Urteil des OLG Brandenburg vom 12.10.2004

OLG Brandenburg: vertragsstrafe, verlängerung der frist, grundstück, vertragsschluss, verwirkung, investition, rückübertragung, fristverlängerung, beweislast, vollstreckung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 194/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 339 BGB, § 340 BGB, § 5
AGBG, § 9 AGBG, Art 229 § 5
BGBEG
Treuhandvertrag: Wirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel
hinsichtlich der zu erfüllenden Investitionsverpflichtung
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.10.2004 verkündete Urteil des
Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 12 O 529/03, wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem
Grundstückskaufvertrag mit Investitionsverpflichtung in Höhe von 324.276,65 € (=
634.230,00 DM) in Anspruch. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem am 12.10.2004
verkündeten Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
In dem angegriffenen Urteil hat das Landgericht Frankfurt (Oder) die Beklagten zu der
Zahlung der geforderten Vertragsstrafe verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht
die Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung bejaht. Die zu übertragenden Flächen
seien bei Vertragsschluss „noch anmeldebehaftet“ im Sinne des InVorG gewesen. Dies
ergebe sich insbesondere aus der Bescheinigung des ARoV vom 07.05.1997 und dem
Investitionsvorrangbescheid vom 23.07.1997. Die Verpflichtung zur Zahlung der
Vertragsstrafe sei auch nicht nachträglich weggefallen. Die Durchführungsfiktion nach §
13 Abs. 1 Satz 3 InVorG lasse den hiervon unabhängigen Anspruch auf Zahlung der
Vertragsstrafe unberührt, da es sich hierbei im öffentlichen Interesse um ein (weiteres)
Mittel zur Erreichung des investiven Zwecks handele. Das Vorbringen der Beklagten, die
Investitionsverpflichtung sei nur wegen der vermögensrechtlichen Ansprüche vereinbart
worden und habe daher keine eigenständige Bedeutung, entspreche nicht den weiteren
vertraglichen Regelungen. Eine Störung der Geschäftsgrundlage sei nicht zu erkennen.
Die Vertragsstrafe sei auch fällig. Ein nachhaltiger Beginn der Investitionsmaßnahme
könne nicht festgestellt werden. Die Beklagten hätten lediglich in die Planung und die
Bauvorbereitung investiert. Nicht voraussehbare dringende betriebliche Gründe, die die
Beklagten an der Einhaltung der Frist zur Erfüllung der Investitionsverpflichtung gehindert
hätten, seien nicht ausreichend vorgetragen. Die Vertragsstrafe sei schließlich auch
nicht unangemessen hoch.
Mit der Berufung rügen die in der I. Instanz unterlegenen Beklagten das Verfahren und
die materielle Rechtsanwendung. Die Beklagten sind weiterhin der Auffassung, die
Investitionszusage sei ausschließlich mit der fehlenden Anmeldefreiheit des Grundstücks
verknüpft, da die Investitionen auf den „anmeldebehafteten Flächen“ durchzuführen
gewesen seien. Sie behaupten, die Investitionsverpflichtung in § 8 des notariellen
Grundstückskaufvertrages vom 20.03.1997 sei ausschließlich deshalb in den Vertrag
aufgenommen worden, um die während der Kaufvertragsverhandlungen bekannt
gewordenen Anmeldungen auf Rückübertragung des Kaufgegenstandes nach dem
VermG zu überwinden. Die Parteien seien sich bei Vertragsschluss darüber einig
gewesen, dass die Investitionsverpflichtung nicht selbständig sein und damit nicht
ungeachtet der Ansprüche aus dem Vermögensgesetz bestehen sollte.
Das Landgericht habe es - ungeachtet seiner Verkennung der Beweislast - jedenfalls
versäumt, den Beweisantritten der Beklagten zur Anmeldefreiheit der Flächen zum
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versäumt, den Beweisantritten der Beklagten zur Anmeldefreiheit der Flächen zum
Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Kaufvertrages nachzugehen. Die Beklagten seien
zudem mit ihrem Investitionsvorhaben nicht in Verzug gekommen, da das Vorhaben
bereits vor dem Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist nach der Fiktion des § 13 Abs. 1
Satz 3 InVorG als durchgeführt galt. Die Vertragsstrafe habe daher gar nicht mehr
verwirkt werden können. Bei der vertraglichen Vereinbarung der Parteien handele es sich
um keine selbständige Vertragsstrafenabrede. Im übrigen seien die Darlegungen der
Beklagten zu den nicht voraussehbaren dringenden betrieblichen Gründen für die
Verzögerung des Investitionsvorhabens ausreichend. Zudem sei die Klägerin verpflichtet
gewesen, die Durchführungsfrist zu verlängern. Die Vertragsstrafe sei unangemessen
hoch. Schließlich verstoße die Vereinbarung auch gegen § 9 AGBG.
Die Beklagten beantragen,
die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 12 O 529/03 -
vom 12.10.2004 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hält das Verfahren des Landgerichts und seine
Anwendung des materiellen Rechts für fehlerfrei und vertieft ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
Der Senat hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 01.06.2005 durch die
Vernehmung der Zeugen R. und D. Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.09.2005 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der vertraglich
vereinbarten Vertragsstrafe aus § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 des
Grundstückskaufvertrages vom 20.03.1997 i. V. m. §§ 339 Satz 1, 340 Abs. 1 Satz 1
BGB in der von dem Landgericht ausgeurteilten Höhe.
a) Das Vertragsstrafeversprechen ist zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden.
aa) Den Beklagten ist im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht der Nachweis gelungen,
dass die Parteien die Klausel über die Vertragsstrafe in § 8 Abs. 2 Satz 2 des
Grundstückskaufvertrages bei Vertragsschluss übereinstimmend dahin verstanden
haben, dass die Investitionsverpflichtung nicht selbständig sein und damit nicht
ungeachtet der Ansprüche aus dem Vermögensgesetz bestehen solle, da sie
ausschließlich deshalb in den Vertrag aufgenommen worden sei, um die während der
Kaufvertragsverhandlungen bekannt gewordenen Anmeldungen auf Rückübertragung
des Kaufgegenstandes nach dem VermG zu überwinden.
(1) Aus den Bekundungen der Zeugen D. und R., die damals auf Verkäuferseite mit den
Beklagten verhandelt haben, ergibt sich nicht, dass die Parteien bei Vertragsschluss die
Vereinbarungen in § 8 des Grundstückskaufvertrages derart einschränkend verstanden
haben könnten. Der Zeuge D. hat zwar ausgeführt, dass die Anmeldung
vermögensrechtlicher Ansprüche an dem Grundstück Anlass für die Aufnahme einer
Investitionsverpflichtung gewesen sei, da in solchen Fällen eine Veräußerung des
Grundstücks auf der Grundlage des InVorG nur auf diese Weise möglich gewesen sei.
Ansonsten hätte eine Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht erteilt werden dürfen.
Insoweit diente die Investitionsverpflichtung der Überwindung der geltend gemachten
Ansprüche aus dem Vermögensgesetz. Die hieraus von den Beklagten gezogene
Schlussfolgerung, die Verpflichtung zur Durchführung von Investitionen - und damit auch
zur Zahlung einer Vertragsstrafe bei Nichterfüllung der Verpflichtung - sei nur für den Fall
der Berechtigung der vermögensrechtlichen Ansprüche in den Vertrag aufgenommen
worden, hat der Zeuge D. indes nicht bestätigt. Er hat vielmehr - in Übereinstimmung
mit dem Wortlaut des Vertrages - durchaus glaubhaft ausgeführt, dass die
Vertragsstrafe die Nachhaltigkeit der Investitionsverpflichtung sichern sollte und beides
nicht nur „pro forma“ vereinbart worden sei. Bei dem Vertragsschluss der Parteien sei
seiner Erinnerung nach auch nicht darüber gesprochen worden, dass die
Vertragsstrafenansprüche entfallen sollten, wenn die vermögensrechtlichen Ansprüche
sich nicht als erfolgreich herausstellen würden. Eine derartige Absprache wäre ansonsten
in den schriftlichen Vertrag aufgenommen worden. Auch der Zeuge R. hat die
Behauptung der Beklagten mit seiner Aussage nicht bestätigt. Er hat vielmehr über die
Angaben des Zeugen D. hinaus bekundet, dass die Summe der in dem Vertrag
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Angaben des Zeugen D. hinaus bekundet, dass die Summe der in dem Vertrag
vorgesehenen Investitionen für die Beklagten damals kein Problem dargestellt habe, da
sie stark an dem Erwerb des Grundstücks interessiert gewesen seien und ohnehin
vorhatten, hierauf nach dem Abriß der vorhandenen Gaststätte Wohnungen zu errichten.
Über die Vertragsstrafe sei mit ihnen bei den Kaufvertragsverhandlungen nicht
gesprochen worden.
(2) Aufgrund dieser Bekundungen der Zeugen steht für den Senat kein von dem
Vertragstext abweichender Wille der Vertragsparteien fest, der der Auslegung des
schriftlichen - auch notariellen - Vertrages gemäß § 4 AGBG vorgehen könnte (vgl. hierzu
BGH, Urteil vom 22.03.2002, NJW 2002, 2102, 2103).
bb) Das Vertragsstrafeversprechen des § 8 Abs. 2 Satz 2 des Grundstückskaufvertrages
steht zudem im Einklang mit den gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB anwendbaren
Bestimmungen des AGBG.
(1) Bei investiven Verträgen mit der Treuhandanstalt und ihren Unternehmen ist
regelmäßig das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne von § 1 Abs.
1 AGBG zu vermuten (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2002, aaO.). Die Richtigkeit dieser
Vermutung auch im vorliegenden Fall haben die Zeugen D. und R. bestätigt, indem sie
erläuterten, dass damals der Kaufvertrag durch das Zusammensetzen bereits
vorhandener, regelmäßig verwendeter Bausteine geschrieben wurde.
(2) Eine Vertragsstrafe, die in einem investiven Vertrag der Treuhandanstalt oder ihrer
Unternehmen versprochen wird, verstößt jedoch selbst bei einer
verschuldensunabhängigen Ausgestaltung nicht gegen § 9 AGBG, wenn ihre Höhe an
den Umfang der geschuldeten Leistung, deren Erfüllung sie sichern soll, anknüpft und
durch ihn nach oben begrenzt wird, weil dies durch gewichtige Gründe gerechtfertigt ist
(vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26.05.1999, BGHZ 141, 391 = NJW 1999, 2662; Urteil vom
09.02.2000, VIZ 2000, 377; Urteil vom 06.12.2002, VIZ 2003, 307; so auch Palandt-
Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 307 Rn. 152; § 309 Rn. 39, § 339 Rn. 3 m. w. N.).
Die Höhe der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsstrafe ist angesichts dieser
Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nicht zu beanstanden. Mit der
vorliegenden Ausgestaltung der Vertragsstrafe in § 8 Abs. 2 Satz 2 des
Grundstückskaufvertrages in einer Höhe von 20 % der nicht investierten Summe wird
dem Zweck des Kaufvertrages, zur Investition anzuhalten, in besonderem Maße
Rechnung getragen. Bei investiven Verträgen über Vermögen aus dem Bereich der
Treuhandanstalt kommt es ganz besonders auf die Sicherstellung der Investitionen an,
um leistungs- und konkurrenzfähige Wirtschaftsstandorte und damit im Ergebnis sichere
Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses Anliegen kann es sogar im Einzelfall rechtfertigen, dem
Erwerber durch eine investitionsadäquate Höhe der Vertragsstrafe den Anreiz zu
nehmen, von seinem, der Veräußerung zugrunde liegenden Vorhaben abzugehen (so für
eine 100 %-ige Vertragsstrafe: OLG Naumburg, Urteil vom 10.02.2004, VIZ 2004, 246).
b) Die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen zur Verwirkung der Vertragsstrafe
gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 des Grundstückskaufvertrages vom 20.03.1997
liegen vor.
aa) Die Beklagten haben entgegen ihrer vertraglichen Zusage auf dem an sie verkauften
Grundstück in W. nicht mindestens 4.000.000,00 DM bis zum 31.12.2000 in das
Vorhaben „Errichtung eines Wohnkomplexes“ investiert. Zwischen den Parteien ist
unstreitig, dass die Beklagten für ihr Investitionsvorhaben bisher lediglich Planungs- und
Vorbereitungskosten in Höhe von 828.850,00 DM aufgewandt haben. Angesichts der
damit in einem Umfang von 3.171.150,00 DM unterbliebenen Investitionen ergibt sich
aus § 8 Abs. 2 Satz 2 des Grundstückskaufvertrages eine - rechnerisch unstreitige -
Vertragsstrafe in Höhe von 324.276,65 €. Dass die teilweise erbrachte
Investitionssumme im Sinne von § 8 Abs. 2 des Grundstückskaufvertrages unzureichend
für einen nachhaltigen Beginn der Maßnahme ist, hat das Landgericht zutreffend
festgestellt und ist zwischen den Parteien in der Berufung auch nicht mehr im Streit.
bb) Der Anfall der Vertragsstrafe wird nicht dadurch gehindert, dass das Grundstück
spätestens seit dem 14.07.2000 - damit vor dem Ablauf der vertraglich vereinbarten
Investitionsfrist - in vermögensrechtlicher Hinsicht anmeldefrei geworden ist.
(1) Die Investitionsverpflichtung des § 8 Abs. 1 des Grundstückskaufvertrages bezieht
sich auf das gesamte Grundstück, ohne dass hierbei die vertragsstrafenbewehrte Pflicht
zeitlich oder sachlich mit der Klärung der von dritter Seite erhobenen
vermögensrechtlichen Ansprüche verknüpft worden ist.
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Die in der Vertragsbestimmung verwendete Formulierung „auf den anmeldebehafteten
Flächen“ beschränkt die Investitionspflicht in zeitlicher Hinsicht nicht auf das Grundstück,
solange es von Ansprüchen nach dem VermG betroffen ist. Mit der von den Parteien in §
8 des Kaufvertrages gewählten Formulierung wird lediglich der damalige Zustand der
verkauften Flächen im Anschluss an den Hinweis auf vermögensrechtliche Ansprüche (§
6 des Vertrages) zum Ausdruck gebracht. Die Verwendung der von den Beklagten
angeführten Formulierung ist in dem üblichen sprachlichen Verständnis gleichbedeutend
mit „auf dem Grundstück“. Dieses Verständnis des Vertragstextes durch den Senat hat
auch der Zeuge D., der den Entwurf des notariellen Kaufvertrages auf Seiten der
Klägerin erstellt hat, auf Nachfrage des Beklagtenvertreters uneingeschränkt geteilt.
Inhaltlich spricht insbesondere die in § 8 Abs. 4 des Vertrages getroffene Regelung zu
der möglichen Verlängerung der Investitionsfrist außerhalb des Anwendungsbereiches
des InVorG deutlich dafür, dass auch nach Erledigung der vermögensrechtlichen
Ansprüche eine Pflicht zur Durchführung des Investitionsvorhabens für die Beklagten
bestehen soll. Anderenfalls würde diese Regelung zur Fristverlängerung durch die
Verkäufer außerhalb des Anwendungsbereichs des InVorG keinen Anwendungsbereich
haben. Bei der aufgezeigten Auslegung des § 8 Abs. 1 durch den Senat bestehen keine
inhaltlichen Zweifel, so dass die Anwendung des § 5 AGBG nicht in Betracht kommt.
(2) Die Verwirkung der Vertragsstrafe wird auch nicht durch den Eintritt der
Durchführungsfiktion des § 13 Abs. 1 Satz 3 InVorG gehindert.
(a) Der Eintritt der Durchführungsfiktion nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InVorG - eine Norm, die
erst nach dem notariellen Vertragsschluss der Parteien durch das
Wohnraummodernisierungsgesetz vom 17.07.1997 in das InVorG eingeführt worden ist -
hat auf den Anfall oder das Fortbestehen einer Vertragsstrafe keine Auswirkung (vgl.
hierzu BGH, Urteil vom 22.03.2002, aaO.; so auch der erkennende Senat, Urteil vom
17.07.2002, Az.: 4 U 63/01, Seite 6 des Urteilsumdrucks), sondern zeitigt lediglich die
Folgen, dass der Investitionsvorrangbescheid nicht mehr aufgehoben werden (§ 15 Abs.
1 InVorG) und daher eine Pflicht zur Rückübertragung des Grundstücks (§ 12 Abs. 3 Satz
1 InVorG) nicht mehr entstehen kann (vgl. auch Rodenbach/Söfker/Lochen, InVorG, § 12
Rn. 12 a). Aus der Durchführungsfiktion des § 13 Abs. 1 Satz 3 InVorG lässt sich jedoch -
insbesondere im Hinblick auf § 8 Abs. 1 und Abs. 4 des Grundstückskaufvertrages - kein
Rückschluss auf einen gleichzeitigen Fortfall der privatrechtlichen
Investitionsverpflichtung und der zugehörigen Vertragsstrafe ziehen. Die
Investitionsverpflichtung ist in dem vorliegenden Vertrag privatrechtlich als
vertragsstrafenbewehrte Hauptleistungspflicht ausgestaltet, hat damit im weiteren Sinne
kaufpreisersetzende Funktion (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 06.12.2002, MDR 2003, 320-
322 m. w. N.) und ist nicht durch das Bestehen vermögensrechtlicher Ansprüche Dritter
bedingt.
(b) Soweit die Beklagten die Auffassung vertreten, der Bundesgerichtshof habe mit der
Entscheidung vom 22.03.2002 nur die Fallkonstellation einer bereits vor dem Eintritt der
Durchführungsfiktion verwirkten Vertragsstrafe entschieden, die dann - nach der
Verwirkung - nicht mehr entfallen solle, gilt für die hier vorliegende zeitliche Abfolge
nichts anderes. Die Interessenlage der an einem investiven Vertrag Beteiligten spricht
klar dafür, dass die Zufälligkeit, ob bei dem Ablauf der vertraglich vereinbarten
Investitionsfrist die Durchführungsfiktion nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InVorG bereits
eingetreten ist - dies hängt ausschließlich von der nicht vorhersehbaren
verwaltungsbehördlichen und/oder -gerichtlichen Laufzeit des zu dem betroffenen
Grundstück anhängigen vermögensrechtlichen Verfahrens ab -, die Verwirkung der
Vertragsstrafe nicht beeinflussen kann. Eine Beschränkung der Investitionspflicht nur für
den Fall, dass vermögensrechtliche Ansprüche Dritter tatsächlich bestehen sollten oder
zumindest innerhalb der vertraglich vereinbarten Investitionsfrist das
Restitutionsverfahren nicht bestandskräftig erledigt werden kann, lässt sich dem Vertrag
an keiner Stelle - weder ausdrücklich noch konkludent - entnehmen. Eine solche
Vorgehensweise würde auch den von der damaligen Treuhandanstalt verfolgten
Interessen, insbesondere ihren „weichen“ Zielen zum wirtschaftlichen Aufbau der neuen
Bundesländer, klar entgegenlaufen. Zudem wäre ein eingeschränktes
Vertragsstrafeversprechen mit den notwendigen Regelungen des
Investitionsvorrangbescheides, der gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 des
Grundstückskaufvertrages vom 20.03.1997 gegenüber den weiteren vertraglichen
Bestimmungen vorrangig ist, nicht zu vereinbaren. Bis zum Abschluss des
Restitutionsverfahrens ist es im Anwendungsbereich des Investitionsvorranggesetzes
stets ungewiss, ob und inwieweit eine Restitution erfolgen wird. Die zwingende Regelung
des § 8 Abs. 2 Satz 2 InVorG lässt es hierbei nicht zu, die Wirksamkeit der
Vertragsstrafenregelung bis zum Abschluss des Restitutionsverfahrens ungeklärt zu
lassen.
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cc) Die Berechtigung der Klägerin zur Geltendmachung der Vertragsstrafe wird auch
nicht durch ihre unterlassene Antwort auf den Fristverlängerungsantrag der Beklagten
vom 05.04.2000 beeinträchtigt.
(1) Aufgrund des § 8 des notariellen Kaufvertrages bestand für die Beklagten - auch
außerhalb des InVorG - die Möglichkeit zur Verlängerung der bis zum 31.12.2000
vereinbarten Investitionsdurchführungsfrist. Die Beklagten haben jedoch an ihrem an die
Klägerin gerichteten Fristverlängerungsantrag vom 05.04.2000 nach dem
Antwortschreiben der BvS vom 14.07.2000 nicht mehr festgehalten, sondern sich in den
weiteren Schreiben an die Klägerin ab dem 24.07.2001 nur noch dahin geäußert, von der
Verpflichtung ganz befreit werden zu wollen.
Zwar trifft es zu, dass an dem Verkauf des Grundstücks neben der Klägerin auch die BvS
beteiligt war und eine Differenzierung in dem Geflecht der Treuhandunternehmen
zuweilen schwierig sein kann, gleichwohl ist es nicht treuwidrig, dass die Klägerin die
Beklagten durch die Geltendmachung der Vertragsstrafe an der nicht verlängerten Frist
festhält. Immerhin haben die Beklagten ihr Schreiben vom 05.04.2000 zunächst richtig
an die Klägerin als Verkäuferin gerichtet und sich gleichwohl mit einem Antwortschreiben
der BvS - Stelle für Investitionsvorrangentscheidungen - zufrieden gegeben. Auch wenn
dieses Schreiben von einer öffentlichen Stelle stammte, waren die Beklagten hierdurch
nicht jeder Prüfung des Inhalts enthoben. Immerhin traf § 8 Abs. 4 des
Grundstückskaufvertrages eine Regelung zu der Möglichkeit zur Fristverlängerung auch
außerhalb des Anwendungsbereichs des InVorG. Die nötige Sorgfalt in eigenen
Angelegenheiten hätte es jedenfalls erfordert, nach dem Feststehen der Anmeldefreiheit
des Grundstücks noch einmal Rücksprache mit dem eigentlichen Vertragspartner im
Hinblick auf die Notwendigkeit einer Fristverlängerung zur Durchführung der vertraglich
zugesagten Investitionen zu nehmen. Im übrigen sprechen die Umstände des Falles
keineswegs dafür, dass die Beklagten das Schreiben der BvS falsch verstanden haben.
In ihren Schreiben an die Klägerin vom 24.07.2001 und später haben sich die Beklagten
intensiv um die Aufhebung der vertraglichen Investitionsverpflichtung bemüht, ohne sich
in diesem Zusammenhang auf die Anmeldefreiheit des Grundstücks zu berufen.
Offensichtlich war den Beklagten das Fortbestehen ihrer vertraglichen
Investitionsverpflichtung ebenso bewusst wie der Zusammenhang dieser Pflicht mit der
Vertragsstrafe.
(2) Selbst wenn in der Weiterleitung und Behandlung des Antrags vom 05.04.2000 durch
die Klägerin eine dortige Vertragsverletzung gesehen werden sollte, wäre den Beklagten
im Wege des Schadensersatzes nur das zu gewähren, was sie bei ordnungsgemäßer
Sachbehandlung erhalten hätten. Angesichts der unstreitigen Verzögerung des
Baugenehmigungsverfahrens war die Klägerin grundsätzlich zu einer wohlwollenden
Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Investitionsfrist „nach billigem
Ermessen“ verpflichtet. Die Erteilung der Baugenehmigung an die Beklagten im Januar
2001 hätte dafür gesprochen, die Investitionsfrist zunächst um zehn Monate zu
verlängern und hiermit die Möglichkeit zu einem fristgerechten nachhaltigen Beginn der
Investitionsmaßnahme zu eröffnen. Allerdings wäre spätestens nach den deutlichen
Erklärungen der Beklagten zum Fortfall ihrer Investitionsabsicht, insbesondere in dem
Schreiben vom 26.10.2001 („Zurückstellung des Investitionsziels auf unbestimmte
Zeit“), eine weitere Verlängerung der Frist über den 31.10.2001 hinaus nicht mehr in
Betracht gekommen.
dd) Die Beklagten sind nicht durch nicht voraussehbare, dringende betriebliche
Erfordernisse im Sinne des § 8 Abs. 3 des notariellen Vertrages an der Durchführung der
Investition gehindert worden.
(1) Die gewählte vertragliche Formulierung entspricht fast wörtlich § 14 Abs. 2 Satz 2
InVorG, so dass die hierzu ergangene Rechtsprechung zur Auslegung herangezogen
werden kann. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass der Verpflichtete
nicht von den typischen Risiken eines Investors befreit werden soll (vgl. Urteil vom
06.12.2002, VIZ 2003, 307, 308 m. w. N.). Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende
Senat. Die Beklagten haben keine besonderen Umstände vorgetragen, die über das
typische Investorenrisiko hinausgehen. Betriebliche Gründe, die nach der Erteilung der
Baugenehmigung einer Durchführung des Vorhabens entgegengestanden haben
könnten, legen die Beklagten - mit Ausnahme der nicht zu berücksichtigenden
allgemeinen Veränderung des Immobilienmarktes - nicht dar.
(2) Soweit die Beklagten zur Begründung ihrer Berufung den erstinstanzlichen
Schriftsatz vom 08.12.2003 in Bezug nehmen, enthält die dortige Ziffer 9 nur
Ausführungen zu der Verzögerung des Baugenehmigungsverfahrens. Die hier
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Ausführungen zu der Verzögerung des Baugenehmigungsverfahrens. Die hier
dargelegte Verzögerung der Erteilung einer Baugenehmigung hätte allerdings - wie
bereits ausgeführt - allenfalls eine Verlängerung der Investitionsfrist gerechtfertigt.
Hieraus ergibt sich jedoch kein derart untypisches Investorenrisiko, dass die Ausführung
der Investition für immer auszuschließen wäre. Vielmehr ist den Beklagten vorzuhalten,
dass sie nach der Erteilung der Baugenehmigung im Januar 2001 nicht unverzüglich mit
der Weiterführung des Projektes begonnen haben. Innerhalb einer (fiktiv) bis zum
31.10.2001 verlängerten Frist wäre es ihnen ohne weiteres möglich gewesen, das
Vorhaben durch den Beginn der konkreten Baumaßnahmen so zu fördern, dass ein
nachhaltiger Beginn eingetreten wäre und damit eine Verwirkung der Vertragsstrafe
ausgeschlossen gewesen wäre.
c) Unter dem Gesichtspunkt einer Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313
Abs. 2 BGB besteht kein Anlass zur Anpassung des notariellen
Grundstückskaufvertrages. Insbesondere ist die Vereinbarung der Vertragsstrafe von
den Parteien nicht unter falschen Voraussetzungen hinsichtlich der fehlenden
Anmeldefreiheit des Grundstücks getroffen worden.
aa) Das Landgericht hat in den Entscheidungsgründen inhaltlich überzeugend und in
Übereinstimmung mit allen von den Parteien vorgelegten Unterlagen festgestellt, dass
sowohl zum Zeitpunkt des notariellen Vertragsschlusses als auch zum Zeitpunkt der
Erteilung des Investitionsvorrangbescheides das Grundstück noch mit (vermeintlichen)
Rückgabeansprüchen nach dem Vermögensgesetz belastet war. Anders lässt sich auch
die Erteilung eines Investitionsvorrangbescheides zugunsten der Beklagten nicht
erklären. Zur weiteren Begründung wird auf die Seiten 9 und 10 der angegriffenen
Entscheidung verwiesen.
bb) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beklagten, die weiterhin die Beiziehung der
Akten des ARoV begehren, sind unberechtigt. Unabhängig von der Frage der
Darlegungs- und Beweislast, die das Landgericht für den Nachweis eines anderen
Restitutionsablaufes als den durch die Auskünfte und Bescheide belegten Umständen
zurecht den Beklagten auferlegt hat, gibt es in den Darlegungen beider Parteien keinen
konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die zeitlichen Abläufe der vermögensrechtlichen
Verfahren anders als von dem Landgericht festgestellt gewesen sein könnten. Bei dieser
Sachlage gibt es für den Senat weder einen Anlass noch eine Handhabe dafür, eine
Beweiserhebung zu dem genauen Zeitpunkt der Erledigung der Restitutionsanträge der
Herren K. und Kn. durchzuführen.
2. Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Zur
weiteren Begründung wird auf Seite 16 des angegriffenen Urteils verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 324.276,65 € festgesetzt.
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