Urteil des OLG Brandenburg vom 24.10.1997

OLG Brandenburg: aussetzung, auskunft, link, quelle, sammlung, totalrevision, rechtskraft, vervielfältigung, altersrente

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UF 116/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 10a VersorgAusglHärteG, § 2
Abs 1 S 2 VAÜG, § 4 Abs 2
VAÜG, § 12 FGG
Aussetzung des Versorgungsausgleichs im
Abänderungsverfahren
Tenor
Auf die befristete Beschwerde wird der angefochtene Beschluss abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
In Abänderung des Beschlusses des AG Cottbus vom 24. Oktober 1997 (51 F 77/96) wird
der Versorgungsausgleich ausgesetzt.
Es bleibt bei der Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung
außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000 Euro.
Gründe
A.
Die Ehe der Parteien wurde 1996 geschieden. Mit Beschluss des Amtsgericht Cottbus
vom 24. Oktober 1997 (51 F 77/96, Bl. 14 d. A.) wurde der Versorgungsausgleich
dahingehend durchgeführt, dass vom Rentenversicherungskonto des Antragstellers auf
das Rentenversicherungskonto der Antragsgegnerin angleichungsdynamische
Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 183,32 DM (=
93,73 Euro), bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. März 1996, übertragen wurden.
Grundlagen der - rechtskräftigen - Entscheidung waren innerhalb der Ehezeit vom 1.
November 1981 bis 31. März 1996 erworbene angleichungsdynamische Anrechte des
Antragstellers von 736,33 DM (= 376,48 Euro) und der Antragsgegnerin von 369, 69 DM
(= 189,02 Euro).
Auf Grund gesetzlicher Änderungen insbesondere zu der Neuberücksichtigung von
Kindererziehungszeiten erfolgte eine Nachberechnung zu den ehezeitlich erworbenen
Anwartschaften beider Parteien. Nach der aktualisierten Auskunft der Beteiligten zu 2.
vom 22. Juli 2004 (Bl. 24 d. A.) steht nunmehr fest, dass der Antragsteller innerhalb der
vorgenannten Ehezeit angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von lediglich
365,76 Euro erworben hat. Die Antragsgegnerin hat nach der unter dem 1. Oktober 2004
erteilten, aktualisierten Auskunft der Beteiligten zu 1. (Bl. 65 d. A.) innerhalb der Ehezeit
an angleichungsdynamischen Anwartschaften 220,36 Euro und zudem nunmehr solche
aus nichtangleichungsdynamischen Anrechten in Höhe von 5,96 Euro, jeweils monatlich,
erworben.
Der Antragsteller bezieht Altersrente.
Mit der angefochtenen Entscheidung (Bl. 122 d. A.) hat das Amtsgericht in Anwendung
des § 10a VAHRG die vormalige Entscheidung zum Versorgungsausgleich dahingehend
abgeändert, dass vom Rentenversicherungskonto des Antragstellers auf das der
Antragsgegnerin monatliche Anwartschaften in Höhe von 74,93 Euro, bezogen auf den
31. März 1996, übertragen werden. Zugleich hat das Amtsgericht die Vervielfältigung
des aktuellen Rentenwerts (Ost) mit dem Angleichungsfaktor 1,0717097 angeordnet.
Ausweislich der Begründung ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass auf Grund
des Rentenbezugs des Antragstellers sich der Versorgungsausgleich auf die bezogene
Rente auswirkt und daher der Versorgungsausgleich nach dem VAÜG durchzuführen ist.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 2.,
mit der diese die Aussetzung des Versorgungsausgleiches gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG
begehrt.
B.
Die zulässige befristete Beschwerde (§ 621 e ZPO) der Beteiligten zu 2. hat Erfolg. Die
Voraussetzungen des § 10a VAHRG für eine abändernde Entscheidung sind zwar
grundsätzlich gegeben und durch das Amtsgericht in rechnerischer Hinsicht zutreffend
umgesetzt worden. Eine Durchführung des Versorgungsausgleichs scheitert aber an der
Regelung des § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG.
I.
Es bestehen keine Bedenken an der Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG im
Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 10a VAHRG.
1.
Dass auch Entscheidungen, die unter Berücksichtigung von dem VAÜG unterfallenden
Anrechten getroffen wurden, nach § 10a VAHRG abänderbar sind, folgt bereits aus der
auf das Abänderungsverfahren bezugnehmenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 VAÜG.
2.
Bedenken ergeben sich auch nicht daraus, dass § 10a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VAHRG die
anderweitige Übertragung oder Begründung eines bereits rechtskräftig durchgeführten
Versorgungsausgleichs ermöglichen will, es sich aber bei der Aussetzung des
Versorgungsausgleichs nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG um eine bloße Zwischenentscheidung
(allgemein dazu BGH FamRZ 2003, 1005) handelt.
§ 10a VAHRG schafft eine weitgehende Durchbrechung der materiellen Rechtskraft, die
im Wege einer Totalrevision sogar die Korrektur von in der Abänderungsentscheidung
vorgenommenen Fehlern jeglicher Art bis hin zu Rechtsanwendungsfehlern der
angefochtenen Entscheidung ermöglicht (vgl. im Einzelnen BGH FamRZ 1989, 264 und
725). Von der gesetzgeberischen Konzeption her soll auf dem Wege des
Abänderungsverfahrens die dem aktuellen Stand der erworbenen Versorgungsanrechte
entsprechende korrekte Entscheidung getroffen werden. Im Verfahren des § 10a VAHRG
ist durch das Gericht eine neue Ausgleichsbilanz aufzustellen, die auf den veränderten
Auskünften der Versorgungsträger beruht. Dies gilt auch, wenn angleichungsdynamische
Anrechte betroffen sind. Verschiebt sich nach Durchführung des unter Beteiligung
angleichungsdynamischer Anrechte durchgeführten Versorgungsausgleichs aufgrund
späterer Änderungen die Versorgungsbilanz, kann nach § 10a VAHRG die Abänderung
der Ursprungsentscheidung verlangt werden (Bamberger/Roth-Gutdeutsch, BGB, 2003 §
2 VAÜG Rn. 3).
Steht aber fest, dass sich die Anrechte verändert haben, so muss das Gericht aufgrund
des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12 FGG) das Verfahren so durchführen, als wenn es
sich um ein Erstverfahren handelt. Die Konten der Beteiligten sind umfassend zu klären,
eventuell durch Einholung neuer Auskünfte bei den Versorgungsträgern. Bestehen
Unklarheiten, kommt auch im Verfahren des § 10a VAHRG eine Aussetzung (vgl.
Staudinger-Rehme, BGB, 13. Aufl. § 10a VAHRG Rn. 93) nach § 53c FGG in Betracht.
Nichts anderes gilt, wenn ein Ausgleich aufgrund wiedervereinigungsbedingter
Besonderheiten gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG zunächst dahinzustehen hat.
II.
Auf Grund der zuvor dargestellten, aktualisierten Anwartschaften beider Parteien ist der
Versorgungsausgleich auszusetzen, da die Antragsgegnerin zwar (weiterhin) die
geringeren angleichungsdynamischen, dafür aber nunmehr die einzigen
nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften erworben hat. In einem solchen Fall ist
der Versorgungsausgleich nur dann durchzuführen, wenn aus einem im
Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrecht auf Grund des
Versorgungsausgleichs Leistungen zu erbringen oder zu kürzen wären, § 2 Abs. 1 S. 1
Nr. 2 VAÜG. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, da der Antragsteller als
Ausgleichsverpflichteter Rentenbezieher ist und ihn das sogenannte Rentnerprivileg
schützt (Götsche FamRZ 2002, 1235, 1241).
C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 S. 1 FGG, die Entscheidung zum
Streitwert auf § 49a GKG.
D.
Die Rechtsbeschwerde wird gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die
Zulässigkeit der Aussetzung des Versorgungsausgleichs gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG im
Abänderungsverfahren des § 10 a VAHRG ist von grundsätzlicher Bedeutung.
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