Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 10.11.2009
LSG Shs: gemeinde, anwohner, grundstück, pflege, arbeitsunfall, einwilligung, satzung, genehmigung, gebietskörperschaft, versicherungsschutz
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.11.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lübeck S 20 U 57/06
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 8 U 71/08
Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 1. Juli 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 23. November 2005 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2006 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das
Unfallereignis vom 7. Juli 2005 ein Arbeitsunfall ist. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in
beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall.
Die am ... 1935 geborene Klägerin zeigte unter dem 10. August 2005 bei der Beigeladenen an, dass sie am 7. Juli
2005 beim Mähen einer gemeindeeigenen Rasenfläche (Entwässerungsgraben direkt an das Grundstück der
Geschädigten grenzend) ausgerutscht sei und sich eine komplizierte Unterschenkelfraktur zugezogen habe. Die
Unfallanzeige leitete die Beigeladene an die Beklagte weiter und teilte mit, dass neben der Klägerin alle benachbarten
Grundstückseigentümer in diesem Bereich die rechte Seite des dortigen Entwässerungsgrabens seit Jahren selbst
mähten. Dieses habe sich so entwickelt und sei Gewohnheitsrecht. Außerdem wies sie darauf hin, dass sie die
Übernahme von Patenschaften für öffentliche Grünflächen anstrebe und dass seitens des Kommunalen
Schadenausgleichs Schleswig-Holstein mitgeteilt worden sei, dass die Paten bei der Pflege von öffentlichen
Grünflächen unter bestimmten Voraussetzungen Haftpflichtdeckungsschutz genießen könnten. Mit weiterem
Schreiben vom 10. Oktober 2005 teilte die Beigeladene mit, dass die Anwohner im dortigen Bereich der H allee seit
mehr als 20 Jahren die Pflege- und Mäharbeiten des Grabens und des angrenzenden Seitenstreifens vornähmen.
Innerhalb der letzten 20 Jahre habe es zwischen den Anwohnern und der Gemeinde weder Absprachen noch Auflagen
in irgendeiner Form gegeben. Die Anwohner hätten über die Ausführung der Pflege- und Mäharbeiten frei entscheiden
können.
Mit Bescheid vom 23. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 7. Juli 2005 als
Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab mit der Begründung, das
Reinigen der Straße sei eine Pflicht, die aus der Satzung für die Straßenreinigung der Gemeinde Scharbeutz folge,
sodass die Klägerin weder ehrenamtlich noch arbeitnehmerähnlich für die Gemeinde gehandelt habe. Dagegen legte
die Klägerin mit Schreiben vom 12. am 14. Dezember 2005 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 27.
Februar 2006, zugestellt am 1. März 2006, zurückgewiesen wurde.
Die Klägerin hat am Montag, dem 3. April 2006, Klage erhoben und vorgetragen, sie sei zum Mähen laut
Straßenreinigungssatzung der Beigeladenen nicht verpflichtet. Vielmehr habe sie das Pflegen des
Straßenbegleitgrüns im Interesse der Gemeinde übernommen. Dafür habe die Beigeladene schon seit langer Zeit
keine Gemeindearbeiter mehr eingesetzt und im Übrigen die Bürger dazu aufgerufen, das öffentliche Grün zu pflegen.
Daher sei sie beim Rasenmähen ehrenamtlich tätig geworden und habe damit einen Arbeitsunfall erlitten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Feb¬ruar
2006 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis vom 7. Juli 2005 mit der Folge eines Unterschenkel- bzw.
Knöchelbruchs ein von der Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 1. Juli 2008 die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass das Unfallereignis der
Klägerin vom 7. Juli 2005 nicht der Unfallversicherung unterfalle, denn die Klägerin sei nicht ehrenamtlich oder als
eine "Wie-Beschäftigte" der Gemeinde Scharbeutz tätig geworden. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der
Klägerin am 17. Ok¬tober 2008 zugestellt worden.
Diese hat am 14. November 2008 Berufung eingelegt mit der Begründung, es sei ein althergebrachter Brauch, dass
die Anwohner der H allee in diesem Bereich die Rasenflächen vor ihren Grundstücken mähten. Eine besondere
Patenschaft sei insoweit nicht übernommen worden, denn der Gemeinde sei bekannt gewesen, dass alle Anwohner in
diesem Bereich die Grünflächen pflegten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 1. Juli 2008 und den Bescheid vom 23. November 2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2006 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis vom 7. Juli
2005 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2009 die Gemeinde Scharbeutz beigeladen. Diese hat ausgeführt, die
Grünflächen in dem betreffenden Bereich vor dem Grundstück der Klägerin seien noch nie seitens ihres Bauhofs
gepflegt worden. Das hätten seit Jahrzehnten die Anwohner gemacht, wobei es eine Beauftragung nicht gegeben
habe. Das sei Gewohnheitsrecht. Davon sei sie und seien die Bewohner ausgegangen. Die Pflege dieser Flächen sei
wichtig, damit sich die Gemeinde nach außen hin für den Tourismus sauber und ordentlich präsentiere. Das könne sie
selbst nicht leisten, da sie dann weitere Mitarbeiter im Bauhof einstellen müsste.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Beiakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass das Ereignis vom 7. Juli 2005 als Arbeitsunfall festgestellt wird. Die dem
entgegenstehende Entscheidung des Sozialgerichts und die angegriffenen Bescheide sind daher aufzuheben.
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII), sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten
infolge einer den Versicherungsschutz u. a. nach § 2 des Gesetzes begründenden Tätigkeit. Nach Satz 2 dieser
Vorschrift sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem
Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die Klägerin hat am 7. Juli 2005 einen Unfall erlitten. Dabei war sie nach §
2 SGB VII versichert.
Bei dem Mähen der Grünfläche vor ihrem Grundstück war die Klägerin – entgegen der Auffassung der Beklagten -
nicht aufgrund der Satzung für die Straßenreinigung der Gemeinde Scharbeutz tätig. Nach § 2 dieser Satzung ist die
Reinigungspflicht nach dem anliegenden Straßenverzeichnis auf die Grundstückseigentümer übertragen worden. Dazu
gehört nach der Anlage zur Satzung für den Ortsteil G auch die H allee, in der die Klägerin wohnt. Nach § 3 umfasst
die Reinigungspflicht die Säuberung der Straßen- bzw. Straßenteile einschließlich der Beseitigung von Abfällen
geringen Umfangs und Laub. Wildwachsende Kräuter, Gräser und ähnliches sind zu entfernen, wenn dadurch der
Straßenverkehr behindert, die nutzbare Breite von Geh- und Radwegen eingeschränkt wird oder wenn die Kräuter die
Straßenbeläge schädigen. Danach ist das Rasenmähen hier nicht aufgeführt, sodass diese Aufgabe nicht aus der
Straßenreinigungssatzung folgt.
Bei dem Mähen der öffentlichen Grünfläche vor ihrem Grundstück war die Klägerin allerdings auch nicht ehrenamtlich
für die Beigeladene tätig.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII in der Fassung vom 1. Januar 2005 sind kraft Gesetzes versichert Personen, die
für Körperschaften im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher
Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind. Voraussetzung ist daher, dass die ehrenamtliche
Tätigkeit aufgrund eines Auftrages, mit ausdrücklicher Einwilligung oder mit schriftlicher Genehmigung einer
Gebietskörperschaft ausgeführt wird. Daran fehlt es hier. Bereits für die frühere Fassung in § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII
hatte die Rechtsprechung daraus, dass die Versicherung an die Ausübung eines Amtes anknüpfte, gefolgert, dass
dem ehrenamtlich Tätigen von dem Rechtsträger ein bestimmter, abgegrenzter Aufgabenkreis übertragen worden sein
musste, der sich seinerseits wiederum innerhalb des der öffentlich rechtlichen Körperschaft oder Anstalt
zugewiesenen qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich halten musste
(Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10. Oktober 2002 – B 2 U 14/02 R). Dabei war unerheblich, ob Förmlichkeiten
bei der Bestellung für das Ehrenamt beachtet worden waren (BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 2 RU 26/90, SozR 3-
2200, § 539 RVO, Nr. 11). Die Beauftragung war auch aufgrund schlüssigen Verhaltens der Organe der Körperschaft
möglich (Franke in LPK-SGB VII, 1. Aufl., § 2, Rn. 94).
Hier hat es eine irgendwie geartete, selbst eine schlüssige Beauftragung nicht gegeben. Die Beigeladene wusste,
dass in einem bestimmten Bereich der H allee die Anwohner die öffentlichen Grünflächen vor ihren Grundstücken seit
Jahrzehnten pflegten. Hierüber hat es keinerlei Absprachen oder Ähnliches gegeben. Sowohl die Klägerin als auch die
Beigeladene gehen davon aus, dass es sich insoweit um Brauchtum oder Gewohnheitsrecht handelt. Zwar sollen
allgemeine Auftragserteilungen bzw. allgemeine Erklärungen, ehrenamtlich tätige Personen heranzuziehen, ohne diese
namentlich oder die Tätigkeit im Einzelnen festzulegen, ausreichen (so Ricke in Kasseler Kommentar, § 2, Rn. 47d).
Einem Auftrag liegen daher Initiativen der Gebietskörperschaft in Form von Ersuchen, Bitten, Anfragen und Ähnlichem
bezüglich ehrenamtlicher Hilfe zugrunde. Dies kann auch in konkludenter Form geschehen (derselbe, a.a.O., Rn. 47e).
Selbst für eine derartige konkludente Beauftragung sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Beigeladene hat zur
Kenntnis genommen, dass Anwohner der H allee die öffentlichen Grünflächen vor ihren Grundstücken mähen und
pflegen. Sie hat dies geduldet, ohne dass zwischen ihr und den Anwohnern irgendeine Kommunikation stattgefunden
hätte. Das kann nicht als Auftrag gewertet werden. Ebenso wenig liegt eine ausdrückliche Einwilligung vor. Die
Einwilligung als vorherige Zustimmung bedarf des Erfordernisses der Ausdrücklichkeit, also eine schriftliche oder
mündliche Stellungnahme. Ein stillschweigendes Einverständnis reicht daher nicht (Ricke, a.a.O.). Eine
Genehmigung, also die nachträgliche Zustimmung, muss schriftlich vorliegen. Daran fehlt es ebenfalls.
Die ab 1. Januar 2005 gültige Fassung des Gesetzes, dass die ehrenamtliche Tätigkeit im Auftrag, mit ausdrücklicher
Einwilligung oder mit schriftlicher Genehmigung erfolgen soll, macht deutlich, dass eine irgendwie geartete
Kommunikation zwischen dem Tätigen und der Gebietskörperschaft vorhanden sein muss, die den Willen der
Gebietskörperschaft kundtut, dass eine bestimmte Person für sie ehrenamtlich tätig sein soll. Das schlichte
Gewährenlassen einer entsprechenden Handlung reicht nicht.
Auch eine stillschweigende Patenschaft kommt wegen der ausdrücklichen Fassung der Vorschrift nicht in Betracht.
Die Klägerin ist aber als so genannte "Wie-Beschäftigte" tätig geworden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind
Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich der
Versicherungsschutz auf Tätigkeiten, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder
Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem
eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers
entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet
werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2005 – B 2 U 22/04
R, recherchiert bei juris, Rdn. 12; Urteil vom 20. April 1993, 2 RU 38/92, SozR 3-2200, § 539 RVO, Nr. 25).
Das Mähen und Pflegen öffentlicher Grünanlagen ist eine dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnende Tätigkeit,
was bereits daraus ersichtlich ist, dass die Beigeladene durch die Pflege der Rasenfläche seitens der Anwohner
Personal auf ihrem Bauhof einspart.
Das Mähen und Pflegen der öffentlichen Grünanlagen durch Anwohner entspricht auch dem Willen des Unternehmens,
hier der Beigeladenen. Dabei muss der tatsächliche Wille entweder ausdrücklich erklärt sein oder sich zweifelsfrei aus
den Umständen ergeben, wie z. B. aus der Duldung einer bestimmten Tätigkeit (Franke, a.a.O., Rn. 214). Auch das
ist hier gegeben. Die Beigeladene hat der Klägerin und den benachbarten Anwohnern zwar nicht ausdrücklich erklärt,
dass sie das Mähen der Grünanlagen wünsche. Ihr ist diese Tätigkeit aber seit Jahrzehnten bekannt gewesen, sie hat
diese nicht nur geduldet, sondern gebilligt. Die Beigeladene ist eine Gemeinde, die u. a. wesentlich vom Tourismus
lebt. Dafür ist Voraussetzung, dass die äußere Erscheinung der Gemeinde Touristen anspricht, damit diese gerne
wiederkommen. Maßgeblich dafür ist u. a. die Pflege der öffentlichen Grünanlagen. Die Beigeladene selbst hat nicht
genügend Mitarbeiter, die das überall und immer gewährleisten. Daher ist sie darauf angewiesen, dass die Bürger der
Gemeinde derartige Arbeiten selbst verrichten. Das Interesse der Beigeladenen an dieser Tätigkeit wird auch dadurch
deutlich, dass sie dafür wirbt, dass möglichst viele Bürger Patenschaften für öffentliche Grünflächen übernehmen.
Aus den vorigen Ausführungen ergibt sich auch, dass die Tätigkeit der Klägerin und anderer Bürger einen
wirtschaftlichen Wert für die Beigeladene hat. Anderenfalls müsste diese, um das Gemeindegebiet annähernd gepflegt
zu erhalten, etliche Mitarbeiter auf dem Bauhof neu einstellen.
Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art
nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet wird. Vielmehr
kommt der mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Verhalten verbundenen Handlungstendenz ausschlaggebende
Bedeutung zu (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Juni 2006 – L 8 U 9/06;
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. April 2008 – L 17 U 52/07; Landessozialgericht Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2006 – L 2 U 57/04). Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer
Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich eigene Angelegenheiten, ist
sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines
Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach §
2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 5.
Juli 2005 – B 2 U 22/04 R). Dient eine Tätigkeit sowohl eigenen Belangen als auch fremden Zwecken, so sind objektiv
erbrachte Leistungen und subjektive Handlungstendenzen ihrer Intensität nach jeweils gegeneinander abzuwägen. Auf
die von der Handlungstendenz abzugrenzenden Beweggründe, die eine Person veranlasst haben, eine bestimmte
versicherte Tätigkeit auszuüben, kommt es für den Versicherungsschutz nicht an. Maßgeblich ist, dass die
Handlungstendenz des Handelnden fremdwirtschaftlich auf die Belange des Unternehmens gerichtet ist. Dies ist
allerdings nur dann zu verneinen, wenn im Wesentlichen Eigenangelegenheiten verfolgt werden (Franke, a.a.O., Rn.
230). Es kommt also nicht darauf an, dass die Tätigkeit auch eigenen Interessen nützt. Vielmehr ist darauf
abzustellen, ob sie vorwiegend im eigenen Interesse vorgenommen wird, dann liegt keine versicherte Tätigkeit vor,
oder ob das Interesse dahingeht, fremden Interessen zu dienen, dann ist diese Tätigkeit versichert (vgl. Ricke, a.a.O.,
Rn. 111).
Hier ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter des Bauhofs der Beigeladenen die Grünflächen
pflegen, dies allerdings in weit auseinanderliegenden Intervallen. Daher kommt es zu dem Ergebnis, dass die Klägerin
und die übrigen Anlieger die öffentlichen Grünflächen aus eigenem Interesse heraus gepflegt haben, weil zwischen
den einzelnen Pflegeintervallen der Beigeladenen die Flächen verwahrlost aussahen.
Allerdings ist die Annahme, dass seitens der Beigeladenen die betreffenden Flächen gepflegt wurden, nicht
zutreffend. Vielmehr war es erklärtes Ziel der Beigeladenen, die Klägerin und die übrigen Anwohner in ihrem Handeln
gewähren zu lassen, um so zu gewährleisten, dass der öffentliche Raum in der Gemeinde attraktiv aussieht, um den
Tourismus zu fördern und Kosten zu sparen. In Fortführung dessen wird in dem Prospekt, in dem für
Grünanlagenpatenschaften geworben wird, seitens des Bürgermeisters der Beigeladenen ausgeführt, dass sich bereits
in der Vergangenheit vereinzelt engagierte Bürgerinnen und Bürger zur Bepflanzung und Pflege öffentliche Flächen
bereit gefunden hätten und es wird an Bürgerinnen und Bürger appelliert, diesem Beispiel zu folgen.
Dieses Ziel haben offenbar die Anwohner der H allee verinnerlicht. Auch die Klägerin ist davon ausgegangen, dass
alle Bürger zur Verschönerung der Gemeinde beizutragen hätten und dass auch das Mähen vor ihrem Grundstück ein
diesbezüglicher Beitrag sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie ausgeführt, dass nach Auffassung ihrer Nachbarn
das Mähen des Grünstreifens vor dem jeweiligen Grundstück eine "Bürgerpflicht" sei und sie und ihr Mann das selbst
auch so aufgefasst hätten. Infolge dieser Bürgerpflicht sei es für sie selbstverständlich, nicht nur das eigene
Grundstück zu pflegen, sondern auch den Rasen vor dem Grundstück zu mähen. Ihr und ihrem Mann sei es nicht nur
darum gegangen, dass ihr Garten und der Grünstreifen davor ordentlich aussähen, sondern das Mähen vor dem
Grundstück habe dazu gedient, den Gesamteindruck der H allee zu verschönern. Damit hat sie deutlich gemacht,
dass sie die Mäharbeiten vor ihrem Grundstück nicht als Ausfluss von Eigeninteresse sieht, sondern als Bürgerin
ihrer Gemeinde darum bemüht war, dass ihre Straße schön aussieht und sie damit das Gesamtbild der Gemeinde
verbessert. Insoweit handelt es sich nicht um ein Eigeninteresse, sondern um ein Tätigwerden im Interesse der
Gemeinde. Demzufolge war beim Mähen der öffentlichen Grünfläche ihre Handlungstendenz davon geprägt, eine
Aufgabe für die Beigeladene zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag
gestellt, sodass es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre Kosten selbst trägt.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich.