Urteil des LSG Thüringen vom 08.09.2009

LSG Fst: vergütung, reformatio in peius, psychologisches gutachten, beweisanordnung, wiederholung, verfügung, auflage, entschädigung, merkblatt, ermessen

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 08.09.2009 (rechtskräftig)
Thüringer Landessozialgericht L 6 SF 49/08
Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 29. Mai 2008 wird auf 886,25 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
In dem Berufungsverfahren G. C .../. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: L 2 R 501/06) beauftragte
die Berichterstatterin des 2. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 8. Mai 2008 den
Erinnerungsführer, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Berufskunde und
Tätigkeitsanalyse, mit der Erstattung eines berufskundlichen Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) über die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten "Rezeptionistin in einem Friseursalon" und
"Fachverkäuferin für Kosmetik". Übersandt wurden ihm insgesamt 375 Blatt Akten (175 Blatt Gerichtsakte, 101 Blatt
Verwaltungsakte, 74 Blatt Medizinische Beiakte; ca. 25 Blatt Patientenakte KKH Sch.). Unter dem 19. Mai 2008
beantragte er eine Vergütung mit der Honorargruppe M3 bzw. 8 in Höhe von 85,00 Euro. Mit Verfügung vom 21. Mai
2008 teilte ihm der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UKB) mit, die beantragte Zusage könne nicht erfolgen;
vergleichbare berufskundliche Gutachten seien bisher nur nach der "Honorargruppe 1" (gemeint ist wohl M1) vergütet
worden.
Der Erinnerungsführer fertigte unter dem 29. Mai 2008 sein Gutachten auf insgesamt 24 Blatt. In seiner
Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er insgesamt 1.631,94 Euro geltend (18,5 Stunden Zeitaufwand zu einem
Stundensatz von 85,00 Euro, Schreibauslagen/Kopien 50,19 Euro, Porto 9,25 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird
auf Blatt 49 f. des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 16. Juni 2008 kürzte der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle die Vergütung auf 984,44 Euro, weil "gemäß langjähriger gerichtlicher Praxis" das Gutachten mit der
Honorargruppe M1 (50 Euro) für 18,5 Stunden zu bewerten sei.
Gegen diese Kürzung hat sich der Erinnerungsführer mit Schreiben vom 23. Juni 2008 gewandt und vorgetragen, in
einem anderen Verfahren (Az.: S 17 SF 1129/08) habe die Bezirksrevisorin die Honorargruppe M2 zugrunde gelegt.
Das Sozialgericht Altenburg akzeptiere sogar die Honorargruppe M3. Auf Rückfrage des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle hat er ausdrücklich die richterliche Festsetzung beantragt.
Der Erinnerungsführer trägt vor, er sei noch nie nach den Honorargruppen M1 bzw. 1 entschädigt worden. Kein Gericht
in der Zivil- bzw. Sozialgerichtsbarkeit habe seine Tätigkeit bisher so geringwertig eingestuft. Es komme bei der
Honorierung nicht nur auf den Schwierigkeitsgrad des Gutachtens an, sondern auch auf das Fachgebiet. Die Inhalte
berufskundlicher Gutachten entsprächen regelmäßig den Beschreibungen der Honorargruppe M3. Er habe auch
Anspruch auf den vom Senat in Zweifel gezogenen Zeitaufwand. Dieser trage die Beweislast, dass er nicht vorliege.
Für sein Gutachten sei eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Lehrmeinungen erforderlich und
eine Würdigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen notwendig gewesen
Der Erinnerungsführer beantragt,
die Vergütung für das Gutachten vom 29. Mai 2008auf 1.631,94 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Vergütung für das Gutachten vom 29. Mai 2008 auf 984,33 Euro festzusetzen.
Es handle sich um eine für die Thüringer Sozialgerichtsbarkeit grundsätzliche Entscheidung; daher werde eine
Entscheidung benötigt.
Der UKB hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 15. Juli 2008) und die Akten dem erkennenden 6. Senat
vorgelegt. Auf Anfrage des Senatsvorsitzenden haben die IHK Thüringen, die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-
Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, das Institut für Sachverständigenwesen e.V., Köln, und die
Handwerkskammer Erfurt mitgeteilt, Ihnen lägen zu den üblichen außergerichtlich und außerbehördlichen
Stundensätze für berufskundliche Sachverständigengutachten keine Kenntnisse vor. Nach Angaben der IHK
Karlsruhe ist auf ihre Recherchen in einem Fall ein Beratungsstundenansatz von 130,00 Euro als "Verhandlungsbasis"
genannt worden; ein anderer Sachverständiger habe die gängigen Stundensätze mit 80,00 bis 100,00 Euro beziffert.
Der Erinnerungsführer hat Schreiben diverser Gerichte eingereicht, von denen seine Gutachten in der Honorargruppe 8
(85,00 Euro) vergütet wurden.
Mit Verfügung vom 12. August 2008 hat der Senatsvorsitzende den Beteiligten seine Bedenken gegen die der vom
UKB der Vergütung zugrunde gelegten Zeitansätze mitgeteilt und mit Beschluss vom 28. August 2009 das Verfahren
dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern,
Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen
Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG)) erfolgt die
Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche
Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der
Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG).
Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne der Vorschrift.
Bei der Erinnerung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig
davon, ob sie angegriffen wurden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2005 –
Az.: L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137 ff., 27. Januar 2005 – Az.: L 6 SF 745/04, 1. August 2003 – Az.: L 6 SF
220/03 in MedSach 2004, 102 f; ebenso Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Oktober 2005 – Az.:
1 B 97.1352, nach juris). Insofern kommt es nicht darauf an, dass sich der Erinnerungsführer nur gegen die
Honorargruppe M1 wendet. Bei der Festsetzung ist der Senat weder an die Höhe der Einzelansätze, den
Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle gebunden, denn das Verschlechterungsverbot (sog. "reformatio in peius") gilt bei der erstmaligen
richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. April 2005 - Az.: L 6 SF 2/05 und vom 16. September
2002 - Az.: L 6 B 51/01 SF; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen,
Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 24. Auflage 2007, § 4 Rdnr. 4.3).
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG),
2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und
besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es
nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten
gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die
Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).
Das Honorar des Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der
erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand
eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit
durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - Az.: 1 BvR 55/07; BGH;
Beschluss vom 16. Dezember 2003 – Az.: X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschlüsse vom 21. Dezember 2006
- Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f. und 11. März 2004 – Az.: L 6 980/03; Hartmann in Kostengesetze, 39.
Auflage 2009, § 8 JVEG Rdnr. 35). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen
über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (h.M., vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006, - Az.: L 6 B
22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.; Thüringer OVG, Beschluss vom 3. Juli 2006 – Az.: 4 VO 487/05, nach juris;
Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – Az.: L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22.
September 2004 – Az.: L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr
als 15 v.H. überschritten (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007,
180 f.) oder bietet die Kostenrechnung keinen Anhalt für einen realistischen Ansatz (vgl. Senatsbeschluss vom 19.
Dezember 2007 - Az.: L 6 B 172/07 SF), ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben
des Sachverständigen durchzuführen. Im vorliegenden Fall übersteigt der Zeitansatz des Erinnerungsführers die
üblichen Erfahrungssätze erheblich (über 70 v.H.). Anhaltspunkte für eine besondere Schwierigkeit bei der
Gutachtenserstellung sind nicht ersichtlich und werden auch vom Erinnerungsführer nicht konkretisiert vorgetragen.
Für die Erstellung des Gutachtens vom 29. Mai 2008 war angesichts der übersandten Unterlagen und unter
Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte nur ein Zeitaufwand von 10,5 Stunden zu vergüten. Der darüber hinaus
beantragte (und vom UKB akzeptierte Zeitansatz) war nicht erforderlich.
Der Erinnerungsführer und der UKB haben die Sachverständigenleistung ohne Änderung entsprechend dem Thüringer
"Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen" berechnet. Dies ergibt sich aus der
eingereichten Kostenrechung (Bl. 49 des Kostenhefts). Insofern hat der Erinnerungsführer selbst einen fiktiven
Zeitaufwand zugrunde gelegt, was in dem Schriftsatz vom 15. August 2009 ausdrücklich bestätigt wird. Dabei hat er
allerdings die falsche Vergleichsgruppe der Sachverständigen herangezogen. Er ist offensichtlich kein medizinischer
Sachverständiger und mit diesem Personenkreis auch nicht vergleichbar. Sein Auftrag war die Erstellung eines
berufskundlichen Gutachtens unter Zugrundelegung der vom 2. Senat ausdrücklich vorgegebenen Tatsachen
(konkrete medizinische Einschränkungen, benannte und sonst mögliche Verweisungsberufe). Insofern können die in
dem Merkblatt vorgegebenen Grundsätze nur soweit herangezogen werden, als eine Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit
der medizinischen Sachverständigen besteht.
Für die ausdrücklich begehrte kostenrechtliche Gleichsetzung (tatsächlich handelt es sich sogar um eine deutliche
Besserstellung) bei der Aktendurchsicht besteht keine Notwendigkeit. Bei medizinischen Sachverständigen
berücksichtigt der Senat in ständiger Rechtsprechung 80 Blatt pro Stunde bei bis zu 25 v.H. medizinischer
Unterlagen; bei einem höheren Prozentsatz wird eine Stunde für die Durchsicht von ca. 100 Blatt mit allgemeinem
Inhalt bzw. 50 Blatt mit ausschließlich medizinischem Inhalt angesetzt (vgl. u.a. Beschluss vom 1. August 2003 -
Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102). Bei berufskundlichen Gutachten ist für die Aktendurchsicht im Regelfall
allenfalls 1 Stunde für 100 Blatt Unterlagen erforderlich. Damit errechnet sich der notwendige Zeitansatz auf 3,75
Stunden. Der Senat behandelt insoweit den berufskundlichen ebenso wie einen medizinischen Sachverständigen,
soweit dieser Unterlagen mit allgemeinem (d.h. nicht medizinischem) Inhalt durchzusehen hat (vgl. Senatsbeschluss
vom 1. August 2003 - Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 ff.). Die Durchsicht von medizinischen Unterlagen
(z.B. Befundberichte, Arztbriefe, Gutachten) konnte bei dem Erinnerungsführer keinen zeitlich höheren Zeitaufwand
erfordern als die von allgemeinen Unterlagen, denn die Beweisanordnung gibt die verbindliche medizinische
Leistungsvorgabe des Auftraggebers vor. Selbst wenn der Erinnerungsführer sie inhaltlich nicht geteilt hätte, wäre er
an sie gebunden gewesen. Er verkennt seinen Prüfungsauftrag, wenn er die Notwendigkeit einer "Sichtung und
Wertung" der medizinischen Unterlagen behauptet. Im Übrigen wäre es ohne die ausdrückliche Vorgabe des 2. Senats
lediglich seine Aufgabe gewesen, das dem Kläger mögliche gesundheitliche Leistungsvermögen den
zusammenfassenden Beurteilungen in den vorliegenden medizinischen Gutachten und Reha-Entlassungsberichten zu
entnehmen und ggf. alternativ zu erörtern. Eine Bewertung der inhaltlichen Richtigkeit der erhobenen Diagnosen oder
eine eigene Einschätzung der Einschränkungen, wie sie von einem medizinischen Sachverständigen verlangt wird,
hätte er auch dann nicht vornehmen dürfen. Beides hätte seine Kompetenzen überschritten und ihn als
berufskundlichen Sachverständigen fachlich überfordert. Zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass das
Gutachten auch keine inhaltliche "Würdigung" der medizinischen Unterlagen enthält. Der Erinnerungsführer hat die
Einschätzungen des Leistungsvermögens der beiden im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens eingeholten Gutachten
(Dr. Dr. B. vom 19. März 2007, Blatt 23/24 und Dr. R. vom 14. September 2005, Blatt 13/14) auf Blatt 25 und 26
seines Gutachtens lediglich zusammengefasst.
Für die Abfassung der Beurteilung können angesichts der Schreibweise 3,5 Stunden berücksichtigt werden. Bei einem
durchschnittlichen medizinischen oder berufskundlichen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 1999 - Az.: L 6 B 6/99
SF) Sachverständigen ist nach der Senatsrechtsprechung ein Zeitaufwand von in der Regel 3 Seiten pro Stunde
angemessen. Von diesem Ansatz geht auch der Erinnerungsführer in seiner Kostenrechnung vom 29. Mai 2008 aus.
Er verkennt aber, dass die Beurteilung nicht das gesamte Gutachten umfasst. Die Stellungnahme des
Erinnerungsführers zu den ihm gestellten Beweisfragen ist - großzügig gerechnet - auf insgesamt 11 Blatt (Blatt 12 bis
23) des Gutachtens niedergelegt. Nur sie umfasst die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die
nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne
berufskundlichen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können. Die Beurteilung beinhaltet nur die
eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung (so die ständige
Senatsrechtsprechung bei medizinischen Gutachten, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 8. Mai 2009 - Az.: L 6 SF 35/08
und 1. August 2003 - Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102). Dazu gehören weder Titelblatt, noch
Inhaltsverzeichnis, vollständige (und inhaltlich überflüssige) Wiederholung der Beweisanordnung, Doppel der
Beweisfragen, beruflicher Werdegang, bekannte gesundheitlichen Einschränkungen und eine Liste der im Gutachten
nicht zitierten Unterlagen.
Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens sind insgesamt 3 Stunden für allenfalls 18 Blatt angemessen.
Erfahrungsgemäß ist (wie bei medizinischen Sachverständigen) für 5 bis 6 Blatt ca. 1 Stunde Zeitaufwand notwendig,
wobei der Gesamtumfang und die Schreibweise des Gutachtens zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsbeschluss vom
1. August 2003 - Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102). Der Erinnerungsführer geht selbst von einem ähnlichen
Zeitansatz (5 Seiten pro Stunde) aus, berücksichtigt bei dem notwenigen Umfang allerdings offensichtlich überflüssige
Ausführungen, wie das angesichts des Umfangs (24 Blatt) unübliche Inhaltsverzeichnis, die vollständige
Wiederholung der Beweisanordnung, die zweite Wiederholung der Beweisfragen (vgl. Senatsbeschluss vom 1. August
2003, a.a.O.), den im Gutachten aufgeführten (an dieser Stelle überflüssigen) Hinweis an den Kostenbeamten, die
dem 2. Senat und den Beteiligten bekannte Wiederholung der Diagnosen und gesundheitlichen Einschränkungen auf 2
½ Blatt. Berücksichtigt werden können für die (einfache) Wiederholung der in der Beweisanordnung bereits
vorgegeben Einschränkungen allenfalls 1/2 Blatt.
Die Leistung des Sachverständigen ist der Honorargruppe 7 (80,00 Euro) zuzuordnen.
Nach § 9 Abs. 1 JVEG bestimmt sich die Zuordnung zu einer Honorargruppe nach der Anlage 1 (Satz 2). Wird die
Leistung in einem Sachgebiet erbracht, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie unter Berücksichtigung der
allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer
Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen; das gilt entsprechend, wenn ein medizinisches oder
psychologisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe benannt wird (Satz 2).
Die Leistungen des Sachverständigen auf dem Gebiet der Berufskunde entspricht keiner der in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1
S. 2 JVEG genannten Sachgebiete. Insofern ist eine Zuordnung nach billigem Ermessen erforderlich. Die
Honorargruppen M1 bis M3 kommen allerdings nicht in Betracht, denn sie gelten nach der Begründung im
Gesetzesentwurf zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG; BT-Drucksache 15/1971 S. 181) nur für
Leistungen auf medizinischem und psychologischem Gebiet und scheiden damit für die Honorierung des
berufskundlichen Gutachtens nach § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG aus (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. September
2005 - Az.: 2 Ws 85/05, nach juris).
Unerheblich für die Entscheidung sind die eingereichten Zusagen diverser Gerichte an den Erinnerungsführer, denn es
handelt sich gerade nicht um außergerichtlich oder außerbehördlich vereinbarte Stundensätze. Relevant sind
tatsächlich nur die Angaben der IHK Karlsruhe im Schreiben vom 20. Mai 2009 auf die Nachfrage des Senats.
Grundsätzlich kann die Zuordnung auf zwei Arten erfolgen, nach dem "sachgebietlichen" oder nach dem "preislichen"
Kriterium (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 871; Hartmann, Kostengesetze, 39.
Auflage 2009, § 9 JVEG Rdnr. 14 ff.).
Bei dem "sachgebietlichen Kriterium" wird festgestellt, mit welchem Sachgebiet der Anlage 1 der konkrete
Gegenstand des Gutachtens am ehesten vergleichbar ist. Diese Zuordnung scheidet im vorliegenden Fall mangels
Vergleichbarkeit aus. Bei dem "preislichen Kriterium" wird festgestellt, zu welchem Stundenhonorar die Tätigkeit auf
dem freien Markt geboten wird, welche der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannten Tätigkeiten bei einem
privaten gutachterlichen Einsatz einen entsprechenden Stundensatz erreicht und abschließend die so ermittelte
Zuordnungszahl dem nicht genannten Sachgebiet zugewiesen. Hier hat allerdings nur die IHK Karlsruhe unter dem 20.
Mai 2009 Angaben zu außergerichtlichen bzw. außerbehördlichen Aufträgen gemacht, wonach nach Angaben eines
Gutachters der gängigen Stundensatz "80,00 bis 100,00 Euro" betrage. Nachdem dies die einzige Grundlage für eine
Zuordnung ist, ordnet der Senat die Tätigkeit des berufskundlichen Gutachters der Honorargruppe 7 "Honorare
(Architekten und Ingenieure)" mit 80,00 Euro und damit dem unteren Bereich dieser Stundensätze zu. Damit wird die
Schwierigkeit der Tätigkeit des Erinnerungsführers ausreichend und fachlich auf hohem Niveau gewürdigt. Im Rahmen
seines pflichtgemäßen Ermessens sieht der Senat keine Veranlassung, einen höheren Stundensatz zu akzeptieren;
hierfür sind die vorliegenden Unterlagen nicht ergiebig genug. Er nimmt im Übrigen in Kauf, dass medizinischen
Sachverständigen diese Einstufung im Vergleich mit ihren Stundensätzen zu hoch erscheinen muss.
Entsprechend dem Ansatz für Diktat und Korrektur sind auch die Schreib- und Kopierkosten zu kürzen. Da die Zahl
der Anschläge nicht feststellbar ist, schätzt sie der Senat nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 JVEG auf 25.471 (34.932: 24 x
17,5).
Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt: 10,5 Stunden zu 80,00 Euro 840,00 Euro Schreibauslagen 19,50 Euro
Kopien 17,50 Euro Porto 9,25 Euro 886,25 Euro
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).