Urteil des OLG Brandenburg vom 27.04.2006

OLG Brandenburg: treu und glauben, widerklage, fälligkeit, verjährungsfrist, vertretung, pastor, burg, vergütung, sanierung, zugang

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 W 28/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 121 Abs 1 ZPO, § 11 AIHonO, §
16 Nr 3 Abs 1 VOB B, § 242 BGB
Architektenvertrag: Frist für die Geltendmachung der Rüge der
mangelnden Prüffähigkeit der Architektenrechnung; Beiordnung
eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2. und 3. wird der Beschluss der 4.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), 14 O 12/04, vom 27. April 2006 teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagten zu 2. wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
von Rechtsanwalt Dr. S. R. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes
gewährt.
Dem Beklagten zu 3. wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
von Rechtsanwalt Dr. S. R. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes
gewährt, soweit er sich gegen seine Inanspruchnahme durch den Kläger wendet. Im
Übrigen wird der Antrag des Beklagten zu 3. auf Gewährung von Prozesskostenhilfe
zurückgewiesen.
Die weitergehende sofortige Beschwerde des Beklagten zu 3. wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger hat die Beklagten auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Planung und
Bauüberwachung bei der Sanierung des Salzhauses und des Bergfrieds an der Burg B.
auf der Grundlage eines zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. - deren
Gesellschafter die Beklagten zu 2. und 3. sind - geschlossenen Vertrages vom
21.10./04.11.1997 in Anspruch genommen. Mit der am 06.01.2006 beim Landgericht
eingegangenen Widerklage haben die Beklagten zu 1. und 3. Zahlung restlichen
Honorars in Höhe von 24.322,91 € nebst Zinsen verlangt. Sie haben sich insoweit zum
einen auf die Schlussrechnung vom 12.04.2000 betreffend den Vertrag vom
21.10./04.11.1997 bezogen, die einen offenen Betrag von 56.498,96 DM aufweist, auf
den sich die Beklagten zu 1. und 3. weitere Zahlungen in Höhe von insgesamt 11.748,97
DM anrechnen lassen, sodass ein Betrag von 44.749,99 DM verbleibt. Weiter haben die
Beklagten zu 1. und 3. ihre Widerklageforderung in Höhe von 1.679,94 € auf die
Schlussrechnung vom 24.01.2000 betreffend die aufgrund eines gesonderten Vertrages
erbrachten Architektenleistungen für den Umbau des Treppenzuganges zum Keller der
Burg B. gestützt. Die Leistungen aus den Architektenverträgen sind vollständig erbracht
worden. Auch hat die Klägerin gegen die Prüffähigkeit der Rechnung vom 12.04.2000
vorgerichtlich keine Einwendungen erhoben. Die Rechnung vom 24.01.2000 hat die
Klägerin geprüft und verschiedene Absetzungen vorgenommen. Mit Schreiben vom
07.08.2000 hat die Klägerin Forderungen aus Architektenleistungen in Höhe von
66.304,37 DM aufgelistet und diesen Schadensersatzansprüche wegen der ihrer Ansicht
nach mangelbehafteten Architektenleistung gegenübergestellt. Im Rechtsstreit hat die
Klägerin die Prüffähigkeit der Rechnungen in Abrede gestellt und die Einrede der
Verjährung erhoben.
Bereits mit der im Februar 2004 eingegangenen Klageerwiderung haben die Beklagten
zu 2. und 3. beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung zu bewilligen
und ihnen ihren damaligen Prozessbevollmächtigten G.H. als Rechtsanwalt beizuordnen.
Mit am 06.01.2006 eingegangenen Antrag hat der Beklagte zu 3. den Antrag auf die
nunmehr eingereichte Widerklage erweitert, zugleich haben die Beklagten zu 2. und 3.
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nunmehr eingereichte Widerklage erweitert, zugleich haben die Beklagten zu 2. und 3.
beantragt, ihnen ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten Dr. S. R. als Rechtsanwalt
beizuordnen. Dieser hat sich im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht am 27.04.2006 damit einverstanden erklärt, dass sich seine Beiordnung im
Rahmen der Prozesskostenhilfe soweit sie die Verteidigung gegen die Klage betrifft nur
auf die Gebühren ab seiner eigenen Bestellung und Antragstellung bezieht.
Mit am 27.04.2006 verkündeten Beschluss hat das Landgericht den
Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten zu 3. betreffend die Widerklage zurückgewiesen
und den Beklagten zu 2. und 3. im Übrigen Prozesskostenhilfe bewilligt sowie
Rechtsanwalt H. für die Zeit bis zum 05.01.2006 und Rechtsanwalt Dr. R. für den
Zeitraum ab diesem Datum beigeordnet.
Mit am 18.05.2006 verkündetem Urteil hat das Landgericht Klage und Widerklage
abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hinsichtlich der Widerklage hat das
Landgericht ausgeführt, die Werklohnforderung sei verjährt. Rechtsmittel sind gegen das
Urteil nicht eingelegt worden.
Die Beklagten zu 2. und 3. haben gegen diesen Beschluss, der ihnen erst am
22.05.2006 zugestellt worden ist, bereits mit am 12.05.2006 beim Landgericht
eingegangenen Schriftsatz “Beschwerde” eingelegt. Mit dem Rechtsmittel wendet sich
der Beklagte zu 3. gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für die Widerklage.
Ferner wollen die Beklagten zu 2. und 3. die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. R. für das
gesamte erstinstanzliche Verfahren erreichen.
Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat
vorgelegt. Wegen der Begründung der Nichtabhilfeentscheidung wird auf den Beschluss
vom 01.06.2006 (Bl. 398 ff d. A.) Bezug genommen.
II.
1. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO
statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere vor Ablauf der Monatsfrist des §
127 Abs. 3 ZPO eingelegt worden. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes sind die
Beklagten zu 2. und 3. durch die im angefochtenen Beschluss vorgenommene, zeitlich
jeweils begrenzte Beiordnung von zwei Rechtsanwälten beschwert. Das Landgericht ist
von dem (durch Schriftsatz vom 05.01.2006) geänderten Antrag der Beklagten zu 2. und
3. abgewichen, ihnen Rechtsanwalt Dr. R. als Prozessbevollmächtigten für die gesamte
Instanz beizuordnen. Aus dem Antrag ergibt sich weder, dass nur eine zeitlich begrenzte
Beiordnung ab Antragseingang begehrt worden ist, noch dass den Beklagten zu 2. und
3. überhaupt bewusst war, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die
Inanspruchnahme von zwei Rechtsanwälten nacheinander nicht ohne weiteres bewilligt
werden würde. Zwar ist diese Problematik ausweislich des Sitzungsprotokolls im Termin
zur mündlichen Verhandlung am 27.04.2006 erörtert worden, eine Anpassung des
Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe haben die Beklagten zu 2. und 3. jedoch
nicht vorgenommen. Die schon nach der Protokollierung von ihrem
Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen und nicht für die Beklagten zu 2. und 3.
abgegebene Einverständniserklärung zu einer beschränkten Beiordnung betrifft
ersichtlich die insoweit erforderliche Erklärung des Rechtsanwaltes, sich die Vergütung
des zuvor tätigen Anwaltes auf seine eigene Vergütung durch die Staatskasse
anrechnen zu lassen (vgl. hierzu Zöller-Philippi, ZPO, Kommentar, 25. Aufl., § 121, Rn.
35).
Die Abweichung des Landgerichtes von dem Antrag der Beklagten zu 2. und 3., ihnen
Rechtsanwalt Dr. R. für die erste Instanz umfassend als Rechtsanwalt beizuordnen,
belastet die Beklagten zu 2. und 3. auch, da insoweit die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1
Nr. 3 ZPO nicht greift (vgl. Zöller-Philippi, a. a. O., Rn. 45), sie mithin
Vergütungsansprüchen ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten ausgesetzt sind.
Schließlich erstreckt sich das Rechtsmittel notwendigerweise auch auf die zeitlich
begrenzte Beiordnung des Rechtsanwaltes H., da die Beiordnung zweier Rechtsanwälte
von den Beklagten zu 2. und 3. zu keinem Zeitpunkt beantragt worden ist und auch die
Voraussetzungen für die Beiordnung eines zweiten Anwaltes, ohne Anrechnung der
Gebühren des vorher beauftragten Prozessbevollmächtigten (vgl. hierzu Zöller-Philipps,
a. a. O., Rn. 35) nicht dargetan sind.
2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde insoweit Erfolg, als sich die Beklagten zu 2.
und 3. gegen die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. R. erst ab dem 06.01.2006 und damit
zugleich gegen die Beiordnung von Rechtsanwalt H. für den Zeitraum bis zu diesem
Zeitpunkt wenden. Den Beklagten zu 2. und 3. war ihr jetziger Prozessvertreter für die
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Zeitpunkt wenden. Den Beklagten zu 2. und 3. war ihr jetziger Prozessvertreter für die
erste Instanz umfassend als Prozessbevollmächtigter beizuordnen. Nach § 121 Abs. 1
ZPO ist ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt nach Wahl der Partei zuzuordnen.
Maßgeblich ist dabei die Angabe im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (OLG
Düsseldorf JurBüro 1986, Sp. 298). Zu beachten ist daher auch eine Änderung der Wahl
seitens der Partei durch Mandatsentzug und Benennung eines neuen Rechtsanwaltes
vor Entscheidung über den Antrag (Zöller-Philippi, a. a. O., Rn. 14). Die abweichende
Auffassung des Landgerichtes führt nicht zu sachgerechten Ergebnissen, da für ein
einzelnes Tatbestandselement des § 121 ZPO ein abweichender zeitlicher Bezugspunkt
gewählt wird, der zudem nur für den bereits verstrichenen Zeitraum gelten soll (und
kann). Auch die sonstigen im Rahmen des § 121 ZPO zu berücksichtigenden
Voraussetzungen können sich seit Antragstellung verändert haben, sodass in gleicher
Weise geprüft werden müsste bis zu welchem Zeitpunkt der ursprünglich gewählte
Anwalt zur Vertretung bereit gewesen ist und - im Parteiprozess - ab wann
gegebenenfalls die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich war. Bereits aus
prozessökonomischen Gründen erscheint eine derart umfangreiche Prüfung nicht
geboten, zumal ein Recht des ursprünglich benannten Rechtsanwaltes auf eine
Beiordnung nicht besteht (OLG Dresden FamRZ 2004, S. 122; KG FamRZ 1992, S. 1318)
und diesem seine Vergütungsansprüche gegen den Mandanten grundsätzlich
verbleiben.
3. Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte zu 3. gegen die Versagung der
Prozesskostenhilfe für die Widerklage. Dabei kann dahinstehen, ob die Erfolgsaussichten
im Beschwerdeverfahren überhaupt noch abweichend von einer rechtskräftigen
Entscheidung der Vorinstanz beurteilt werden können (verneinend OLG Düsseldorf
FamRZ 2002, S. 1713, Zöller-Philippi, a.a.O., § 119, Rn. 47, m. w. N.; bejahend OLG
Nürnberg MDR 2000, S. 657). Das Landgericht hat die mit der Widerklage geltend
gemachten Werklohnansprüche nämlich zu Recht nicht zugesprochen.
Die geltend gemachten Werklohnforderungen sind jedenfalls verjährt. Die Forderungen
aus beiden Verträgen sind im Jahre 2000 fällig geworden. Nach § 8 Abs. 1 HOAI ist für die
Fälligkeit erforderlich, dass die Leistung vertragsgemäß erbracht und eine prüffähige
Honorarschlussrechnung erstellt und übergeben wird. Die Abnahme selbst ist hingegen
keine Fälligkeitsvoraussetzung (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rn. 962).
Unstreitig sind die geschuldeten Architektenleistungen erbracht. Zwar wirft der Kläger
den Beklagten eine mangelhafte Leistungserbringung vor, da er jedoch aus diesem
Vorbringen bereits im Jahre 2000 keine Nachbesserungsansprüche sondern lediglich
Schadensersatzansprüche hergeleitet hat, ist auch die Fälligkeit des
Vergütungsanspruchs nicht gehindert (vgl. Vygen in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI,
Kommentar, 6 Aufl., § 8, Rn. 24). Die Schlussrechnung der Beklagten zu 1. vom
24.01.2000 ist auch prüffähig im Sinne von § 8 HOAI. Die Prüffähigkeit ist kein
Selbstzweck. Entscheidender Maßstab für die Prüfbarkeit sind die Informations- und
Kontrollinteressen des Auftraggebers. Hiernach bestimmt sich, wie weit der Architekt
seine Honorarrechnung aufschlüsseln muss (Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 968 f;
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl., 5. Teil, Rn. 296). Vorliegend war
dem Kläger eine Prüfung dieser Rechnung offensichtlich möglich, da er
Rechnungskürzungen vorgenommen hat. Seine Interessen sind mithin hinreichend
gewahrt. Bezüglich der Schlussrechnung vom 24.01.2000 ist es dem Kläger bereits nach
Treu und Glauben verwehrt, den Einwand fehlender Prüffähigkeit außerhalb
angemessener Frist, die in Anlehnung an § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B mit zwei Monaten ab
Zugang der Schlussrechnung anzusetzen ist, zu erheben (vgl. BGH BauR 2004, S. 316).
Da der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgerichtlich die Prüffähigkeit der ihm übersandten
Schlussrechnungen bemängelt hat, ist auch hinsichtlich dieser Rechnung bereits im
Jahre 2000 Fälligkeit eingetreten.
Auf die Werklohnforderungen findet die Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a. F.
Anwendung, die auch nach Inkrafttreten des BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden
Fassung weiter gilt, Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB. Die Verjährungsfrist ist durch die
Rechnungslegung im Jahre 2000 am 01.01.2001 gem. § 201 BGB a. F. in Gang gesetzt
worden und lief am 31.12.2002 um 24.00 Uhr ab, mithin vor Geltendmachung der
Aufrechnung der Gegenforderungen im vorliegenden Rechtsstreit, die zu einer
Hemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB geführt hätte. Zutreffend hat das Landgericht
schließlich darauf verwiesen, dass auch ein etwaiges im Schreiben vom 07.08.2000
liegendes Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB a. F. keine Auswirkungen auf den Lauf
der Verjährungsfrist gehabt hätte.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das erstinstanzliche Verfahren
gerichtsgebührenfrei ist, außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden und sich die
Inanspruchnahme des Beklagten zu 3. für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens
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Inanspruchnahme des Beklagten zu 3. für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens
bereits aus Nr. 1811 der Anlage 1 zum GKG ergibt. Eine Ermäßigung der
Zurückweisungsgebühr für den Beklagten zu 3. konnte vorliegend nicht erfolgen, da der
Wert des zurückgewiesenen Teils des Rechtsmittels den erfolgreichen Anteil deutlich
übersteigt.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO
genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung,
noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
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