Urteil des LSG Thüringen vom 03.05.2005

LSG Fst: verfügung, auszahlung, zivilprozessordnung, bedürfnis, zugang, auflage, bestätigung, datum, ratenzahlung, abfindungsbetrag

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 03.05.2005 (rechtskräftig)
Thüringer Landessozialgericht L 6 SF 121/05
Der Beschluss des 1. Senats des Thüringer Landessozialgerichts vom 29. September 1998 (Az.: L 1 U 452/98) wird
nicht abgeändert.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
In dem Berufungsverfahren der Antragsgegnerin gegen die Berufsgenossenschaft der Keramischen und Glasindustrie
(Az.: L 1 U 452/98) gewährte ihr der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschluss vom 29. September
1998 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung und ordnete Rechtsanwalt J. E., K., bei.
Mit Bescheid vom 7. April 2003 fand die Beklagte antragsgemäß die im Verlauf des Streitverfahrens anerkannte
Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 25 v.H. ab. Den Abfindungsbetrag errechnete sie auf
47.060,46 EUR.
Unter dem 20. Juni 2003 (Abvermerk vom 23. Juni 2003) teilte der Berichterstatter des 1. Senats der Antragsgegnerin
mit, es sei im Hinblick auf die gewährte Abfindung beabsichtigt, die PKH wegen wesentlicher Änderung der
maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Daraufhin trugen deren
Prozessbevollmächtigte (Rechtsanwalt E. und ihr Vater (der Prozessbevollmächtigte des Überprüfungsverfahrens))
vor, das Geld sei bereits durch einen Anbau an ihrem Einfamilienhaus verbraucht. Die Antragsgegnerin habe sich
zudem bei einer Verwandten mit über 20.000,00 EUR verschuldet. Auf gerichtliche Anforderung legte der
Prozessbevollmächtigte des Abänderungsverfahrens u.a. diverse Bauunterlagen, eine neue undatierte Erklärung über
die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Kopien diverser Rechnungen von Baumärkten,
Handwerkern etc. über insgesamt 45.936,75 EUR aus der Zeit bis 19. Juli 2003 vor.
Im Juli 2000, Februar und September 2004 wurde für die Antragsgegnerin für zwei Gutachten sowie deren persönliche
Erläuterung der Sachverständigen vor dem 1. Senat insgesamt 2.772,58 EUR nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) auf ein Konto der Staatskasse eingezahlt. Die Antragsgegnerin legte eine Bestätigung des K. K. vom 18.
Februar 2004 über einen "Geldverleih" von 2.000,00 EUR vor.
Mit Urteil vom 15. September 2004 wies der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts die Berufung der
Antragsgegnerin zurück und lehnte mit Beschluss vom 10. Januar 2005 den Antrag auf Übernahme der
Sachverständigenentschädigungen nach § 109 SGG auf die Staatskasse ab.
Nach Eingang der Akten beim erkennenden Senat hat der Senatsvorsitzende der Antragsgegnerin Kopien ihrer
Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugeleitet und um Mitteilung gebeten, welche
Posten sich verändert haben. Diese hat diverse Unterlagen eingereicht und u.a. ausgeführt, eine Verbesserung ihrer
wirtschaftlichen Verhältnisse liege nicht vor.
II.
Die Voraussetzungen für eine Abänderung der PKH-Bewilligung liegen nicht vor.
Angesichts der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin weist der Senat nochmals darauf
hin, dass er für die die Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120 Abs. 4 der
Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig ist. Die entsprechenden Ermittlungen sind von Amts wegen (vgl.
Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2004 – Az.: L 6 SF 90/04 und vom 13. Januar 2004 – Az.: L 6 SF 955/03)
durchzuführen. Allein schon die Auszahlung der Rentenabfindung und der weiteren Zahlungen boten durchaus
konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Verbesserung. An Anträge des Antragstellers ist der Senat dagegen
nicht gebunden.
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt das Gericht mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu zahlende
Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Nach Absatz 4 Satz 1 Halbs. 1 kann das Gericht die
Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen
persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
Eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin ist im Vergleich der Verhältnisse
zum Zeitpunkt der PKH-Gewährung im Jahre 1998 und dem Beschlussdatum (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 9.
Oktober 2003 – Az.: L 6 B 39/03 RJ, 17. Juli 2003 - Az.: L 6 B 30/03 RJ und vom 6. Juli 2000 – Az.: L 6 B 7/00 SF;
KG Berlin vom 12. Mai 2000 – Az.: 21 W 10500/99, nach juris) nicht eingetreten. Sie wird angenommen, wenn sich
das Einkommen und damit der wirtschaftliche und soziale Lebensstandard spürbar verbessern (vgl. u.a.
Senatsbeschlüsse vom 6. Juli 2004 – Az.: L 6 B 10/04 SF und 30. Juni 2004 – Az.: L 6 SF 273/04) und wegen der
geänderten Verhältnisse die Bewilligung von PKH ohne Ratenzahlung nicht gerechtfertigt oder eine höhere Ratenhöhe
anzusetzen wäre. Dies ist hier nicht der Fall. Das Einkommen der Antragsgegnerin hat sich nicht verbessert. Sie
bezieht lediglich Einkünfte aus einer Beschäftigung in Höhe von 165,00 EUR (August 1998: ca. 1.190,00 DM aus
Arbeitslosenhilfe und Kindergeld). Ihr Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wurde abgelehnt (Bescheid vom 23. November 2004). Etwas anderes ergibt sich
auch nicht unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemanns (derzeit ca. 1.100,00 EUR gegenüber ca.
3.100,00 DM im August 1998).
Eine relevante Änderung kommt auch nicht wegen der Auszahlung der Rentenabfindung im April 2003 in Betracht. Hat
eine Partei nach der Bewilligung der PKH erhebliches Vermögen erworben, ist der Bewilligungsbeschluss dergestalt
abzuändern, dass die Zahlung aller bereits fällig gewordenen Kosten aus dem nunmehr erworbenen Vermögen
angeordnet wird (vgl. OLG Köln vom 22. Februar 2001 – Az.: 11 W 3/01 m.w.N, OLG Celle vom 8. September 2000 –
Az.: 16 W 33/00 m.w.N., beide nach juris, Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe,
3. Auflage 2002, Rdnr. 392, Philippi in Zöller, a.a.O., § 120 Rdnr. 24 m.w.N.). Ein Vermögenserwerb liegt mit der
Zahlung der Abfindung zwar unzweifelhaft vor. Nachdem die Antragsgegnerin dieses Geld aber für den Anbau ihres
Hauses verbraucht hat, muss sie sich nicht so behandeln lassen, als stünde ihr der Abfindungsbetrag heute noch zur
Verfügung. Mangels gesetzlicher Vorschrift musste sie sich nicht darauf einstellen, später evtl. zur Zahlung von
Verfahrenskosten herangezogen zu werden (vgl. KG Berlin vom 12. Mai 2000, a.a.O.). Es existiert keine gesetzliche
Verpflichtung einer hilfsbedürftigen Partei, das bewilligende Gericht von sich aus auf Verbesserungen der
wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen (vgl. KG Berlin vom 12. Mai 2000, a.a.O., OLG Zweibrücken vom 20. März
1997 – Az.: 7 W 14/97 in: MDR 1997, 885, 886 m.w.N.).
Erst ab dem Zugang der Verfügung des Berichterstatters des 1. Senats vom 20. Juni 2003 musste sich die
Antragsgegnerin grundsätzlich darauf einstellen, die von der Staatskasse übernommenen Anwaltskosten zu zahlen.
Insofern durfte sie ab dann einen zugeflossenen Geldbetrag nur für solche Ausgaben verwenden, für die ein
entsprechendes dringendes und nachvollziehbares Bedürfnis bestand. Erwirbt ein Hilfsbedürftiger dann Dinge, auf
deren Verwertung er nicht verwiesen werden darf (§ 115 ZPO, 82 BSHG), kann er auch nicht zur Zahlung
herangezogen werden (vgl. OLG Brandenburg vom 8. April 1997- Az.: 9 WF 22/97 in FamRZ 1997, 1543 = MDR 98,
306). Andernfalls muss er sich so behandeln lassen, als habe er die Mittel noch zur Verfügung (vgl. OLG Zweibrücken
vom 20. März 1997, a.a.O., Philippi in Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Auflage 2002, § 240 Rdnr. 25).
Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin Belege über Aufwendungen für ihren Umbau in Höhe von 45.936,75 EUR
eingereicht. Soweit es sich dabei um Handwerkerrechnungen mit einem Datum nach dem 26. Juni 2003 (Zugang der
Verfügung vom 20. Juni 2003) handelt, ist bei praxisnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die
Auftragsvergabe bereits vor diesem Datum erfolgt war.
Mehrere Baumarktabrechnungen (05. Juli 2003: 21,16 EUR, 7. Juli 2003: 19,65 EUR, 10. Juli 2003: 108,70 EUR, 16.
Juli 2003: 10,95 EUR, 17. Juli 2003: 32,17 EUR, 17. Juli 2003: 22,77 EUR) sind nach dem 26. Juni 2003 datiert. Ob
für diese Einkäufe (ebenso wie für die zeitlich davor liegenden Rechnungen) ein dringendes und nachvollziehbares
Bedürfnis bestand, kann ungeprüft bleiben, denn auch zusammen mit den nicht nachgewiesenen Ausgaben liegt der
"Fehl"-Betrag mit 1.339,11 EUR unter dem Schonvermögen (kleinere Barbeträge) des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Insofern kann der Vortrag der Antragsgegnerin unbelegt bleiben, die
Umbaukosten addierten sich auf mittlerweile 74.00,00 EUR.
Zugeflossen sind ihr im Januar/Februar 2005 Nachzahlungen der Beklagten in Höhe von insgesamt 1.613,09 EUR
sowie eine Steuerrückzahlung des Finanzamts von 1.622,21 EUR (ESt und Solidaritätszuschlag). Auf Aufforderung
des Senats hat sie eine Bestätigung der E. C. vom 16. Juni 2003 über eine Darlehensvergabe in Höhe von 30.000,00
EUR für den Hausanbau sowie eine Quittung, dass am 10. Februar und am 10. April 2005 darauf jeweils 1.500,00
EUR zurückgezahlt wurden, eingereicht. Gegen die Berücksichtigung der Tilgung dieser zum Hausanbau
aufgenommen Schulden bestehen keine Bedenken. Es besteht mangels gesetzlicher Regelung kein Vorrang der
Zahlung der Prozesskosten vor der Tilgung anderer fälliger Verbindlichkeiten (vgl. KG Berlin vom 12. Mai 2000, a.a.O;
Philippi in Zöller, a.a.O., § 120 Rdnr. 25).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).