Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 19.05.2009

LSG Shs: abrechnung, grobe fahrlässigkeit, gleichbehandlung im unrecht, satzung, disziplinarverfahren, vertragsarzt, verschulden, verwarnung, indizienbeweis, strafbefehl

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Kiel S 14 KA 202/04
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 4 KA 2/08
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 19. Dezember 2007 wird
zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer gegen den Kläger verhängten Disziplinarmaßnahme.
Der Kläger ist als praktischer Arzt und Facharzt für Allgemeinmedizin mit Niederlassung in E zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Bei der Prüfung der Abrechnungsunterlagen (u. a.) des Klägers für die Quartale I/96 und II/96
anhand von Zeitprofilen stellte die Beklagte u. a. fest, dass Leistungen mit festen Zeitvorgaben für teilweise erheblich
mehr als acht Stunden pro Tag abgerechnet worden waren. Mit Schreiben vom 25. November 1996 stellte der
Vorstand der Beklagten bei dem Vorsitzenden des Disziplinarausschusses den Antrag auf Einleitung eines
Disziplinarverfahrens (u. a.) gegen den Kläger. Ein zeitliches Abrechnungsprofil pro Tag der genannten Art sei bei
verantwortlicher ärztlicher Tätigkeit nicht mehr nachvollziehbar und lege den begründeten Verdacht der vorsätzlichen
Falschabrechnung nahe. Der Kläger wurde durch das ihm am 2. Juli 1997 zugestellte Schreiben des Vorsitzenden des
Disziplinarausschusses der Beklagten über den Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn informiert.
Durch Beschluss vom 11. August 1997 wurde das Verfahren bis zum Abschluss des staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsverfahrens gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der Beklagten ausgesetzt. Im Januar 2000 beschloss
der Vorstand der Beklagten im Hinblick auf die lange Zeitdauer der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren
bzw. unzureichende Information über den Stand der Ermittlungen, die Disziplinarverfahren einzustellen bzw. die
betreffenden Disziplinaranträge zurückzunehmen. Nachdem die Staatsanwaltschaft Anfang Februar 2000 zum Stand
der Ermittlungen mitgeteilt hatte, dass gegen einen Vertragsarzt Anklage wegen Verdachts des Abrechnungsbetruges
erhoben und gegen einen weiteren Vertragsarzt Strafbefehl erlassen werden solle, beschloss der Vorstand in
Ergänzung des Beschlusses vom 19. Januar 2000, die gegen diese beiden Ärzte, u. a. den Kläger, anhängigen
Disziplinarverfahren fortzuführen. Die weitere Nachfrage im Mai 2002 ergab, dass in dem Verfahren des Klägers am
11. Februar 2000 Strafbefehl beantragt worden sei (Az. 596 Js 45641/96). Das Verfahren sei vor Gericht anhängig
gewesen und im Sommer 2001 nach § 153a StPO eingestellt worden. Im Mai 2002 beschloss der
Disziplinarausschuss, das Verfahren zur Verhandlung anzusetzen.
Am 7. April 2004 beschloss der Disziplinarausschuss der Beklagten, gegen den Kläger wegen Verletzung seiner
vertragsärztlichen Pflichten eine Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR festzusetzen. Zur Begründung wurde im
Wesentlichen ausgeführt: Dem Ausschuss hätten in der mündlichen Verhandlung am 7. April 2004 Tagesprofile der
Abrechnungen des Klägers für die Quartale I/96 und II/96 mit gesonderter Erfassung der Abrechnungsziffern mit
festen Zeitvorgaben sowie Tagesprofile, Quartalsprofile und Arbeitszeitklassen für die Quartale I/96 und II/96 nach
Mindestzeiten auf der Grundlage der Empfehlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), erstellt am 5.
April 2004 von der Abrechnungsabteilung der Beklagten, vorgelegen. Die Auswertung ausgewählter, besonders
auffälliger Tage ergebe, dass der Kläger im ersten Quartal 1996 18 Tage, entsprechend einem Anteil von 29,5 % der
Arbeitstage, mit einer höheren Arbeitszeit als 16 Stunden abgerechnet habe. Nach dem Gruppenprofil der 1.140
Praxen der Allgemeinmediziner bzw. praktischen Ärzte im Bereich der Beklagten seien es im gleichen Zeitraum
lediglich 0,05 % der Arbeitstage gewesen. Der Kläger habe darüber hinaus in diesem Quartal 18 Tage, d. h. ebenfalls
29,5 % seiner Arbeitstage, mit einer Arbeitszeit zwischen 12 und 16 Stunden abgerechnet; das Gruppenprofil weise
hierfür einen Anteil von 0,41 % aus. Im Quartal II/96 habe er sechs Tage, entsprechend 6,8 % der Arbeitstage, mit
mehr als 16 Stunden Arbeitszeit nach den Mindestnormen der KBV abgerechnet. Das Gruppenprofil der in diesem
Quartal tätigen 1.139 Praxen für Allgemeinmedizin im Bereich der Beklagten habe bei 0,03 % gelegen. Der Anteil der
von dem Kläger darüber hinaus in II/96 abgerechneten Arbeitstage mit einer Arbeitszeit zwischen 12 und 16 Stunden
nach den Mindestnormen der KBV habe 26 Tage bzw. 27 % der Arbeitstage im Verhältnis zu 0,36 % der Arbeitstage
nach dem entsprechenden Gruppenprofil betragen. Aufgrund dieses Sachverhalts sei der Ausschuss davon
überzeugt, dass der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt habe. Zu den Grundpflichten eines
Vertragsarztes gehöre die korrekte und peinlich genaue Abrechnung. Die genannten Tagesabrechnungen seien zur
Überzeugung des Ausschusses mit Sicherheit fehlerhaft. Der Kläger könne, auch wenn Erfahrung, Übung und zügige
Arbeitsweise unterstellt würden, unmöglich die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß und vollständig erbracht
haben. Dabei sei berücksichtigt worden, dass es sich bei den Zeitanalysen der KBV um Arbeitszeiten ohne die
notwendigen Pausen, Transferzeiten, Essenszeiten und ähnliches handele. Gerade bei Arbeitszeiten von über 12
Stunden täglich seien derartige Arbeitsunterbrechungen unerlässlich. Für die Richtigkeit der Annahme des
Ausschusses sprächen auch die signifikanten Abweichungen von den Gruppenprofilen der Berufskollegen des Klägers
in Schleswig-Holstein sowie die Tatsache, dass die Anzahl der ungewöhnlich hohen Arbeitszeiten bereits im Quartal
II/96 abgenommen habe und das Abrechnungsverhalten des Klägers vom Quartal III/96 an nicht mehr auffällig
gewesen sei. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb nur im ersten und zweiten Quartal 1996 eine so ungewöhnlich
hohe Arbeitsleistung hätte erbracht worden sein sollen. Die von der Abrechnungsabteilung der Beklagten erstellten
Tagesprofile seien als Indizienbeweise dann zulässig, wenn Möglichkeiten zur direkten Feststellung der tatsächlichen
Arbeitstätigkeit eines Arztes nicht beständen oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden seien (unter
Hinweis auf BSGE 70, 246). Dies sei im vorliegenden Fall der zeitlich zurückliegenden Abrechnung über zwei Quartale
gegeben. Die Tagesprofile enthielten auch keine Leistungen, die delegiert werden könnten. Sie seien von der KBV so
als Mindestzeiten bemessen worden, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt sie unmöglich in
kürzerer Zeit erbringen könne. Schließlich erstreckten sich die Tagesprofile über einen längeren Zeitraum, nämlich
über zwei Quartale. Es hätte dem Kläger oblegen, die Beweiswirkung des Indizienbeweises durch die Tagesprofile zu
erschüttern und zu widerlegen. Er habe jedoch in dem Disziplinarverfahren keine Tatsachen vorgebracht, die den
Indizienbeweis zu entkräften und den Schluss auf ein fehlerhaftes Abrechnungsverhalten zu widerlegen geeignet
gewesen wären. Er habe sich in dem Disziplinarverfahren weder schriftlich noch mündlich geäußert, obwohl ihm hierzu
ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei. Der Kläger habe auch schuldhaft gegen seine vertragsärztlichen
Pflichten verstoßen. Er habe entweder vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig falsch abgerechnet. Schon eine
grobe Plausibilitätsprüfung seiner Abrechnungen hätte ihm zeigen müssen, dass diese für die Quartale I/96 und II/96
nicht zutreffend sein könnten. Die Fehlerhaftigkeit habe auf der Hand gelegen. Das Verhalten des Klägers sei
disziplinarrechtlich zu ahnden. Die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens stehe dem nicht entgegen. Letzteres
diene der Ahndung begangener Straftaten im Interesse der Allgemeinheit, während das Disziplinarverfahren ein
künftiges ordnungsgemäßes Verhalten als Vertragsarzt im Interesse der Mitglieder der Beklagten sicherstellen solle.
Es sei auch zu berücksichtigen, dass die strafrechtliche Einstellung nach § 153a StPO erfolgt sei und nicht wegen
erwiesener Unschuld. Die disziplinarische Ahndung sei erforderlich, um dem Kläger deutlich vor Augen zu führen,
dass er sich gegenüber seinen ärztlichen Kollegen einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft habe, indem er mehr
Leistungen abgerechnet habe als er tatsächlich erbracht habe und um zu verhindern, dass sich eine solche
Verhaltensweise wiederhole. Auch durch sein Schweigen zu den disziplinarrechtlichen Vorwürfen habe er dem
Ausschuss nicht die Überzeugung vermittelt, dass eine Ahndung nicht erforderlich sei. Bei der Bemessung der
Disziplinarmaßnahme sei insbesondere in Betracht gezogen worden, dass der Kläger infolge seiner Falschabrechnung
ein unberechtigtes Honorar in erheblicher Höhe bezogen habe. Deshalb kämen weder Verwarnung noch Verweis in
Betracht, sondern nur eine Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR erscheine geeignet, das erhebliche Fehlverhalten des
Beschuldigten zu ahnden und sicherzustellen, dass sich dieses nicht wiederhole.
Gegen den ihm am 7. Juli 2004 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 13. Juli 2004 bei dem Sozialgericht Kiel
Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Entgegen der Auffassung des
Disziplinarausschusses habe er seine vertragsärztlichen Pflichten in den Quartalen I/96 und II/96 nicht verletzt. Mit
Wirkung vom 1. Januar 1996 seien die Abrechnungsmodalitäten für Beratungsleistungen der Ärzte maßgeblich
geändert worden. Seither gelte für die Abrechnung der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM). Bereits vor dieser
Änderung sei das gesamte Abrechnungswesen in seiner Praxis den Arzthelferinnen übertragen gewesen. Diese hätten
die entsprechenden Computereingaben auf der Grundlage sämtlicher ihnen zugänglicher Informationen vorgenommen,
also aufgrund ihrer Wahrnehmungen bei ihrer Helferinnen- und Assistenztätigkeit und aufgrund seiner Eintragungen auf
der Karteikarte des jeweiligen Patienten. Die drei in seiner Praxis auch für das Abrechnungswesen verantwortlichen
Arzthelferinnen seien in dem maßgeblichen Zeitraum bereits zwischen vier und 14 Jahren bei ihm beschäftigt
gewesen. Sie seien für ihre Tätigkeit eingewiesen und geschult worden; zu Beanstandungen sei es nicht gekommen.
Er habe also volles Vertrauen dahingehend haben können, dass die Arzthelferinnen die Abrechnungen auch weiterhin
selbstständig erstellten. Er habe daher auch nach dem 1. Januar 1996 weiterhin keinerlei Leistungsschlüssel auf der
Karteikarte eingetragen, vielmehr hätten die Arzthelferinnen diese Leistungsschlüssel selbstständig auf der Grundlage
der vorhandenen Informationen in den Computer eingegeben. Er sei davon überzeugt gewesen, dass die
Arzthelferinnen in der Lage seien, seine Eintragungen korrekt in Leistungsziffern umzusetzen, wozu sie nicht nur im
Hinblick auf das verwendete EDV-Programm, sondern auch im Hinblick auf das neue Abrechnungswesen geschult
worden seien. Für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschabrechnung wäre seine Kenntnis von der
Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen erforderlich. Wenn man ihm vorwerfen wollte, er hätte sich im Rahmen seiner
Praxis nicht nur um die medizinischen Belange seiner Patienten kümmern sollen, sondern auch größeres Augenmerk
auf das Abrechnungswesen halten müssen, begründe dies allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf. Dies sei auch der
Grund für die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens gewesen. Soweit mit dem angefochtenen Beschluss
hinsichtlich der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ausdrücklich darauf abgestellt werde, dass ihm ein
unberechtigtes Honorar in erheblicher Höhe zugeflossen sei, sei dies nicht zutreffend. Tatsächlich seien für die
beanstandeten Zeiträume durch die Beklagte erhebliche Kürzungen vorgenommen worden.
Der Kläger hat beantragt,
den Disziplinarbescheid vom 7. April 2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2007 die Klage
abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist dargelegt: Der angefochtene Disziplinarbescheid sei rechtmäßig. Nach
§ 81 Abs. 5 Satz 1 SGB V müssten die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen die Voraussetzungen und das
Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht
oder nicht ordnungsgemäß erfüllten. Der Umfang dieser Befugnisse ergebe sich aus § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V.
Disziplinarmaßnahmen in diesem Sinne seien nach der Aufzählung des § 81 Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB V je nach der
Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis zu zehntausend Euro oder die Anordnung des Ruhens
der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren. Diese gesetzlichen Vorgaben für die
Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen reichten nach der Rechtsprechung des BSG aus. § 3 Abs. 8 der Satzung der
Beklagten in der maßgebenden Fassung vom 1. März 2000 regele, dass die Beklagte Mitglieder, die ihre
vertragsärztlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, die insbesondere gegen die für sie verbindlichen
vertragsärztlichen Bestimmungen und Richtlinien verstoßen, hierzu nach Schwere der Verfehlung unter anderem
durch Geldbuße nach Maßgabe von § 7 der Satzung anhalten könne. Die danach zu beachtenden formellen
Voraussetzungen habe die Beklagte eingehalten. Der Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens sei
entsprechend § 7 Abs. 3 der Satzung vom Vorstand der Beklagten gestellt worden und die Antragsfrist gemäß § 7
Abs. 2 der Satzung (zwei Jahre nach Bekanntwerden der Verfehlung bzw. fünf Jahre nach der Verfehlung) sei
gewahrt. Der Disziplinarausschuss habe in der durch § 7 Abs. 1 der Satzung vorgeschriebenen Besetzung
entschieden. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine disziplinarische Reaktion auf das Verhalten des
Klägers als Vertragsarzt lägen ebenfalls vor und rechtfertigten die Verhängung der Geldbuße. Der Kläger habe seine
vertragsärztlichen Pflichten verletzt, zu denen es gehöre, Abrechnungen korrekt und peinlich genau vorzunehmen.
Dass der Kläger für die Quartale I/96 und II/96 pflichtwidrig abgerechnet habe, sei zwischen den Beteiligten nicht
umstritten. Der Kläger habe während des gesamten Verfahrens nichts vorgetragen, was die von der Beklagten im
Beschluss vom 7. April 2004 getroffenen Feststellungen, auf die die Kammer Bezug nehme und die sie sich zu Eigen
mache, widerlegen oder zumindest in Zweifel ziehen könnte. Auch soweit der Kläger geltend mache, ihn treffe an den
Falschabrechnungen kein Verschulden, führe dies nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Dabei könne
dahinstehen, ob die von dem Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2007 abgegebene
Sachverhaltsschilderung überhaupt zutreffe. Das für eine Disziplinarmaßnahme gegen einen Arzt erforderliche eigene
Verschulden könne sich aus einer eigenhändigen Pflichtverletzung ergeben oder daraus, dass eine Angestellte die
pflichtverletzende Handlung begangen habe und dies darauf zurückzuführen sei, dass der Arzt sie nicht sorgsam
ausgewählt, angeleitet oder überwacht habe. Schuldhaft sei nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges
Verhalten. Wenigstens letzteres habe, die Richtigkeit des Vortrags des Klägers unterstellt, hier vorgelegen, wie sich
im Übrigen auch aus der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO ergebe und vom Kläger im Schriftsatz
vom 23. Oktober 2007 selbst eingeräumt werde. Im Hinblick auf seine Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung
stelle es einen grob fahrlässigen Verstoß gegen die Überwachungspflicht dar, wenn ein Vertragsarzt Abrechnungen
durch angestellte Arzthelferinnen fertigen lasse und sie ohne jegliche Prüfung an die Beklagte weiterleite. Das gelte
um so mehr, wenn sich, wie hier, die Abrechnungsmodalitäten grundlegend geändert hätten, ein neues EDV-
Programm verwendet werde und schon eine überschlägige Prüfung die Implausibilität des zeitlichen
Abrechnungsprofils ergebe. Der Disziplinarbescheid sei auch hinsichtlich der Auswahl der Disziplinarmaßnahme nicht
zu beanstanden. Der Disziplinarausschuss habe insoweit einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren
Entscheidungsspielraum. Die verhängte Geldbuße sei weder unverhältnismäßig noch ermessensfehlerhaft. Die
Beklagte sei von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und habe sowohl die Notwendigkeit als auch den
Umfang des Disziplinarrahmens abgewogen. In diesem Zusammenhang habe sie, entgegen der klägerischen
Interpretation, nicht zugrunde gelegt, dass dem Kläger das unberechtigt bezogene Honorar belassen worden sei,
sondern lediglich auf den Umfang der Falschabrechnung hinweisen wollen. Ferner habe sie sich auch damit
auseinandergesetzt, ob eine Maßnahme geringeren Gewichts ebenso geeignet und angemessen wäre.
Gegen den ihm am 21. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. Januar 2008 bei dem
Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger wiederholt und vertieft
sein bisheriges Vorbringen. Das von ihm praktizierte Verfahren, die Eintragung der Leistungsschlüssel und die
Abrechnung auf gut geschultes Personal zu delegieren, sei allgemein üblich und der Beklagten in vollem Umfang
bekannt. Während seiner gesamten ärztlichen Tätigkeit habe er seine Helferinnen niemals zu falschen Abrechnungen
angehalten bzw. solches Tun billigend in Kauf genommen. Der Beklagten sei dagegen bekannt, dass viele Ärzte erst
am Ende des Quartals vollständig abrechneten und damit ihre Abrechnungen optimierten. Soweit er dies überblicken
könne, schreite die Beklagte dagegen nicht ein, sondern dulde ein derartiges Verhalten offensichtlich stillschweigend.
Er selbst habe mitbekommen, dass Orthopäden und Gynäkologen nach Änderungen des EBM letztlich unbeanstandet
bestimmte Ziffern zunächst in den ersten beiden Quartalen überhaupt nicht und im dritten Quartal alle zu 100 %
abgerechnet hätten. Als weiteres Beispiel sei ihm eine Diskussion im Hinblick auf die Abrechnung bei bzw. ohne
direkten Kontakt mit dem Patienten in Erinnerung. Der Kommentar der "KV-Spitze" habe gelautet, wenn ein Patient
nur ein Rezept abhole, müsse der Arzt das Rezept selbst übergeben und ihn fragen, wie es ihm gehe, dann sei die
Ziffer abrechenbar. Anlässlich einer Prüfung seiner Abrechnungen in früheren Jahren habe der Vorsitzende der
Prüfungskommission ihm erklärt, er solle doch statt der streitigen Untersuchung eine andere Ziffer abrechnen, dort wo
er noch zu wenige abgerechnet und freie Kapazitäten habe. Er selbst habe sich dagegen nie auf derartige
Manipulationen eingelassen, sondern sich ausschließlich von medizinischen Gesichtspunkten leiten lassen. Im
Rahmen der Durchsuchung seiner Praxis durch die Staatsanwaltschaft im Jahr 1997 habe ihm die zuständige
Staatsanwältin erklärt, er brauche sich keinerlei Gedanken zu machen, sie habe noch nie eine so gut geführte und
organisierte Praxis gesehen. Im Übrigen verstehe er nicht, warum es, nachdem das Strafverfahren im Jahr 2000
eingestellt worden sei, erst nach Ablauf von vier weiteren Jahren zu dem angefochtenen Beschluss vom 7. April 2004
gekommen sei. Er bleibe dabei, dass es in seiner allgemeinärztlichen Praxis seine Pflicht sei, nach der
Anamneseerhebung eine gründliche und allgemeine Untersuchung und eine gesicherte Behandlung für den Patienten
durchzuführen. Dass sein ärztliches Handeln sich hierauf konzentriert habe, auch nachdem die
Abrechnungsmodalitäten sich grundlegend geändert hätten, sei ihm jedenfalls nicht als grobe Pflichtverletzung
vorzuwerfen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger persönlich sein schriftsätzliches Vorbringen zur
Organisation der Abrechnung in seiner Praxis wiederholt und darauf hingewiesen, dass er selbst zu einer groben
Prüfung der Abrechnung nicht in der Lage sei, weil er sich mit den Gebührenordnungen nicht auskenne.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 19. Dezember 2007 und den Beschluss des
Disziplinarausschusses der Beklagten vom 7. April 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend sei auf die Sammelerklärung hinzuweisen, die jeder
Vertragsarzt mit der Einreichung seiner Quartalsabrechnung abzugeben habe. Diese Sammelerklärung habe nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Garantiefunktion. Mit der Unterzeichnung der Sammelerklärungen
auch für die Quartale I/96 und II/96 habe der Kläger die persönliche Verantwortung für die Richtigkeit der
Abrechnungen übernommen. Sein Verschulden werde auch nicht dadurch aufgehoben, dass er die Leistungserfassung
und –abrechnung vollständig auf gut geschultes Personal übertragen habe. Es erscheine bereits äußerst fraglich, ob
eine Leistungserfassung – bei einigen Abrechnungsziffern einschließlich der auf die Leistungen verwendeten Zeiten –
überhaupt durch Hilfspersonal ohne Angaben und Erläuterungen des Arztes möglich sei, ohne dass grobe Fehler
entstünden. Dies wäre nur vorstellbar, wenn das Personal bei jeder Tätigkeit des Arztes anwesend wäre, jede
Tätigkeit und jeden Handgriff des Arztes genau beobachtete, medizinisch zutreffend einordnete und auch bei
bestimmten Tätigkeiten den Zeitaufwand festhielte. In der Praxis würden jedoch die meisten Untersuchungen und
Behandlungen auch zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Patienten ohne Anwesenheit des Hilfspersonals
durchgeführt. Eine Praxisorganisation mit ständiger Anwesenheit des Hilfspersonals wäre so personalaufwändig, dass
sie schwer vorstellbar erscheine. In jedem Fall habe der Vertragsarzt, wenn er die Leistungserfassung und –
abrechnung auf sein Personal übertrage, eine unmittelbare Überwachungspflicht gegenüber dem Personal. Der
Verstoß gegen diese Überwachungspflicht sei ihm als schuldhaftes Verhalten anzurechnen. Im vorliegenden Fall hätte
schon eine Kontrolle hinsichtlich der angesetzten Abrechnungsziffern mit fester Zeitvorgabe dem Kläger zeigen
können und müssen, dass die eingesetzten Abrechnungsziffern nicht stimmen könnten, da sie in den Tagessummen
Arbeitszeiten ergäben, die unmöglich geleistet worden sein könnten. Die Tatsache, dass die Fehler des Personals
unmittelbar im Anschluss an das Inkrafttreten einer Neufassung des EBM und später nicht wieder aufgetreten seien,
zeige eindeutig, dass das Personal nicht ausreichend auf die Neufassung des EBM eingestellt worden sei. Der
Hinweis auf behauptetes Fehlverhalten anderer, selbst wenn es erweislich vorliegen würde, ändere nichts an dem
Verschulden des Klägers; einen Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe es nicht. Dass der Termin
vor dem Disziplinarausschuss – erst – am 7. April 2004 stattgefunden habe, habe keine rechtliche Relevanz, ebenso
wenig die behaupteten Äußerungen der ermittelnden Staatsanwältin. Die Staatsanwaltschaft habe immerhin Anklage
erhoben. Es werde nicht bestritten, dass der Kläger über eine im Allgemeinen gut geführte und organisierte Praxis
verfüge und sich mit voller Hingabe der Gesundheit seiner Patienten widme. Dies ändere jedoch nichts an der
sanktionierten Pflichtverletzung.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2009 nebst Anlagen hat der Vorsitzende des Disziplinarausschusses der Beklagten u.a.
die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Zeitprofile übersandt und deren Berechnung exemplarisch näher
erläutert. Insoweit wird auf Bl. 72-113 der Gerichtsakte verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts
wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten betreffend das Disziplinarverfahren gegen den
Kläger Bezug genommen. Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des
Senats am 19. Mai 2009 gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG)und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Beschluss/Bescheid des
Disziplinarausschusses der Beklagten ist weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ist § 81 Abs. 5 Satz 1 bis 3 SGB V, hier anzuwenden
i. d. F. des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266) in Verbindung mit der
Satzung der Beklagten. Das BSG hat die gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen in
ständiger Rechtsprechung als hinreichend bestimmt angesehen (vgl. Urt. vom 6. November 2002 - B 6 KA 9/02 R,
SozR 3-2500 § 81 Nr. 9, juris Rz. 20 m. w. N.). In der Satzung der Beklagten, zunächst in § 3 Abs. 9 Satz 1 (vgl.
Neufassung durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 30. März 1983, Schl.-Holst. Ärzteblatt S. 411),
später in § 3 Abs. 8 Satz 1, heute § 8 Abs. 1 Satz 1, ist im Wesentlichen gleich lautend und in Übereinstimmung mit
der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bestimmt, dass die KV Mitglieder, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht
oder nicht ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere gegen die für sie verbindlichen vertraglichen Bestimmungen und
Richtlinien verstoßen, hierzu (je nach Schwere der Verfehlung) durch Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis zu 20.000
DM (10.000,00 Euro) oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der Ermächtigung (früher: bis zu sechs
Monaten, heute: bis zu 2 Jahren) nach Maßgabe von § 7 anhalten kann.
Die sich aus § 7 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ergebenden Fristen für den gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung
erforderlichen Antrag des Vorstandes der Beklagten auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens (zwei Jahre nach
Bekanntwerden der Verfehlung bzw. fünf Jahre nach der Verfehlung) sind eingehalten. Dabei bedarf es angesichts der
konkreten Fallgestaltung – Verfehlungen in den Quartalen I/96 und II/96 und Stellung des Antrages auf Einleitung
eines Disziplinarverfahrens mit Schreiben des Vorstandes der Beklagten vom 25. November 1996 - hier keines
Eingehens auf Einzelheiten der Fristberechnung. Das Disziplinarverfahren, das letztlich mit dem angefochtenen
Beschluss vom 7. April 2004 endete, ist auch während des gesamten Zeitraumes aufgrund dieses Antrages
durchgeführt worden. Die zunächst am 19. Januar 2000 durch den Vorstand der Beklagten beschlossene Rücknahme
der Disziplinaranträge im Hinblick auf die bereits lange und nicht absehbare weitere Dauer der
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ist im Verfahren des Klägers nicht erfolgt. In der weiteren
Vorstandssitzung der Beklagten am 1. bzw. 2. Februar 2000 wurde nämlich, nachdem zwischenzeitlich seitens der
Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden war, dass gegen den Kläger ein Strafbefehl erlassen werden solle, in Ergänzung
des Beschlusses aus der Sitzung vom 19. Januar 2000 beschlossen, die gegen diese beiden Ärzte (u.a. gemeint der
Kläger) anhängigen Disziplinarverfahren fortzuführen (Auszug aus dem Protokoll über die Vorstandsitzung am 1./2.
Februar 2000, Bl. 44 VA). Zu dem Zeitpunkt dieses weiteren Beschlusses war der Antrag auf Einstellung des
Disziplinarverfahrens noch nicht an den Disziplinarausschuss weitergeleitet worden und - erst recht - war dem Kläger
gegenüber keine förmliche Einstellung des Disziplinarverfahrens erfolgt. Dies hat der Vorsitzende des
Disziplinarausschusses in dem Schriftsatz der Beklagten vom 13. Mai 2009 auf Nachfrage des Senats unter Hinweis
auf den üblichen Zeitablauf bei der Erstellung von Vorstandsprotokollen glaubhaft dargelegt, und auch der Kläger hat
nicht behauptet, dass das Disziplinarverfahren ihm gegenüber zu irgendeinem Zeitpunkt förmlich eingestellt worden
wäre. Aus welchen Gründen ein Verhandlungstermin erst im April 2004 stattfand, nachdem bereits im Mai 2002
beschlossen worden war, das Verfahren zur Verhandlung anzusetzen, erschließt sich zwar aus der Akte nicht. Auf die
Einhaltung der eingangs genannten Frist hat dies aber keinen Einfluss, solange das Verfahren immer noch auf dem
ursprünglichen und rechtzeitig gestellten Antrag beruhte. Verjährungsfristen, nach deren Ablauf eine
Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden darf, gibt es in der Satzung der Beklagten nicht, und die Beklagte
war auch nicht verpflichtet, eine solche Regelung zu treffen (BSG, Urt. v. 6. November 2002, a. a. O.). Dass
zwischen der Verfehlung und der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme mehrere Jahre liegen können, liegt
angesichts der eingangs genannten Fristenregelung in der Natur der Sache. Allerdings kann unter Umständen die
Verfahrensdauer eine bestimmte Sanktion oder Sanktionen überhaupt als unverhältnismäßig erscheinen lassen bzw.
ausschließen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. April 1993 – 2 BvR 1487/90, juris; Beschl. v. 25. Juli 2003 - 2 BvR 153/03,
NJW 2003, 2897, juris, jeweils m.w.Nw.). Hiervon kann man aber allein im Hinblick auf einen Zeitablauf von zwei
Jahren zwischen der Mitteilung, einen Termin anberaumen zu wollen und der tatsächlichen Terminanberaumung nicht
ausgehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger während der Dauer des Disziplinarverfahrens keine
Beschränkungen in seiner Tätigkeit hinzunehmen hatte (anders als etwa in Fällen beamtenrechtlicher
Disziplinarmaßnahmen mit vorläufiger Suspendierung und/oder Gehaltskürzungen; vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 4.
Oktober 1977 - 2 BvR 80/77, BVerfGE 46, 17, juris). Der vor Mai 2002 liegende Zeitraum seit der Einleitung des
Disziplinarverfahrens war begründet in der Durchführung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (bis
2000, insoweit mit Ruhen des Disziplinarverfahrens) und des gerichtlichen Verfahrens (bis Sommer 2001), von dessen
Einstellung die Beklagte erst im Mai 2002 Kenntnis erlangte. Insgesamt liegt damit hier keine Fallgestaltung vor, in
der eine disziplinarische Ahndung allein wegen der langen Verfahrensdauer ausgeschlossen wäre.
Der angefochtene Disziplinarbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die
Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, nämlich eine schuldhafte (vgl. BSG, Beschl. v. 28. August 1996 - 6 BKa
22/96 – juris Rz. 4) Pflichtverletzung des Klägers liegen vor, und Fehler bei der Betätigung und Begründung des dem
Disziplinarausschuss auf der Rechtsfolgeseite zustehenden Entschließungs- und Auswahlermessens sind nicht
gegeben.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gehört insbesondere die Verpflichtung zur
peinlich genauen Abrechnung zu den Grundpflichten des Arztes. Die Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der
gesetzlichen Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt entscheidend mit davon
ab, dass die K(Z)ÄV und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf die peinlich
genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen können. Dieses Vertrauen ist nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und
peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich
sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die K(Z)ÄV
und die Krankenkassen (BSG, Urt. vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91, SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 m. w. N.). Eine
gravierende und nachhaltige Verletzung dieser Pflicht kann deshalb sogar eine Zulassungsentziehung rechtfertigen
(vgl. BSG, Urt. vom 24. November 1993, a. a. O. und vom 20. Oktober 2004 - B 6 KA 67/03 R, BSGE 93, 269).
Der Kläger hat in den genannten Quartalen Leistungen abgerechnet, die er nicht oder jedenfalls nicht entsprechend
den Vorgaben des EBM erbracht hat. Dies steht aufgrund der von der Beklagten erstellten Tagesprofile fest. Es
handelt sich hierbei einerseits um Tagesprofile bezogen auf die Abrechnungsziffern mit festen Zeitvorgaben, die für
den gesamten streitigen Zeitraum in der Verwaltungsakte enthalten sind (Bl. 10 bis 29 a.a.O.), zum Anderen um
"Tagesprofile, Quartalsprofile und Arbeitszeitklassen" für die Quartale I/96 und II/96 auf der Grundlage der
Empfehlungen der KBV, erstellt am 5. April 2004 durch die Abrechnungsabteilung der Beklagten. Die Auswertung für
28 besonders auffällige Tage findet sich auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides. Dass derartige Tagesprofile
grundsätzlich ein zulässiges Beweismittel für eine unrichtige Abrechnung eines Vertragsarztes sind, entspricht der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urt. v. 24. November 1993, a. a. O.). Die dabei zu beachtende
Vorgabe, dass ein solcher Indizienbeweis nur dann zulässig ist, wenn Möglichkeiten zur direkten Feststellung
beweiserheblicher Tatsachen nicht vorhanden oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden sind, liegt hier
vor. Das BSG hat dies bereits dann bejaht, wenn es um ein zeitlich zurückliegendes Leistungs- bzw.
Abrechnungsverhalten eines Vertragsarztes über ein gesamtes Quartal geht. Entscheidender Gesichtspunkt ist dabei,
dass sich erst und gerade über die Addition der sich aus der Abrechnung ergebenden (Mindest-)behandlungszeiten
des Klägers ergibt, das seine Abrechnung nicht zutreffen kann. Ein direkter Beweis ließe sich hier nur dadurch führen,
dass die an den "auffälligen Tagen" behandelten Patienten zu der genauen Dauer der jeweiligen
Untersuchungen/Behandlungen vernommen würden. Dies wäre nicht nur mit unverhältnismäßigem Aufwand
verbunden, sondern könnte nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund der Begrenztheit des menschlichen
Erinnerungsvermögens zum Einen und zum Anderen des Umstandes, dass der Patient während der
Untersuchung/Behandlung grundsätzlich nicht vorrangig auf die dafür von dem Arzt aufgewandte Zeit achtet, nicht zur
Feststellung des jeweiligen tatsächlichen Zeitaufwandes führen. Das hier für die Erstellung der Zeitprofile gewählte
Vorgehen, nämlich zum Einen die Addition der (Mindest-)zeiten für die Erbringung bestimmter Leistungsziffern nach
dem EBM und zum Anderen die Errechnung des (Mindest-)zeitaufwandes für die übrigen Leistungen anhand sog.
Zeitbedarfsanalysen der KBV ist nicht zu beanstanden. Es entspricht den Vorgaben des BSG in dem Urteil vom 24.
November 1993 (a.a.O., juris Rn. 26; zu den Zeitbedarfsanalysen der KBV als tragfähige Grundlage für die
Feststellung einer Pflichtverletzung vgl. auch Urt. des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 14. Januar 2003 - L 6 KA
69/01, S. 13/14). Die Beklagte hat zudem mit ihrem Schriftsatz vom 13. Mai 2009 nochmals ausführlich erläutert, wie
sie das vollständige Tagesprofil unter Heranziehung der Zeitbedarfsanalysen der KBV erstellt hat. Der Senat hat
aufgrund der in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Darstellung des gewählten Verfahrens keine Zweifel an der
Richtigkeit der dabei ermittelten Zeitwerte. Auch der Kläger hat hiergegen keine Einwände erhoben.
Legt man die ermittelten Tagesprofile zugrunde, so ergibt sich bereits unter Berücksichtigung der durch den
Disziplinarausschuss auf Seite 3 seines Beschlusses ausgewerteten 28 Tagesprofile, dass die Abrechnung des
Klägers in den genannten Quartalen unzutreffend gewesen sein muss. Zwingend ist dies für den 2. Januar 1996, für
den sich eine Gesamtarbeitszeit von 24:06 Stunden ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Inhalt des
Beschlusses bei der Erstellung der Tagesprofile sowohl hinsichtlich der Leistungen mit festen Zeitvorgaben als auch
hinsichtlich der übrigen Leistungen anhand der Zeitbedarfsanalysen der KBV jeweils die Mindestzeitwerte zugrunde
gelegt wurden. Legte man durchschnittliche Zeitwerte zugrunde, so ergäben sich mutmaßlich an zahlreichen weiteren
Tagen Arbeitszeitsummen von mehr als 24 Stunden. Auch die bei der Zugrundelegung von Mindestzeiten ermittelten
Arbeitszeiten von an allen in dem angefochtenen Bescheid ausgewiesenen 28 Tagen jeweils mehr als 15 Stunden,
darunter auch Zeiten von mehr als 22, mehr als 21 und wiederholt mehr als 19 Stunden, sind nicht plausibel. Es
erscheint ausgeschlossen, dass ein Arzt in diesem Umfang ärztliche Leistungen erbracht hat, wobei jeweils nur die
Dauer der Leistungen selbst erfasst ist. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung der Erläuterung der Beklagten in
dem genannten Schriftsatz vom 13. Mai 2009, wonach die große Mehrheit der verglichenen Ärzte im Gruppenprofil nur
auf Tagesarbeitszeiten von 4-8 Stunden bzw. weniger als 4 Stunden komme. Dies hat die Beklagte nachvollziehbar
damit erklärt, dass die von der KBV empfohlenen Mindestarbeitszeiten für die einzelnen Gebührenziffern extrem
niedrig angesetzt seien und dabei z. B. keine Zeiten für die Vorbereitung und Nacharbeit der einzelnen Behandlungen
oder für Pausen, Telefongespräche oder sonstige nicht abrechenbare Tätigkeiten berücksichtigt seien.
Den sich aus den genannten Tagesprofilen ergebenden Indizienbeweis einer unzutreffenden Abrechnung hat der
Kläger nicht zu entkräften versucht. Die Feststellung der Beklagten, dass er seine vertragsärztlichen Pflichten in den
Quartalen I/96 und II/96 durch eine fehlerhafte Abrechnung verletzt hat, wird von dem Kläger selbst nicht in Frage
gestellt. Seine Ausführungen betreffen lediglich die Frage des Verschuldens, nicht hingegen die Pflichtverletzung als
solche.
Auch ein Verschulden des Klägers hinsichtlich der Falschabrechnung ist gegeben. Dabei ist die Beurteilung durch den
Disziplinarausschuss auch insoweit nicht zu beanstanden, als dieser zumindest grobe Fahrlässigkeit des Klägers
angenommen hat. Der Vortrag des Klägers, wonach er die Abrechnung vollständig seinen erfahrenen Arzthelferinnen
überlassen und diese zu keinem Zeitpunkt angewiesen habe, Leistungen abzurechnen, die er nicht oder nicht in der
vorgeschriebenen Form erbracht habe, steht dieser Annahme nicht entgegen. Entweder muss der Kläger nämlich in
seine Karteikarte bereits Abrechnungsziffern eingetragen haben, deren Inhalt er nicht oder jedenfalls nicht vollständig
erfüllte, weil er die im EBM 1996 hierfür vorgeschriebenen Mindestzeitvorgaben nicht einhielt, oder er überließ die
Übertragung von Leistungen in Leistungsziffern nach dem EBM 1996 vollständig seinen Arzthelferinnen. Im
letztgenannten Fall ist jedoch, worauf die Beklagte in der Berufungserwiderung zutreffend hingewiesen hat, nicht
ersichtlich, wie überhaupt die Einhaltung der verbindlichen Zeitvorgaben sollte festgestellt worden sein können.
Insbesondere ist nicht erkennbar, wie die Arzthelferinnen bezogen auf jede einzelne Leistung genau hätten verfolgen
sollen, ob der Arzt diese vollständig erbracht und insbesondere die Mindestzeitvorgaben eingehalten hat oder nicht.
Unabhängig davon muss der Kläger zudem jedenfalls eine grobe Prüfung der Abrechnung vornehmen, um durch die
Unterschrift unter die Abrechnungssammelerklärung die Richtigkeit der Abrechnung versichern zu können. Die Abgabe
einer - ordnungsgemäßen - Abrechnungs-Sammelerklärung ersetzt die an sich für jeden einzelnen
Behandlungsausweis gebotene Erklärung des Arztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der
Leistungen und ist eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs eines Vertragsarztes auf
Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen. Mit ihr garantiert der Kassen-/Vertragsarzt, dass die Angaben auf den
von ihm eingereichten Behandlungsausweisen (bzw. heute Datenträgern) zutreffen. Diese Garantiefunktion ist gerade
wegen der aufgrund des Sachleistungsprinzips im Vertragsarztrecht auseinanderfallenden Beziehungen bei der
Leistungserbringung (Verhältnis Arzt zum Patienten) und der Vergütung (Verhältnis Arzt zur KÄV) und den damit
verbundenen Kontrolldefiziten unverzichtbar (BSG, Urt. v. 17. September 1997 - 6 RKa 86/95, SozR 3-5550 § 35 Nr.
1, juris Rn. 19). Wenn der Kläger eine unrichtige Abrechnungssammelerklärung unterschreibt, weil er sich in vollem
Umfang auf die Abrechnung durch seine Arzthelferinnen verlässt, ohne auch nur eine Plausibilitätsprüfung
vorzunehmen, handelt er grob fahrlässig jedenfalls dann, wenn, wie hier, bereits eine einfache Plausibilitätsprüfung
ergeben hätte, dass die Abrechnung nicht zutreffen kann. Eine solche Prüfung konnte der Kläger allerdings seinen
ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zufolge gar nicht vornehmen, weil er mit der
Gebührenordnung so wenig vertraut ist, dass er die Inhalte der einzelnen Leistungspositionen nicht kennt. Ob dieser
eigene Vortrag des Klägers nicht sogar einen bedingten Vorsatz hinsichtlich der Abgabe einer unrichtigen
Sammelerklärung begründet, kann dahin stehen, weil die Beklagte lediglich von zumindest grober Fahrlässigkeit
ausgegangen ist. Jedenfalls diese ist aus den genannten Gründen zu bestätigen. Kann demnach die Richtigkeit der
Ausführungen des Klägers bezogen auf die Erstellung der Abrechnung in seiner Praxis als wahr unterstellt werden,
ohne dass hierdurch der Vorwurf zumindest grobfahrlässiger Falschabrechnung entfiele, besteht kein Anlass zur
Vernehmung der genannten Arzthelferinnen als Zeuginnen.
Die Ermessensentscheidung der Beklagten über die disziplinarische Ahndung der fehlerhaften Abrechnung ist sowohl
dem Grunde als auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Aus welchen Gründen der Disziplinarausschuss
angesichts der eindeutig fehlerhaften Abrechnung in den genannten Quartalen eine disziplinarische Ahndung
gegenüber dem Kläger für erforderlich hielt, ist auf Seite 5 unten/6 oben des Bescheides (noch) ausreichend
begründet worden. Auch die Auswahl der disziplinarischen Maßnahme, hier die Entscheidung für eine Geldbuße und
nicht lediglich eine Verwarnung oder einen Verweis, hat der Disziplinarausschuss, wenngleich kurz, in dem vorletzten
Absatz des Bescheides ausreichend damit begründet, dass es sich hier um Falschabrechnung in erheblicher Höhe
gehandelt und der Kläger hierdurch unberechtigtes Honorar in entsprechendem Umfang bezogen habe. Die
festgesetzte Geldbuße in Höhe von 2.500,00 EUR schöpft den Rahmen von heute 10.000,00 EUR, zum Zeitpunkt der
Verfehlung 20.000 DM nur zu einem Viertel aus und erscheint schon deshalb und auch mit Blick auf den Umfang der
Falschabrechnung sowie die festgestellte grobe Fahrlässigkeit nicht unverhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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