 42;
Baumbach/Hartmann, aaO., § 38 Rdn. 5; Thomas/Putzo/Hüßtege, aaO., § 38 Rdn. 32;
Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 38 Rdn. 5). Der Wortlaut der
Gerichtsstandsklausel in § 14 Nr. 3 des Generalunternehmervertrages vom 21. Oktober
1998 spricht unzweideutig von „ausschließlicher Gerichtstand“. Dies lässt den
vertretbaren Schluss zu, dass auch eine hierauf begründete „Auswahlentscheidung“ der
Klägerin bzw. beider Parteien - ebenso wie eine „konkretisierende“ weitere
Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien gemäß § 38 Abs. 1 ZPO (hier: mit
Schriftsätzen vom 14. und 17. Februar 2006) - nach dem maßgeblichen Willen der
Parteien einen ausschließlichen Gerichtsstand begründen sollte (§§ 133, 157 BGB).
Ist nach alldem die Annahme des Amtsgerichts Oranienburg, die Parteien hätten
verbindlich die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-
Charlottenburg vereinbart, vertretbar, so kommt es nicht darauf an, ob das Amtsgericht
Oranienburg für sich betrachtet unter dem Gesichtspunkt des Gerichtsstandes des
Erfüllungsortes (hier: Ort des Bauvorhabens) gemäß §§ 35, 29 Abs. 1 ZPO örtlich
zuständig (gewesen) sein könnte (was nicht unumstritten ist; s. zum Streitstand etwa
Zöller/Vollkommer aaO., § 29 Rdn. 25 „Bauwerkvertrag“; Baumbach/Hartmann, aaO., §
29 Rdn. 33 m.w.Nw.). Ausgehend von der Gerichtsstandsklausel in § 14 Nr. 3 des
Generalunternehmervertrages vom 21. Oktober 1998 wäre die
Gerichtsstandsvereinbarung ohne weiteres vorrangig. Stellt man für die
Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien hingegen erst auf die Schriftsätze vom 14. und
17. Februar 2006 ab, so wäre die Verweisungsentscheidung ebenfalls - noch - vertretbar,
und zwar selbst dann, wenn man - für sich betrachtet - eine örtliche Zuständigkeit des
Amtsgerichts Oranienburg nach §§ 35, 29 Abs. 1 ZPO annehmen wollte: Nach
überwiegender - auch vom Senat geteilter - Ansicht ist eine Gerichtsstandsvereinbarung,
die erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit geschlossen wird und einen Rechtsstreit
betrifft, der bereits vor einem zuständigen Gericht anhängig ist, im Hinblick auf § 261
Abs. 3 Nr. 2 ZPO zwar nicht geeignet, dem bereits befassten Gericht die Zuständigkeit
zu nehmen, sodass die Verweisung des Rechtsstreits an das andere, als zuständig
vereinbarte Gericht in diesen Fällen nicht in Betracht kommt (s. etwa BGH NJW 1963, S.
585, 586; NJW-RR 1994, S. 126 f.; BayObLGZ 2003, S. 187, 189 f.; BayObLG,
Rechtspfleger 2002, S. 629, 630; OLG München, OLGZ 1965, S. 187, 190; OLG
Düsseldorf, OLGZ 1976, S. 475, 476 f.; OLG Zweibrücken, MDR 2005, S. 1187; Senat,
OLGR 2005, S. 1004, 1005; Zöller/Vollkommer, aaO., § 38 Rdn. 12; Zöller/Greger, aaO., §
261 Rdn. 12; Baumbach/Hartmann, aaO., § 261 Rdn. 28; Thomas/Putzo/Hüßtege, aaO., §
38 Rdn. 18; Thomas/Putzo/Reichold, aaO., § 261 Rdn. 16; Musielak/Heinrich, aaO., § 38
Rdn. 6; Musielak/Foerste, aaO., § 261 Rdn. 14; Münch.Komm.-Patzina, ZPO, 2. Aufl.
2000, § 38 Rdn. 35). Diese Ansicht ist jedoch nicht unumstritten. Unter Hinweis auf den
Stellenwert der (gemeinschaftlichen) Dispositionsbefugnis der Parteien im Zivilprozess
und auf den Wortlaut von § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO („Veränderung der sie begründenden
Umstände“ vs. „neue Umstände“) neigen einige Stimmen in der Rechtsprechung und
im Schrifttum zu der Meinung, dass eine Parteivereinbarung nach § 38 ZPO dem bereits
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im Schrifttum zu der Meinung, dass eine Parteivereinbarung nach § 38 ZPO dem bereits
befassten - an sich zuständigen - Gericht die Zuständigkeit nehmen und es verpflichten
kann, den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerseite an das als zuständig vereinbarte
Gericht zu verweisen (s. LG Waldshut-Tiengen, MDR 1985, S. 941; Münch.Komm.-Lüke,
ZPO, 2. Aufl. 2002, § 261 Rdn. 93; s. auch OLG Oldenburg, MDR 1962, S. 60 f.; OLG
Düsseldorf, NJW 1961, S. 2355, 2356; LG Flensburg, SchlHA 1979, S. 38, 39). Vor diesem
Hintergrund beruht die Verweisung des Rechtsstreits an das nachträglich als
ausschließlich zuständig vereinbarte Gericht auf einer durchaus noch vertretbaren
Rechtsauffassung und erscheint somit auch nicht schon geradezu willkürlich (so auch
OLG Düsseldorf, OLGZ 1976, S. 475, 476 f.; OLG Zweibrücken, MDR 2005, S. 1187 f.;
Senat, OLGR 2005, S. 1004, 1005 f.).
Danach erweist sich Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Berlin-
Charlottenburg insgesamt als - noch - vertretbar und somit auch frei von Willkür. Die
verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist
folglich nicht betroffen und verlangt daher auch keine Durchbrechung der gesetzlich
angeordneten Bindungswirkung (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) des Verweisungsbeschlusses
des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Februar 2006. Es kommt in diesem
Zusammenhang nicht darauf an, ob das verweisende Gericht seine
Verweisungsentscheidung richtig und umfassend begründet oder alle relevanten
Zuständigkeitsnormen behandelt hat, sondern nur darauf, ob sich die Entscheidung im
Ergebnis als - noch - vertretbar und frei von Willkür darstellt. Letzteres ist hier indes, wie
ausgeführt, der Fall.
4. Sonach verbleibt es bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg.
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