Urteil des OLG Brandenburg vom 04.05.2005

OLG Brandenburg: gesellschafterversammlung, geschäftsführer, kündigung, abberufung, satzung, post, tagesordnung, verweigerung, geschäftsführung, beschlussfähigkeit

Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 84/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 256 ZPO, § 46 Nr 5 GmbHG
Gesellschaftsrecht: Anfechtung von Beschlüssen, die die
Abberufung eines Geschäftsführers und dessen Kündigung
sowie die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers betreffen
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.3.2006 verkündete Urteil der 2. Kammer
für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt/Oder teilweise abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
Auf die Klage der Klägerin zu 1. wird der zu Tagesordnungspunkt 3. der
Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. vom 4.5.2005 gefasste
Gesellschafterbeschluss der Beklagten zu 1. mit dem Inhalt, den Gesellschafter J. Sch.
zum weiteren Geschäftsführer zu bestellen und mit ihm einen Geschäftsführer-
Dienstvertrag abzuschließen, für nichtig erklärt.
Der weitergehende Antrag der Klägerin zu 1. auf Feststellung der Nichtigkeit der
in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. vom 4.5.2005 gefassten
Beschlüsse wird abgewiesen.
Die Klage des Klägers zu 2. auf Feststellung der Nichtigkeit der in der
Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. vom 4.5.2005 gefassten Beschlüsse
wird abgewiesen.
Die Klage der Klägerin zu 1. auf Feststellung der Unwirksamkeit der dem Kläger
zu 2. gegenüber am 4.5.2005 ausgesprochenen außerordentlichen und hilfsweise
ordentlichen Kündigungen der Beklagten zu 1. und 2. und des Fortbestandes des
Anstellungsverhältnisses zwischen ihm und den Beklagten zu 1. und 2. über den
4.5.2005 hinaus zu den bisherigen Bedingungen wird abgewiesen, soweit die Beklagte zu
1. in Anspruch genommen wird, und als unzulässig abgewiesen, soweit sie sich gegen
die Beklagte zu 2. richtet.
Die Klage des Klägers zu 2. auf Feststellung der Unwirksamkeit der ihm
gegenüber am 4.5.2005 ausgesprochenen außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen
Kündigungen der Beklagten zu 1. und 2. und des Fortbestandes des
Anstellungsverhältnisses zwischen ihm und den Beklagten zu 1. und 2. über den
4.5.2005 hinaus zu den bisherigen Bedingungen wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen
- die Klägerin zu 1. 90 % ihrer außergerichtlichen Kosten, 40 % der
Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 50 % der
außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.,
- der Kläger zu 2. seine außergerichtlichen Kosten, 50 % der Gerichtskosten und
jeweils 50 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 2.,
- die Beklagte zu 1. 10 % der Gerichtskosten sowie der eigenen
außergerichtlichen Kosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1..
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger und die Beklagte zu 1. können die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden,
sofern die vollstreckende Parteien nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
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I.
Die Klägerin zu 1. ist Mitgesellschafterin der Beklagten zu 1. mit einer Beteiligungsquote
von 28 %.
Der Kläger zu 2. ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2., einer
100-prozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1., gewesen.
In einer gemeinsamen Gesellschafterversammlung bei der Beklagten am 4.5.2005 um
14.00 Uhr erschienen die beiden Mitgesellschafter der Klägerin zu 1., Herr Mo. und Herr
Sch. Für die Klägerin zu 1. erschien Rechtsanwalt D., der Einwendungen gegen die
Durchführung der Gesellschafterversammlung erhob und diese gegen 14.20 Uhr verließ.
In der Gesellschafterversammlung wurden - nachdem Rechtsanwalt D. die Versammlung
verlassen hatte - Beschlüsse folgenden Inhalts gefasst:
1. Der Kläger zu 2. wurde als Geschäftsführer abberufen. Dem Geschäftsführer Mo.
wurde der Auftrag erteilt, den Kläger zu 2. aus wichtigem Grunde, vorsorglich ordentlich
zu kündigen.
2. Die Beklagte zu 1. als Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2. beschloss, den Kläger
zu 2. als Geschäftsführer der Beklagten zu 2. abzuberufen. Dem Geschäftsführer Mo.
wurde der Auftrag erteilt, das Anstellungsverhältnis des Klägers zu 2. aus wichtigem
Grund, vorsorglich ordentlich zu kündigen.
3. Herr Schu. wurde zum weiteren Geschäftsführer der Beklagten zu 1. bestellt. Zugleich
wurde dem Geschäftsführer Mo. der Auftrag erteilt, mit Herrn Sch. einen
Geschäftsführer-Dienstvertrag abzuschließen.
4. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. als Alleingesellschafterin der
Beklagten zu 2. beschloss die Bestellung des Herrn Sch. zum Geschäftsführer der
Beklagten zu 2. und beauftragte den Geschäftsführer Mo., mit Herrn Sch. einen
Geschäftsführer-Dienstvertrag abzuschließen.
Die Kläger haben die vorgenannten Beschlussfassungen mit Klage vom 10.5.2005, die
am 11.5.2005 bei dem Landgericht Frankfurt/Oder eingegangen ist - die nach
Festsetzung des Gebührenstreitwerts durch Beschluss vom 20.5.2005 und Einzahlung
von Gerichtskosten am 20.6.2005 zugestellt worden ist - angefochten.
Die Kläger haben ferner auf Feststellung angetragen, dass die von beiden Beklagten
ausgesprochenen außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigungen
unwirksam seien und das Anstellungsverhältnis des Klägers zu 2. mit den Beklagten
über den 4.5.2005 hinaus zu den bisherigen Bedingungen unverändert fortbestehe.
Mit Urteil vom 23.3.2006 hat das Landgericht der Klage der Klägerin zu 1. in vollem
Umfang und der Klage des Klägers zu 2. hinsichtlich des Feststellungsantrages
stattgegeben. Die Klage des Klägers zu 2. in Bezug auf die Anfechtung der
Gesellschafterbeschlüsse hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe
des angefochtenen Urteils wird verwiesen (Bl. 196 - 199 d.A.). Das Urteil des
Landgerichts ist den Beklagten am 3.4.2006 zugestellt worden. Die Beklagten haben
gegen das Urteil am 25.4.2006 Berufung eingelegt, die sie nach wiederholter
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1.8.2006 an diesem Tage
begründet haben.
Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung
weiter.
Die Beklagten beantragen,
die Klage unter teilweiser Abänderung des am 23.3.2006 verkündeten Urteils
abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.
II.
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Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg. Ohne Erfolg bleibt die Berufung lediglich
hinsichtlich der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. gegen die Beschlussfassungen der
Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. betreffend die Bestellung des
Gesellschafters Sch. zum weiteren Geschäftsführer.
1. Anfechtung der Beschlussfassungen vom 4.5.2005 gemäß Antrag zu 1.
1.1 Klage der Klägerin zu 1. gemäß Antrag zu 1.,
a) soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1. richtet
aa) Die Beschlussfassung über die Abberufung des Klägers zu 2. als Geschäftsführer ist
wirksam.
Die Klage ist insoweit nicht begründet.
Die Beschlussfassung ist ohne Formfehler erfolgt.
Ein Ladungsfehler ist nicht zu verzeichnen. Gemäß § 7 Abs. 2 der Satzung der Beklagten
zu 1. (nachfolgend Satzung) erfolgt die Einberufung der Gesellschafterversammlung
durch eingeschriebenem Brief mit Rückschein an jeden Gesellschafter unter Angabe von
Ort, Tag, Zeit und Tagesordnung. Die Ladungsfrist beträgt mindestens vier Wochen. Der
Lauf der Frist beginnt mit dem Tage nach der Aufgabe zur Post. Der Tag der
Versammlung wird bei der Frist nicht mitgerechnet.
Die Ladungsfrist hinsichtlich der Ladung vom 4.4.2005 wurde gewahrt.
Maßgeblich für den Beginn der Ladungsfrist ist gemäß Satzung nicht die Zustellung der
Ladung, sondern deren Aufgabe zur Post. Insofern haben die Beklagten vortragen
lassen, die Aufgabe zur Post sei am 4.4.2005 erfolgt. Dieser Umstand wird von den
Klägern zwar bestritten. Dieses Bestreiten ist jedoch nicht erheblich. Die Beklagten
haben mit Schriftsatz vom 2.3.2006 einen Auszug aus dem Einlieferungsprotokoll zu
dem streitgegenständlichen Einschreiben vom 4.4.2005 als Anlagenkonvolut B 10 zu
den Akten gereicht. Aus diesem wird ersichtlich, dass ein Einschreiben mit dem Namen
der Klägerin zu 1. als Empfängerin unter der Sendungsnummer RG 52 630 788 8 DE am
4.4.2005 zu den Akten gereicht wurde. Das vorgelegte Einlieferungsprotokoll lässt zwar
nicht unmittelbar erkennen, dass es sich um ein Protokoll der Deutschen Post AG
handelt. Dies ergibt sich jedoch aus der beigefügten Quittung, die die Deutsche Post AG
als Aussteller ausweist und unter dem 4.4.2005 erstellt wurde. Die Quittung nennt
ausdrücklich unter der Bezeichnung "Identcode" die vorgenannte Sendungsnummer und
weist diese als Einschreiben aus. Die auf der Quittung angegebenen Telefonnummern
der Deutschen Post AG entsprechen denen auf der Kopie des Einlieferungsprotokolls, die
als erstes Blatt der Anlage B 10 zu den Akten gereicht wurde. Dieser eindeutigen
Angabe des Aufgabedatums bei der Deutschen Post AG steht nicht entgegen, dass
zwischen den vorgenannten beiden Dokumenten eine Versandliste geheftet wurde, auf
der neben der Zeile mit dem Namen und der Anschrift der Klägerin zu 1. und der
vorgenannten Sendungsnummer die Datumsangabe 6.4.05 vermerkt wurde. Es kann
dahinstehen, ob dieser Vermerk das Zustelldatum wiedergeben soll. Jedenfalls widerlegt
diese Angabe nicht die ausdrückliche Bekundung der Entgegennahme des Poststücks
durch die Deutsche Post AG am 4.4.2005.
Der Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 2.3.2006, die Anlage B 10 und die in ihr
enthaltenen Angaben sind verwertbar. Das Landgericht hat in der mündlichen
Verhandlung vom 26.1.2006 darauf hingewiesen, dass die Ladungsfrist mit der Ladung
vom 4.4.2005 nicht gewahrt sei, weil sich aus der als Anlage K 3 eingereichten Ladung
das Faxdatum 6.4.2005 erkennen lasse und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum
2.3.2006 eingeräumt. Die Beklagten haben hierzu mit Schriftsatz vom 2.3.2006 unter
Bezugnahme auf die überreichte Anlage B 10 ergänzend vorgetragen. Der Schriftsatz ist
allerdings nicht innerhalb der gesetzten Frist zu den Akten gereicht worden. Das
Landgericht hat den Vortrag jedoch nicht als verspätet zurückgewiesen, sondern sich
hiermit auf Seite 7 des angefochtenen Urteils - wenn auch mit anderem Ergebnis als der
Senat - auseinandergesetzt. Überdies ist die Existenz ebenso wie der Inhalt der in Kopie
übermittelten Dokumente nicht streitig.
Da die Ladung zur Gesellschafterversammlung vom 4.4.2005 - wie von der Satzung
verlangt - als Tagesordnung der Gesellschafterversammlung die Abberufung des Klägers
zu 2. als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. nennt, sind die Formalien der Ladung in
Bezug auf diesen Tagesordnungspunkt in Ordnung.
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Der Wirksamkeit der angefochtenen Beschlussfassung zur Abberufung des Klägers zu 2.
als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. steht eine fehlende Beschlussfähigkeit der
Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. nicht entgegen.
§ 8 Abs. 2 Satzung verlangt zur Herstellung der Beschlussfähigkeit die ordnungsgemäße
Einberufung und die Anwesenheit von 75 % des stimmberechtigten Kapitals zur
Herstellung der Beschlussfähigkeit. Die Anwesenheit von 75 % des stimmberechtigten
Kapitals in der Gesellschafterversammlung vom 4.5.2005 war jedoch gegeben.
Ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. vom
4.5.2005 waren bei Beginn der Versammlung die Mehrheitsgesellschafter Mo. (48 %),
der Gesellschafter Sch. (24 %) und als Vertreter der Klägerin zu 1. (28 %) Rechtsanwalt
D. anwesend. Die Gesellschafterversammlung war daher beschlussfähig. Eine einmal
eingetretene Beschlussfähigkeit wird nicht durch das Verlassen der Versammlung durch
einen Teil der Gesellschafter wieder zu Fall gebracht (Wolff in Münchner Handbuch des
Gesellschaftsrechts, Band 3, GmbH, 2. Aufl., § 39, Rn. 74).
Soweit die Kläger auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 18.1.2006 anklingen lassen, dass
das Protokoll der Gesellschafterversammlung unrichtig sei, wird dies nicht weiter
ausgeführt. Es heißt vielmehr, dass sämtliche Gesellschafter vor Beginn der
Versammlung vertreten gewesen seien. Die Klägerin zu 1. sei von Rechtsanwalt D.
vertreten worden, welcher eine schriftliche Vollmacht vorgelegt habe. In dem Protokoll
sei dann weiter vermerkt worden, dass Rechtsanwalt D. vor Beginn der Versammlung
eine Erklärung abgegeben habe.
Diese Ausführungen decken sich nicht mit dem Inhalt des Protokolls, gemäß dem
Rechtsanwalt D. eine schriftliche Erklärung vor dem Aufruf des ersten
Tagesordnungspunktes verlesen wollte. Dass der Inhalt dieses Protokolls fehlerhaft ist,
wie die Kläger vortragen lassen, wird nicht ohne weiteres ersichtlich. Die Kläger scheinen
vielmehr die Auffassung zu vertreten, die Gesellschafterversammlung habe deshalb
noch nicht begonnen gehabt, weil Rechtsanwalt D. ihrer Durchführung widersprochen
habe. Dies stellt die Durchführung der bereits begonnenen Gesellschafterversammlung
jedoch nicht in Frage, da sich die übrigen Gesellschafter dem Votum von Rechtsanwalt
D. nicht anschlossen.
Der Wirksamkeit der Beschlussfassung steht ferner nicht entgegen, dass die
Gesellschafterbeschlüsse der Beklagten zu 1. nach § 8 Abs. 3 Satzung mit 75 % der
abgegebenen Stimmen zu fassen sind.
Diese Mehrheit wird in Ansehung der in Rede stehenden Abstimmung erreicht. Allerdings
haben sich nur die Gesellschafter Mo. und Sch. für die Abberufung des Klägers als
Geschäftsführer ausgesprochen. Die fehlende Teilnahme der Klägerin zu 1. bzw. ihres
Vertreters in der Abstimmung führt zwar dazu, dass lediglich 72 % des
Gesellschaftskapitals für die Abberufung stimmten. Die Satzung bezieht sich jedoch für
die geforderte 75-prozentige Mehrheit nicht auf das Gesellschaftskapital, sondern auf die
Zahl der abgegebenen Stimmen. Der Auszug des Vertreters der Klägerin zu 1. aus der
Gesellschafterversammlung vom 4.5.2005 bleibt deshalb jedenfalls in Ansehung der
Abberufung des Klägers zu 2. als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. ohne Folgen.
Die fehlende Teilnahme der Klägerin zu 1. an der Abstimmung ist auch nicht als
Stimmenthaltung zu verstehen, nachdem ihr Vertreter die Durchführung der
Gesellschafterversammlung als solcher abgelehnt hat. Aber selbst dann, wenn dem
Verlassen der Gesellschafterversammlung durch den Vertreter der Klägerin vor
Durchführung der Tagesordnung der Erklärungswert einer Stimmenthaltung
beigemessen würde, wäre dies für die Einstellung der satzungsgemäßen
Stimmenmehrheit unschädlich. Bei der Mehrheitsbildung zählt nicht mit, wer nicht mit
gültiger Stimme an der Abstimmung teilnimmt. Stimmenthaltungen sind insoweit nicht
als Neinstimmen zu werten (OLG Celle, GmbHR 1998, 140, 143).
Für die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses ist es unerheblich, ob die Vorwürfe des
Mitgesellschafters Mo. gegen den Kläger zu 2. hinsichtlich dessen Geschäftsführung oder
anderer Pflichtwidrigkeiten zutreffend sind. Die Abberufung eines Geschäftsführers steht
der Gesellschafterversammlung grundsätzlich frei.
bb) Soweit die Beschlussfassung vom 4.5.2005 die Kündigung des
Anstellungsverhältnisses der Beklagten zu 1. mit dem Kläger zu 2. zum Gegenstand hat,
ist sie ebenfalls wirksam.
Zu den Formalien der Beschlussfassung gelten die vorstehend zu aa) ausgeführten
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Zu den Formalien der Beschlussfassung gelten die vorstehend zu aa) ausgeführten
Erwägungen.
Ob die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung
des Anstellungsvertrages vorlagen, spielt im Rahmen der Beschlussanfechtung keine
Rolle. Es läge ein (Rechts-)Irrtum der Gesellschafter vor, der für den Bestand des
Beschlusses unerheblich ist und gegebenenfalls nach einer entsprechenden Kündigung
zu einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen der Gesellschaft und dem
gekündigten Geschäftsführer - wie hier geschehen - führen kann.
cc) Die Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. gegen die Beklagte zu 1. hat hingegen
insofern Erfolg, als die Bestellung des Gesellschafters Sch. zum weiteren
Geschäftsführer beschlossen wurde. Dieser Tagesordnungspunkt ist der Klägerin zu 1.
erst mit Schreiben des Geschäftsführers Mo. vom 20.4.2005 bekannt gemacht worden.
Mithin fehlt es an einer Wahrung der satzungsgemäßen Ladungsfrist.
b) Klage der Klägerin zu 1. gemäß Antrag zu 1. gegen die Beklagte zu 2.
Die Klage der Klägerin zu 1. auf Anfechtung der Beschlussfassungen der
Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2. vom 4.5.2005 ist unzulässig.
Der Klägerin zu 1. fehlt das gebotene Rechtsschutzinteresse. Sie ist nicht
Gesellschafterin der Beklagten zu 2.. Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2. ist
vielmehr die Beklagte zu 1.. Die Rechte dieser Alleingesellschafterin sind von der
Geschäftsführung der Beklagten zu 1. geltend zu machen (Baumbach/Hueck/Zöllner,
GmbHG, 18. Aufl., § 47, Rn. 27). Eine abweichende Regelung der Zuständigkeit für die
Ausübung der Rechte der Beklagten zu 1. als Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2.,
die in der Satzung der Beklagten zu 1. getroffen sein könnte, ist nicht ersichtlich und wird
auch nicht vorgetragen.
1.2 Klage des Klägers zu 2. gemäß Antrag zu 1.
Die Anfechtung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen der Beklagten vom
4.5.2005 ist vom Landgericht unter Hinweis auf die fehlende Aktivlegitimation des
Klägers zu 2. abgewiesen worden. Der Kläger zu 2. hat keine Berufung eingelegt.
2. Feststellung der Unwirksamkeit der am 4.5.2005 gegenüber dem Kläger zu 2.
ausgesprochenen außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung der mit dem
Kläger bestehenden Geschäftsführeranstellungsverträge und des Fortbestandes der
Anstellungsverhältnisse zwischen dem Kläger und dem Beklagten über den 4.5.2005
hinaus gemäß Antrag zu 2..
2.1 Klage der Klägerin zu 1. gemäß Antrag zu 2.
a) soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1. richtet
aa) Die Klage ist zulässig. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin zu 1. gemäß § 256
ZPO daran, ob der Dienstvertrag des Klägers zu 2. mit der Beklagten zu 1. nach
Ausspruch der außerordentlichen und vorsorglich ordentlichen Kündigung vom 4.5.2005
geendet hat oder unverändert fortbesteht, ist zu bejahen. Es ergibt sich aus der Stellung
der Klägerin zu 1. als Mitgesellschafterin der Beklagten zu 1..
bb) Die Klage bleibt jedoch ohne Erfolg.
Die außerordentliche Kündigung ist formgerecht erfolgt. Sie ist von dem Geschäftsführer
der Beklagten zu 1. Mo. dem Kläger zu 2. gegenüber ausgesprochen worden. Zwar liegt
die Zuständigkeit für die Beendigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages
regelmäßig bei der Gesellschafterversammlung. Insofern besteht eine Annexkompetenz
der Gesellschafterversammlung, die aus ihrer Zuständigkeit zur Bestellung und
Abberufung des Geschäftsführers gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG erwächst
(Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 18. Aufl., § 46, Rn. 36). Hier hat die
Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. den Geschäftsführer Mo. jedoch
zugleich mit der Beschlussfassung vom 4.5.2005 ausdrücklich zur Vornahme der
Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages mit dem Kläger zu 2. beauftragt.
Die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages hat auch unter dem
Gesichtspunkt des Erfordernisses eines wichtigen Grundes Bestand.
Der Beklagten zu 1. war die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses mit dem Kläger zu
2. bis zur nächstmöglichen ordentlichen Beendigung des Anstellungsvertrages nicht
zuzumuten.
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Die Beklagte zu 1. hat zunächst geltend gemacht, der Kläger zu 2. habe anlässlich einer
schweren Erkrankung im Herbst 2004 seine längerfristige Arbeitsunfähigkeit nicht
mitgeteilt. Dies dürfte unstreitig sein. Entgegen der Einlassung des Klägers zu 2. ist nicht
entscheidend, ob die Mitarbeiter vor Ort um seine Erkrankung wussten und seinerseits
vertretungsweise Aufgaben delegiert wurden. Es oblag ihm vielmehr, die Beklagte zu 1.
in Person des Mitgeschäftsführers Mo. bzw. ihrer Gesellschafter über seine Erkrankung
bzw. seine Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten.
Der Kläger zu 2. hat zwar vorgetragen, dass er in dem für die Zeit vom 6.9.2004 bis
12.10.2004 vorgesehenen Jahresurlaub erkrankte. Es ist jedoch davon auszugehen, dass
er aufgrund der unstreitigen Schwere der Erkrankung (Magenkrebs mit Operation) nicht
unmittelbar nach seinem Urlaub seine Geschäftsführungstätigkeit wieder aufnahm. Der
Kläger zu 2. hat für diesen Sachverhalt auch im Verlaufe des vorliegenden Rechtsstreits
nicht deutlich vorgetragen, ab wann er der Beklagten zu 1. als Geschäftsführer ganz
oder teilweise wieder zur Verfügung stand.
Der Sachverhalt der fehlenden Anzeige der Erkrankung des Klägers zu 2. bedarf jedoch
keiner weiteren Aufklärung, weil der Mitgeschäftsführer Mo. und die Mitgesellschafter seit
Ende 2004 bzw. Anfang 2005 von dem Sachverhalt ebenfalls in Grundzügen informiert
waren, sodass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die außerordentliche
Kündigung nicht mehr von einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des
Anstellungsvertrages bis zur nächstmöglichen ordentlichen Kündigung ausgegangen
werden könnte.
Hier kommt jedoch hinzu, dass der Kläger zu 2. sich auch nachträglich auf Aufforderung
der Beklagten zu 1. nicht zum zeitlichen Umfang seiner Erkrankung äußerte. Dies gilt
insbesondere für seine Befragung auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu
1. vom 21.3.2005. Der Kläger zu 2. kann seine Verweigerung zur Auskunftserteilung an
diesem Tage nicht damit begründen, dass er hiervon aufgrund von Streitigkeiten der
Gesellschafter der Beklagten zu 1. aus anderen Gründen abgesehen habe. Er hat
überdies auch in der Folge nicht dazu Stellung genommen.
Eine weitere Pflichtverletzung des Klägers zu 2., die der Beklagten zu 1. die Fortsetzung
des Anstellungsvertrages bis zur nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit
unzumutbar machte, ist die Verweigerung der Erstattung des Berichtes zur
wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft, zu dem der Kläger zu 2. von dem
Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter Mo. mit Schreiben vom 28.1.2005 aufgefordert
worden war. Die Aufforderung erfolgte zunächst zu dem Termin am 3.3.2005. Nachdem
die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 6.2.2005 ihre Verhinderung am 3.3.2005 vortrug
und um Verlegung der Gesellschafterversammlung auf den 21.3.2005 bat, erfolgte eine
entsprechende Umladung, sodass der Bericht auf dieser Versammlung vorzunehmen
war.
Ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 21.3.2005 sah sich der
Kläger zu 2. nicht in der Lage, den Bericht zu erstatten, weil er keine Informationen
darüber erhalten habe, dass dieser Bericht abzugeben sei. Ausweislich des Protokolls
wies der Mitgesellschafter Mo. auf sein Schreiben vom 28.1.2005 hin, mit dem der Kläger
zu 2. von dem Berichtsauftrag informiert wurde. Dieses hat der Kläger zu 2. auch
unstreitig erhalten und als Anlage K 12 zu den Akten gereicht. Der Kläger zu 2. hat sich
zu dem Erhalt des Berichtsauftrages mithin unzutreffend geäußert.
Der Kläger zu 2. kann seine Verweigerung des Berichtes am 21.3.2005 nicht damit
begründen, dass die Tagesordnung nicht um einen gleichen Berichtsauftrag an den
Mitgeschäftsführer Mo. erweitert wurde. Zum einen stand ihm ein Anspruch auf
Erweiterung der Tagesordnung nicht zu. Zum anderen war die Notwendigkeit einer
Berichterstattung durch den Mitgeschäftsführer Mo. nicht von gleicher Dringlichkeit, da
sich dieser um die Geschäftstätigkeit der Beklagten zu 1. bzw. des Tagesgeschäfts nach
Angaben des Klägers zu 2. wenig kümmerte.
So hat der Kläger zu 2. bereits mit der Klagebegründung ausgeführt, der Gesellschafter-
Geschäftsführer R. Mo. habe seinen Lebensmittelpunkt in K. und sei "sozusagen nur pro
forma zum Geschäftsführer bestellt worden". Er erhalte kein Gehalt, da er letztlich seine
Arbeitskraft der Beklagten auch nicht zur Verfügung stelle. Tatsächlich seien die
Geschäfte der Beklagten ausschließlich vom Kläger zu 2. geführt worden. Dieser habe
deren Geschicke bestimmt.
Auf Seite 14 des Schriftsatzes vom 18.1.2006 wird erneut vorgetragen, dass sich der
"Gesellschafter-Geschäftsführer Mo." in der Vergangenheit nicht um die
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"Gesellschafter-Geschäftsführer Mo." in der Vergangenheit nicht um die
Geschäftsführung der Beklagten gekümmert habe.
Der Kläger zu 2. kann seine Verweigerung des Berichtes am 21.3.2005 auch nicht darauf
stützen, dass es dem Gesellschafter Mo. darum gegangen sei, ein Tribunal über den
Kläger zu 2. zu führen. Als Alleingeschäftsführer war er gehalten, der
Gesellschafterversammlung Bericht auch dann zu erstatten, wenn er Kritik erwartete.
Die Versagung von Auskünften über das zeitliche Ausmaß seiner krankheitsbedingten
Fehlzeit und die Verweigerung eines Berichtes zur wirtschaftlichen Lage der Beklagten zu
1., deren Geschäftsführung nach seinen eigenen Angaben faktisch im Wesentlichen bei
ihm lag, machte es der Beklagten zu 1. und den Mitgesellschaftern unzumutbar, den
Kläger zu 2. nach seiner Abberufung als Geschäftsführer bis zur nächsten möglichen
ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte zu 1. hat auf die vorstehenden Pflichtverletzungen auch hinreichend zügig
reagiert, um deutlich zu machen, dass ihr die Fortsetzung des Anstellungsvertrages
über die Abberufung als Geschäftsführer hinaus unzumutbar ist. Die Einladung zur
Gesellschafterversammlung erfolgte am 4.4.2005, also 14 Tage nach der
Gesellschafterversammlung vom 21.3.2005. Die Ladung zu einer erneuten
Gesellschafterversammlung am 4.5.2005 konnte unter Berücksichtigung der
Ladungsfrist gemäß Satzung nicht früher erfolgen.
b) Klage der Klägerin zu 1. gemäß Antrag zu 2. gegen die Beklagte zu 2.
aa) Die Klage ist in diesem Punkt unzulässig, weil es der Klägerin zu 1. an dem gemäß §
256 ZPO zu fordernden rechtlichen Interesse an der Feststellung fehlt. Sie ist durch die
Kündigung des Anstellungsvertrages des Klägers zu 2. mit der Beklagten zu 1. weder
persönlich betroffen, noch ist sie Mitgesellschafterin der Beklagten zu 2., sodass sie an
dem Bestand des Anstellungsvertrages ein rechtliches Interesse haben könnte.
2.2 Klage des Klägers zu 2. gemäß Antrag zu 2.,
a) soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1. richtet
aa) Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ist zu erkennen.
bb) Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die außerordentliche Kündigung ist formgerecht erfolgt. Auf die Ausführungen unter 2.1
a) bb) wird verwiesen.
Die Beklagte zu 1. hatte auch wichtigen Grund für die ausgesprochene außerordentliche
Kündigung. Auf die Ausführungen unter 2.1 a) bb) wird Bezug genommen.
b) Klage des Klägers zu 2. gemäß Antrag zu 2. gegen die Beklagte zu 2.
Auch insofern kann die Klage des Klägers zu 2. keinen Erfolg haben.
Auf die Ausführungen zu 2.2 a) wird Bezug genommen.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1,
708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
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