Urteil des OLG Brandenburg vom 13.10.2005

OLG Brandenburg: einstweilige verfügung, werbung, rate, vergleich, verkehr, gespräch, anbieter, markt, ermessen, sammlung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 125/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 UWG, § 8 Abs 1 UWG,
§ 8 Abs 3 Nr 1 UWG, § 12 Abs 2
UWG, § 1 PAngV
Einstweilige Verfügung zur Untersagung einer
wettbewerbswidrigen Werbung für den Verkauf von Häusern
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 13. 10. 2005 verkündete Urteil der
1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Cottbus (11 O 78/05) wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1 der mit ihm aufrecht erhaltenen
einstweiligen Verfügung des Landgerichts Cottbus vom 20. 7. 2005 wie folgt neu gefasst
wird:
Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten aufgegeben,
es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern für
den Verkauf von Häusern in der Weise zu werben, dass lediglich eine monatliche Rate
angegeben wird, insbesondere wie nachstehend wiedergegeben:
„Massive Häuser ab 490 € mtl. inkl. Grundstück
Gesamtfläche mit Terrasse ca. 115 qm… (Grundrissskizze eines Hauses) …
Häuser zum Wohlfühlen.
P… GmbH
… Weg …
… L…
Tel. …
Internet www.p...-....de“
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
Auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wird zunächst Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit dem am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2005
verkündeten Urteil die am 20.7.2005 erlassene einstweilige Verfügung bestätigt, mit der
der Verfügungsbeklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden ist,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern für
den Verkauf von Häusern zu werben, bei denen lediglich eine monatliche Rate ohne
Angabe des effektiven Jahreszinses oder anfänglich effektiven Jahreszinses angegeben
wird.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfügungsbeklagte verstoße mit ihrer Werbung
gegen § 6 Abs. 1, 6 PAngV. Denn die Werbung vermittele den Eindruck, ein Erwerb des
dargestellten Musterhauses sei unter Einsatz der angegebenen Rate zu realisieren. Der
Leser werde zum Vergleich mit den Finanzierungsmodalitäten der Angebote anderer
Immobilienhändler animiert. Die Verfügungsbeklagte verschaffe sich durch den Verstoß
gegen die PAngV einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil und sei deshalb der
Verfügungsklägerin als ihrer Mitbewerberin gegenüber zur Unterlassung verpflichtet.
Neben dem Verfügungsanspruch liege auch der erforderliche Verfügungsgrund vor. Die
Vermutung des § 12 II UWG sei – selbst wenn man von einer äußerst kurz bemessenen
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Vermutung des § 12 II UWG sei – selbst wenn man von einer äußerst kurz bemessenen
Regelfrist für die Geltendmachung des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs von
nur einem Monat ausgehe – nicht widerlegt. Zwar sei diese Frist bei Eingang des Antrags
auf Erlass der einstweiligen Verfügung bei dem zuständigen Landgericht Cottbus
geringfügig überschritten gewesen. Abzustellen sei aber auf den Zugang des Antrags
beim Landgericht Berlin. Die Verfügungsklägerin habe hierdurch deutlich gemacht, dass
sie die Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs für dringlich halte.
Gegen dieses ihr am 26.10.2005 zugestellte Urteil hat die Verfügungsbeklagte mit dem
am 25.11.2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit
dem am 22.12.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Verfügungsbeklagte meint, es fehle bereits am Verfügungsgrund. Die
Verfügungsbeklagte habe, obwohl sie bereits am 23.5.2005 von dem angeblichen
Wettbewerbsverstoß der Verfügungsbeklagten Kenntnis erhalten habe, erst am
11.7.2005 - und dann noch bei einem unzuständigen Gericht - den Antrag auf Erlass der
einstweiligen Verfügung gestellt. Dies zeige, dass sie die Durchsetzung eines
Unterlassungsanspruchs selbst nicht für eilig gehalten habe.
Ein Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte sei im Übrigen nicht
gegeben. Die Werbung der Verfügungsbeklagten verstoße nicht gegen die Vorschriften
der PAngV. In ihr fehle es an allen relevanten Eckdaten, die für eine Finanzierung
erforderlich seien oder einen Vergleich mit anderen Angeboten ermöglichten. Ein
Angebot der Finanzierung liege schon nicht vor, weil ein zu finanzierender
Gesamtkaufpreis und damit auch die Höhe eines erforderlichen Kredits der Werbung
nicht entnommen werden könne. Da sie, die Verfügungsbeklagte, keinen Kreditbetrag
genannt habe, sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, einen anfänglichen effektiven
Jahreszins anzugeben.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13.10.2005 abzuändern und unter
Aufhebung der am 20.7.2005 erlassenen einstweiligen Verfügung den Antrag auf Erlass
der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
I. Die gemäß den §§ 517, 520 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegte und begründete Berufung der Verfügungsbeklagten hat in der Sache keinen
Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die einstweilige
Verfügung aufrechterhalten.
1. Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 I,
III Nr. 1 UWG zu. Denn die Werbung der Verfügungsbeklagten ist irreführend im Sinne
des § 5 I UWG. Sie verstößt zudem gegen den Grundgedanken der PAngV, wie er in den
§§ 1 und 6 zum Ausdruck kommt. Zweck der PAnGV ist es, durch eine sachlich
zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu
gewährleisten und damit dem Verbraucher die Möglichkeit zu einer objektiven Grundlage
für einen Vergleich gleichartiger Angebote zu verschaffen (Hefermehl-Köhler, Rdnr. 2 vor
§ 1 PAngV).
Die Werbung der Verfügungsbeklagten führt den Leser dadurch in die Irre, dass sie mit
der Angabe einer monatlichen „ab…“-Rate von 490 € den Eindruck erweckt, es werde
ein in irgendeiner Weise konkret nachzuvollziehender Preis dargestellt, obwohl – worauf
sich die Verfügungsbeklagte selbst beruft - die „Rate“ weder auf einen konkreten
Kaufgegenstand noch auf einen konkreten Gesamtkaufpreis oder eine konkrete
Finanzierungsmöglichkeit dieses Kaufpreises bezogen wird. Der Leser wird damit dazu
veranlasst, Vergleiche zuerst mit seinen Mietkosten, dann aber auch mit den Preisen
anderer Anbieter und schließlich den Kosten einer etwaigen Kaufpreisfinanzierung
anzustellen, obwohl die angegebene Rate von keinerlei Eckdaten flankiert wird, die einen
derartigen Vergleich ermöglichen würden.
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Die Werbung der Verfügungsbeklagten ist auch gerade wegen ihrer Unvollständigkeit
geeignet, den Leser zu veranlassen, bei der Verfügungsbeklagten die in der Werbung
vorenthaltenen Informationen einzuholen und ihr damit die Möglichkeit zu verschaffen,
auf seine Entschlusslage im Gespräch einzuwirken.
Die Verfügungsklägerin ist auch als Mitbewerberin auf demselben Markt, auf dem auch
die Verfügungsbeklagte tätig ist, anzusehen. Soweit die Verfügungsbeklagte dies,
nachdem sie in erster Instanz die Mitbewerbereigenschaft nicht angezweifelt hat,
bestreitet, hat sie ihr Bestreiten nicht mit Fakten untersetzt und im übrigen auch nicht
dargetan und glaubhaft gemacht, dass sie zur Geltendmachung des entsprechenden
Vorbringens in erster Instanz nicht in der Lage gewesen ist. Das Vorbringen war daher
nicht zuzulassen (§ 531 II ZPO).
2. Zu Recht hat das Landgericht auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes bejaht.
Auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils wird insoweit Bezug genommen. Die
Dringlichkeitsvermutung des § 12 II UWG ist entgegen der Auffassung der
Verfügungsbeklagten nicht widerlegt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich aus dem
Verhalten der Verfügungsklägerin ergäbe, dass sie eine Verfolgung ihres
Unterlassungsanspruchs selbst nicht für dringlich erachtete. Aus der Tatsache, dass die
Verfügungsklägerin innerhalb der ihr zuzubilligenden, vom Landgericht zutreffend
bemessenen Überlegungsfrist zunächst ein unzuständiges Gericht angerufen hat, lässt
sich eine derartige Willensrichtung der Verfügungsklägerin jedoch nicht schließen.
Vielmehr bezeugt die Tatsache der Antragstellung, dass die Verfügungsklägerin den
Willen hatte, auch auf dem Wege über das Gericht ihren Verfügungsanspruch
baldmöglichst zu sichern.
3. Allerdings kann bei der gegebenen Sachlage, bei der in der Werbung weder
Kaufgegenstand noch Kaufpreis oder Darlehenshöhe angegeben worden ist, der
Verfügungsbeklagten im Rahmen der nach § 938 ZPO vom Gericht nach freiem
Ermessen zu treffenden Anordnung nicht vorgeschrieben werden, in welcher Weise die
Werbung der Verfügungsbeklagten zu ergänzen sein wird, um dem Verdikt der
Wettbewerbswidrigkeit zu entgehen. Der Tenor war daher wie ersichtlich neu zu fassen.
Die Abänderung des Tenors stellt sich nicht als teilweise Zurückweisung des
Verfügungsantrags dar, weil sich der geänderte Ausspruch im Rahmen des von der
Verfügungsklägerin erstrebten Rechtsschutzziels hält.
Damit wird auch nicht über einen nicht anhängig gemachten Streitgegenstand
entschieden.
Unzutreffend ist die Auffassung der Verfügungsbeklagten, der Streitgegenstand des
Verfahrens der einstweiligen Verfügung sei durch den Antrag auf einen
Unterlassungsanspruch wegen Verschaffens eines Wettbewerbsvorsprungs durch
Rechtsbruch beschränkt. Bestimmt wird der Streitgegenstand des Verfahrens der
einstweiligen Verfügung nämlich nicht durch die möglicherweise inkorrekte rechtliche
Einordnung des vom Antragsteller reklamierten Verfügungsanspruchs, sondern durch
das auf Sicherung des Anspruchs, wie er sich aus dem den Antrag begründenden
Tatsachenvortrag ergibt, gerichtete Rechtsschutzziel des Antragstellers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Beteiligung der
Verfügungsklägerin an den Kosten des Berufungsverfahrens kommt aus den oben unter
3. aufgeführten Gründen nicht in Betracht. Das Urteil ist rechtskräftig, § 542 Abs. 2 Satz
1 ZPO.
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