Urteil des OLG Brandenburg vom 24.11.2004

OLG Brandenburg: steuerberater, treu und glauben, steuererklärung, beschränkte haftung, einspruch, beratung, gewerbesteuer, sthg, mitverschulden, gebühr

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 U 1/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 254 Abs 2 BGB, § 276 BGB, §
839 BGB, Art 34 GG, § 1 StHG
Amtshaftung wegen eines fehlerhaften
Gewerbesteuermessbescheides des Finanzamtes:
Versehentliche Datenfehleingabe in ein
Datenverarbeitungssystem; beschränkte Haftung des beklagten
Bundeslandes auf Ersatz von Steuerberaterkosten für ein
Einspruchsverfahren in Ansehung eines Verstoßes gegen die
Schadenminderungspflicht bei fehlerhaft unterbliebener
Aufklärung des Mandanten über die entstehenden
Steuerberaterkosten
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 24. November 2004 verkündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 4 O 220/04 unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung
wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin € 13.343,- nebst Zinsen in Höhe von 5
%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. März 2004 zu zahlen. Im Übrigen wird
die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens haben die Klägerin
zu 5/6 und das beklagte Land zu 1/6 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und das beklagte Land dürften die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Gegenseite nicht vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Erstattung von Steuerberaterkosten für
die Durchführung des Einspruchsverfahrens anlässlich der Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrages für 2001 durch das Finanzamt ….
In ihrer - durch ihren Steuerberater angefertigten - Steuererklärung zur Gewerbesteuer
für das Kalenderjahr 2001 gab die Klägerin unter „Gewerbeertrag“ DM 22.581,-, dem ein
Gewerbeverlust von DM 806,- gegenübersteht, und unter „Entgelte für Steuerschulden“
DM 23.598,- an. Des Weiteren wurden die Sachanlagen mit DM 384.284,- angegeben.
Weitere Angaben enthielt die Steuererklärung nicht.
Auf der Grundlage dieser Steuererklärung gab der zuständige Mitarbeiter des
Finanzamts die genannten Beträge in das EDV-System des Finanzamts ein, unterließ
jedoch unter „Entgelte für Steuerschulden“ versehentlich, den zuletzt verwendeten
Betrag zu löschen, sodass die Ziffern aneinandergereiht wurden. Infolgedessen setzte
das Finanzamt mit Bescheid vom 12. Februar 2003 den Gewerbesteuermessbetrag auf
€ 21.274.535,62 fest. Hiergegen legte der Steuerberater der Klägerin am 17. Februar
2003 in deren Namen Einspruch ein, den er allein mit dem Hinweis auf die
Steuererklärung begründete. Mit Bescheid vom 3. März 2003 wurde schließlich die
Festsetzung auf DM 0,- reduziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Für die Durchführung des Einspruchsverfahrens stellte der Steuerberater der Klägerin
unter dem 28. November 2003 Kosten in Höhe der Klageforderung (netto) in Rechnung.
Hierbei ging der Steuerberater unter Zugrundelegung eines Hebesatzes von 400 % von
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Hierbei ging der Steuerberater unter Zugrundelegung eines Hebesatzes von 400 % von
einer Gewerbesteuer in Höhe von € 85.098.142,48 als Gegenstandswert aus. Mit
gleichlautenden Schreiben vom 12. Februar 2004, gerichtet an das Finanzamt …, den
Präsidenten der Oberfinanzdirektion …, die Ministerin der Finanzen und den
Ministerpräsidenten - jeweils als Vertreter des beklagten Landes - machte die Klägerin
Schadensersatz wegen dieser Kosten, zahlbar bis zum 20. März 2004, geltend.
Zunächst hat die Klägerin mit ihrer Klage erstinstanzlich Freistellung von diesen Kosten
durch das beklagte Land begehrt. Das Landgericht hat der Klage - mit Ausnahme des
weitergehenden Zinsanspruchs - in vollem Umfang stattgegeben, da der Klägerin ein
Anspruch in dieser Höhe gem. § 1 StHG zustehe. Das beklagte Land habe durch seinen
Mitarbeiter seine Pflicht zur fehlerfreien Steuerfestsetzung verletzt, indem dieser
versehentlich bei der Erfassung der Besteuerungsgrundlagen für die Berechnung des
Messbetrages eine falsche Summe in das EDV-System eingegeben habe. Hierdurch
seien der Klägerin die Steuerberaterkosten für das Einspruchsverfahren unabhängig von
einer rein internen Korrektur des Bescheides durch das Finanzamt entstanden. Diese sei
bis dahin weder der Klägerin noch ihrem Steuerberater bekannt gegeben worden. Die
Höhe der Gebühren sei ebenfalls nicht zu beanstanden; diese habe der Steuerberater
zutreffend nach der Differenz der aus dem fehlerhaft festgesetzten und dem
zutreffenden Messbetrag resultierenden Gewerbesteuer nach der Mindestgebühr in
Höhe von 3/10 berechnet. Demgegenüber könne sich das beklagte Land nicht auf ein
Mitverschulden der Klägerin berufen, da von ihr gegenüber dem gesetzlich
vorgesehenen Rechtsbehelf des Einspruchs informelle Maßnahmen nicht verlangt
werden könnten. Diese stellten im Hinblick auf die drohende Bestandskraft und das dem
Finanzamt eröffnete Ermessen lediglich einen weniger sicheren Weg der
Rechtsverfolgung dar. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sei der Anspruch
auch nicht verjährt. Die Klägerin habe erst mit Einlegung des Einspruchs vom 17.
Februar 2003 durch ihre Steuerberater gem. § 166 Abs. 1 BGB zurechenbare Kenntnis
von der Pflichtverletzung und der Entstehung des Schadens gehabt; vor Ablauf der
Jahresfrist sei am 13. Februar 2004 der Antrag der Klägerin auf Schadensersatz bei der
Staatskanzlei eingegangen und habe damit die Verjährung unterbrochen. Die
Verjährungsfrist habe erst mit Ablehnung durch die Oberfinanzdirektion am 19. März
2004 neu begonnen und sei bei Klagerhebung am 24. Mai 2004 noch nicht abgelaufen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner am Montag, den 3. Januar 2005
eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1. März
2005 am 14. Februar 2005 begründeten Berufung. Zwar bestehe aufgrund des
fehlerhaften Gewerbesteuermessbescheides grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht;
man wende sich jedoch gegen die Höhe der Forderung. Die Klägerin als Betreiberin eines
„kleinen Handelskontors“, das die Schwelle zur Gewerbesteuerpflicht nicht überschreite,
sehe sich für die Abfassung eines Zweizeilers einem Anspruch des Steuerberaters in
Höhe der Klageforderung ausgesetzt, der diesem im Rahmen einer Vergütungsklage
wohl nicht zugesprochen würde. Obwohl der geänderte Bescheid der Klägerin noch nicht
bekannt gegeben gewesen sei, habe der Steuerberater gegen den offensichtlich
unrichtigen Gewerbesteuerbescheid nicht Einspruch einlegen, sondern einen für die
Klägerin kostengünstigeren Weg wählen müssen. Dass es sich lediglich um einen
Schreibfehler gehandelt habe, sei auch für die Klägerin selbst ohne weiteres erkennbar
gewesen, weshalb eine schlichte telefonische Nachfrage oder ein Änderungsantrag gem.
§ 129 AO - insbesondere im Hinblick auf die noch am Beginn stehende Rechtsbehelfsfrist
- genügt hätten. Die Voraussetzungen des § 129 AO hätten vorgelegen und das
Finanzamt wäre - entsprechend der Reaktion auf den Hinweis der Gemeinde - auch
sofort tätig geworden. Eine Erstattung der in diesem Fall entstandenen Gebühren des
Steuerberaters gem. § 23 Nr. 7 StBGebV scheide allerdings gleichwohl aus, da die
Klägerin wegen der Offenkundigkeit des Fehlers den Änderungsantrag habe selbst
stellen können. Darüber hinaus werde mit Nichtwissen bestritten, dass der
Steuerberater für einen Zweizeiler die Klageforderung ernsthaft gegen die Klägerin
geltend machen bzw. überhaupt durchsetzen könnte. Sie bestreiten mit Nichtwissen,
dass der Steuerberater die Klägerin über die nach Auffassung des Beklagten gegebenen
Alternativen zur Korrektur des Bescheides und die hiermit verbundenen Kosten
aufgeklärt und die Klägerin daraufhin diesen mit der kostenintensivsten Möglichkeit der
Einlegung eines Einspruchs beauftragt hat.
Die streitgegenständlichen Steuerberaterkosten hat die Klägerin am 19. August 2005 an
ihren Steuerberater gezahlt. Sie hat deshalb ihren Klageantrag geändert und begehrt
nunmehr von dem beklagten Land Zahlung von € 77.038,80 nebst Zinsen in Höhe von 5
%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2003.
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Das beklagte Land beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag; sie bestreitet mit
Nichtwissen, dass die Fehlerhaftigkeit des Bescheides bereits behördenintern erkannt
und berichtigt gewesen sei. Das Finanzamt habe ausweislich des Schreibens vom 18.
Februar 2003 ausdrücklich dem Einspruch stattgegeben. Mangels Bekanntgabe sei dies
im Übrigen auch unbeachtlich. Aus den vom Landgericht dargelegten Gründen sowie
wegen der Regelung des § 839 Abs. 3 BGB sei die Klägerin auch nicht zur Wahl eines
„informellen Weges“ verpflichtet gewesen, zumal die Voraussetzungen eines
Änderungsantrages nach § 129 AO nicht so eindeutig gewesen seien, wie von der
Beklagtenseite nun behauptet. Auch aufgrund der nicht eindeutigen Grenzen zwischen
mechanischem Vertun und bewussten Sachaufklärungs-/ Rechtsanwendungsfehlern sei
der Klägerin dieser Weg nicht zumutbar gewesen. Der Klägerin wären hierdurch
gleichwohl Kosten zwischen € 51.359,- bis € 256.796,- zzgl. Umsatzsteuer (= 2/10 bis
10/10 Gebühr gem. § 23 Nr. 7 StBGebV) entstanden. Schließlich sei die Einschaltung des
Steuerberaters aufgrund der steuerlichen Komplexität und der offenkundig
existenzbedrohenden Wirkung des Bescheides berechtigt gewesen. Auch die besondere
Berechnung der Entgelte für Dauerschuldzinsen nach den Gewerbesteuerrichtlinien
spreche gegen eine Erkennbarkeit des Fehlers durch die Klägerin. Schließlich dürfe der
Steuerpflichtige auch in nicht besonders schwierig gelagerten Fällen rechtlichen Beistand
in Anspruch nehmen. Der Schaden sei der Klägerin bereits aufgrund des Tätigwerdens
der Steuerberater entstanden.
II.Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat nur teilweise Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend eine Haftung des
beklagten Landes dem Grunde nach festgestellt, weil es durch die vorwerfbar fehlerhafte
Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages seine der Klägerin als Steuerpflichtiger
gegenüber bestehende Amtspflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln verletzt hat
(siehe unten 1.). Entweder unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen
Ersatzmöglichkeit oder infolge erheblichen Mitverschuldens der Klägerin ist die Klage
jedoch nur in Höhe von € 13.343,- begründet. Hinsichtlich der weitergehenden
Klageforderung steht der Klägerin entweder ein Schadensersatzanspruch gegen ihren
Steuerberater aufgrund einer unterlassenen Aufklärung über die voraussichtlichen
Kosten seines Tätigwerdens zu; falls sie jedoch trotz eines derartigen Hinweises diesen
gleichwohl mit der Einlegung des Einspruchs beauftragt haben sollte, müsste sie sich in
gleichem Umfang ein Mitverschulden anrechnen lassen (siehe unten 2.).
1. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land dem Grunde nach einen
Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB/ Art. 34 GG bzw. § 1 StHG, da das beklagte
Land unstreitig einen rechtswidrigen Gewerbesteuermessbescheid für 2001 erlassen und
damit schuldhaft seine Pflicht zur fehlerfreien Festsetzung des
Gewerbesteuermessbescheides verletzt hat, indem der zuständige Mitarbeiter des
Finanzamts … bei der Eingabe der Besteuerungsgrundlagen in das
Datenverarbeitungssystem versehentlich die für das Vorjahr eingegebenen Ziffern nicht
gelöscht hat, sodass die für das Jahr 2001 eingegeben Ziffern durch das
Datenverarbeitungssystem an diese angehängt wurden und sich auf diese Weise ein
wesentlich überhöhter Betrag ergab.
Der Klägerin ist durch dieses Versehen des Finanzamts auch ein Schaden entstanden in
Form der für die Durchführung des Einspruchsverfahrens entstandenen Kosten des
hiermit betrauten Steuerberaters. An der Kausalität bestehen ebenfalls keine Zweifel, da
die Steuerberater ohne den Erlass des fehlerhaften Bescheides nicht tätig geworden
wären. Im Hinblick auf die fehlende Bekanntgabe einer etwaigen bereits erfolgten
internen Korrektur des Messbetrages kommt es - wie das Landgericht zutreffend
festgestellt hat - nicht darauf an, ob der Fehler dem Finanzamt bei Eingang des
Einspruchs am 17. Februar 2003 bereits bekannt war, die Korrektur mithin auf der
Tätigkeit der Steuerberater beruht. Die Gebührenforderung der Steuerberater gegen die
Klägerin für die Durchführung des Einspruchsverfahrens und damit der von ihr geltend
gemachte Schaden ist bereits mit dem Tätigwerden unabhängig vom Erfolg der Tätigkeit
entstanden. Die Einspruchsgebühr gem. § 41 StBGebV entsteht unabhängig von der
Ursächlichkeit des eingelegten Rechtsbehelfs für eine etwaige Änderung der
angefochtenen Entscheidung der Finanzbehörde.
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Soweit die Beklagtenseite nunmehr erstmals bestreitet, dass die Klägerin den
Steuerberater mit der Einlegung der Einspruchs - ggf. nach ausführlicher Belehrung
hinsichtlich der Alternativen - beauftragt habe, ist dieses Bestreiten jedenfalls
unerheblich. Das Fehlen eines Auftrags unterstellt, hat die Klägerin die Tätigkeit ihres
Steuerberaters jedenfalls nachträglich genehmigt; indem sie die Kosten gezahlt und mit
der Klage deren Erstattung begehrt, hat sie zugleich ihr Einverständnis mit der Tätigkeit
des Steuerberaters zu erkennen gegeben.
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes durfte die Klägerin es auch für
erforderlich halten, sogleich ihre Steuerberater in der Angelegenheit zu konsultieren.
Grundsätzlich kann sich - auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit - jeder
Steuerpflichtige gegen alle Maßnahmen der Steuerbehörde als einer mit vielfältigen
Vollstreckungsbefugnissen ausgestatteten Fachbehörde der Hilfe eines fachlich
vorgebildeten Steuerberaters bedienen. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist
der dem Finanzamt unterlaufene - bloße - Eingabefehler nicht derart leicht
nachvollziehbar, dass die Klägerin im Hinblick auf die ihr obliegende
Schadensminderungspflicht selbst den Fehler erkennen und auf eine Beratung durch
ihren Steuerberater verzichten musste. Ohne Heranziehung einer Abschrift der
Steuererklärung sowie ggf. der Unterlagen aus der Vorjahresfestsetzung war für sie die
Bestimmung der Fehlerursache nicht möglich.
Aber auch angesichts der existenzbedrohenden Steuerforderung, die bei
Zugrundelegung des festgesetzten Messbetrags bei der Gewerbesteuerfestsetzung auf
die Klägerin zugekommen wäre, ist der Klägerin kein Vorwurf zu machen, dass sie den
gesetzlich vorgesehenen Weg der Beanstandung des Bescheides statt einer bloß
fernmündlichen Anregung oder eines Berichtigungsantrages wählte. Dies gilt umso
mehr, als die Klägerin - entsprechend den Ausführungen in der Rechtsbehelfsbelehrung -
mit einer Festsetzung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde auf der Grundlage dieses
Bescheides rechnen musste.
2. Der Ersatzanspruch der Klägerin richtet sich jedoch nicht darauf, der Klägerin die
gesamten Steuerberaterkosten für die Durchführung des Einspruchsverfahrens, sondern
nur in der Höhe zu erstatten, wie sie durch eine Beratung der Klägerin durch ihren
Steuerberater entstanden wären. Nur in diesem Umfang durften nämlich der tätig
gewordene Steuerberater bzw. nach entsprechender Belehrung die Klägerin dessen
Tätigwerden für erforderlich halten.
Hinsichtlich der weiteren Kosten muss sich die Klägerin dagegen entweder auf eine
anderweitige Ersatzmöglichkeit gem. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Inanspruchnahme
ihres Steuerberaters auf Schadensersatz verweisen bzw. sich ein eigenes
Mitverschulden anrechnen lassen. Sofern ihr Steuerberater sie vor der Annahme des
Auftrags zur Einlegung des Einspruchs nicht auf die voraussichtlich hierfür entstehenden
Gebühren hingewiesen haben sollte, steht ihr - ausnahmsweise - gegenüber ihrem
Steuerberater ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung (§ 280
BGB) zu. Wenn aber die Klägerin trotz einer entsprechenden Aufklärung den
Steuerberater - und dies hat sie in ihrer Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss des
Senates vorgetragen - beauftragt hat, entfällt zwar die Kausalität der unterlassenen
Aufklärung und damit ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen ihren
Steuerberater. Die Klägerin hätte dann indes gegen die ihr als Verletzter obliegende
Schadensminderungspflicht verstoßen, sodass sich der mit der Klage verfolgte
Ersatzanspruch der Klägerin infolge Mitverschuldens gem. § 254 BGB auf die
Steuerberaterkosten reduziert, die auch bei einer Inanspruchnahme steuerberaterlicher
Leistungen im erforderlichen Umfang entstanden wären.
In dem vorliegenden Fall war der Steuerberater der Klägerin ausnahmsweise hinsichtlich
der durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten aufklärungspflichtig. Für die Tätigkeit von
Rechtsanwälten hat die Rechtsprechung eine derartige Aufklärungspflicht nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben in Einzelfällen angenommen. Im Hinblick auf die -
wenn auch auf den Bereich des Steuerrechts beschränkte - rechtsberatende Tätigkeit
der Steuerberater und die vergleichbaren Gebührenvorschriften ist diese
Rechtsprechung auch auf die Tätigkeit von Steuerberatern zu übertragen.
Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt im
Allgemeinen zwar nicht verpflichtet, seinen Mandanten von sich aus auf die Höhe der
Kosten seiner Inanspruchnahme hinzuweisen. Eine Pflicht zu einem unaufgeforderten
Hinweis auf die Höhe der anfallenden Gebühren trifft den Rechtsanwalt nach Treu und
Glauben (§§ 157, 242 BGB) ausnahmsweise nur dann, wenn nach den Umständen des
Einzelfalls ein Aufklärungsbedürfnis des Mandanten besteht und der Rechtsanwalt dieses
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Einzelfalls ein Aufklärungsbedürfnis des Mandanten besteht und der Rechtsanwalt dieses
erkennen konnte und musste (vgl. KG NJOZ 2002, 1192 m.w.N.). Als besonderer
Umstand, der eine Hinweispflicht des Anwaltes begründen kann, wird insbesondere ein
drohendes Missverhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen der Anwaltstätigkeit und
den durch sie anfallenden Gebühren genannt. Muss der Rechtsanwalt angesichts der
Vermögensverhältnisse und der Bedeutung der Sache damit rechnen, dass der Mandant
bei Kenntnis der Höhe der anfallenden Gebühren von der Beauftragung absehen würde,
hat er auf die ungefähre Höhe der Gebühren hinzuweisen. Ist der Mandant hingegen
rechtskundig und verfügt er über Erfahrungen im Verkehr mit Rechtsanwälten und in
Gebührenangelegenheiten, besteht eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts im
Regelfall nicht (KG a.a.O; ebenso OLG Frankfurt/Main DStR 2003, 1635; OLG Stuttgart
AGS 2003, 68).
Nach dieser Maßgabe war der Steuerberater im vorliegenden Fall verpflichtet, seine
Mandantin, die Klägerin, vor der Entgegennahme des Auftrages auf die voraussichtliche
Vergütung hinzuweisen. Der Klägerseite ist zwar zuzugestehen, dass ein wirtschaftliches
Missverhältnis zwischen dem Nutzen der Einspruchseinlegung und den Gebühren hierfür
im Hinblick auf die bei Bestandskraft zu erwartende Gewerbesteuerfestsetzung durch die
Gemeinde nicht festzustellen ist. Im Falle der Bestandskraft des Messbetrages hätte die
Klägerin eine Steuerfestsetzung in Höhe mehrerer Millionen Euro gewärtigen müssen.
Dies ist jedoch nicht der Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit, da sich die
Einspruchsgebühr an der Höhe der festzusetzenden Steuer orientiert und damit
notwendig nur einen Bruchteil dieser erreicht.
Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass der Steuerberater zwar die Einlegung des
Einspruchs - unabhängig von der Frage der etwa bereits erfolgten Berichtigung der
Eingabe durch das Finanzamt - für erforderlich halten durfte, jedoch dies aufgrund der
Gesamtumstände ausnahmsweise nicht ohne weiteres selbst übernehmen, mithin sein
Tätigwerden in dieser Weise nicht für erforderlich halten durfte. Zunächst musste sich
ihm aufgrund der schlechterdings nicht nachvollziehbaren Höhe des mit dem Bescheid
festgesetzten Gewerbesteuermessbetrages im Vergleich zu der von ihm selbst
gefertigten Steuererklärung ein offensichtlicher Irrtum seitens des Finanzamtes
aufdrängen. Nach der Steuererklärung der Klägerin, die Grundlage für die überhöhte
Festsetzung war, überstiegen die Gewerbeerträge der Klägerin die Freibetragsgrenze
gem. § 11 GewStG nicht, sodass eine Festsetzung mit € 0,- zu erwarten war.
Zu dieser Auffassung war der Steuerberater der Klägerin ersichtlich bereits bei der
Abfassung des Einspruchs für die Klägerin gekommen. In seinem Einspruchsschreiben
vom 17. Februar 2003 beschränkte sich der Steuerberater neben der Bezeichnung des
Rechtsbehelfs und der angegriffenen behördlichen Entscheidung allein auf eine
Bezugnahme auf die Steuererklärung. Eine ausführliche Begründung des Rechtsbehelfs,
wie sie etwa aufgrund einer abweichenden Beurteilung komplexer Sachverhalte durch
das Finanzamt erforderlich gewesen wäre, hat er selbst nicht für erforderlich, sondern
vielmehr den Einspruch an sich bereits für „selbst erklärend“ erachtet.
Hinzu kommt das Fehlen einer Begründung des Finanzamts in dem fehlerbehafteten
Bescheid, eine Tatsache, die zwar der Klägerin als juristischem Laien, wohl aber ihrem
Steuerberater hätte auffallen müssen. Sofern das Finanzamt einem Antrag oder einer
Erklärung des Steuerpflichtigen nicht in vollem Umfang stattgibt, ist der Entscheidung
eine - wenn auch ggf. kurze - Begründung beizufügen (vgl. § 121 Abs. 1, 2 Nr. 1 AO
1977).
Schließlich musste sich dem Steuerberater im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse
der Klägerin - jedenfalls der Gewerbeerträge -, die ihm aufgrund seiner
vorausgegangenen Tätigkeit bei der Erstellung der Steuererklärung für diese bekannt
waren, aufdrängen, dass die Klägerin angesichts der zu erwartenden Gebühren nach
einer Beratung durch ihn von einer Beauftragung absehen würde. Die
Steuerberaterkosten für den Einspruch (etwa € 77.000,-) übersteigen den Gewinn der
Klägerin aus dem Gewerbebetrieb (etwa DM 34.000,00) um mehr als das vierfache.
Der Hinweis der Klägerin, sie sei aufgrund der langjährigen Tätigkeit ihres Steuerberaters
für sie im Umgang mit Steuerberatern erfahren, rechtfertigt einen Verzicht auf die
Aufklärung hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten nicht. Insbesondere verfängt der
Hinweis auf einen durchschnittlichen Jahresumsatz in Höhe von etwa € 640.000,- nicht.
Allein aus der Höhe des Umsatzes lässt sich nicht auf besondere Erfahrungen im
Umgang mit Steuerberatern und der Gebührenbemessung schließen. Vielmehr
gestaltete sich die vorgelegte Steuererklärung relativ schlicht; allein die Erfahrung, dass
die Inanspruchnahme steuerberaterlicher Leistungen Kosten verursacht, dürfte bei
jedem Laien vorliegen.
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Demgegenüber verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin eine Beratung durch ihren
Steuerberater wegen des weiteren Vorgehens - insbesondere Einlegung eines
Rechtsbehelfs, ggf. dessen Form und Frist - hätte in Anspruch nehmen dürfen. Hierfür
wäre eine Beratungsgebühr gem. 21 Abs. 1 StBerGebV angefallen, die 1/10 bis 10/10
der Gebühr nach Tabelle A beträgt. Wegen der Vorbefassung und des für einen
Berufsträger schnell zu erfassenden Sachverhalts hält der Senat insoweit lediglich die
Mindestgebühr (1/10) für angemessen, sodass sich ein Betrag von € 13.343,- ergibt. Bei
dem Gegenstandswert von € 85.098.142,48 (= Messbetrag * Hebesatz (400%)) beträgt
die Gebühr nach Tab. A € 133.430,-. Diese setzen sich zusammen aus € 2.730,-
(Gegenstandswert bis 600.000,- €) zzgl. einer Erhöhung von € 10.560 € (bis 5 Mio. €
Gegenstandswert), weiteren € 36.000,- (bis 25 Mio. € Gegenstandswert) sowie € 84.140,-
(über 25 Mio. € Gegenstandswert).
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich in dem tenorierten Umfang aus den §§ 286, 288 BGB.
Einen früheren Verzugsbeginn hat die Klägerin nicht dargelegt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts, § 543 ZPO.
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