Urteil des LSG Thüringen vom 30.07.2009

LSG Fst: widerspruchsverfahren, finanzielles interesse, untätigkeitsklage, klagebegehren, erlass, feststellungsklage, öffentlich, wef, verwaltungsverfahren, verwaltungsakt

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 30.07.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Gotha S 31 AS 588/07
Thüringer Landessozialgericht L 9 B 31/08 AS
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 07. Dezember 2007
wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts, wonach außergerichtliche Kosten nicht zu
erstatten sind.
Streitig zwischen den Parteien im Hauptsacheverfahren war die Höhe der Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01. Mai 2006.
Der Kläger bezog laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Auf seinen
Fortzahlungsantrag vom 03. April 2006 lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 12. Mai 2006 Leistungen ab
01. Mai 2006 wegen anrechenbaren Vermögen ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger teilte die
Aufnahme einer Beschäftigung am 21. Juni 2006 und die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung vom 11. September
2006 bis 20. Dezember 2006 der Beklagten mit. Die Beklagte prüfte anhand der Widerspruchsbegründung die
Leistungsablehnung und hob mit Abhilfebescheid vom 04. Januar 2007 den angefochten Bescheid auf. Mit weiteren
Bescheid vom 04. Januar 2007 bewilligte sie dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Mai bis 31. Juli 2006 Leistungen
nach dem SGB II. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers legten eine Kostenrechnung für den Abhilfebescheid vor
und legten Widerspruch gegen den Leistungsbescheid vom 04. Januar 2007 ein. Die Beklagte teilte dem Kläger
daraufhin mit Schreiben vom 06. Februar 2007 mit, dass das Widerspruchsverfahren aufgrund des eingelegten
Widerspruchs fortgeführt werde. Der Bescheid vom 04. Januar 2007 sei gemäß § 86 SGG Gegenstand des
Widerspruchsverfahrens geworden. Die eingereichte Kostenrechnung werde erst nach Abschluss des Verfahrens
geprüft und gegebenenfalls entsprechend angewiesen.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 15. Februar 2007 Klage mit dem Klagebegehren der Verpflichtung der Beklagten
zur Entscheidung über den Widerspruch vom 04. Januar 2007 als gesondertes Widerspruchsverfahren. Die Beklagte
teilte mit Schreiben vom 23. Februar 2007 mit, dass das Widerspruchsverfahren mit dem Abhilfebescheid vom 04.
Januar 2007 beendet worden sei und die Kostennote in voller Höhe zur Zahlung angewiesen werde. Mit
Änderungsbescheid vom 01. März 2007 änderte die Beklagte die Leistung nochmals für den Zeitraum vom 01. Mai bis
31. Juli 2006 ab. Mit Schreiben vom 27. März 2007 erklärte der Kläger die Klage in der Hauptsache für erledigt und
beantragte, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Beklagte lehnte eine Übernahme der
notwendigen außergerichtlichen Kosten ab.
Mit Beschluss vom 07. Dezember 2007 hat das Sozialgericht Gotha entschieden, dass die Beteiligten einander keine
Kosten zu erstatten haben. Das Sozialgericht hat das Klagebegehren des Klägers als Untätigkeitsklage ausgelegt und
festgestellt, dass die Frist des § 88 Absatz 2 SGG nicht eingehalten wurde.
Gegen den laut Empfangsbekenntnis am 14. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schreiben
vom 20.12. 2007 Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung führt der Beschwerdeführer aus, dem Schreiben der Beklagten vom 06. Februar 2007 sei eindeutig
die Weigerung zu entnehmen, inhaltlich über den Widerspruch zu entscheiden. Im Übrigen habe die Beklagte ihre
Rechtsauffassung korrigiert, was jedoch erst nach Klageerhebung geschah.
Der Kläger und Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 07. Dezember 2007 aufzuheben und der Beklagten die notwendigen
außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie führt aus, dem Schreiben vom 06. Februar 2006 sei nur zu entnehmen, dass die Beklagte unter der
Widerspruchsnummer WEF 256/07 nicht entscheiden, aber über den streitgegenständlichen Zeitraum unter der
Widerspruchsnummer WEF 2076/06 entscheiden wollte. Eine Weigerung, überhaupt eine Entscheidung zu dem
streitgegenständlichen Sachverhalt zu treffen, habe demnach zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin,
die vom Gericht beigezogen wurde, verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Gotha ist nicht zu
beanstanden. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Nach § 193 Absatz 1 Satz des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss,
ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren - wie hier - anders
als durch Urteil beendet wird. Das Gericht hat dabei unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles nach billigem
Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen dieser unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu
treffenden Ermessensentscheidung sind sowohl die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens als auch die
Gründe für die Klageerhebung und die -erledigung zu beachten (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer,
SGG, 9. Auflage, § 193 Randnummer 13). Maßgebend für die Entscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten
der Klage (Leitherer a. a. O.).
Unklar ist in diesem Zusammenhang bereits das Klageziel bzw. das Klagebegehren des Klägers. Das Sozialgericht
hat insoweit das Klagebegehren des Klägers dahingehend ausgelegt, dass eine Untätigkeitsklage angenommen
wurde. Denkbar wäre aber auch eine Feststellungsklage gerichtet auf die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet
ist, unterschiedliche Widerspruchsverfahren durchzuführen bzw. festzustellen, dass das ursprüngliche
Widerspruchsverfahren mit dem Abhilfebescheid vom 04. Januar 2007 beendet war und ein neues
Widerspruchsverfahren durch den Widerspruch gegen den Leistungsbescheid vom 04. Januar 2007 in Gang gesetzt
wurde.
Bezüglich der Untätigkeitsklage ist den Ausführungen des Sozialgerichts nichts hinzuzufügen. Die Klage war als
Untätigkeitsklage zum Zeitpunkt der Klageerhebung unbegründet.
Bezüglich des Feststellungsbegehrens ist für die Erfolgsaussichten der Klage ein besonderes Feststellungsinteresse
erforderlich (Meyer-Ladewig a.a.O. § 55 Rdnr. 3). Ein solches besonderes Feststellungsinteresse kann allenfalls darin
gesehen werden, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers Gebühren für zwei durchgeführte
Widerspruchsverfahren in Rechnung stellen wollen. Es handelt sich um ein rein finanzielles Interesse der
Prozessbevollmächtigten.
Ob dies ein ausreichendes Feststellungsinteresse darstellt, kann dahingestellt bleiben, da die Feststellungsklage auf
jeden Fall unbegründet ist. Herrin des Verwaltungsverfahrens ist die Behörde. Dies ergibt sich aus § 8 des Zehnten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzbuches die nach
außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass
eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den
Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich rechtlichen Vertrages ein. Eine Überprüfung des
Verwaltungsverfahrens ist nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen Außenstehenden und Gerichten
vorbehalten. Ob und in wie weit ein Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist, bestimmt sich nach den gesetzlichen
Regelungen insbesondere nach §§ 85, 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach § 85 Absatz 1 SGG ist dem
Widerspruch abzuhelfen, soweit dieser für begründet erachtet wird. Abgeholfen i.S.v. § 85 SGG ist dem Widerspruch
nur dann, wenn dem Begehren des Widerspruchsführers in vollem Umfang stattgegeben wird (Meyer-Ladewig a. a. O.
§ 86 Rdnr. 2b). Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue
Verwaltungsakt nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens; es ist der Stelle, die über den Widerspruch
entscheidet, unverzüglich mitzuteilen. Der abändernde Bescheid wird automatisch Gegenstand des
Widerspruchsverfahrens (Meyer-Ladewig a. a. O. § 86 Rdnr. 4).Die Wirkungen des § 86 SGG treten Kraft Gesetzes
ein.
Die Beklagte ist zunächst bei Erlass des Leistungsbescheides vom 04. Januar 2007 von einer vollen Abhilfe des
zunächst Leistungen gänzlich ablehnenden Bescheides vom 12. Mai 2006 ausgegangen. Erst der Widerspruch gegen
den Leistungsbescheid vom 04. Januar 2007 hat deutlich gemacht, dass ein volle Abhilfe des Klägers im Sinn von §
85 Absatz 1 SGG nicht vorlag, sondern der Bescheid vom 04. Januar 2007 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens
gemäß § 86 SGG geworden ist. Das Hinweisschreiben der Beklagten vom 06. Februar 2007, dass somit das
Vorverfahren noch nicht beendet ist und das Widerspruchsverfahren weiter geführt wird, war damit zutreffend und
entsprach den gesetzlichen Regelungen. Des Abhilfebescheides vom 04. Januar 2007 hätte es nicht bedurft, schadet
jedoch auch nicht. Erfolgsaussichten einer Feststellungsklage bestanden somit nicht.
Problematisch wird eine Vorgehensweise der Beklagten mit Erteilung eines Abhilfebescheides und dem Erlass eines
neuen Bewilligungsbescheides jedoch dann, wenn Rückforderungen wegen Erzielung von Einkommen für davor
liegende Zeiträume im Raum stehen. Dies ist jedoch hier nicht der Fall.
Da somit zum Zeitpunkt der Klageerhebung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolgsaussichten der Klage
bestanden haben, erscheint es sachgerecht, dass eine Kostenerstattung der Beteiligten nicht zu erfolgen hat.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).