Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: liquidität, rücknahme, sachprüfung, kapitalmarkt, verwaltungsverfahren, hauptsache, verzinsung, link, quelle, behandlung

1
2
3
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
Kart W 8/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 90 EnWG, § 5 Abs 4 ARegV
Kostenverteilung nach Rechtsbeschwerderücknahme im
energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren: Verteilung
der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten;
Beschwerdewert
Leitsatz
1.) Wird die Beschwerde gegen die Festsetzung der Erlösobergrenze bei offenem
Verfahrensausgang zurückgenommen, ohne dass eine Sachprüfung stattgefunden hätte, hat
der Beschwerdeführer die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Kann nicht
festgestellt werden, dass die Regulierungsbehörde den Beschwerdeführer klaglos gestellt hat,
hat dieser auch die außergerichtlichen Kosten der Landes-regulierungsbehörde und der
Bundesnetzagentur zu erstatten.
2.) Macht der Netzbetreiber mit seiner Beschwerde geltend, die Erlösobergrenze müsse
höher festgesetzt werden, er könne nicht auf den Ausgleich ihm entstehender höherer als
berücksichtigter Kosten über das Regulierungskonto verwiesen werden, liegt seine Beschwer
in seinem durch die zu niedrige Festsetzung verursachten Liquiditätsverlust.
3.) Der Beschwerdewert bemisst sich in einem derartigen Fall an den Kreditzinsen, die der
Netzbetreiber aufwenden müsste, um den Liquiditätsverlust durch die zu niedrige
Festsetzung der Erlösobergrenze bis zu deren Ausgleich über das Regulierungskonto zu
beheben.
Tenor
Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die zur
zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der
Landesregulierungsbehörde … und der Bundesnetzagentur zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 23.520 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Die Beschwerdegegnerin
ist die für das Land … zuständige Landesregulierungsbehörde (LRB). Weiter am
Beschwerdeverfahren beteiligt ist die Bundesnetzagentur.
Die LRB setzte mit Bescheid vom 18.12.2008 die Erlösobergrenzen im Zeitraum der
ersten Regulierungsperiode 2009 bis 2013 für den Betrieb des
Elektrizitätsverteilernetzes der Beschwerdeführerin im vereinfachten Verfahren fest. Die
Beschwerdeführerin legte gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Brandenburgischen
Oberlandesgericht mit der Begründung ein, die Kosten des vorgelagerten Netzes sowie
Vergütungen für die dezentrale Einspeisung nach § 18 StromNEV müssten für das Jahr
2009 nicht nach dem Preisblatt des Betreibers des vorgelagerten Netzes vom 1.6.2008,
sondern aus den Preisblättern vom 1.2.2007 bis 31.5.2008 sowie vom 1.6.2008 bis
31.3.2009 in gewichteter Form berechnet werden.
Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, die LRB habe für das Jahr 2009 Aufwendungen
an vorgelagerte Netzbetreiber in Höhe von rund 599.899 € in die Erlösobergrenze
einbezogen. Richtigerweise hätte jedoch die LRB bei einer gewichteten Berechnung aus
zwei Preisblättern Kosten für das vorgelagerten Netz sowie Vergütungen aus dezentraler
Einspeisung in Höhe von 680.384,77 € in die Erlösobergrenze 2009 einfließen lassen
müssen. Im Jahre 2009 betrügen die voraussichtlichen tatsächlichen Kosten 720.477,63
€. Sie, die Beschwerdeführerin, sei dadurch auch beschwert. Der Ausgleich über das
4
5
6
7
8
9
10
11
12
€. Sie, die Beschwerdeführerin, sei dadurch auch beschwert. Der Ausgleich über das
Regulierungskonto beseitige die Beschwer nicht, denn dadurch verschlechtere sich ihre
Liquidität, da sie höhere Entgelte des vorgelagerten Netzbetreibers bezahlen müsse,
diesen Kosten jedoch keine entsprechenden Erlöse gegenüberstünden.
Die LRB ist der Beschwerde u. a. mit der Begründung entgegengetreten, eine etwaige
vorübergehende Beschwer der Beschwerdeführerin werde durch das Regulierungskonto
ausgeglichen. Denn ein eventuell auflaufender Differenzbetrag werde zu
kapitalmarktüblichen Konditionen verzinst, im Jahre 2009 mit 4,20 %. Wenn die
Beschwerdeführerin durch die Festsetzung der Erlösobergrenzen insoweit in
Liquiditätsschwierigkeiten gerate, könne sie die fehlende Liquidität durch eine
Kreditaufnahme vorfinanzieren. Die Kreditkonditionen dürften der Höhe nach der
Verzinsung des Guthabens auf dem Regulierungskonto entsprechen.
Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 17.11.2009 vor dem
auf den 19.11.2009 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat
mit der Begründung zurückgenommen, die Beteiligten hätten eine außergerichtliche
Lösung des Streitfalls herbeigeführt. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, sie habe
der Beschwerdeführerin, wie allen anderen Netzbetreibern in analoger Anwendung des §
5 Abs. 3 ARegV die Möglichkeit eingeräumt, das Regulierungskonto zum 1.1.2010
vorzeitig abzubauen. Dies habe die Beschwerdeführerin zum Anlass genommen, die
Beschwerde zurückzunehmen.
Die Beschwerdeführerin meint, die Kosten des Beschwerdeverfahrens seien
gegeneinander aufzuheben, die LRB beantragt, die Kosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen. Die LRB hat die Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens auf
120.578,06 € beantragt, die Beschwerdeführerin hält einen Betrag von 5.000 € für
angemessen.
II.
1.) Die Entscheidung über die Kostentragung nach Rücknahme der Beschwerde beruht
auf § 90 Satz 1 und 2 EnWG. Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs
sind im Falle der Rücknahme der (Rechts-)Beschwerde die Gerichtskosten demjenigen
aufzuerlegen, der in der Hauptsache unterlegen ist oder ohne die Rücknahme der
Beschwerde unterlegen wäre. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde
zurückgenommen wird, ohne dass eine Sachprüfung erfolgt ist. Da sich der
Beschwerdeführer mit der Rücknahme in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, sind
bei offenem Verfahrensausgang, wenn eine Sachprüfung bisher nicht erfolgt ist, die
Gerichtskosten anders als im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung jedoch
regelmäßig nicht hälftig zu teilen, sondern dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
Da hier auch nichts dafür ersichtlich ist, im Rahmen der Billigkeitserwägungen eine
abweichende Entscheidung zu treffen, hat die Beschwerdeführerin auch die
außergerichtlichen Kosten der LRB und der Bundesnetzagentur zu erstatten. Die
Entscheidung über die Kostenerstattung dient im energiewirtschaftlichen
Verwaltungsverfahren nicht der abschließenden Klärung von Rechtsfragen (vgl. BGH NJW-
RR 2007, 616, zitiert nach Juris). Es musste daher nicht geprüft werden, ob die
Beschwerde Erfolg gehabt hätte, wenn sie nicht zurückgenommen worden wäre.
Es kann auch nicht angenommen werden, dass sich die LRB durch die Möglichkeit der
vorzeitigen Auflösung des Regulierungskontos zum 1.1.2010 ihrerseits in die Position der
Unterlegenen begeben und die Beschwerdeführerin klaglos gestellt hätte. Denn
Streitgegenstand war die Höhe der festgesetzten Erlösobergrenze für das Jahr 2009. Die
LRB hat demgegenüber nicht etwa die Erlösobergrenze 2009 angehoben, sondern im
Wege einer netzbetreiberfreundlichen Analogie gemäß § 5 Abs. 3 ARegV eine Lösung
über das Regulierungskonto angeboten. Dies korrespondiert mit ihrem Vortrag im
Beschwerdeverfahren, Abweichungen der der Festsetzung für 2009 zugrunde liegenden
Kosten für das vorgelagerte Netz von tatsächlich höheren Kosten könnten nur über das
Regulierungskonto gemäß § 5 ARegV berücksichtigt werden.
Ausführungen zur Begründetheit der Beschwerde erübrigen sich auch deshalb, weil die
Beschwerdeführerin einen Antrag gemäß § 83 Abs. 2 EnWG mit dem Ziel, festgestellt zu
wissen, dass die Entscheidung der Regulierungsbehörde unzulässig oder unbegründet
gewesen ist, nicht gestellt hat.
2.) Der Wert des Beschwerdeverfahrens war gemäß den §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG auf
23.520 € festzusetzen.
Zwischen den Beteiligten ist unbestritten, dass die Kosten für das vorgelagerte Netz, die
12
13
14
15
16
17
18
Zwischen den Beteiligten ist unbestritten, dass die Kosten für das vorgelagerte Netz, die
in die Festsetzung der Erlösobergrenze 2009 für die Beschwerdeführerin einbezogen
worden sind, signifikant unter den Kosten liegen, die im Jahr 2009 tatsächlich entstanden
sind. Der einzige Streitpunkt der Beteiligten war der, ob die Berücksichtigung der
tatsächlichen Kosten sofort durch Heraufsetzung der Erlösobergrenze 2009 oder über
das Regulierungskonto erfolgen sollte. Der Streit bezog sich nur auf das Jahr 2009, weil
auch nach Auffassung der LRB die Beschwerdeführerin ab dem Jahr 2010 die
Erlösobergrenze wegen gestiegener Kosten des vorgelagerten Netzes gemäß den §§ 24
Abs. 3, 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV, 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 8 ARegV selbständig
anpassen kann. Es ging der Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde deshalb der
Sache nach um die Beseitigung ihrer Liquiditätslücke im Jahr 2009.
Diese Liquiditätslücke betrug nach dem Beschwerdevorbringen rund 80.000 €, nicht
dagegen 120.000 €. Die Beschwerdeführerin hat mit der Beschwerde die Heraufsetzung
der Erlösobergrenze um rund 80.000 € erstrebt. Sie hat lediglich ergänzend
vorgetragen, ihre Liquiditätslücke betrage tatsächlich rund 120.000 €. Auch bei einem
Erfolg der Beschwerde wäre mithin eine Differenz zwischen den in die Erlösobergrenze
2009 eingerechneten Kosten für das vorgelagerte Netz sowie Vergütungen für die
dezentrale Einspeisung nach § 18 StromNEV und den tatsächlich im Jahr 2009 hierfür auf
Seiten der Beschwerdeführerin entstehenden Kosten in Höhe von 40.000 € verblieben.
Denn die Beschwerdeführerin hat dahingehend argumentiert, die LRB hätte im Zeitpunkt
der Festsetzung der Erlösobergrenze 2009 nicht das aktuelle, bis zum 31.3.2009
geltende Preisblatt des Betreibers des vorgelagerten Netzes ihrer Berechnung zugrunde
legen dürfen, sondern - wegen der darin festgelegten ausnahmsweise außerordentlich
niedrigen Netzentgelte - noch das davor geltende Preisblatt anteilig heranziehen
müssen; aus einer Berechnung, die beide Preisblätter kombiniert, hätten sich
realistische Kosten für das vorgelagerte Netz errechnet. Die Beschwerdeführerin hat die
sie belastende Liquiditätslücke deshalb nicht in Höhe der Differenz der in die
Erlösobergrenze einbezogenen Kosten und den tatsächlichen Kosten 2009 berechnet,
sondern in Höhe der Differenz zwischen den in die Erlösobergrenze einbezogenen
Kosten und den Kosten, die die LRB von sich aus im Zeitpunkt der Festsetzung der
Erlösobergrenze hätte berechnen können. Nicht einmal die Beschwerdeführerin hat die
Auffassung vertreten, die LRB hätte im Zeitpunkt der Festsetzung der Erlösobergrenze
im Dezember 2008 die ab dem 1.4.2009 anfallenden Kosten des vorgelagerten Netzes
voraussehen können.
Für die Berechnung des Beschwerdewertes ist nicht die absolute Summe der
Liquiditätslücke maßgebend, sondern vielmehr der Betrag, den die Beschwerdeführerin
aufwenden muss, um sich diese Liquidität anderweitig auf dem Kapitalmarkt zu
beschaffen. Maßgeblich sind deshalb die Kreditzinsen, von denen die LRB
unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie der Höhe nach dem für die Verzinsung des
Regulierungskontos zugrunde zu legenden Zinssatz in Höhe von derzeit 4,20 %
entsprächen. Die Zinsen betragen bei einer Liquiditätslücke von 80.000 € und bei
diesem Zinssatz jährlich 3.360 €. Da diese Liquidität jedoch nicht nur ein Jahr fehlt,
sondern bei einem regulären Verlauf das Regulierungskonto gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1
ARegV erst im letzten Jahr der Regulierungsperiode mit Wirkung für die folgende
Regulierungsperiode ausgeglichen wird, fehlt die Liquidität von 80.000 € insgesamt fünf
Jahre. Die Zinsen auf diesen Betrag für fünf Jahre betragen insgesamt 16.800 €.
Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 ARegV erfolgt der Ausgleich des Regulierungskontos nicht sofort,
sondern gleichmäßig über weitere fünf Jahre. Die Beschwerdeführerin müsste deshalb
weitere fünf Jahre auf einen vollen Ausgleich der ihr fehlenden Liquidität warten. Ihr
entstehen deshalb in den vier ersten Jahren der zweiten Regulierungsperiode
Liquiditätslücken von 64.000 €, 48.000 €, 32.000 € und 16.000 €. Um diese Beträge zu
einem Zinssatz von 4,20 % am Kapitalmarkt zu beschaffen, fallen Zinsen in Höhe von
2.688 €, 2.016 €, 1.344 € und 672 € an, mithin insgesamt weitere 6.720 €.
Die Zinsbelastung, die die Klägerin tragen müsste, um die durch die beanstandete
Behandlung der Kosten des vorgelagerten Netzes 2009 auszugleichen, beträgt auf zehn
Jahre mithin 23.520 €.
Dass die LRB der Beschwerdeführerin ihrerseits wegen zu niedrig angesetzter
Erlösobergrenzen Zinsen gutschreiben muss, mindert die Beschwer der Klägerin nicht,
sie stellt vielmehr deren Ausgleich dar, der bei der Wertbemessung außer Betracht
bleibt. Dasselbe gilt auch für den Fall, dass die Beschwerdeführerin im Jahre 2009
möglicherweise unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mengenentwicklung höhere als
die festgesetzten Erlöse erzielt haben sollte. Derartige beschwerdefremde Gründe
können die Beschwer wegen zu niedrig angesetzter Kosten für das vorgelagerte Netz im
19
können die Beschwer wegen zu niedrig angesetzter Kosten für das vorgelagerte Netz im
Jahre 2009 nicht mindern.
3.) Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, weil es sich vorliegend nicht um einen in der
Hauptsache erlassenen Beschluss handelt, § 86 Abs. 1 EnWG.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum