Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: mietsache, vermieter, mietvertrag, verrechnung, auskunft, handbuch, besitz, pacht, eigentum, entziehen

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 108/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 80 ZPO, § 89 Abs 2 ZPO, § 366
Abs 2 BGB, § 535 Abs 1 S 1
BGB, § 536 Abs 3 BGB
Leitsatz
1. Zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht (§ 80 ZPO) und zur Heilung
etwaiger Mängel einer Klageerhebung (§ 89 Abs. 2 ZPO).
2. Teilzahlungen des Mieters ohne ausdrücklich oder konkludente Tilgungsbestimmungen, wie
hier, sind gemäß § 366 Abs. 2 BGB vorrangig auf die Nebenkostenvorauszahlungen zu
verrechnen, denn der Vorschussanspruch ist weniger gesichert als der Anspruch auf die
Grundmiete, weil der Vermieter ihn nach Abrechnungsreife nicht mehr geltend machen kann
(vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl.,
Rn. 563 m.w.N.).
3. Der Vermieter benötigt zum Abschluss eines Mietvertrages weder Eigentum noch Besitz an
der vermieteten Sache. Nach § 535 Abs. 1 S. 1 BGB hat er dem Mieter lediglich den
Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Wie er dies bewerkstelligt, fällt
allein in sein Beschaffungsrisiko und etwaige entgegenstehende Rechte Dritter führen als
Rechtsmangel nach § 536 Abs. 3 BGB erst dann zu einer Gebrauchsentziehung, wenn der
Dritte seine Rechte so geltend gemacht, dass der Gebrauch der Mietsache durch den Mieter
beeinträchtigt wird (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 536, Rn. 29 m.w.N.).
4. Das deklaratorische Schuldanerkenntnis setzt einen Streit oder subjektive Ungewissheit
über das Bestehen der Schuld oder rechtserhebliche Punkte voraus, die die Parteien durch
das Anerkenntnis dieses zwischen ihnen bestehenden Schuldverhältnisses insgesamt oder in
einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollen (vgl.
Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 781, Rn. 3 m.w.N.).
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom
17.06.2009 – 11 O 177/08 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin beansprucht von dem berufungsführenden Beklagten rückständige
Gewerbemiete.
Die …Steuerberatungsgesellschaft mbH (fortan auch: GmbH) nutzte Geschäftsräume
im zweiten Obergeschoss eines Gebäudes L. Straße in Frankfurt (Oder) zum Betrieb
einer Steuerberatungsgesellschaft. Als deren Geschäftsführer veranlasste der Beklagte
Zahlungen in Höhe von monatlich 998,80 € incl. 123,97 € Mehrwertsteuer an die Klägerin
für die Monate Januar bis August 2005, jeweils mit dem Verwendungszweck “Miete”
sowie der Angabe der zahlungsbetroffenen Monate (vgl. Anlage B 4, 253 ff, B 1, 237 ff
GA). Mit Praxiskaufvertrag (fortan auch: PKV) vom 04.03.2005 (vgl. K 1, 37 GA) erwarb
der Beklagte von der GmbH, in Ergänzung eines Vertrages über den Erwerb ihres
Mandantenstammes in deren Niederlassung Frankfurt (Oder), deren Praxiseinrichtung,
übernahm deren Forderungen und Verbindlichkeiten und trat zum 01.09.2005 in den
Mietvertrag für die Büroräume in Frankfurt (Oder), L. Straße, ein, nachdem die
Verkäuferin hierfür die schriftliche Einverständniserklärung ihres bisherigen Vermieters
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Verkäuferin hierfür die schriftliche Einverständniserklärung ihres bisherigen Vermieters
eingeholt hat (vgl. § 6 PKV).
Auf eine auf den Mieteintritt gestützte Zahlungsaufforderung der Klägerin vom
03.02.2006 (vgl. 6 GA) erwiderte der Beklagte mit Schreiben vom 16.02.2006 (K3, 44
GA), dass die Klägerin selbstverständlich ein Anrecht auf die Miete habe, überwies ihr
3.000,00 € mit dem Verwendungszweck Miete 2005 à conto (vgl. 8 GA) und bat um
Stundung weiterer Mieten (vgl. 7 GA). Zum 03.07.2006 überwies der Beklagte der
Klägerin weitere 2.500,00 € mit dem Verwendungszweck à conto Restmiete L…straße
(vgl. 11 GA).
Unter Verrechnung der Zahlungen vom 17.02. und 03.07.2006 auf Zins- und
Hauptforderungen hat die Klägerin für die bis zum 03.07.2006 angefallenen Mieten noch
restliche 5.872,48 € beansprucht (vgl. 152 GA, Anlage 11/1, 155, 156 GA).
Der Beklagte hat gemeint, die Klage sei mangels ordnungsgemäßer Prozessvollmacht
nicht wirksam erhoben und sich gegen das Bestehen eines Mietvertrages, gegen die
Vermieterstellung der Klägerin, gegen seine Mieterstellung sowie gegen die Miethöhe
gewandt.
Das Landgericht hat den Vorstandsvorsitzenden der Klägerin um Mitteilung zu seiner
Urheberschaft für eine Prozessvollmacht vom 01.08.2008 um Auskunft ersucht (vgl. 242
GA) und nach Zeugenvernehmungen mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat
wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist,
der Klage im Umfang von 4.488,00 € stattgegeben. Ansprüche für Juli 2006 hat es
verneint.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches
Klageabweisungsbegehren im Umfang seines Unterliegens uneingeschränkt weiter. Das
Landgericht habe die Klage fälschlich als zulässig behandelt und Mietansprüche zu
Unrecht zuerkannt.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des am 17.06.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts
Frankfurt (Oder) – 11 O 177/08 – die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes
verweist der Senat auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie auf
sein Terminsprotokoll vom 10.02.2010.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen Zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht.
a) Die ordnungsgemäße Prozessbevollmächtigung des Klägervertreters (§ 80 ZPO) hat
das Landgericht anhand der schriftlichen Auskunft deren Vorstandsvorsitzenden – im
Freibeweisverfahren, das nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung zur
Ermittlung von Prozessvoraussetzungen zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1992 -
XII ZR 125/91; Juris-Textziffer 6 m.w.N. = NJW-RR 1993, 442) - tragfähig festgestellt (vgl.
242 GA). Gemäß § 89 Abs. 2 ZPO sind damit zugleich etwaige Mängel der
Klageerhebung geheilt (vgl. Musielak/Weth, ZPO, 7. Aufl., § 89, Rn. 15 m.w.N.).
b) Die Klage ist hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenständlich sind
nach der Forderungsberechnung der Klägerin vom 27.01.2009 (vgl. K11/1, 155, 156 GA)
unter Berücksichtigung der §§ 366 Abs. 2, 367 Abs. 1 BGB folgende Mieten ohne
Betriebskostenvorschüsse gewesen:
Teilzahlungen des Mieters ohne ausdrücklich oder konkludente Tilgungsbestimmungen,
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Teilzahlungen des Mieters ohne ausdrücklich oder konkludente Tilgungsbestimmungen,
wie hier, sind gemäß § 366 Abs. 2 BGB vorrangig auf die Nebenkostenvorauszahlungen
(vgl. hierzu § 5 MV vom 30.06.2003, K2, 41 GA) zu verrechnen, denn der
Vorschussanspruch ist weniger gesichert als der Anspruch auf die Grundmiete, weil der
Vermieter ihn nach Abrechnungsreife nicht mehr geltend machen kann (vgl.
Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl.,
Rn. 563 m.w.N.). Die vorrangige Verrechnung von Teilleistungen auf Zinsen folgt aus §
367 Abs. 1 BGB.
Ansprüche der Klägerin für 07/2006 hat das Landgericht verneint, für 01-06/2006 in
verbleibender Höhe von 4.973,68 € im Umfang von 4.488,00 € zuerkannt und im
Übrigen – offensichtlich unter Verkennung der geänderten Herleitung der Klageforderung
(vgl. 152 GA) - abgewiesen, wogegen die Klägerin allerdings nichts erinnert.
2. In zugesprochenem Umfang lässt das angefochtene Urteil im Ergebnis keine
Rechtsfehler zu Lasten des Beklagten erkennen. Die Klägerin hat gegen ihn in
ausgeurteiltem Umfang Ansprüche aus § 535 Abs. 2 BGB.
a) Das Bestehen eines Mietvertrages – entgeltliche Gebrauchsüberlassung auf Zeit -
zwischen der GmbH und der Klägerin zum Zeitpunkt des PKV ergibt sich aus diesem und
insbesondere aus dem damaligen Gebrauch der überlassenen Räume durch die GmbH
sowie aus deren Mietzahlungen an die Klägerin (vgl. B1, 237 GA).
Die Vermieterstellung der Klägerin hat der Beklagte im Hinblick hierauf schon nicht
wirksam bestritten und zudem, wie das Landgericht im Ergebnis tragfähig erkannt hat,
deklaratorisch anerkannt.
aa) Der Beklagte war Geschäftsführer der GmbH, die im Kaufvertrag vom 04.03.2005 als
Verkäuferin auftrat, und hat in § 6 unter der Regelung seines Eintritts in deren
Mietvertrag angegeben, die - von ihm geführte – GmbH habe die
Einverständniserklärung ihres bisherigen Vertragspartners eingeholt. Ihre bisherige
Vermieterin war zu diesem Zeitpunkt die Klägerin, woran die an sie gerichteten
Mietzahlungen der GmbH keine Zweifel lassen (vgl. Kontoauszug vom 01.08.2005 (B1,
237 GA). Sein nunmehriges prozessuales Bestreiten ist mit seinen urkundlich
dokumentierten Äußerungen nicht in Übereinstimmung zu bringen; namentlich lässt sich
ihm nicht entnehmen das Einverständnis von jemand anderem eingeholt zu haben, als
von der Klägerin, die auch die Mieten erhalten hatte.
Ob die Klägerin Eigentümerin oder Besitzerin des das Mietobjekt beherbergenden
Grundstücks gewesen ist, ist im Verhältnis zur GmbH und später zum Beklagten - wie
dieser grundlegend verkennt – unerheblich. Der Vermieter benötigt zum Abschluss eines
Mietvertrages weder Eigentum noch Besitz an der vermieteten Sache. Nach § 535 Abs.
1 S. 1 BGB hat er dem Mieter lediglich den Gebrauch der Mietsache während der
Mietzeit zu gewähren. Wie er dies bewerkstelligt, fällt allein in sein Beschaffungsrisiko und
etwaige entgegenstehende Rechte Dritter führen als Rechtsmangel nach § 536 Abs. 3
BGB erst dann zu einer Gebrauchsentziehung, wenn der Dritte seine Rechte so geltend
gemacht, dass der Gebrauch der Mietsache durch den Mieter beeinträchtigt wird (vgl.
Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 536, Rn. 29 m.w.N.). Dergleichen ist hier weder
vorgetragen noch ersichtlich.
Insbesondere existierte nach dem Beklagtenvorbringen auch kein anderweitiger
wirksamer Mietvertrag mit der GmbH, der einer Vermieterstellung der Klägerin hätte
entgegen stehen können.
bb) Davon abgesehen hat das Landgericht das Schreiben des Beklagten vom
16.02.2006 (vgl. K3, 67 GA) im Ergebnis zutreffend als deklaratorisches
Schuldanerkenntnis gewertet. Das deklaratorische Schuldanerkenntnis setzt einen Streit
oder subjektive Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder rechtserhebliche
Punkte voraus, die die Parteien durch das Anerkenntnis dieses zwischen ihnen
bestehenden Schuldverhältnisses insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit
oder der Ungewissheit entziehen wollen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 781, Rn. 3
m.w.N.). So liegt es hier. Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten bestanden –
jedenfalls aus seiner Sicht – im Anschluss an den PKV seit langem Zweifel an der
Vermieterstellung der Klägerin, deren Ordnungsgemäßheit er bereits “langfristig gerügt
hatte” (vgl. Beklagtenschriftsatz vom 26.11.2000 S 8, 74 GA). Diese Zweifel hat er mit
seinem Schreiben vom 16.02.2006 der Ungewissheit entzogen, indem er dort
ausgeführt hat, “selbstverständlich haben Sie ein Anrecht auf die Miete”. Eine
ausdrückliche Annahmeerklärung des Schuldbestätigungsvertrages durch die Klägerin
war nach § 151 S. 1 BGB entbehrlich.
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b) Die Rechtsnachfolge des Klägers in die Mieterstellung der GmbH ergibt sich aus § 6
Nr. 4 PKV.
c) Die Gebrauchsüberlassung (§ 535 Abs. 1 S 2 BGB) der bis zum 31.08.2005 der GmbH
überlassenen Räume im zweiten Obergeschoss des Gebäudes L… Straße in Frankfurt
(Oder) hat der Beklagte nach anfänglich wahrheitswidrigem Bestreiten (vgl. 94 GA) für
die streitgegenständlichen Zeiträume zuletzt gleichfalls zugestanden (vgl. 178 GA).
Danach war der Umzug in das zweite Obergeschoss bereits am 01.07.2003 erfolgt.
d) Auch die Miethöhe (§ 535 Abs. 2 BGB) hat der Beklagte nicht wirksam bestritten.
Die monatlichen Mietzahlungen der GmbH an die Klägerin betrugen bis einschließlich
August 2006 jeweils 998,80 €, woran die Kontoauszüge für die Mieten Juni bis August
2006 keine Zweifel lassen (vgl. B1, 237 GA). Für eine nachträgliche Änderung hat der
dafür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nichts ausgeführt.
Soweit er behauptet hat, die GmbH habe bis zum 31.08.2005 monatlich lediglich 861,03
€ Miete gezahlt (vgl. 105 GA), ist dies wegen offensichtlicher Unwahrheit unbeachtlich (§
138 Abs. 1 ZPO). Der Beklagte hat entgegen des ihn treffenden Vollständigkeitsgebotes
lediglich die Nettobeträge ohne Umsatzsteuer als gezahlt angegeben.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und gibt keine Veranlassung, in den
berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder
von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen. Im Übrigen beruhen
die Feststellungen des Senats auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 4.500,00 €
festgesetzt.
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