Urteil des LSG Thüringen vom 11.08.2009

LSG Fst: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gleichbehandlung im unrecht, produktion, ddr, zugehörigkeit, reparatur, anwartschaft, auskunft, briefkasten, berufungsschrift

Thüringer Landessozialgericht
Urteil vom 11.08.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Altenburg S 19 RA 677/04
Thüringer Landessozialgericht L 6 R 555/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 28. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatz¬versorgungssysteme der
Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschafts¬überführungs¬gesetz (AAÜG) weitere
Beschäftigungszeiten vom 1. März 1961 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem
Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1929 geborene Kläger erwarb mit dem erfolgreichen Besuch der Ingenieurschule für Eisenbahnwesen D. das
Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur der Fachrichtung Maschinentechnik zu führen (Urkunde vom 24. Juni 1957).
Nach Abschluss des Studiums war er seit dem 1. Januar 1958 bei dem Bahnbetriebswerk A., vom 1. Januar 1961 bis
28. Februar 1961 bei der Deutschen Reichsbahn Bahndirektion D., und ab dem 1. März 1961 bis 30. Juni 1990 -
zuletzt als Technologe - bei dem VEB Kraftfahzeug-Instandsetzung G. bzw. dessen Rechtsnachfolgern beschäftigt.
Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Seit dem 1. September
1972 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).
Die Gründung des VEB Kombinat Kraftverkehr G. wurde am 27. Mai 1970 durch den Rat des Bezirkes Gera
beschlossen. Unter Punkt 2 des Beschlusses heißt es: Der VEB Kombinat ist Rechtsnachfolger der Bezirksdirektion
Kraftverkehr Gera sowie deren nachgeordneten VEB Kraftverkehr und VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung. In § 7 Abs.
4 des Statuts des VEB Kombinat Kraftverkehr G. vom 21. Mai 1970 werden die Hauptaufgaben - Transport von
Gütern und Personen mit Kraftfahrzeugen und Fahrgastschiffen, Ausübung aller Arten speditioneller Tätigkeiten
einschließlich des Umschlags von Gütern, Sicherung des Relationsverkehrs, Ausbildung von Kraftfahrern in
Fahrschulen, Vermietung von Personenkraftfahrzeugen (Selbstfahrvermietung); Ausführung von
Kraftfahrzeuginstandhaltungen an LKW, KOM, PKW, Spezialfahrzeugen und Hängefahrzeugen - genannt. Ausweislich
des Registers der Volkseigenen Wirtschaft erfolgte die Eintragung des "VEB Kombinat Kraftverkehr G. Betrieb
Kraftfahrzeuginstandsetzungswerk G." in das Register am 13. Januar 1971. Übergeordnetes Organ war er Rat des
Bezirkes Gera. Mit Eintragung vom 27. März 1974 wurde er wieder in "VEB Kraftfahrzeuginstandsetzungswerk G."
und mit Datum vom 27. April 1982 in "VEB Kraftfahrzeug-Instandhaltung G." umbenannt. Nach § 6 des Statuts des
VE Verkehrskombinates G. gehören zu den Aufgaben des VEB Kfz.-Instandhaltung G. die Ausführung von
Kraftfahrzeuginstandhaltungsleistungen sowie die Durchführung von Dienstleistungen auf dem Gebiet des Kfz.-
Hilfsdienstes, des Reifendienstes und des Batteriedienstes. Mit Löschungsverfügung vom 17. August 1990 wurde
schließlich in der Spalte 6 des Registers der volkseigenen Wirtschaft vermerkt "Von Amts wegen gelöscht gemäß § 7
Umwandlungsverordnung vom 1. März 1990 GBl. Teil I Nr. 14".
Auf den Antrag des Klägers auf Feststellung der Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz-
oder Sonderversorgungssystem stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juni 2000 die Zeiten vom 22. Juli 1957 bis
28. Februar 1961 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz fest. Die
Feststellung weiterer Zeiten lehnte sie mit der Begründung ab, der Kläger habe ab dem 1. März 1961 keine Tätigkeit in
einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt.
Am 14. August 2003 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 5. Juni 2000 und die Anerkennung
weiterer Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung
der Intelligenz unter Berücksichtigung der Ergebnisse von zwei beim Sozialgericht Altenburg (Az.: S 12 RA 212/01
und S 12 RA 1928/01) anhängig gewesenen Verfahren. Mit Bescheid vom 10. September 2003 lehnte die Beklagte
eine Änderung des Bescheides vom 5. Juni 2000 sowie die Feststellung weiterer Beschäftigungszeiten ab. Im
Widerspruchsverfahren reichte der Kläger die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Juli 2003 in
dem Verfahren Az.: S 12 RA 1928/01 ein. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März
2004 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger die Ansicht vertreten, der VEB Kfz.-Instandhaltung G. (im Folgenden: VEB) sei
organisatorisch zweifelsfrei dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen. Zudem
habe es sich um einen Produktionsbetrieb gehandelt. Die Beklagte habe hierfür keine eigenen Kriterien zu entwickeln.
In zwei Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg (Az.: S 12 RA 212/01 und S 12 RA 1928/01) habe sie sogar
anerkannt, dass der Hauptzweck des VEB in der Produktion bestanden habe. Im Übrigen reiche die Tätigkeit in einem
volkseigenen Betrieb für die Erfüllung der betrieblichen Voraussetzung aus.
Mit Urteil vom 28. April 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, es fehle an der betrieblichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche
Altersversorgung der technischen Intelligenz. Der VEB habe sich in der Hauptsache mit der Instandsetzung bereits
vorhandener, aber technisch mängelbehafteter Kraftfahrzeuge befasst habe. Damit sei er offensichtlich nicht durch die
erstmalige Produktion von Sachgütern in Massenfertigung geprägt, sondern durch die Bearbeitung vorhandener
technisch komplexer Produkte (Kraftfahrzeuge), um deren Nutzungsdauer zu verlängern. Die Fahrzeuginstandsetzung
bzw. Instandhaltung sei schon in der DDR von der Neuproduktion deutlich abgegrenzt gewesen, wie sich schon aus
der Zuordnung der Instandhaltung zum Verkehrswesen und nicht zur Industrieproduktion ergebe. Auch wenn nach der
Aussage des Zeugen W. mehr als 50 vom 100 der in einem aufgearbeiteten Fahrzeug enthaltenen Bauteile neuwertig
aufgearbeitet oder neu produziert waren, führe dies nicht dazu, dass die Fahrzeuge dadurch zu Neufahrzeugen
wurden. Das Urteil ist dem Kläger am 12. Juni 2006 zugestellt worden.
Hiergegen hat dieser am 13. Juli 2006 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die
Berufungsschrift sei am 11. Juli 2006 gegen 18:30 Uhr in den Briefkasten geworfen worden, der gegen 18:45 Uhr
geleert werde. Er habe unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten von einem Tag davon ausgehen können,
dass diese rechtzeitig beim Thüringer Landessozialgericht eingeht. In der Sache wiederholt der Kläger im
Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und macht darüber hinaus geltend, dass der vom Sozialgericht
verwendete Produktionsbegriff der Versorgungsordnung und ihren Durchführungsbestimmungen nicht zu entnehmen
sei. Zudem sei der Hauptzweck des VEB die Produktion gewesen. Er habe im Jahr 1967 als
Großkraftfahrzeuginstandsetzungswerk seine Arbeit aufgenommen. Dieses sei errichtet worden, um für die
Südbezirke der DDR die industrielle Instandsetzung von Baugruppen für Fahrzeuge, Motoren für PKW Trabant,
Lenkungen, Bremsanlagen und sonstigen Zubehörteilen im Fließbandverfahren durchzuführen. In der industriellen
Fertigung sei ca. 10 bis 20 vom Hundert Neufertigung erfolgt. Der VEB habe also unter gleichartigen Bedingungen wie
die Fahrzeughersteller gearbeitet, indem im Takt- und Fließverfahren ganze Baugruppen und sogenannte
Unterbaugruppen für Busse, Lastkraftwagen und PKW, Motoren, Achsen, Getriebe, Elektrokabelsysteme,
Fahrzeugsitze und sonstiges entweder von Grund auf neu oder unter Einbeziehung und Verwendung aufgearbeiteter
bzw. erneuerter Teile gefertigt wurden. Des Weiteren seien Fahrzeuge "aufgebaut", also hergestellt bzw. montiert
worden. Die industrielle Instandsetzung habe in der DDR ausdrücklich zur Produktion gehört, weil diese auch
sogenannte "Enderzeugnisse" hervorgebracht habe. Der VEB sei kein Dienstleistungsbetrieb, sondern ein Betrieb der
materiellen Produktion gewesen. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. April 2008 (Az.: B 4 RS 31/07
R) sei bereits in sich widersprüchlich, wenn dort zwischen Fertigung und Produktion unterschieden werde. Außerdem
unterscheide sich der VEB von dem von der BSG-Entscheidung betroffenen Betrieb dadurch, dass dort im Takt- und
Fließverfahren gearbeitet worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 28. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 10. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2004 zu verpflichten,
den Bescheid vom 5. Juni 2000 abzuändern und die Zeiten vom 1. März 1961 bis 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit
zu dem Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie die währenddessen erzielten Entgelte und
sonstigen Sachverhalte im Sinne des AAÜG festzustellen und dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, der VEB habe nicht zu den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben im Sinne
der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen
gleichgestellten Betrieben gehört. Dies folge auch aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR. Dort sei
der Beschäftigungsbetrieb des Klägers der Wirtschaftsgruppe 41120 (Kraftverkehr (ohne Städtischer Nahverkehr))
zugeordnet gewesen.
Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Kläger die schriftlichen Stellungnahmen des von der 12. Kammer des
Sozialgerichts vernommenen Zeugen W. vom 7. Januar und 6. Dezember 2002 gegenüber dem SG in dem Verfahren
Az.: S 12 RA 212/01 vorgelegt.
Der Senat hat eine Auskunft der Deutschen Post AG vom 27. November 2006 eingeholt sowie verschiedene
Unterlagen beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis übersandt, darunter das Gründungsstatut des VEB Kombinat
Kraftverkehr G. vom 21. Mai 1970 sowie ein nicht datiertes Statut des VE Verkehrskombinats G. und den Auszug aus
dem Register der volkseigenen Wirtschaft, den VEB G. betreffend. Schließlich hat der Senat den Beteiligten eine
Kopie des Urteils des BSG vom 24. April 2008 (Az.: B 4 RS 31/07 R) zur Kenntnisnahme übersandt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der
Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
gewährt. Danach ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, ihm
auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Kläger hat die Berufungsfrist nach § 151 Abs. 1 SGG nach dem glaubhaften Bekunden seines
Prozessbevollmächtigten ohne Verschulden versäumt. Bei den üblichen Postlaufzeiten von einem Tag, von der
Deutschen Bundespost AG in ihrer Auskunft vom 27. November 2006 bestätigt, hat er damit rechnen können, dass
die am 11. Juli 2006 in den Briefkasten eingeworfene Berufungsschrift, das Thüringer Landessozialgerichts am 12.
Juli 2006 - und damit rechtzeitig - erreicht.
Die Berufung ist aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs 1 und Abs. 2 des AAÜG darauf, dass die Beklagte
die Zeiten vom 1. März 1961 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der
zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (nachfolgend: ZAVO-techInt) einschließlich der in diesem
Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt. Das AAÜG ist auf ihn nicht anwendbar. Ein
Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Abänderung des Bescheides vom 5. Juni 2000 nach § 44 Abs. 1
des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht nicht.
Vom persönlichen Anwendungsbereich der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die
Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu
Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August
1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des
Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust
nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Der Kläger erfüllt jedoch beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Er war bei Inkrafttreten des
AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungs¬anwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm
eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte weder früher eine Versorgungszusage in
Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten noch war
er auf Grund eines Einzel¬vertrags oder einer späteren Rehabilitations¬entscheidung in das Versorgungssystem der
zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1
Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann
gegeben, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni
1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte; vielmehr muss der Betroffene nach
den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später
ausgeschieden sein (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 5 der
Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz
in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB z. ZAVO-techInt,
GBl. der DDR Nr. 62 (S. 487)) erfolgte die Erteilung einer Versorgungs¬zusage ausschließlich durch Aushändigung
eines "Dokuments über die zusätzliche Altersversorgung". Ein solches Dokument (Versicherungsurkunde) ist dem
Kläger nicht ausgehändigt worden. Mangels Einbeziehung konnte er nicht aus einem Versorgungssystem in diesem
Sinne ausscheiden. Die Anwendbarkeit des AAÜG ist auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Beklagte mit dem
angefochtenen Bescheid vom 5. Juni 2000 die Zeiten vom 22. Juli 1957 bis zum 28. Februar 1961 als Zeiten der
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festgestellt hat. Die Beklagte hat mit
diesem Bescheid keine Erklärung darüber abgegeben, sie erkenne dem Kläger zum 1. August 1991 eine wirkliche
oder fiktive Versorgungsberechtigung zu. Die bloße Anwendung der §§ 5 bis 8 AAÜG verlautbart keine Bewilligung
einer Versorgungsberechtigung zum 1. August 1991; das Schweigen eines Datenfeststellungen nach § 8 AAÜG
treffenden Bescheides ist keine Zuerkennung einer Versorgungsberechtigung.
Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungs¬anwartschaft, wie sie sich aus der
vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1
Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen
waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu
prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen
Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungs¬zusage gehabt hätten (vgl. BSG, Urteile vom 9. April
2002 – Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01 R, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteile vom 10. April 2002 - Az.: B 4
RA 34/01 R und Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).
Der Kläger hat am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der
technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend
ZAVO-techInt, GBl. der DDR Nr. 93 (S. 844)) nicht erfüllt. Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i.
V. m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss
am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung geführt (persönlichen Voraussetzung) und eine der
Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder
Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des
Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung – BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04
R, 18. Juni 2003 – Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z. B.: BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 32/01 R und vom
10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).
Mit Erwerb des Ingenieurtitels im Juni 1957 erfüllt der Kläger die persönliche Voraussetzung. Es kann auch unterstellt
werden, dass er als Technologe eine seiner Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet hat (vgl. hierzu,
BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 17/07 R). Es fehlt jedoch am 30. Juni 1990 an der betrieblichen
Voraussetzung.
Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden Bauwesen) hängt
entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil
vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und
standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (sog. fordistisches
Produktions¬modell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Die Auslegung der Versorgungsordnung durch die
Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR spielt dagegen bei der heutigen Auslegung - entgegen der
Auffassung des Klägers - keine Rolle (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris). Aus
diesem Grund ist allein die Tätigkeit in einem solchen Massenproduktionsbetrieb von besonderer volkswirtschaftlicher
Bedeutung gewesen und hat die durch die ZAVO-techInt bezweckte Privilegierung der technischen Intelligenz in
solchen Betrieben gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 – Az.: B 4 RA 57/03 R, nach juris). Dagegen fällt
die Fertigung von Gütern unter Verwendung von Altteilen nicht dem fordistischen Produktionsbegriff (vgl. BSG, Urteil
vom 24. April 2008 – Az.: B 4 RS 31/07 R, nach juris). Unter Berücksichtigung dieser vom BSG aufgestellten
Grundsätze und der Auswertung sämtlicher vorliegender Unterlagen war Gegenstand des VEB nach der Überzeugung
des Senats nicht, zumindest nicht überwiegend, die Massenproduktion von Sachgütern.
Sein Hauptzweck bzw. die Hauptproduktion bestand nicht in der Massenproduktion von Sachgütern, sondern in der
Reparatur, Instandsetzung und Wiederaufarbeitung von Kraftfahrzeugen und der Erbringung von Dienstleistungen, wie
z.B. Kfz-Hilfsdienste sowie Reifen- und Batteriedienste. Dies ergibt sich zum einen bereits aus den, in § 6 Absatz 1
Nr. 3 des vom Senat beigezogenen Statuts des VE Verkehrskombinats G., beschriebenen Aufgaben.
Zum anderen stützt die Aussage des von einer anderen Kammer des SG in einem anderen Verfahren (Az.: S 12 RA
1928/01) vernommenen Zeugen W. die Überzeugung des Senats, dass es sich bei dem VEB um einen solchen
Instandsetzungs- und Dienstleistungsbetrieb gehandelt hat. Die Niederschrift vom 31. Juli 2003 hat der Kläger in das
Verfahren eingeführt und sich darauf bezogen. Der Zeuge, der ab 1964 als Lehrling sowie nach seiner Armeezeit als
Technologe und von 1979 bis 1990 als Technischer Leiter beim VEB beschäftigt war, hat ohne inhaltliche
Widersprüche bekundet, dass im VEB verschiedene Pkw- und Nutzfahrzeugtypen "serienmäßig" instand gesetzt
wurden. Reparaturen von Fahrzeugen seien dagegen als Einzelauftragsarbeiten "nebenher" durchgeführt worden und
damit von untergeordneter Bedeutung gewesen. Bei der serienmäßigen Instandsetzung seien verschiedene
Fahrzeugbaugruppen im industriellen Maßstab aufgearbeitet und teilweise auch neu hergestellt worden. "Neu
hergestellt" worden seien z.B. Tragfedern für Nutzfahrzeuge aller Art und Anhänger, ganze Lenkungssysteme, Achsen
und Motoren für verschiedene Fahrzeugmodelle, Kabelbäume und sonstige Teile für Ikarus-Busse, Blechteile für
Fahrerhäuser, Bauteile für Lichtmaschinen und Anlasser und Lkw-Pritschen. Es seien "serienweise" Trabant-Kfz
"aufgebaut" worden, wobei diese aufgebauten Fahrzeuge neuen gleichwertig waren, da viele Neuteile vom Hersteller
aus Zwickau bezogen und eingebaut wurden. Bei den Ikarus-Bussen seien die Sitze komplett demontiert und das
Stahlgerüst aufgearbeitet, der Sitzaufbau jedoch völlig neu hergestellt worden. Überhaupt seien bei der "Reparatur"
von Bauteilen diese in Serienfertigung aufgearbeitet worden. Dabei hätten zwar verwertbare Altteile, aber auch viele
Neuteile, die teils selbst hergestellt, teils vom jeweiligen Hersteller bezogen worden seien, Verwendung gefunden. Da
die Aufarbeitung sehr aufwändig gewesen sei, wären die Teile am Schluss nicht lediglich überarbeitet, sondern
neuwertig gewesen. So hätten z.B. die Motoren schätzungsweise zu 65 bis 70 v.H. aus Neuteilen bestanden. Von den
etwa 1.000 Beschäftigten im Betriebsteil G. seien etwa 600 in dem zuvor beschriebenen Bearbeitungsprozess tätig
gewesen. Von den 150 Beschäftigten im Betriebsteil Gz. hätten ungefähr 20 Beschäftigte Kupplungsscheiben neu
produziert. Im Betriebsteil Z. seien Fahrerhäuser für Volvo-Lkw, im Betriebsteil S. Robur-Motoren und in Gr. B-1000-
Transporter "im industriellen Maßstab" aufgearbeitet worden.
Nach dem vom BSG geprägten Produktionsbegriff handelte es sich danach eben gerade nicht um eine überwiegende
(Neu-)Produktion im fordistischen Sinne, sondern um Instandsetzung bzw. Aufarbeitung von gebrauchten Gütern,
nämlich Pkws, Bussen und Lkws unter Verwendung von Altteilen. Dass dabei in unterschiedlichem Umfange auch
Neuteile Verwendung gefunden haben, ändert hieran ebenso wenig wie der Umstand, dass die verwendeten Neuteile,
ebenfalls in unterschiedlichem Umfange, vom aufgrund der allgemein herrschenden Mangelwirtschaft selbst
hergestellt werden mussten und dass die aufgearbeiteten Güter wie neuwertig gewesen sind. Nach Überzeugung des
Senats wird dadurch der Charakter einer Instandsetzung bzw. Aufarbeitung nicht verändert. Es wurde lediglich die
Gebrauchsfähigkeit bereits vorhandener Wirtschaftsgüter so weit wieder hergestellt, dass sie ihrer bisherigen Funktion
entsprechend wieder verwendbar waren.
Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, dass die Instandsetzung bzw. Aufarbeitung in "industriellem Maßstab"
erfolgte, weil sich auch hierdurch der Charakter der Geschäftstätigkeit nicht ändert. Lediglich der Vollständigkeit
halber sei diesbezüglich zum einen erwähnt, dass entgegen der Auffassung des Klägers auch das Urteil des BSG
vom 24. April 2008 (Az.: B 4 RS 31/07 R) einen Betrieb zum Gegenstand hatte, der im industriellen Maßstab Güter
instand setzte. Zum anderen wird dort nicht, wie der Kläger meint, zwischen Fertigung und Produktion, sondern
zwischen der Herstellung neuer und der Instandsetzung bzw. Aufarbeitung bereits vorhandener Wirtschaftsgüter
unterschieden. Einen inneren Widerspruch kann der Senat hierbei nicht erkennen.
Dem entsprechen letztlich auch die vom Kläger im Rahmen des Verfahrens eingereichten schriftlichen
Stellungnahmen des Zeugen W. vom 7. Januar und 6. Dezember 2002, die dieser im Vorfeld zu seiner
Zeugenvernehmung gegenüber der 12. Kammer des SG abgegeben hat, auch wenn dort der Begriff der Kfz-
Instandhaltung als industrielle Produktion und damit nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG
definiert wird. Entscheidend ist jedoch die Umschreibung des Tätigkeitsfeldes des VEB mit Kfz-Reparatur und -
Instandhaltung, nicht die rechtliche Beurteilung des Zeugen.
Des Weiteren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem VEB um einen gleichgestellten Betrieb im
Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt handelte. Dies wurde auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen, die am 30. Juni 1990, wie etwa der Kläger, nicht in einem
versorgungsberechtigten Betrieb beschäftigt waren und deshalb nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen
Regelungen die Voraussetzungen für eine (fiktive) Versorgungsanwartschaft Nichteinbezogener nicht erfüllten, ist aber
nach dem Grundgesetz nicht geboten (vgl. BSG vom 8. Juni 2004 – Az.: B 4 RA 56/03 R sowie
Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 4. August 2004 – Az.: 1 BvR 15557/01, jeweils nach juris).
Schließlich liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) gegenüber denjenigen,
die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht
gehalten, bereits in den Versorgungs¬ordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl.
BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden
Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).
Soweit sich der Kläger außerdem auf die Einbeziehung von ehemaligen Kollegen beruft, kann er hieraus keinen
Anspruch ableiten. Weder einer möglicherweise fehlerhaften Entscheidung der Beklagten noch unter Umständen
willkürlichen Entscheidungen zu DDR-Zeiten kommt insoweit ein Beweiswert hinsichtlich der Qualifizierung des VEB
zu. Wegen der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (sog. Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG), kann
sich ein schutzwürdiges Vertrauen nicht auf eine rechtwidrige Verwaltungspraxis gründen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom
18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 34/03 R, nach juris). Einen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" gewährt
Artikel 3 GG nicht (vgl. z.B. BVerfGE 50, 142, 166).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.