Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 07.07.2009

LSG Shs: alv, apotheker, arzneimittel, versorgung, vertragsarzt, krankenversicherung, ärztliche verordnung, krankenkasse, medikament, abgabe

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.07.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Kiel S 15 KA 151/05
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 4 KA 18/07 KV
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27. April 2007 wird zurückgewiesen. Die
Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im gesamten
Verfahren sind nicht erstattungsfähig. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arznei-mittelregresses gegen den Beigeladenen zu 2) für das
Quar-tal I/01 wegen Verordnung des Medikaments Locabiosol.
Der Beigeladene zu 2), der im Zuständigkeitsbereich der Kläge-rin als Allgemeinarzt mit Praxissitz in Kiel zur
vertragsärzt-lichen Versorgung zugelassen ist, verordnete im Quartal I/01 Locabiosol Dosierspray für mehrere
Versicherte der Beigelade-nen zu 1). Diese stellte am 14. Dezember 2001 gegenüber dem Prüfungsausschuss unter
Hinweis auf § 12 Abs. 3 der Prüfver-einbarung vom 15. März 1995 den Antrag auf Feststellung eines sonstigen
Schadens u. a. wegen der Verordnung von Locabiosol Dosierspray. Dies verstoße gegen die Arzneimittelrichtlinie 13,
nach der Arzneimittel mit nicht ausreichend gesicherten therapeutischen Nutzen nicht verordnet werden dürften. Für
den Inhaltsstoff Fusafungin von Locabiosol liege eine Negativmono-graphie vom 27. Januar 1993 vor. Danach könne
die Anwendung von Fusafungin nicht empfohlen werden. Diese Negativmonogra-phie habe inzwischen Eingang
gefunden in die Änderungsverord-nung der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen
Krankenversicherung, die am 29. November 2000 "im Bundesblatt" verkündet und am 30. November 2000 in Kraft ge-
treten sei. Der hierzu angehörte Beigeladene zu 2) machte gel-tend, Locabiosol sei zum Zeitpunkt der Verordnung
noch nicht Bestandteil der Negativliste gewesen. Es sei nur eingesetzt worden bei bakteriellen Superinfektionen im
Bereich des Be-ginns der Atemwege. Hierdurch seien systemisch wirkende Anti-biotika kostengünstig vermieden
worden.
Durch Bescheid vom 10. Februar 2005 setzte die Gemeinsame Prü-fungseinrichtung der Vertragsärzte und
Krankenkassen in Schleswig-Holstein – Kammer Prüfung Arznei – gegenüber dem Beigeladenen zu 2) zugunsten der
Beigeladenen zu 1) Schadener-satz in Höhe von 416,76 DM (213,08 EUR) fest. Gemäß § 34 Abs. 3 SGB V dürften
Präparate mit Wirkstoffen, die in die sog. Negativliste aufgenommen seien, nicht zu Lasten der ge-setzlichen
Krankenkassen verschrieben werden. Die arzneilich wirksame Substanz von Locabiosol, Fusafungin, sei in die am 30.
November 2000 in Kraft getretene Änderungsverordnung der Negativliste aufgenommen worden. Ab diesem Zeitpunkt
seien Präparate mit diesem Wirkstoff von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in ihrer Mitteilung im
Deutschen Ärzteblatt vom 2. März 2001 sei die Negativliste für den Vertragsarzt verbindlich. Jeder Arzt habe bei der
Verschreibung von Medikamenten ohne Einschränkung auf die in dem Medikament enthaltenen Wirkstoffe zu achten.
Die die Negativliste ergänzende Präparateübersicht vom 19. De¬zember 2001, veröffentlicht im Bundesanzeiger am
11. September 2002, stelle sicherlich eine Erleichterung für den Vertrags-arzt bei der Beurteilung der
Verordnungsfähigkeit von Arznei-mitteln dar, sie sei aber nicht entscheidend. Dieser Annahme stünden auch nicht die
Ausführungen in dem Urteil des Bundes-verfassungsgerichts vom 25. Februar 1999 – 1 BvR 1510/91 – entgegen,
auch wenn in dieser Entscheidung auf die Präparate¬übersicht und nicht so sehr auf die Negativliste abgestellt werde.
Dort sei es jedoch darum gegangen, zu welchem Zeitpunkt in den Schutzbereich der Berufsfreiheit des
Pharmaunternehmens eingegriffen worden sei. Dem sei aber nicht die abschließende Bewertung zu entnehmen, ab
wann ein Arzt ein Verbot zu beach-ten habe, wenn ihn kein Verschulden treffen solle. Der Arzt dürfe sich nicht mit
dem ersten Blick, nämlich in die Präpara-teliste, begnügen, sondern müsse einen zweiten Blick in die Negativliste
werfen.
Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs machte die Klägerin geltend, zwar verstoße die Verordnung
von Loca¬biosol gegen § 34 Abs. 3 SGB V, jedoch dürfe der Apotheker solche Präparate aufgrund des
Arzneiliefervertrages (im Fol-genden: ALV) nicht zu Kassenlasten abgeben. Daher sei ein Schadenersatz zu Lasten
des Vertragsarztes nicht zulässig, sondern es könne lediglich eine Retaxierung vorgenommen wer-den.
Die Kammer Beschwerde Arznei der Gemeinsamen Prüfungseinrich-tung wies den Widerspruch durch Bescheid vom
16. August 2005 (Beschluss vom 3. Juni 2005) zurück, im Wesentlichen mit der Begründung: Ausgangspunkt des
Ersatzanspruchs gegen den Beige-ladenen zu 2) sei der Verstoß gegen § 34 Abs. 3 SGB V wegen der Verordnung
eines Medikaments mit einem in der Negativliste aufgeführten Wirkstoff. Mit diesem Verstoß sei seitens des
Vertragsarztes eine Kausalkette in Gang gesetzt worden, die letztlich zu der Aushändigung des Medikaments
Locabiosol an den Patienten und damit zum Schaden der Beigeladenen zu 1) ge-führt habe. Auch wenn der Klägerin
einzuräumen sei, dass sich vor die Verwirklichung des Schadens ein weiteres, ebenfalls für den Eintritt des Schadens
nicht hinweg zu denkendes Ereig-nis, nämlich die Aushändigung des Medikaments an den Patienten durch den
Apotheker, geschoben habe, werde hierdurch die von dem Arzt in Gang gesetzte Kausalkette nicht unterbrochen. Die-
ser hafte vielmehr – entsprechend allgemeinem Schadenersatz-recht – für alle nicht völlig außerhalb der
Lebenserfahrung liegenden weiteren für den Schaden kausalen Umstände. Gegen-über der Krankenkasse hafteten
somit der Arzt und – bei ent-sprechender Fallgestaltung – der Apotheker als sog. unechte Gesamtschuldner. Es
komme hinzu, dass der Arzt gegen Gesetz, der Apotheker allenfalls gegen den zwischen dem Deutschen Apo-
thekerverband und dem AEV geschlossenen ALV, der im Ergebnis für die anderen gesetzlichen Krankenkassen
ähnlich laute, ver-stoßen habe. Bei dieser Konstellation könne die Krankenkasse nicht verpflichtet werden, den
Apotheker und nicht den Ver-tragsarzt in Anspruch zu nehmen, zumal der Nachweis der Ver-letzung des ALV
schwierig sein könne. Zwar dürften die Verord-nungen von Fertigarzneimitteln, die nach § 34 Abs. 3 SGB V von der
Versorgung ausgeschlossen seien, nicht zu Lasten der Kran-kenkassen beliefert werden. Das gelte aber nur, wenn
das ver-ordnete Produkt zum Zeitpunkt der Belieferung der Verordnung in der großen deutschen Spezialitätentaxe
(Lauer-Taxe) als ein nicht abgabefähiges Produkt gekennzeichnet sei. Bei der Auf-nahme in die Lauer-Taxe handele
es sich um ein relativ um-ständliches Verfahren. Ob Locabiosol in die Datei des hier be-troffenen Apothekers als nicht
abgabefähiges Produkt eingear-beitet worden sei, sei für die Kammer nicht ersichtlich und auch nicht erheblich, da sie
nicht über den Anspruch der Bei-geladenen zu 1) gegen den Apotheker zu entscheiden habe. Es komme hinzu, dass
der ALV frühestens im Oktober 2004 abge-schlossen worden sei.
Zur Begründung ihrer hiergegen am 14. September 2005 bei dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin
im Wesent-lichen vorgetragen: Ihrer Auffassung nach schließe die Rege-lung in § 4 Abs. 3 bzw. § 5 Abs. 3 ALV die
Festsetzung eines Schadenersatzes gegen den verordnenden Vertragsarzt aus. Wenn es dort heiße, bei der
Verordnung eines Fertigarzneimittels aus der Negativliste, das von der Verordnung nach § 31 SGB V ausgeschlossen
und in der Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V (Negativliste) enthalten sei, dürfe dieses Arzneimittel nicht zu Lasten
des angegebenen Kostenträgers abgegeben werden, und weiter geregelt sei, dass die Apotheker "im Übrigen" nicht
zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des verordneten Medika-ments verpflichtet seien, werde dem Apotheker
eine Prüfungs-pflicht und letzte Verantwortung auferlegt. Hierdurch werde entgegen der Auffassung der Beklagten die
Kausalkette sehr wohl durchbrochen; an die Stelle der Schadensursache "Verord-nung" trete die Schadensursache
"Abgabe". Dies folge auch aus dem "im Übrigen "-Satz, der im Umkehrschluss bedeute, dass der Apotheker
jedenfalls bezüglich des Ausschlusses eines Me-dikaments nach § 31 SGB V bzw. § 93 Abs. 1 SGB V zur Prüfung
verpflichtet sei. Die Klägerin hat die Arzneimittellieferver-träge mit den Primärkassen vom 1. Februar 2001 in der
Fassung der Änderungen vom 1. April 2002 und 1. Januar 2004 vorgelegt (Bl. 35 - 98 d.A.).
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Kammer Prüfung Arznei vom 10. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
16. August 2005 aufzuheben, soweit die Verordnung des Me-dikaments Locabiosol betroffen ist, hilfsweise die Beru-
fung zuzulassen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Er hat sich auf den angefochtenen Bescheid und ergänzend auf eine Stellungnahme der KBV, Referat Arzneimittel,
vom 15. Mai 2003 bezogen, wonach der Vertragsarzt und nicht der Apotheker die Verordnung eines nach der
Negativliste nicht verordnungs-fähigen Arzneimittels verantworte.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 27. April 2007 die Kla-ge abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im
Wesentlichen dargelegt: Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Regresses wegen unzulässiger Verordnung von
Arzneimitteln sei § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit der 1995 in Kraft getre-tenen Gemeinsamen
Prüfvereinbarung vertragsärztliche Versor-gung (PV), die bis zum 31. Dezember 2003 gegolten habe. Der Antrag der
Beigeladenen zu 1) sei innerhalb der nach § 12 Abs. 4 PV geltenden Frist von neun Monaten nach Eingang der
Überweisungsscheine gestellt worden. Auch sei das Medikament Locabiosol mit dem Wirkstoff Fusafungin gemäß §
31 SGB V in Verbindung mit der sog. Negativliste (früher § 34 Abs. 3 SGB V) und auch nach Ziffer 13 der
Arzneimittelrichtlinien, wonach Arzneimittel mit nicht ausreichend gesichertem thera-peutischen Nutzen nicht
verabreicht werden dürften, nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung er-fasst; hierüber
bestehe zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Der Beigeladenen zu 1) sei auch ein Schaden im Sinne des § 12
Abs. 3 PV entstanden. Bei dem Arzneikostenregress handele es sich um einen besonderen,
verschuldensunabhängigen Typus des Schadenersatzes, für dessen Begründung das Bestehen eines Schadens
unabdingbare Voraussetzung sei. Der Regressan-spruch der Beigeladenen zu 1) scheitere auch nicht an einem
möglicherweise gleichzeitig bestehenden Retaxierungsanspruch gegenüber dem abgebenden Apotheker. Entgegen der
Auffassung der Klägerin habe das sich aus § 5 Abs. 3 Satz 1 des ALV mit den Primärkassen vom 1. Februar 2001
ergebende vertragliche Abgabeverbot nicht zur Folge, dass eine Verantwortung des zu Unrecht verordnenden Arztes
ausgeschlossen wäre. Es bestehe keine Verpflichtung der Beigeladenen zu 1), vorrangig den ab-gebenden Apotheker
im Wege der Retaxierung in Anspruch zu neh-men. Verordne ein Vertragsarzt ein Medikament der Negativlis-te, liege
darin ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsge-bot, an das der Vertragsarzt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V
gebunden sei und das durch Regelungen der Arzneimittelrichtli-nien und durch § 93 SGB V sowie die darauf
beruhende Übersicht der von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossenen Arzneimittel konkretisiert werde. Von der
Verpflichtung zur wirtschaftli-chen Behandlungsweise, die auch das Verbot der Verordnung von Leistungen umfasse,
die aus der Leistungspflicht der gesetzli-chen Krankenversicherung ausgeschlossen seien, werde der Arzt nicht
deshalb frei, weil auch der Apotheker als Leistungserb-ringer im System der gesetzlichen Krankenversicherung an das
Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden sei und sich bei einem Ver-stoß gegen § 5 Abs. 3 Satz 1 ALV möglicherweise
einem Retaxie-rungsanspruch der Krankenkasse aussetze. Wegen der grundsätz-lichen Bedeutung der Rechtssache
habe die Kammer die Berufung zugelassen.
Gegen das ihr am 18. Mai 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Juni 2007 eingegangene Berufung der
Klägerin. Zur Begründung trägt die Klägerin, unter Wiederholung ihres erst-instanzlichen Vorbringens im Übrigen,
ergänzend vor: Dass der Vertragsarzt durch die Verordnung möglicherweise eine zusätz-liche Schadensveranlassung
bewirke, könne nicht dazu führen, dass eine vertraglich festgelegte Verantwortung des Apothekers nicht zum Tragen
komme. Eine Verantwortlichkeit des Vertrags-arztes käme ihres Erachtens nur in Betracht, wenn von der Mög-lichkeit
des § 129 Abs. 5 SGB V entweder überhaupt kein Gebrauch gemacht worden wäre oder für den Fall, dass der Arz-
neiliefervertrag keine abweichenden Verantwortlichkeiten fest-legte. Obwohl das Sozialgericht zutreffend die sich aus
dem ALV ergebende Verantwortung des Apothekers und die damit ver-bundene Möglichkeit der Retaxierung dem
Grunde nach anerkenne, ziehe es hieraus nicht den ihres Erachtens zwingenden Schluss der Notwendigkeit der
Inanspruchnahme des Apothekers. Da vor der Abgabe immer die Verordnung stehe, komme es, wie es das Verhalten
der Krankenkassen angesichts der Vielzahl der Fälle der Antragstellung zeige, bei Verordnung eines Wirkstoffes oder
Präparates, die Gegenstand der Negativliste bzw. der Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V seien, tatsächlich nie zu der
vom ALV gewollten Inanspruchnahme des Apothekers. Dies bedeute faktisch die Außerkraftsetzung der Regelung in
§ 5 Abs. 3 ALV.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27. April 2007 und den Bescheid der Kammer Beschwerde Arznei der
Beklagten vom 16. August 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Aus dem ALV sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der
Apothe-ker als Letztverantwortlicher und als Alleinverantwortlicher anzusehen und deshalb allein regresspflichtig sei.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Der Beigeladene zu 2) hat sich nicht zur Sache geäußert.
Die Beigeladene zu 1) weist darauf hin, dass ihrer Auffassung nach eine Haftung des Apothekers aus dem ALV im
vorliegenden Fall nicht habe eingreifen können. § 5 Abs. 3 ALV habe es dem Apotheker im Quartal 2001 nicht
untersagt, Locabiosol zu Las-ten der Krankenkassen abzugeben. Nach der genannten Vertrags-bestimmung setze
das Verbot der Abgabe eines Fertigarzneimit-tels zu Lasten der Krankenkassen u.a. voraus, dass das Präpa-rat in der
Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V enthalten sei; der Ausschluss des Arzneimittels von der Versorgung durch die Ne-
gativliste nach § 34 Abs. 3 SGB V allein habe nicht ausge-reicht, um ein an den Apotheker gerichtetes Abgabeverbot
zu begründen. Die Aufnahme von Locabiosol in die Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V sei jedoch erst aufgrund eines
Beschlusses des (damaligen) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 19. Dezember 2001,
veröffentlicht am 11. September 2002 im Bundesanzeiger, erfolgt. Damit könne die Berufung selbst bei
Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin keinen Erfolg haben. Im Übrigen sei die Auffassung der Klägerin,
der Ver-tragsarzt bewirke durch die Verordnung möglicherweise eine "zusätzliche" Schadensveranlassung falsch. Er
setze durch die Verordnung vielmehr die erste Ursache für den Schadensein-tritt, da der Apotheker ohne eine ärztliche
Verordnung über-haupt nicht tätig werden könne. Im Falle eines – hier nicht vorliegenden – Verstoßes des Apothekers
gegen § 5 Abs. 3 ALV sei es nicht der Vertragsarzt, sondern der Apotheker, der eine zusätzliche
Schadensveranlassung bewirke. In derartigen Fällen seien Arzt und Apotheker nebeneinander verantwortlich, sodass
jeder auf den vollen Betrag in Anspruch genommen werden könne, wie es auch im Recht der unerlaubten Handlungen
der Fall sei, für das § 840 Abs. 1 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung vorsehe. Zudem sei in erster Linie der
Vertragsarzt "Herr des Leistungsgeschehens", was auch dadurch verdeutlicht werde, dass der Vertragsarzt, nicht aber
der Apotheker Adressat der Arzneimittelrichtlinien sei. Die in § 5 Abs. 3 ALV geregelte zusätzliche Sicherung der
Krankenkassen vor Schäden könne vor diesem Hintergrund keinen Vorrang einer Inanspruchnahme des Apothekers
begründen. Die Vertragsparteien des ALV hätten mit der Regelung in § 5 Abs. 3 nicht die Absicht gehabt, die Ver-
antwortlichkeit der Vertragsärzte im Sinne einer Haftungsbe-schränkung oder gar –freistellung zu regeln. Sie hätten
hier-für auch gar keine Kompetenz gehabt. Das Gesetz berechtige die Vertragspartner des ALV nicht dazu, in die
Vertragskompetenzen der Kassenärztlichen Vereinigungen einzugreifen und Regelungen mit Wirkung für Vertragsärzte
zu vereinbaren. Eine solche Re-gelung wäre wegen Verstoßes gegen § 129 Abs. 4 Satz 2, Abs. 3 SGB V nichtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der
Beklagten und der Beigeladenen zu 1) Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der
Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die durch die Zulassung in dem angefochtenen Urteil, an die der Senat gebunden ist (§ 144 Abs. 3
Sozialgerichtsgesetz – SGG ), statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbeson-dere fristgerecht (§ 151 SGG)
eingelegte Berufung ist unbe-gründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zwar
zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klägerin ist klagebefugt. Hierfür spricht bereits die Re-gelung in § 106 Abs. 5 Satz 3 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) in der zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung und der Klageerhebung gültigen Fassung.
Danach können gegen die Ent-scheidungen der Prüfungsausschüsse u. a. die Kassenärztlichen Vereinigungen die
Beschwerdeausschüsse anrufen. Gemäß § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren als Vorverfahren im Sinne
des § 78 SGG. Durch die Zurückweisung ihres Widerspruchs durch den an sie adressierten angefochtenen Bescheid
ist die Klägerin formell beschwert, sodass bereits hieraus eine Klage-befugnis resultiert. Soweit das BSG für die in §
106 Abs. 5 Satz 3 SGB V ebenfalls genannten Landesverbände der Kranken-kassen die Frage aufgeworfen hatte, ob
für diese eine Klage– bzw. Rechtsmittelbefugnis unabhängig von einem Interesse im Einzelfall bestehe (vgl. BSG,
Urt. v. 16. Juni 1993 – 14a RKa 4/92 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 18), hat das BSG für die Kassen-ärztlichen
Vereinigungen bezogen auf Zulassungsstreitigkeiten angenommen, dass diese aufgrund der ihnen gemäß § 75 Abs. 1
SGB V übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende
Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung durch Entscheidungen der Zulas-sungs- und Berufungsausschüsse
stets unmittelbar in eigenen Rechten betroffen und damit unabhängig vom Nachweis eines kon-kreten rechtlichen
Interesses im Einzelfall klage- und rechts-mittelbefugt seien (BSG, Urt. v. 30. November 1994 – 6 RKa 32/93, SozR
3-2500 § 119 Nr. 1). Dies gilt für die Wirtschaft-lichkeitsprüfung entsprechend (vgl. BSG, Urt. v. 28. August 1996 - 6
RKa 88/95, BSGE 79, 97; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 28. Januar 2009 - L 3 KA 99/07, MedR 2009, 501).
Abweichend von dem in dem erstinstanzlichen Verfahren proto-kollierten Antrag ist Gegenstand der Anfechtungsklage
allein der Bescheid des Beklagten vom 16. August 2005 und nicht auch der Bescheid der Kammer Prüfung Arznei
vom 10. Februar 2005 (vgl. BSG, Urt. v. 9. März 1994 – 6 RKa 5/92, BSGE 74, 59).
Die Anfechtungsklage ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid sowohl formell als auch materiell rechtmäßig
ist.
Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten gegenüber dem Beige-ladenen zu 2) durchgeführte
Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V, bezogen auf das streitgegenständli-che Quartal I/01
anzuwenden in der Fassung durch Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626). Danach können die Landes-
verbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den
Kassenärztlichen Vereinigun-gen über die gesetzlich geregelten Prüfungsarten hinaus andere arztbezogene
Prüfungsarten vereinbaren. Hiervon haben die Partner der Gesamtverträge in Schleswig-Holstein mit der 1995 in Kraft
getretenen Gemeinsamen Prüfvereinbarung vertragsärzt-liche Versorgung vom 15. Mai 1995 (im Folgenden: PV)
Gebrauch gemacht. Gemäß § 12 Abs. 3 PV entscheidet der Prüfungsaus-schuss auf begründeten Antrag im Einzelfall
auch über einen Anspruch auf Schadenersatz wegen unzulässiger Verordnung von Leistungen, die aus der
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind (hierunter fallen auch Verordnungen, die
gegen die Arzneimittelrichtlinien verstoßen) oder fehlerhafte Ausstellung von Bescheinigungen.
Zutreffend haben hier die Prüfgremien im Sinne des § 106 SGB V über den Regressantrag der Beigeladenen zu 1)
entschieden. Für die Entscheidung über Anträge auf Arzneimittelregress sind entsprechend der o.g. Zuordnung die
Gremien der Wirt-schaftlichkeitsprüfung umfassend zuständig (vgl. BSG, Urt. v. 14. März 2001 – B 6 KA 19/00 R –
SozR 3-2500 § 106 Nr. 52, ju-ris, Rn. 12 ff. m. w. N.). Ebenfalls zu Recht hat der Be-schwerdeausschuss in der durch
das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) mit Wirkung vom 1. Januar 2004
vorgeschriebenen Besetzung entschieden. Mangels einer gesetzlichen Übergangsvorschrift dürfen seit dem 1. Januar
2004 auch in Verfahren, die Quartale bis Ende 2003 betreffen, die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung nur in der
seit dem 1. Januar 2004 vorgeschriebenen Besetzung ent-scheiden (vgl. BSG, Urt. v. 28. April 2004 – B 6 KA 8/03 R,
BSGE 92, 283). Der Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Prüfung ist auch innerhalb der in § 12 Abs. 4 Satz 2 PV für
Anträge nach § 12 Abs. 3 PV geregelten Frist von neun Monaten nach Eingang, hier der Verordnungen, bei der
Krankenkasse gestellt worden. Dabei ist davon auszugehen, dass die sich auf das Quartal I/01 beziehenden
Verordnungen jedenfalls nicht vor Ab-schluss des Quartals bei der Beigeladenen zu 1) eingegangen sind. Damit ist
der am 14. Dezember 2001 bei der Geschäfts-stelle der Prüfungsinstanzen eingegangene Antrag rechtzeitig gestellt
worden.
Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Arznei-mittelregresses lagen vor. Das Medikament Locabiosol
durfte im Quartal I/01 nicht zu Lasten der Beigeladenen zu 1) verordnet werden.
Gemäß § 31 Abs. 1 SGB V, zum Zeitpunkt der hier streitigen Verordnung in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juni
1997 (BGBl. I S. 1520), haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln – um ein
solches han-delt es sich bei Locabiosol nach dem übereinstimmenden und auch im Übrigen nicht zweifelhaften
Vorbringen der Beteilig-ten -, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 ausgeschlossen sind (und auf Versorgung mit
Verbandmitteln, Harn- und Blut-teststreifen). Gemäß § 34 Abs. 3 SGB V, hier anzuwenden in der Fassung durch
Gesetz vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2325), kann der Bundesminister für Gesundheit im Einvernehmen mit
dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zu-stimmung des Bundesrates von der Versorgung
nach § 31 unwirt-schaftliche Arzneimittel ausschließen. Als unwirtschaftlich sind insbesondere Arzneimittel
anzusehen, die für das Thera-pieziel oder zur Minderung von Risiken nicht erforderliche Be-standteile enthalten oder
deren Wirkung wegen der Vielzahl der enthaltenen Wirkstoffe nicht mit ausreichender Sicherheit be-urteilt werden kann
oder deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist. Auf der Grundlage des § 34 Abs. 3 SGB V wur-de im
Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit und dem Bundesminister für
Wirtschaft die "Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der ge-setzlichen Krankenversicherung" vom 21.
Februar 1990 (BGBl. I S. 301), geändert durch Art. 19 § 21 Gesundheitseinrichtungs-Neuordnungsgesetz (GNG) vom
24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1416) und Verordnung vom 16. November 2000 (BGBl. I S. 1593) (im Folgenden nur:
Verordnung) erlassen.
Nicht einschlägig sind hier die Regelungen in § 1 und § 2 der Verordnung, da sie jeweils eine Kombination von
Wirkstoffen voraussetzen, während Locabiosol als einzigen arzneilich wirk-samen Bestandteil den Wirkstoff
Fusafungin enthält. Gemäß § 3 der Verordnung (Überschrift: Unwirtschaftliche Arzneimittel mit nicht nachgewiesenem
therapeutischen Nutzen) sind (Satz 2) ausgeschlossen Arzneimittel, die einen oder mehrere der in der Anlage 2
genannten arzneilich wirksamen Bestandteile enthal-ten. Der Ausschluss gilt jeweils nur für die in der Anlage 2
bezeichnete Therapierichtung (Satz 3). Da der Wirkstoff Fusa-fungin in der Anlage 2 der Verordnung ohne jegliche
Beschrän-kung auf bestimmte Therapierichtungen enthalten ist, war das Medikament Locabiosol gemäß § 3 der
Verordnung von der Versor-gung gemäß § 31 SGB V ausgeschlossen. Dies galt auch bereits für das Quartal I/01, da
der Wirkstoff in der "Änderungsver-ordnung der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen
Krankenversicherung" vom 16. November 2000 (BGBl. I S. 1593), in Kraft getreten am 30. November 2000, enthalten
war.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannten Vorschrif-ten bestehen nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsge-richts nicht (vgl. Beschl. v. 25. Februar 1999 – 1 BvR 1472/91, 1 BvR 1510/91, NJW 1999,
3404, juris, hier Orientie-rungssatz Nr. 3a, letzter Absatz, hier auch mit weiteren Nach-weisen zur Rechtsprechung
des BVerfG). Es greift auch nicht der Ausnahmetatbestand des § 4 der Verordnung ein (vgl. dazu Sozialgericht
Düsseldorf, Urt. v. 17. November 2004 – S 17 KA 220/03, veröffentlicht in juris, ebenfalls betreffend die Ver-ordnung
des Medikaments Locabiosol, u.a. auch im Quartal I/01). Danach finden die §§ 1 bis 3 keine Anwendung auf Arz-
neimittel, die seit dem 1. Februar 1987 von der Zulassungsbe-hörde zugelassen worden sind oder zugelassen werden
und für die ein Beitrag jedes arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des Arzneimittels
ausreichend begründet ist. Diese Voraussetzungen lagen im Quartal I/01 nicht vor, weil Locabiosol nach den
Darlegungen des Vertreters des Be-klagten in der mündlichen Verhandlung erst Ende 2005 zugelas-sen worden ist im
Rahmen des Nachzulassungsverfahrens, das al-le Präparate, die - wie Locabiosol - vor 1978 auf dem Markt waren,
seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts - AMRNG - vom 24. August 1976 (BGBl.
I S. 2445) zum 1. Januar 1978 durchlaufen mussten. Für die Zeit nach dem Inkrafttreten des AMRNG wurde durch
Übergangsregelun-gen die Möglichkeit einer Anzeige mit der Mitteilung über die bisherige Anwendung des
Arzneimittels eingeräumt, damit dieses weiterhin als zugelassen galt (s. Art 3 § 7 Abs 1 ff AMRNG; fiktive
Zulassung). Dies war jedoch keine Zulassung im Sinne des AMG n.F und auch nicht im Sinne des § 4 der
Verordnung. Das BSG hat entschieden, soweit ein Arzneimittel in dieser Weise, ohne Durchlaufen des
Arzneimittelzulassungsverfahrens mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, die Zulassung behalten
habe bzw. diese verlängert worden sei, habe es an den inhaltlichen Merkmalen gefehlt, die es hätten recht-fertigen
können, die Arzneimittelzulassung als ausreichend auch für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV zu akzep-
tieren, insbesondere dann, wenn die Zulassung bzw. die Verlän-gerung der Zulassung eines Arzneimittels
ausdrücklich abge-lehnt wurde und dieses lediglich deshalb weiterhin verkehrsfä-hig i.S.d. AMG war, weil die
Verlängerungsversagung noch nicht vollzogen wurde mangels Anordnung der Vollziehung (BSG, Urt. v. 6. Mai 2009 -
B 6 KA 3/08 R – juris Rn. 21, 22). Ob daraus folgt, dass es für die Verordnung von Locabisosol im Quartal I/01 damit
schon mangels Zulassung an der Verordnungsfähigkeit fehlte, kann dahin stehen. Eine Zulassung im Sinne des AMG
n.F. und damit auch des § 4 der Verordnung ist demnach erst 2005 erfolgt und damit nicht bereits in dem hier
streitigen Quartal I/01. Damit war nach dem 1. Februar 1987 bis zu dem streitigen Quartal auch keine Veränderung
des Zulassungsstatus von Locabisosol eingetreten, wie sie in § 4 der Verordnung vorausgesetzt wird.
Angesichts des demnach festzustellenden Verstoßes der Verord-nung von Locabiosol (jedenfalls) gegen die eingangs
genannten Vorschriften bedarf es keines Eingehens darauf, ob und inwie-weit die Verordnung von Locabiosol im
Quartal I/01 auch gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit den Arzneimittelrichtli-nien von der Verordnung zu
Lasten der Beigeladenen zu 1) aus-geschlossen war.
Ein Verschulden des Vertragsarztes setzt die Feststellung ei-nes Arzneimittelregresses wegen Unwirtschaftlichkeit
nicht voraus (std. Rspr.; vgl. BSG, Urt. v. 5. November 2008 - B 6 KA 63/07 R, juris Rn. 28 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Festsetzung eines sonstigen Schadens gegenüber dem Beigeladenen
zu 2) auch nicht wegen eines Anspruchs gegenüber dem Apotheker bzw. den Apothe-kern ausgeschlossen, die den
Versicherten der Beigeladenen zu 1) die von dem Beigeladenen zu 2) verordneten Medikamente ausgehändigt haben.
Dies folgt in dem hier zu entscheidenden Verfahren bereits daraus, dass die Voraussetzungen des von der Klägerin
unterstellten Retaxierungsanspruchs gegenüber den Apothekern nicht vorliegen.
Der Arzneiliefervertrag (ALV) zwischen dem Apothekerverband Schleswig-Holstein e.V. und den Primärkassen in der
am 1. Februar 2001 in Kraft getretenen (§ 18 Abs. 1 ALV) Fassung regelt in § 5 "Kostenträger" Abs. 3 Folgendes: "Bei
der Verordnung eines Fertigarzneimittels aus der Ne-gativliste (früher § 34 Abs. 3 SGB V), das von der Versor-gung
nach § 31 SGB V ausgeschlossen und in der Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V enthalten ist, darf dieses Arznei-
mittel nicht zu Lasten des angegebenen Kostenträgers abge-geben werden. [ ] Im Übrigen sind die Apotheker nicht
zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des verordneten Mit-tels verpflichtet."
Die im Berufungsverfahren von der Beigeladenen zu 1) vorgeleg-te (Bl. 146-158 d. A.), seit dem 1. Januar 1994
geltende Vor-gängerfassung des ALV/Primärkassen enthielt, soweit ersicht-lich, keine entsprechende Vorschrift. Ob
damit für Verordnun-gen/Abgaben von Locabiosol im Januar 2001 bereits aus diesem Grund keine Rechtsgrundlage
für eine "Retaxierung" gegenüber den abgebenden Apothekern existierte, kann dahinstehen. Denn auch für den
Zeitraum ab Februar 2001 sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ALV nur insofern erfüllt, als der Beigeladene zu
2), wie bereits dargelegt, mit dem Medikament Locabiosol ein von der Versorgung nach § 31 SGB V
ausgeschlossenes Fer-tigarzneimittel aus der sog. Negativliste verordnet hat. Das Medikament war jedoch zum
Zeitpunkt der Abgabe durch die Apo-theker im Quartal I/01 nicht zugleich in der Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V
enthalten. In § 93 Abs. 1 SGB V ist gere-gelt, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in
regelmäßigen Zeitabständen die nach § 34 Abs. 1 oder durch Rechtsverordnung aufgrund des § 34 Abs. 2 und 3 ganz
oder für bestimmte Indikationsgebiete von der Versorgung nach § 31 aus-geschlossenen Arzneimittel in einer
Übersicht zusammenstellen soll. Die Übersicht ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Die Aufnahme von
Locabiosol in die Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V erfolgte erst aufgrund des Beschlusses des Bundesaus-
schusses der Ärzte und Krankenkassen vom 19. Dezember 2001, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 11.
September 2002. In der "Übersicht des BMG über die durch die Verordnung über unwirt-schaftliche Arzneimittel in der
gesetzlichen Krankenversiche-rung vom 21. Februar 1990 aus der Leistungspflicht der gesetz-lichen
Krankenversicherung ausgeschlossenen Arzneimittel" vom 1. Oktober 1991 (Bundesanzeiger vom 1. Oktober 1991,
S. 22) war Locabiosol noch nicht aufgeführt, ebenso nicht in der "Än-derung der Übersicht über die durch die
Verordnung über un-wirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversi-cherung vom 21. Februar 1990 aus
der Leistungspflicht der ge-setzlichen Krankenversicherung ausgeschlossenen Arzneimittel" vom 3. März 1992
(Bundesanzeiger vom 3. März 1992, S. 1538).
Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 ALV sind damit die Vorausset-zungen des Anspruchs gegen den Apotheker auf
Retaxierung (bzw. worauf noch einzugehen sein wird, Verweigerung der Kaufpreis-zahlung) nicht erfüllt, da hiernach
eindeutig gefordert wird, dass das Präparat – auch - in der Übersicht nach § 93 Abs. 1 SGB V enthalten ist. Die
Auslegung der Vorschrift unter Be-rücksichtigung von Sinn und Zweck und mutmaßlicher – Entste-hungsgeschichte
der Norm bestätigt, dass es sich hierbei um eine bewusste Einschränkung handelt, sodass eine Auslegung da-
hingehend, dass allein die Aufnahme des in einem Präparat ent-haltenen Wirkstoffs in die Anlage 2 der Verordnung
über un-wirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversi-cherung ausreicht, nicht in Betracht kommt. Das
BSG hat in ständiger Rechtsprechung die Schlüsselfunktion des Vertrags-arztes im Bereich der Versorgung mit
Arzneimitteln betont (vgl. BSG, Urt. v. 17. Januar 1996 – 3 RK 26/94, BSGE 77, 194; Urt. v. 17. März 2005 – B 3 KR
2/05 R, BSGE 94, 213, juris Rn. 10; Urt. v. 3. August 2006 – B 3 KR 6/06 R, SozR 4-2500 § 129 Nr. 2, juris Rn. 20).
In dem Urteil vom 17. Januar 1996 (a.a.O., juris Rn. 34) wird allgemein die grundsätzliche Maß-geblichkeit der
kassenärztlichen Verordnung für den Apotheker hervorgehoben. Insgesamt wird aus dieser Entscheidung deut-lich,
dass eine Verantwortung des Apothekers nur angenommen werden kann, wenn die Verordnung eines Medikaments
durch einen Vertragsarzt für ihn leicht erkennbar die vertragsärztlichen Pflichten verletzte. Den weiteren Ausführungen
(a.a.O., juris Rn. 46) ist zu entnehmen, dass nach dem dort anzuwendenden ALV der Apotheker nur verpflichtet war,
begründeten Zweifeln hin-sichtlich gefälschter, unbefugter oder missbräuchlich ausge-stellter Verordnungen
nachzugehen. Diese Vorschrift, wonach ein Apotheker auch im Falle der Fälschung oder der unbefugten bzw.
missbräuchlichen Ausstellung einer Verordnung nur mit der Nichtbezahlung der ausgehändigten Medikamente zu
rechnen braucht, sofern er die Fälschung oder die unbefugte bzw. miss-bräuchliche Ausstellung erkennen konnte bzw.
begründeten Zwei-feln nicht nachgegangen ist, ist auch heute noch in § 5 Abs. 4 ALV enthalten. Auch die Regelung,
wonach Apotheken "im Übri-gen" nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des ver-ordneten Mittels verpflichtet
sind, findet sich nach wie vor in § 5 Abs. 3 Satz 3 ALV Primärkassen. Die genannten Gesichts-punkte sprechen
eindeutig dafür, dass der Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 ALV als Ausnahme von der Regel nicht erweiternd ausgelegt
werden darf, sodass ein Abgabeverbot für den Apothe-ker im Falle der Verordnung eines Fertigarzneimittels mit ei-
nem Wirkstoff aus der Negativliste nur und erst dann besteht, wenn das Arzneimittel selbst in der Übersicht nach § 93
Abs. 1 SGB V enthalten ist. Soweit die Klägerin sich in der mündli-chen Verhandlung auf die Regelung in § 13 Abs. 1
Satz 3 ALV Primärkassen in der Fassung vom 1. Februar 2001 berufen hat, wonach Taxberichtigungen ausschließlich
gegenüber der Apotheke geltend zu machen sind, kann hieraus nichts anderes abgeleitet werden. Dabei kann dahin
stehen, ob der hier streitige Reta-xierungsanspruch als "Taxberichtung" in diesem Sinne anzusehen ist. Jedenfalls
regelt die Vorschrift ihrem systematischen Zu-sammenhang nach ausschließlich, innerhalb welcher Fristen und wem
gegenüber eine – unterstellte – Taxberichtigung geltend zu machen ist, nicht jedoch die Voraussetzungen, unter
denen ein solcher Anspruch entsteht.
Kommt demnach die Inanspruchnahme der beteiligten Apotheker hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die
Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach dem ALV bezogen auf das Quartal I/01 nicht vorlagen, bedarf es
keiner Klärung des Verhältnis-ses zwischen der Festsetzung eines sonstigen Schadens gegen-über dem Arzt und der
Retaxierung gegenüber dem Apotheker. Al-lerdings sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass § 5 Abs. 3 ALV
für den Bereich der Arzneimittelversorgung die Vor-schriften über die Wirtschaftlichkeitsprüfung verdrängen könn-te. §
5 Abs. 3 ALV regelt ausschließlich das Verhältnis zwi-schen den Krankenkassen und den Apothekern, nicht hingegen
dasjenige zwischen den Krankenkassen/der KV und den Ärzten, und ein dahingehender Regelungswille dürfte auch
durch Ausle-gung der Norm nicht ermittelt werden können. Dabei ist, worauf die Beigeladene zu 1) zu Recht hinweist,
insbesondere zu be-rücksichtigen, dass eine derartige Regelung gegen höherrangi-ges Recht verstoßen würde. Die
Arzneimittellieferverträge fin-den ihre Grundlage in § 129 Abs. 5 SGB V, wonach die Landes-verbände der
Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen
maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergän-zende Verträge schließen können. "Ergänzende"
Verträge bezieht sich dabei auf § 129 Abs. 4 SGB V. Hier ist geregelt, dass in einem Rahmenvertrag nach Abs. 2
(zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der für die Wahrnehmung der wirtschaft-lichen Interessen
gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker) zu regeln ist, welche Maßnahmen die Vertrags-partner
auf Landesebene ergreifen können, wenn Apotheken gegen ihre Verpflichtungen nach Abs. 1, 2 oder 5 verstoßen.
Eine Re-gelung, die diejenige in § 106 SGB V über die Wirtschaftlich-keitsprüfung von Ärzten für den Fall der Abgabe
eines nicht verordnungsfähigen Arzneimittels verdrängt, hätte in § 129 SGB V nur dann eine hinreichende
Ermächtigungsgrundlage, wenn dies ausdrücklich geregelt wäre. Eine solche Regelung exis-tiert jedoch nicht. Damit
dürfte eine Auslegung des § 5 Abs. 3 ALV dahingehend, dass in jedem Fall, in dem die Voraussetzun-gen dieser
Norm vorliegen, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung zu Lasten des Arztes nicht mehr stattfinden darf, ebenso wenig in
Betracht kommen wie eine Auslegung, die den Kassen eine Ver-pflichtung auferlegt, zunächst die betroffenen
Apotheker in Anspruch zu nehmen.
Auch wenn es damit keine Grundlage für die Annahme gibt, § 5 Abs. 3 ALV könnte im Sinne einer Normenkonkurrenz
als Spezial-regelung im Einzelfall die Wirtschaftlichkeitsprüfung aus-schließen, erscheint allerdings nicht
unproblematisch, welche Bedeutung der Regelung in § 5 Abs. 3 ALV im Zusammenhang mit der Frage zukommt, ob
auch der für die Festsetzung eines Arz-neimittelregresses zwingend erforderliche Schaden eingetreten ist. Es ließe
sich nämlich die Auffassung vertreten, ein Scha-den sei der Krankenkasse deshalb nicht entstanden, weil der
Apotheker wegen des Verstoßes gegen § 5 Abs. 3 ALV gar keinen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse
erworben hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG liegt der Abgabe eines ärzt-lich verordneten Medikaments ein
(öffentlich rechtlicher) Kaufvertrag zwischen Apotheker und Kasse zugrunde (vgl. BSG, Urt. v. 17. März 2005 – B 3
KR 2/05 R, BSGE 94, 213, juris Rn. 16 m.w.N.). Läge ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 ALV vor, hätten die Apotheker
gegen die Beigeladene zu 1) jedoch keinen Kaufpreisanspruch erworben, da die jeweiligen Kaufvertragsan-gebote der
Krankenkasse, die durch die Versicherten mit Über-reichung der vertragsärztlichen Verordnung dem Apotheker über-
mittelt werden, unter dem Vorbehalt bzw. der Bedingung der Einhaltung der im ALV niedergelegten
Abgabebestimmungen stan-den (BSG, Urt. v. 3. August 2006 - B 3 KR 6/06 R, a.a.O., ju-ris Rn. 21). Es stellt sich
daher die Frage, ob unter diesen Voraussetzungen – selbst unter Geltung eines normativen Scha-densbegriffs (vgl.
dazu ausführlich Urt. des Senats L 4 KA 14/04, juris Rn. 36ff mit Nachweisen zur Rechtsprechung) - ein Schaden der
Krankenkasse angenommen werden kann. Die Besonder-heit könnte darin liegen, dass die Beigeladene zu 1) den
Scha-denseintritt in Fällen des § 5 Abs. 3 ALV selbst steuert, in-dem sie die – nach den obigen Darlegungen nicht
bestehende - Kaufpreisforderung des Apothekers dennoch begleicht. Diese Fragen bedürfen aus den genannten
Gründen in diesem Verfahren jedoch keiner Klärung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozial-gerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 2
Verwal-tungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig,
weil diese sich nicht durch die Stellung eigener Sachanträge an dem Kostenri-siko des Verfahrens beteiligt haben (§
162 Abs. 3 in Verbin-dung mit § 154 Abs. 3 VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.