Urteil des OLG Brandenburg vom 08.03.2007

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 51/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 426 Abs 1 BGB
Tragung der Miet- und Betriebskosten für die frühere eheliche
Wohnung nach Trennung der Eheleute
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.3.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin
der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien, mittlerweile geschiedene Eheleute, streiten um die Ausgleichspflicht für
vom Kläger im Außenverhältnis geleistete Mietzins- und Betriebskostenzahlungen für die
frühere, gemeinschaftlich angemietete Ehewohnung.
Im Januar 2002 zog der Kläger aus der früheren Ehewohnung aus. Das Mietverhältnis
über die von der Beklagten mit der am …2001 geborenen gemeinsamen Tochter
zunächst beibehaltenen Ehewohnung endete aufgrund Kündigung zum 30.4.2003. Bis zu
diesem Zeitpunkt zahlte der Kläger wie während des Bestehens der Ehe sowohl den
vertraglich vereinbarten Mietzins wie auch die Betriebskosten. In einem Schreiben vom
6.1.2003 an die spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten zum
Scheidungsverfahren forderte der Kläger unter anderem eine möglichst zügige
Mitteilung, wie mit dem Mietvertrag "umgegangen" werde. Gleichzeitig machte er einen
Anspruch auf Ersatz der Hälfte der von ihm allein getragenen Mietkosten geltend. Seine
vorprozessuale Aufforderung, ihm die geleisteten Miet- und Betriebskostenzahlungen zu
erstatten, wies die Beklagte unter Hinweis darauf, dass der Kläger während der Trennung
keinen Trennungsunterhalt gezahlt habe, zurück. Mit seiner Klage hat der Kläger die
Beklagte auf Zahlung von 11.40146 € in Anspruch genommen. Die Beklagte ist seinem
Begehren mit der Behauptung entgegen getreten, der Kläger habe gelegentlich eines
Besuchs seiner Tochter Ende Januar/Anfang Februar 2003 geäußert, dass er nicht
möchte, dass die Beklagte sich eine neue Wohnung suche. Die Tochter solle in einem
ordentlichen Umfeld aufwachsen. Entsprechende Erklärungen habe er auch schon früher
im Sommer 2002 abgegeben. Dabei habe er auch geäußert, für die Zahlung der Miete
zu sorgen.
Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung der Schwiegereltern des Klägers und
der Schwester der Beklagten in vollem Umfang stattgegeben. Es hat für die Zeit bis zum
Ende der ordentlichen Kündigungsfrist eine hälftige, für die Zeit danach, d.h. ab Mai 2002
bis April 2003 eine volle Ausgleichspflicht der Beklagten gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1, 2.
HS BGB bejaht. Wegen der Feststellungen und Gründe im Einzelnen wird auf Tatbestand
und Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO).
Gegen die Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt
Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung. Dazu führt sie aus, das Landgericht habe
aus den Bekundungen der Zeugen die falschen Konsequenzen gezogen. Außerdem hält
sie das Recht des Klägers, im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs Erstattung der
geleisteten Miet- und Betriebskosten zu verlangen, für verwirkt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
wechselseitigen Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug
genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) bleibt in der Sache
ohne Erfolg.
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der vom Kläger verauslagten
Miet- und Betriebskosten für die nach seinem Auszug allein bewohnte Ehewohnung im
Innenverhältnis verurteilt.
Nach Scheitern der Ehe, d. h. nach endgültiger Trennung oder Stellung des
Scheidungsantrags, gilt in Ermangelung einer diesbezüglichen Absprache zwischen den
Ehegatten für gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten im Innenverhältnis die Grundregel
des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (OLG München, FamRZ 1996, 291; OLG Köln, FamRZ 2003,
1664 f.; OLG Dresden MDR 2002, 1318; MüKo- Bydlinski, BGB, 5. Aufl., § 426, Rdnr. 17 ff,
§ 519). Die danach vorgesehene hälftige Ausgleichspflicht besteht allerdings nicht
zeitlich unbefristet und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Vorrangig
gegenüber der gesetzlichen Ausgleichsregelung sind vielmehr ausdrückliche oder
konkludente Vereinbarungen oder eine besondere Gestaltung der Lebensverhältnisse zu
berücksichtigen (BGH NJW 2006, 2623, 2624). Das Landgericht hat zutreffend
festgestellt, dass es an einer ausdrücklichen Absprache über eine Benutzung der
früheren Ehewohnung und die Tragung der damit verbundenen Kosten durch die
Parteien fehlt. In diesem Punkt greift die Beklagte die Beweiswürdigung des
angefochtenen Urteils nicht an.
Soweit die Beklagte meint, das Verhalten des Klägers sei im Sinne einer konkludenten
Kostenübernahmezusage zu werten, gibt ihr Vorbringen keinen Anlass, die
Beweisaufnahme zu wiederholen. Die Schlüsse, die das Landgericht aus den
Bekundungen der Zeugen gezogen hat, dass nämlich der Kläger lediglich Interesse an
der Beibehaltung des Umfeldes, keineswegs aber an der Beibehaltung der früheren
Ehewohnung bekundet habe, beruhen auf einer nachvollziehbaren Grundlage und sind in
der Würdigung vertretbar. Soweit die Beklagte aus den protokollierten Bekundungen der
Zeugen das gegenteilige Ergebnis ableiten zu können und müssen glaubt, beruht dies
auf einer lediglich anderen denkbaren Würdigung der erhobenen Beweise. Theoretische
Bedenken oder die abstrakte Möglichkeit abweichender Tatsachenfeststellungen reichen
indes nicht aus, das Berufungsgericht zur Überprüfung der festgestellten Tatsachen zu
veranlassen. Der bloße Wunsch, das Berufungsgericht möge die Zeugenaussagen
abweichend vom Erstgericht verstehen, eröffnet die erneute Beweisaufnahme nicht
(BGH NJW 2004, 2828). Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn sich Zweifel bereits aus
dem Protokoll ergeben, die Beweisaufnahme also nicht erschöpfend war oder die
protokollierte Aussage im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht
(Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 529, Rdnr. 7). Daran fehlt es hier. Das
Landgericht hat die Zeugen umfassend zu den in ihr Wissen gestellten Tatsachen
befragt. Deren protokollierte Aussagen stehen im Einklang mit den Urteilsgründen. Das
Landgericht hat weder Teile der Bekundungen der Zeugen unberücksichtigt gelassen
noch seinen Feststellungen nicht erfolgte Aussagen zugrunde gelegt. Dass es die
Aussagen anders gewertet hat als die Beklagte sie gewertet wissen möchte, begründet
noch keinen Widerspruch zwischen den protokollierten Aussagen und den
Urteilsgründen. Auch wenn sich schon aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung
Zweifel an der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergeben können (BVerfG NJW 2003,
2524), lässt sich allein daraus keine Pflicht zur Rekonstruktion des Sachverhalts
entnehmen. Hinzutreten müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte. Daran fehlt es
vorliegend. Selbst dann, wenn die Bekundungen der Zeugen dahin zu werten wären,
dass der Kläger im Interesse der gemeinsamen Tochter nicht nur seinen Wunsch nach
Beibehaltung des Wohnumfeldes, sondern nach Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses
über die bisherige Ehewohnung geäußert hätte, würde im Ergebnis nichts anderes
gelten. Mit der Äußerung des Wunsches, die gemeinsame Tochter möge in der früheren
Ehewohnung aufwachsen, ist nicht notwendig eine Zusage über die Übernahme von
deren Kosten verbunden. Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, dass der Kläger
zunächst, d. h. bis Ende des Jahres 2002, beanstandungslos die Kosten für die frühere
Wohnung weiter allein getragen hat. Die Zeugen haben übereinstimmend angegeben,
dass die hohen Kosten für die Ehewohnung Gesprächs- und Streitstoff der von ihnen
bekundeten Unterredungen zwischen den Parteien gewesen sind. Daraus ist gerade
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bekundeten Unterredungen zwischen den Parteien gewesen sind. Daraus ist gerade
nicht abzuleiten, dass der Kläger gleichwohl im Interesse der Tochter zu deren anteiligen
oder sogar alleinigen Tragung bereit war. Spätestens sein Schreiben vom 6.1.2003, das
eine Reaktion auf die Forderungen der Beklagten nach Trennungs- und Kindesunterhalt
beinhaltet, zeigt, dass er bis dahin die Wohnkosten quasi als Ersatz bzw. in Anrechnung
auf den Trennungs- und Kindesunterhalt geleistet hat. Gleichzeitig hat er - wie auch die
Zeugen bekundet haben - mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Kosten für die
Wohnung überhöht seien. Bei dieser Sachlage kann sein Verhalten nicht im Sinne eines
konkludenten Angebots auf Übernahme der Wohnungskosten, welches die Beklagte
ebenfalls konkludent angenommen hätte, gewertet werden.
Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt. Er hat schon mit Schreiben vom 6.1.2003
deutlich gemacht, die Wohnkosten allenfalls anteilig und auch nur noch für einen
begrenzten Zeitraum tragen zu wollen. Insofern fehlt es bereits an einem Verhalten,
aufgrund dessen die Beklagte darauf vertrauen durfte, der Kläger werde einen
Ausgleichsanspruch nicht geltend machen. Eine Verwirkung käme danach allenfalls in
Bezug auf die Hälfte der Wohnkosten in Betracht. Dafür ist indessen schon mangels des
für eine Verwirkung gem. § 242 BGB u.a. vorausgesetzten Zeitmoments ebenfalls kein
Raum. Nachdem die Beklagte seinem Vorschlag aus dem Schreiben vom 6.1.2003 nicht
zugestimmt und damit seinem Vergleichsvorschlag nicht gefolgt ist, hat er lange vor
Ablauf der Verjährungsfrist seinen Anspruch auf Erstattung der vollen von ihm
übernommenen Miet- und Betriebskostenzahlungen verlangt.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gem. § 543 Abs. 2 ZPO dafür aufgestellten
Voraussetzungen nicht vorliegen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO, die zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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