Urteil des LSG Thüringen vom 24.04.2006

LSG Fst: zumutbare tätigkeit, berufliche erfahrung, rente, berufsunfähigkeit, berufsausbildung, erwerbsfähigkeit, erstellung, qualifikation, post, klettern

Thüringer Landessozialgericht
Urteil vom 24.04.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Gotha S 19 RJ 175/01
Thüringer Landessozialgericht L 6 RJ 581/03
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 19. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der im Jahr 1946 geborene Kläger ist von Beruf Betriebs- und Verkehrseisenbahner und war von 1966 bis 1969 mit
einer Unterbrechung wegen der Ableistung seines Wehrdienstes bei der Deutschen Reichsbahn als Rangierleiter,
Stellwerksmeister und Fahrdienstleiter beschäftigt. Von 1969 bis 1972 absolvierte er ein Studium, das er als Ingenieur
für Transportbetriebstechnik abschloss. Im Anschluss hieran war er von 1972 bis 1979 wiederum bei der Deutschen
Reichsbahn als Technologe und Abteilungsleiter beschäftigt. Von 1980 bis 1984 arbeitete er als Produktionsingenieur
und Transportbeauftragter beim VEB Metallaufbereitung E. und von 1984 bis 1993 als Leiter der Anschlussbahn,
stellvertretender Abteilungsleiter Versandrealisierung und Verantwortlicher für Schwerlasttransporte beim VEB
Chemie-Anlagenbau E. Von 1994 bis Oktober 1997 war er bei zwei Wach- und Sicherungsdiensten als
Arbeitszugführer und Sicherungsposten beschäftigt. Nach Krankheit und Arbeitslosigkeit arbeitete er ab Februar 1998
bis August 1999 wiederum als Arbeitszugführer, Sicherungsaufsicht und Sicherungsposten bei der Betriebs- und
Werkschutz H. GmbH O. (jetzt: Bahnbausicherung H. KG O.; im Folgenden: H. KG). Ab 19. August 1999 war er
arbeitsunfähig erkrankt und seit 16. Februar 2001 arbeitslos.
Er stellte im Januar 2000 einen Rentenantrag, den er mit Halswirbelsäulenbeschwerden begründete. Die Beklagte zog
daraufhin u.a. einen Befundbericht der Allgemeinmedizinerin Dr. B. vom 18. Oktober 1999 sowie einen Reha-
Entlassungsbericht vom 27. Januar 2000 zu einer vom 14. Dezember 1999 bis 11. Januar 2000 in Bad C.
durchgeführten medizinischen Reha-Maßnahme bei. Hiernach bestand beim Kläger ein Zervicobrachialsyndrom, ein
Lumbalsyndrom, eine chronische Bronchitis sowie eine Steatosis hepatis. Laut Entlassungsbericht könne er noch
leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig unter Einschränkungen verrichten. Die Beklagte zog außerdem eine
Arbeitgeberauskunft der H. KG vom 23. August 2000 bei, wonach der Kläger zuletzt als Facharbeiter bei einer
dreijährigen Ausbildungsdauer beschäftigt und nach § 1 des Tarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in
Hessen/Ergänzende Bestimmungen für Sicherungsposten (Sipo) bezahlt worden sei.
Mit Bescheid vom 6. September 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab,
der Kläger sei als Fahrdienstleiter noch vollschichtig einsetzbar. Sein Widerspruch vom 18. September 2000 wurde
mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2001 zurückgewiesen.
Seine hiergegen gerichtete Klage hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass er seine zuletzt ausgeübte
Tätigkeit und vergleichbare Tätigkeiten aufgrund seines Gesundheitszustands nicht mehr verrichten könne. Außerdem
genieße er Facharbeiterschutz und eine geeignete Verweisungstätigkeit sei nicht ersichtlich. Er hat zudem
verschiedene Ausbildungsunterlagen vorgelegt.
Das Sozialgericht hat u.a. Befundberichte der Dres. F., P., E., R. und Beer eingeholt sowie ein Arbeitsamtsgutachten
der Dr. H. vom 12. September 2001 beigezogen, des Weiteren von der H. KG eine Arbeitgeberauskunft (vom 14. Juni
2002) angefordert und Dr. Bu. mit der Erstellung eines orthopädischen sowie Dr. K. mit der Erstellung eines
internistischen Gutachtens beauftragt. Dr. Bu. hat in seinem Gutachten vom 6. September 2002 ein chronisch
rezidivierendes Zervicobrachialsyndrom, ein lumbales Schmerzsyndrom sowie eine chronische Bronchitis festgestellt
und den Kläger für fähig erachtet, noch körperlich leichte Arbeiten vollschichtig unter Einschränkungen zu verrichten.
Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 4. September 2002 zusätzlich zu den bekannten Diagnosen einen erhöhten
Alkoholkonsum festgestellt. Hiernach sei der Kläger noch in der Lage, zumindest körperlich mittelschwere Arbeiten,
jedoch wegen des erhöhten Alkoholkonsums ohne besondere Verantwortung für Mensch und Technik, vollschichtig zu
verrichten. Die Dauerleistungsgrenze habe bei 100 bis 125 Watt gelegen.
Mit Urteil vom 19. Mai 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, dass der Kläger als Angelernter im oberen Bereich oder gar als Facharbeiter einzustufen und deshalb von
einem qualifizierten Berufsschutz auszugehen sei. Seine bisherige Arbeit könne er aufgrund seines
Gesundheitszustands zwar nicht mehr ausüben. Er könne jedoch mit seinem medizinischen Restleistungsvermögen
noch auf andere qualifizierte Tätigkeiten, z.B. im Bürobereich verwiesen werden.
Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass bei ihm eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege und sich zudem sein Gesundheitszustand zusehends
verschlechtere. Außerdem habe das Sozialgericht keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 19. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids
vom 6. September 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2001 zu verurteilen, ihm ab 1. Februar
2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise Rente wegen
Erwerbsminderung ab 1. Januar 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren und verweist
auf die erstinstanzliche Entscheidung. Ergänzend trägt sie vor, der Kläger sei, selbst wenn er Facharbeiterschutz
genieße, auf die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters der Vergütungsgruppe BAT VIII verweisbar. Sie hat hierfür
einen Auszug aus einem berufskundlichen Gutachten der Berufskundlerin J. vom 18. Dezember 2004 vorgelegt.
Der Senat hat Dr. S. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in
seinem Gutachten vom 2. August 2004 beim Kläger ein chronisches, zeitweise pseudoradikuläres Zervikalsyndrom,
ein chronisches, zeitweise pseudoradikuläres dorso-lumbales Schmersyndrom, ein leichtgradiges
Karpaltunnelsyndrom links ohne Funktionsbeeinträchtigungen, eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus,
schädlichen Alkoholgebrauch mit Steatosis hepatitis sowie eine Erhöhung des Serumharnsäurespiegels festgestellt.
Zum Leistungsvermögen hat der Sachverständige "in vollständiger Übereinstimmung mit den im erstinstanzlichen
Gerichtsverfahren ( ) angefertigten fachärztlichen Gutachten" ausgeführt, dass der Kläger noch leichte, zeitweise
ebenso mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig ausüben könne. Als zusätzliche
Funktionseinschränkungen hat er einseitige körperliche Zwangshaltungen, wie ständig vorgeneigtem Oberkörper oder
gebückter Körperhaltung sowie anhaltender Überkopftätigkeiten, Arbeiten mit Heben und Transportieren von Lasten
über 10 kg, Arbeiten unter fortgesetzter Einwirkung von Kälte, Nässe sowie Zugluft, Arbeiten mit häufigem Klettern
und Steigen bzw. Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie Arbeiten mit fortgesetzten Vibrationsbelastungen
ausgeschlossen.
Der Senat hat eine Arbeitgeberauskunft der H. KG vom 15. April 2004 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 14.
Februar 2005 und verschiedene Auskünfte der D. AG sowie der R. Deutschland AG zur Ausbildung
"Sicherungsposten" und "Arbeitszugführer" eingeholt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte
sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, denn er ist noch in der Lage, vollschichtig (= acht Stunden
täglich an fünf Wochentagen) tätig zu sein.
Ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung bis 31. Dezember 2000 (a.F.), bzw. nach §§ 240, 43 SGB VI in der
Fassung ab 1. Januar 2001 (n.F.) scheidet aus; die Leistungsfähigkeit ist nicht in dem für eine Rentengewährung
erforderlichen Umfang herabgesunken.
Nach § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie
berufsunfähig sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Der Kläger ist nicht berufs- und damit
auch nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 SGB VI a.F. Erwerbsunfähigkeit setzt wesentlich stärkere
Einschränkungen des Leistungsvermögens voraus als Berufsunfähigkeit.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI (a.F.) sind Versicherte berufsunfähig, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit
oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen Fähigkeiten gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der
Tätigkeiten, nach den die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und
Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres
bisherigen Berufes unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Tätigkeit zugemutet werden können.
Berufsunfähig ist nach Satz 4 nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI gelten diese Vorschriften weiter.
Nach dem mit Wirkung ab 1. Januar 2001 in Kraft getretenen § 240 Abs. 1 SGB VI n.F. haben Versicherte, die vor
dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, Anspruch auf Rente nach § 43 SGB VI (n.F.) wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen. Die Definition der Berufsunfähigkeit in Absatz 2
entspricht der bisher geltenden Regelung mit dem Unterschied, dass bei der Neuregelung auf ein Herabsinken auf
weniger als sechs Stunden abgestellt wird. Deshalb kann die bisherige Auslegung und Rechtsprechung zur
Berufsunfähigkeit auch bei der Neuregelung angewendet werden. Die teilweise Erwerbsminderung in § 43 SGB VI n.F.
setzt allerdings voraus, dass der Versicherte nicht mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Berufsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist das Vermögen des Versicherten, das heißt die ihm
zu Gebote stehende Fähigkeit, seine durch Ausbildung oder bisherige Berufstätigkeit erworbene berufliche
Qualifikation (Berufskompetenz) im (inländischen) Arbeitsleben zur Erzielung von Einkommen einzusetzen. Die
Versicherungspflicht des Versicherungsträgers tritt demnach erst ein, wenn das gesundheitliche Vermögen des
Versicherten bei keinem Beruf, der seiner geschützten Berufskompetenz entspricht (d.h. in also fachlich-qualitativ
weder über- noch unterfordert), dafür ausreicht, ihn (zeitlich und inhaltlich) wenigstens hälftig auszuüben.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes
festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema
entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes – dieser wird nach
Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt –
hierarchisch geordnet (vgl. BSGE 78, 207, 218; BSG vom 24. März 1998 – Az.: B 4 RA 44/96 R). Die Arbeiterberufe
werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit
Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter
Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger
Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters
charakterisiert werden (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49).
Die Einordnung eines bestimmten Berufsschemas erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der förmlichen
Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von
Faktoren zu ermittelten Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf
das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. (insoweit wortgleich § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB
VI n.F.) genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere
Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Fachlich-qualitativ gleichwertig sind demnach alle
Vergleichsberufe, die nach dem "Schema" in die gleiche oder in die nächst niedrigere Stufe einzuordnen sind.
Wesentliches Merkmal und Beurteilungsmaßstab für die Qualität eines Berufes ist nach der Rechtsprechung des BSG
die tarifliche Einstufung durch die Tarifvertragsparteien. Sie ist einerseits wesentlich für die abstrakte –
"tarifvertragliche" – Qualifizierung (im Sinne eines selbstständigen Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen
geordneten Tarifvertrages, zum anderen für die tarifliche Zuordnung der konkreten, zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines
Versicherten zu einer Berufssparte und hierüber zu einer bestimmten Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages
(vgl. BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 14; BSG vom 21. Juni 2001 – Az.: B 13 RJ 45/00 R).
Angesichts der zuletzt auf Dauer ausgeübten Tätigkeit als Arbeitszugführer, Sicherungsaufsicht und
Sicherungsposten bei der Bahnbausicherung H. KG ist der Kläger der oberen Gruppe der Angelernten (Anlernzeit ein
bis zwei Jahre) zuzuordnen. Entgegen seiner Auffassung und auch der vom Sozialgericht im angefochtenen Urteil
geäußerten Vermutung ist er nicht als Facharbeiter einzustufen. Zwar ist in der von der Beklagten im
Verwaltungsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 17. August 2000 pauschal vermerkt, dass der Kläger
Tätigkeiten verrichtet habe, die im Allgemeinen von Facharbeitern mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren
verrichtet werden würden. Doch findet dies in den Angaben der vom Sozialgericht eingeholten weiteren
Arbeitgeberauskunft sowie den im Berufungsverfahren veranlassten ergänzenden Stellungnahmen der H. KG keine
Entsprechung. So wird in der weiteren Arbeitgeberauskunft vom 14. Juni 2002 ausgeführt, dass die Ausbildung zum
Sicherungsposten 10 Tage dauert und nach zweijähriger Berufspraxis als Sicherungsposten in einer 5-tägigen
Ausbildung die Qualifikation als Sicherungsaufsichtskraft erworben werden kann. Dies ergibt sich im Wesentlichen
auch so aus den vom Kläger vorgelegten Ausbildungsnachweisen, wonach er vom 20. Dezember 1993 bis zum 7.
Januar 1994 zum Sicherungsposten und vom 11. bis zum 22. Januar 1999 zur Sicherungsaufsichtskraft ausgebildet
wurde. Auch in dem von der D. AG vorgelegten Funktionsausbildungsplan zum Sicherungsposten ist eine 10-tägige
Ausbildungsdauer vorgeschrieben. Alle diese Ausbildungen zusammengerechnet ergeben selbst dann keine über
zweijährige Ausbildungsdauer, wenn die entsprechend erforderlichen Vorqualifikationen angemessen berücksichtigt
werden. In der ergänzenden Stellungnahme der H. KG vom 15. April 2004 wird als Vorqualifikation zwar eine
abgeschlossene Berufsausbildung genannt. Jedoch wird nicht näher erläutert, um was für eine Berufsausbildung es
sich dabei handeln und wie lange deren Dauer gewesen sein muss. In den zuvor erwähnten
Funktionsausbildungsplänen wird als Voraussetzung für die Ausbildung zum Sicherungsposten dagegen lediglich der
Nachweis einer mindestens 6-monatigen Tätigkeit im Gleisbereich der DB Netz AG gefordert. Die Voraussetzungen
für die Ausbildung zur Sicherungsaufsichtskraft wurden oben bereits beschrieben. Diese Vorqualifikationen
zusammengenommen – wobei hinsichtlich der geforderten Berufspraxis eine vollständige Berücksichtigung nicht
erfolgen kann, da es sich dabei nicht um eine eigentliche Ausbildungszeit handelt – und der (eigentlichen)
Ausbildungszeit hinzugerechnet, ergibt sich für den Senat eine Gesamtausbildungsdauer von über einem, jedoch
unter zwei Jahren. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Vorbildung des Klägers ebenso wie seine langjährige
berufliche Erfahrung im Eisenbahnbereich sich sicherlich förderlich für die Ausbildung zu den zuletzt von ihm
verrichteten Tätigkeiten ausgewirkt haben dürften. Anhaltspunkte dafür, dass sie Vorraussetzung hierfür gewesen
sind, kann der Senat dagegen nicht erkennen.
Auf die weitere Qualifikation des Klägers als Arbeitszugführer kommt es in diesem Zusammenhang nicht
entscheidend an, da diese (Teil-)Tätigkeit seiner Tätigkeit für die H. KG insgesamt nicht das Gepräge gegeben hat
(vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 – Az.: 4 RA 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41). Nach der ergänzenden
Stellungnahme der H. KG vom 14. Februar 2005 hat die (Teil-)Tätigkeit lediglich ein Fünftel bis ein Viertel der
gesamten Tätigkeit umfasst; die Ausbildung zum Arbeitszugführer sei außerdem auch nicht
Einstellungsvoraussetzung gewesen. Lediglich ergänzend ist hier daher anzumerken, dass er die entsprechende
Befähigung nach der bereits erwähnten Arbeitgeberauskunft vom 14. Juni 2002 nach einer Ausbildungsdauer von drei
Monaten erworben hat. Nach dem sowohl vom Kläger als auch der R. Deutschland AG vorgelegten
Funktionsausbildungsplan zum Zugführer u.a. bei Arbeitszügen dauert die Ausbildung sogar nur 10 Tage, setzt jedoch
die Befähigung z.B. eines Rangierleiters voraus. Dieser wiederum wird nach dem vom Kläger vorgelegten
Funktionsausbildungsplan zum Rangierleiter, sofern er vorher u.a. bereits als Rangierarbeiter eingesetzt war, in einer
ebenfalls 10-tägigen Ausbildung qualifiziert. Somit bliebe auch hierdurch die entsprechend addierte
Gesamtausbildungsdauer immer noch im Bereich von bis zu zwei Jahren.
Aber auch aus der tarifvertraglichen Einstufung und Bezahlung des Klägers folgt keine Einstufung als Facharbeiter.
Nach den im Verfahren sowohl gegenüber der Beklagten als auch dem Gericht vorgelegten Tarifvertragsauszügen in
Verbindung mit den entsprechenden Arbeitgeberauskünften, wurde der Kläger tariflich als Sicherungsposten bezahlt
und die Zusatzqualifikationen als Sicherungsaufsichtskraft und als Arbeitszugführer jeweils mit einer außertariflichen
Zulage vergütet, wobei nach den einschlägigen manteltariflichen Bestimmungen nur die jeweils höchste Zulage
gezahlt wurde. Die Lohngruppeneinteilung im hier maßgeblichen Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Wach- und
Sicherheitsgewerbe in Hessen, einschließlich der ergänzenden Bestimmungen für Sicherungsposten, erfolgt
erkennbar nach dem jeweiligen Einsatzort der Sicherheitsmitarbeiter, wobei die Höhe der Entlohnung abhängig von
den mit dem jeweiligen Einsatzort verbundenen Anforderungen und Risiken ist. Eine Einteilung in Facharbeiter,
Angelernte und Ungelernte kann demgegenüber hieraus nicht entnommen werden. Erkennbar ist allenfalls, dass die
Entlohnung als Sicherungsposten bzw. Sicherungsaufsichtskraft im oberen Bereich der Bandbreite der tariflichen
Bezahlung liegt. Dass die Entlohnung als Arbeitszugführer diese Bandbreite übersteigt ist mangels Prägung der
gesamten Tätigkeit (s.o.) ebenfalls ohne Belang. Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger
(lediglich) der Gruppe der Angelernten oberen Ranges zuzuordnen ist.
Zwar kann er nach den vorliegenden Gutachten seine zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Sicherungsposten,
Sicherungsaufsichtskraft und Arbeitszugführer aus medizinischen Gründen nicht mehr ausüben. Er kann jedoch
aufgrund seines medizinischen Restleistungsvermögens noch andere zumutbaren Verweisungstätigkeiten
vollschichtig verrichten. Angelernte mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich, wie hier der Kläger, dürfen
jedoch nicht auf solche ungelernten Tä¬tigkeiten verwiesen werden, die nur einen ganz geringen qualitativen Wert
aufweisen. Sie müs¬sen sich allerdings auf ungelernte Tätigkeiten verweisen lassen, wenn diese sich durch
Qualitäts¬merkmale, etwa das Erfordernis einer nicht ganz geringfügigen Einweisung bzw. Einarbeitung oder die
Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (vgl. BSG, Urteil vom 5. April 2001 – Az.: B
13 RJ 61/00 R, nach juris). Der Kläger kann danach jedenfalls zumutbar auf die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters
verwiesen werden.
Nach dem Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen J. vom 18. Dezember 2004 in einem früheren Verfahren,
das die Beklagte in Auszügen vorgelegt und der Senat dem Kläger zur Kenntnis gegeben hat, gehört die Tätigkeit des
Poststellenmitarbeiters zur Berufsgruppe der Bürohilfskräfte, für die im Allgemeinen keine Berufsausbildung
erforderlich ist und bei der fehlende Kenntnisse durch Einarbeitung beziehungsweise Anlernen in weniger als drei
Monaten erworben werden können. Es sind einfache wiederkehrende kaufmännisch verwaltende körperlich leichte
Arbeiten in geschlossenen Räumen (z.B. Öffnen und Auszeichen sowie Verteilen von Post, Kuvertieren und
Frankieren der ausgehenden Post usw.), die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum zeitweisen Gehen und
Stehen ausgeführt werden; zum Teil erfordern sie Umgang mit Kommunikationsmitteln.
Entlohnt wird die Tätigkeit in der Vergütungsgruppe IX BAT-Bund/Länder, teilweise – sofern vertieftere Kenntnisse im
kaufmännisch-verwaltenden Bereich erforderlich sind – in der Vergütungsgruppe VIII BAT (so die
Tätigkeitsbeschreibung in dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten der Sachverständige J.). Stellen für
Bürohilfskräfte sind in ausreichender Menge auf dem Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik vorhanden.
Da der Kläger, wie oben beschrieben, nur der Stufe eines Angelernten zuzuordnen ist und damit keinen Berufschutz
genießt, kann er zumutbar auf eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter nach BAT IX verwiesen werden.
Anknüpfungspunkte dafür, dass er über die hier erforderlichen einfachen Kenntnisse im kaufmännisch-verwaltenden
Bereich verfügt, ergeben sich aus seinem beruflichen Werdegang gleich mehrfach. So verfügt er über eine Ausbildung
als Betriebs- und Verkehrseisenbahner und war als solcher u.a. als Fahrdienstleiter auf Bahnhöfen eingesetzt. Nach
seinem Ingenieurstudium hat er u.a. Tätigkeiten als Abteilungsleiter Verkehr und als stellvertretender Abteilungsleiter
Versandrealisierung ausgeübt. Sämtliche dieser Tätigkeiten sind dem kaufmännisch-verwaltenden Bereich
zuzuordnen, so dass es für den Kläger ohne Schwierigkeiten möglich sein muss, sich innerhalb von drei Monaten in
die Tätigkeiten eines Poststellenmitarbeiters nach BAT IX einzuarbeiten.
Die Anforderungen an den Verweisungsberuf als Poststellenmitarbeiter korrespondieren außerdem auch mit seinem in
den vorliegenden Gutachten festgestellten Leistungsvermögen. Nach den Sachverständigengutachten der Dres. Bu.,
K. und S. ist der Kläger sowohl auf internistischem als auch auf orthopädischem Gebiet noch in der Lage, zumindest
leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die Dres. K. und S. bejahen sogar gelegentlich
mittelschwere Tätigkeiten. Ob der Kläger diese tatsächlich noch verrichten kann, kann der Senat dahingestellt lassen,
weil die Tätigkeit in der Poststelle dies nicht erfordert. Die von den Sachverständigen angenommenen besonderen
Einschränkungen werden bei der Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters berücksichtigt: Wechsel von Sitzen, Gehen
und Stehen und Stehen, ohne einseitige körperliche Zwangshaltungen, wie Überkopfarbeiten und ständig
vorgeneigtem Oberkörper oder gebückter Körperhaltung, ohne häufiges Klettern und Steigen bzw. ohne Arbeiten auf
Leitern und Gerüsten, ohne Heben von Lasten über 10 kg, ohne fortgesetzte Vibrationsbelastungen, ohne Einwirkung
von Kälte, Nässe sowie Zugluft. Auch bringt die Tätigkeit des Poststellenmitarbeiters keine, vom Sachverständigen
Dr. K. wegen der Alkoholprobleme des Klägers ausgeschlossene besondere Verantwortung für Mensch und Technik
mit sich. Weitere Verschlechterungen seiner Leistungsfähigkeit werden auch vom Kläger bis zum heutigen Tage nicht
geltend gemacht.
Der Kläger kann nach den Ausführungen dieser Sachverständigen auch eine Wegstrecke von über 500 Metern
zurücklegen.
Der Bewertung in den o.g. Gutachten entspricht auch der im Verwaltungsverfahren eingeholte Reha-
Entlassungsbericht der Bad C. Kliniken sowie das vom Sozialgericht beigezogene Arbeitsamtsgutachten der Dr. H.
Die hilfsweise beantragte Rente nach §§ 240,43 SGB VI n.F. kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.
Nachdem der Kläger in der Lage ist, vollschichtig Tätigkeiten auszuüben, kann er erst recht sechs Stunden täglich
arbeiten.
Es kommt hier schließlich auch nicht darauf an, ob dem Kläger eine dem Leistungsvermö¬gen entsprechende
Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter auch tatsächlich vermittelt werden kann. Das Risiko, einen entsprechenden
Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.