Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 17.11.2006

LSG Shs: besondere härte, lebensversicherung, freibetrag, härtefall, verwertung, bedürftigkeit, rückkaufswert, arbeitslosenhilfe, auflösung, hiv

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.11.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kiel S 9 AL 247/04
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 3 AL 156/05
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 15. November 2005 und der Bescheid der
Beklagten vom 5. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2004 geän¬dert. Die
Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vom 21. Dezember 2003 bis 31. Oktober 2004 Arbeitslosenhilfe unter
Berücksichtigung des erzielten Nebeneinkommens zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen
außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die
Zeit vom 21. Dezember 2003 bis 31. Oktober 2004 hat.
Die 1950 geborene Klägerin ist seit dem 19. Juli 1974 mit dem 1944 geborenen A-K.O ver¬heiratet. Die Klägerin hat
von 1967 bis 1969 eine Ausbildung als Erzieherin erfolgreich durchlaufen und war in diesem Beruf zuletzt als
Kindergarten-leiterin bis 31. Ju¬li 1992 beschäf¬tigt. Vom 3. August 1992 bis 28. Januar 1994 nahm die Klägerin an
einer beruflichen Fort¬bildungsma߬nah¬me zur staatlich aner¬kannten Heilpädagogin an der Fach¬schule für
Heilpädagogik in R erfolgreich teil und be¬zog während dieser Zeit Un¬terhaltsgeld. Ab 29. Januar 1994 be¬zog die
Klägerin zunächst Arbeitslosen¬geld (Alg) und anschlie¬ßend bis zum 13. Juli 1996 Alhi. Vom 15. Juli 1996 bis 28.
Februar 2002 war die Klägerin als Heil¬pädagogin bei dem Verein für i.A e. V. in K beschäf¬tigt. An-schließend bezog
sie ab 1. März 2002 Alg bis zur Erschöpfung des An¬spruchs am 20. Dezember 2003.
Am 21. November 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Alhi ab 21. Dezember 2003. Sie gab an, dass ihr
Ehemann und sie über zwei Kapitallebensversicherungen verfüg¬ten. Sie legte ein Schreiben der H
Lebensversicherung AG vom 15. Ok¬tober 2003 vor, nach dem ihre dortige Lebensversicherung (Nr. ) zum 1.
Novem¬ber 2003 einen Rückkaufswert (ein-schließlich Überschussan¬teile) in Höhe von 21.524,90 EUR hat-te.
Ferner ergab sich aus einem Schreiben der A Ver¬sicherungs-AG vom 7. Oktober 2003, dass die Lebensversicherung
ihres Ehe¬manns (Nr. ) zum 1. November 2003 ei¬nen Rück¬kaufswert von 36.823,80 EUR aufwies.
Mit Bescheid vom 5. Januar 2004 lehnte die Be¬klagte den Antrag auf Alhi ab. Zur Begründung führte sie aus: Die
Klägerin ver¬füge gemeinsam mit ihrem Ehemann über ein Vermögen von 58.348,70 EUR, das verwertbar und dessen
Verwertung zumutbar sei. Unter Be¬rücksichtigung ei¬nes Freibetrages für die Kläge¬rin in Höhe von 10.800,00 EUR
und für ihren Ehegatten in Höhe von 31.200,00 EUR verblieben 16.348,70 EUR. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der
Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Daher be¬stehe kein Anspruch auf Alhi.
Hiergegen erhob die Klägerin am 3. Februar 2004 Widerspruch. Zur Begründung gab sie an, dass die
Lebensversicherungen der Alterssicherung dienten. Die Lebensversicherungen stellten ei-ne "Riester ähnliche" Anlage
dar, denn nach dem Ablaufdatum werde der fällige Betrag der Lebensversicherungen in monatli¬chen Teilbeträgen in
Form einer Rente gewährt und der fällige Betrag nicht als Einmalbetrag zur Auszahlung gebracht. Sie verfüge nicht
über ausreichend anderweitige Versorgungsmög¬lichkeiten oder Vermö¬genswerte zur Alterssicherung. Nach den
gegebenen Umständen sei bei Einsatz der Lebensversicherungen die Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung we¬sentlich erschwert oder gar unmöglich.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2004 als unbegründet zurück. Zur
Begründung führte sie aus, dass es der Klägerin zuzumuten sei, durch die Verwer¬tung des Vermögens den
Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi zu bestreiten. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosen¬hilfe-Verordnung
(AlhiV) sei das gesamte verwertbare Vermögen der Klägerin und ihres Ehemanns zu be¬rücksichtigen, soweit der
Wert des Vermögens den Freibetrag übersteige. Nach § 1 Abs. 2 AlhiV betrage der Freibetrag 200,00 EUR je
vollendetem Lebens¬jahr. Lediglich für Personen, die – wie ihr Ehemann – vor 1948 geboren seien, betrage der
Freibetrag weiterhin 520,00 EUR je vollendetem Le¬bensjahr auf Grund der bestehenden Übergangsvor¬schrift.
Daraus ergebe sich ein Freibetrag für die Klägerin (52 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR) und ihren Ehemann (60 x
520,00 EUR = 31.200,00 EUR) in Höhe von insgesamt 42.000,00 EUR. Da das verwertbare Vermögen aus den beiden
Le-bensversicherungen 58.348,70 EUR betrage, sei die Klägerin nicht bedürftig.
Gegen diesen ihren Prozessbevollmächtigten am 3. Mai 2004 zu¬gestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin
am 21. Mai 2004 bei dem Sozialgericht (SG) Kiel Klage erhoben. Zur Be¬gründung hat sie im Wesentlichen ihr
Vorbringen aus dem Vor¬verfahren wiederholt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2004
aufzuheben und die Beklagte zu ver¬pflichten, ihr Alhi in gesetzlicher Höhe ab dem 21. De¬zember 2003 zu
gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführun¬gen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid
Bezug genommen. Er¬gänzend hat sie vorgetragen, dass auch unter Berücksichti¬gung der neueren Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) bei Zugrundelegung eines weiteren Freibetrages zugunsten der Klä¬gerin in Höhe
von 200,00 EUR pro Lebensjahr die Freibe-trags¬grenze überschritten werde.
Nach mündlicher Verhandlung vom 15. November 2005 hat das SG mit Urteil vom selben Tage die Klage abgewiesen.
Zur Begrün¬dung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass Bedürftigkeit im
Hinblick auf das verwertbare Vermögen der Klägerin und ihres Ehemanns nicht ge¬geben sei. Der Rückkaufswert der
Lebensversicherung der Kläge¬rin betrage zum 11. November 2003 21.534,90 EUR, der Rück¬kaufswert der
Lebensversicherung ihres Ehemannes 36.853,80 EUR. Der Freibetrag für die Klägerin und ihren Ehemann betrage
nach der AlhiV 2002 42.000,00 EUR, so dass der Wert des Vermö¬gens den Freibetrag übersteige. Selbst unter
Berücksichtigung eines weiteren Freibetrages für die Klägerin von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr nach der
jüngsten Rechtsprechung des BSG ergebe sich ein Freibetrag für die Klägerin und ihren Ehe¬mann in Höhe von
insgesamt 52.800,00 EUR, der geringer sei als das verwertbare Vermögen in Höhe von 58.348,70 EUR. Weitere
Gesichtspunkte, die im Rahmen einer Härtefallprüfung zu einer Bedürftigkeit der Klägerin führen könnten, seien
we¬der von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersicht¬lich.
Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 25. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.
Dezember 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung der Klägerin.
Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ein Urteil des Senats vom 24. Feb¬ruar 2006 (Az. L 3 AL
18/05), mit dem die Beklagte verur¬teilt wurde, ihrem Ehemann über den 17. Oktober 2003 hinaus Alhi oh-ne
Berücksichtigung des Vermögens aus den Le¬bensversi¬cherun¬gen zu gewähren. Des Weiteren weist sie nochmals
darauf hin, dass sie und ihr Ehemann auf die Lebensversicherun¬gen zur Si¬cherung einer angemessenen
Altersvorsorge angewiesen seien.
Ergänzend hat sie eine Renteninformation der Bundesversiche¬rungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 16. Mai 2005
zu den Ge¬richtsakten gereicht, nach der sie derzeit eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 647,20
EUR erhalten und ihre künftige Altersrente 849,51 EUR betragen würde. Sie ist der Ansicht, dass sich aus dieser
Rentenauskunft er¬gebe, dass eine Anrechnung des Vermögens bei der Alhi letzt¬lich dazu füh-ren würde, dass sie
langfristig und dauerhaft im Alter auf er-gänzende Sozialleistungen angewiesen wäre. Damit eine solche Abhängigkeit
im Alter gerade nicht eintrete, seien die Lebens¬versicherungen abgeschlossen worden.
Auf Anforderung des Berichterstatters hat die Klägerin noch einen lesbaren Rentenversicherungsverlauf zu den
Ge¬richtsakten gereicht. Aus dem Versicherungsverlauf ergibt sich, dass die Klägerin im hier streitbefangenen
Zeitraum Ne¬beneinkommen er-zielt und seit 1. November 2004 in einer mehr als kurzzeitigen
versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden hat. Wegen der weite¬ren Einzelheiten wird auf Blatt 59 bis 60 der
Ge-richtsakten verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Kiel vom 15. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2004 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 28. Ap¬ril 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurtei¬len, ihr Alhi für die Zeit
vom 21. Dezember 2003 bis 31. Oktober 2004 unter Berücksichtigung des er¬zielten Nebeneinkommens zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor: Mit seinen Urteilen vom 9. Dezember 2004
(Az. B 7 AL 30 u. 44/04 R), 27. Januar 2005 (Az. B 7a/7 AL 34/04 R) und 17. März 2005 (B 7a/7 AL 68 u. 78/04 R)
habe das BSG ent¬schieden, dass die AlhiV 2002 mit der Ermächtigungsnorm des § 193 Abs. 2 i.V.m. § 206 Nr. 1
Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) – nur - insoweit nicht in Einklang stehe, als sie keine Regelung enthalte,
nach der besondere Umstände des Ein-zelfalles Berück¬sichtigung finden könnten. Der (generelle) Freibetrag nach §
1 Abs. 2 AlhiV 2002 von 520,00 EUR (2002) und auch die Absenkung dieses Freibetra¬ges auf 200,00 EUR (2003
und 2004) seien er¬mächtigungs- und verfassungskonform, wenn für die Entscheidung im Einzelfall auf Grund einer
Härte-fallklausel noch ein indi¬vidueller Ent¬scheidungsfreiraum verbleibe. Im vorliegenden Fall sei aller¬dings kein
Härtefall zu erkennen. Die Tatsache, dass der Alhi-Antrag abgelehnt wor-den sei, möge aus Sicht der Klägerin unter
Um¬ständen (sub¬jektiv) einen Härtefall darstellen, er stelle je¬doch nicht ob¬jektiv einen Härtefall dar, der es
rechtferti¬gen könne vom Grundsatz, nur Bedürftigen im Sinne von § 193 SGB III Alhi zu gewähren, abzuweichen.
Das BSG habe zudem in sei¬ner Entschei¬dung vom 27. Januar 2005 klargestellt, dass ein Härtefall nicht bereits
darin zu sehen sei, dass sich der Ar¬beitslose angesichts seines fortgeschrittenen Alters keine weiter ge¬hende
Altersvorsorge mehr aufbauen könne. Diesem As¬pekt werde nämlich bereits nach der Vorschrift des § 1 Abs. 2
AlhiV 2002 (und hier zudem auch durch die Übergangsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV 2002) dadurch Rechnung
getragen, dass äl¬teren Arbeitslosen ein höheres Schonvermögen zugebil¬ligt werde als jüngeren. Die von der
Klägerin zitierte Ent¬scheidung des erkennenden Senats vom 24. Februar 2006 (a.a.O.) überzeuge sie, die Beklagte,
nicht. Die Entscheidung sei viel¬mehr feh¬lerhaft. Das BSG habe mit seinen vorgenannten Urteilen ent¬schieden,
dass die gesetzliche Regelung des § 193 Abs. 2 SGB III erfordere, dass (über die Regelungen der AlhiV 2002
hin¬aus) eine dem Einzelfall Rechnung tragende Härtefall¬prüfung möglich sein müsse und zwar derart, dass bei der
Be¬rücksichti¬gung von Vermögen der Standard zu gewähren sei, den das zweite Buch des Sozialgesetzbuches
(SGB II) ab dem 1. Januar 2005 zu-gestehe. Nach § 12 SGB II seien jedoch (auch) alle verwertba-ren
Vermögensbestände zu be¬rücksichtigen. Abzusetzen seien ein Grundfreibetrag in Höhe von 200,00 EUR je
vollendetem Lebens-jahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners sowie - unter bestimmten
Voraussetzungen - geldwerte Ansprü-che, die der Altersvorsorge dienten, in Höhe von abermals 200,00 EUR je
vollendetem Le¬bensjahr der genann¬ten Personen. Danach ergebe sich ein perso¬nenbezogener Gesamt¬freibetrag
von 400,00 EUR je vollendetem Lebensjahr. Der er¬kennende Senat ha-be dem Ehemann der Klägerin im Verfahren L
3 AL 18/05 hingegen einen Freibetrag von 720,00 EUR (520,00 EUR + 200,00 EUR) zu-erkannt. Der Senat habe dies
einzig damit be¬gründet, dass der Ehemann der Klägerin durch seinen Wechsel von N in die Bundesrepublik
Deutschland nur sehr einge¬schränkt Rentenan-wartschaften in der gesetzlichen Rentenversi¬cherung habe er-
werben können. Diese Einzelfallentscheidung, der sie, die Be-klagte, (ebenso wie ausweislich der nicht
zuge¬lassenen Revisi-on auch der erkennende Senat) keine grundsätz¬liche Be¬deutung beigemessen habe, sei
nicht auf den vorliegen¬den Streitfall übertragbar, zumal weder vorgetragen worden sei, dass auch die Klägerin aus N
stamme, noch, dass im Falle der Klägerin aus anderen Gründen ein Härtefall anzuer¬kennen sei.
Der Berichterstatter hat zur weiteren Sachaufklärung Auskünfte über die Lebensversicherungen der Klägerin und ihres
Ehegatten bei der der H Lebensversicherung AG und der A Lebensversicherungs-AG hinsichtlich
Versicherungsbeginn, Ver¬sicherungsablauf, Rückkaufswerte und Beitragszahlungen einge¬holt. Wegen der
diesbezüglichen Einzelheiten wird auf das Schreiben der A Lebensversicherungs-AG vom 10. Oktober 2006 und das
Schreiben der H Lebensversicherung AG vom 18. Oktober 2006 nebst Anla¬gen verwiesen (Blatt 52 bis 53 und 56 der
Gerichtsak¬ten).
Dem Senat haben die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Diese
sind Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des
Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Denn unter Berücksichtigung
der in der jüngsten Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe hat die Klägerin entgegen der von der Beklagten
und – ihr folgend – von dem SG vertretenen Auffassung Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 21. Dezember 2003 bis
31. Oktober 2004. Dieser An¬spruch ist insbesondere nicht wegen fehlender Bedürftigkeit ausgeschlossen. Die
Beklagte wird allerdings bei der Berech¬nung der Alhi das von der Klägerin im streitbefangenen Zeit¬raum erzielte
Nebeneinkommen – gegebenenfalls anspruchsmin¬dernd - zu berücksichtigen haben.
Dass die Klägerin die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 190 Abs. 1 SGB III für Alhi (Arbeitslosigkeit,
Arbeitslos¬meldung, fehlende Anwartschaftszeit auf Alg, Vorfrist) er¬füllt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht
streitig und bedarf keiner weiteren Begründung. Entgegen der vom SG bestätigten Auffassung der Beklagten liegt
auch Bedürftigkeit vor.
Nach § 193 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (a. F.) ist ein Arbeitsloser bedürftig,
so¬weit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu
berück¬sichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf
sein Vermögen und das Vermögen seines Partners die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB
III a. F.). § 193 Abs. 2 SGB III a. F. wird konkretisiert durch die AlhiV 2002 vom 13. Dezember 2001 (BGBl. I, S.
3734) in der hier maßgeblichen Fas¬sung vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2848). Nach § 1 Abs. 1 AlhiV 2002 ist
das gesamte verwertbare Vermögen des Ar¬beitslo¬sen und seines in § 1 Abs. 1 Nr. 2 AlhiV 2002 näher
um¬schrie¬benen Partners zu berücksichtigen, soweit dessen Wert den Freibetrag nicht übersteigt.
Zum hier maßgeblichen Stichtag, dem 21. Dezember 2003, ver¬fügte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann
über folgende Vermögenswerte:
1. Lebensversicherung der Klägerin bei der H Lebensversicherung AG Rückkaufswert einschließlich Überschuss-
guthaben: 21.624,40 EUR Kosten bei vorzeitiger Auflösung: 0,00 EUR Gesamt: 21.624,40 EUR
2. Lebensversicherung Nr. des Ehegatten bei der Alli¬anz Lebensversicherungs-AG Rückkaufswert einschließlich
Überschuss- guthaben: 37.282,40 EUR Kosten bei vorzeitiger Auflösung: 0,00 EUR Gesamt: 37.282,40 EUR
Gesamt: 58.906,80 EUR
Einer Verwertung dieses Vermögens aus den Lebensversicherungen steht nicht die Be¬stimmung des § 1 Abs. 3 Nr.
6 AlhiV 2002 entgegen. Danach sind Sachen und Rechte als Vermögen nicht zu berücksichtigen, so¬weit ihre
Verwertung offensichtlich unwirt¬schaftlich ist. Of¬fensichtlich unwirtschaftlich ist eine Ver¬wertung nur dann, wenn
der dadurch erlangte bzw. zu erzielende Gegenwert in ei¬nem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des
verwer¬teten bzw. zu verwertenden Vermögensgegenstan¬des steht oder stehen würde (BSG, Urteil vom 25. Mai
2005, B 11a/11 AL 51/04 R, SozR 4-4220, § 6 Nr. 2; Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL 71/04 R, jeweils
auch veröf¬fentlicht in juris). Um¬gekehrt ist offensichtliche Unwirt¬schaftlichkeit der Vermö¬gensverwertung nicht
gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (BSG, Urteil vom 25. Mai
2005, a.a.O.). Das BSG hat eine offensichtliche Un¬wirtschaftlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002 stets
verneint, wenn der Rückkaufs¬wert (einschließlich der Überschussguthaben) der Lebensversicherung (nach Abzug
von Ge¬bühren) die Summe der eingezahlten Beiträge übersteigt (BSG, Urteil vom 14. September 2005, B 11a/11 AL
75/04 R, veröffent¬licht in juris). Dies ist vorliegend der Fall (Lebensversiche¬rung Nr. der Klägerin bei der H
Le¬bensversicherung AG: Rückkaufswert ein¬schließlich des Über¬schussguthabens [nach Abzug von Gebühren]:
21.624,40 EUR, Summe der eingezahlten Beiträge bis zum 1. De¬zember 2003: 12.478,27 EUR; Lebensversicherung
Nr. des Ehegatten bei der A Lebensversicherungs-AG: Rück¬kaufswert ein¬schließlich des Überschussguthabens
[nach Abzug von Gebühren]: 37.282,40 EUR, Summe der eingezahlten Beiträge bis zum 21. De¬zember 2003:
21.239,72 EUR).
Freibetrag ist nach dem bereits ab 1. Januar 2003 in Kraft ge¬tretenen § 1 Abs. 2 AlhiV 2002 in der Fassung vom 23.
Dezember 2002 (BGBl. I, S. 4607) ein Betrag von 200,00 EUR je vollende¬tem Lebensjahr des Arbeitslosen und
seines Partners; dieser darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen. Die
Übergangsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV 2002 (mit einem Freibetrag von 520,00 EUR je vollendetem
Lebensjahr des Arbeitslosen und sei¬nes Partners) greift nur für den Ehegatten, nicht aber für die Klägerin, weil diese
nicht vor dem 1. Januar 1948 geboren wor¬den ist. Vor diesem Hintergrund ist hier zunächst von Freibe¬trägen für die
Klägerin von 53 x 200,00 EUR = 10.600,00 EUR und für ihren Ehemann in Höhe 59 x 520,00 EUR = 30.680,00 EUR,
in der Summe also von einem Freibetrag in Höhe von 41.280,00 EUR auszugehen, wodurch sich das zu
berücksichti¬gende Vermögen auf 17.626,80 EUR (58.906,80 EUR – 41.280,00 EUR) reduziert. Soweit die Beklagte
und ihr folgend das SG für die Klägerin von einem Freibetrag von 54 x 200,00 EUR = 10.800,00 EUR und für den
Ehegatten von einem Freibetrag von 60 x 520,00 EUR = 42.000,00 EUR ausgegangen sind, liegen Rechenfehler vor,
weil die Klägerin das 54. Lebensjahr erst 2004 und ihr Ehemann das 60. Lebensjahr erst am 24. März 2004 vollendet
hatten, nicht jedoch bereits zu Beginn des hier streitigen Leistungszeitraums am 21. Dezember 2003.
Zwar hat das BSG (u. a.) in seinem Urteil vom 17. März 2005 (a.a.O., SozR 4-4300 § 193 Nr. 5) und 25. Mai 2005
(a.a.O.) festgestellt, dass die zum 1. Januar 2003 erfolgte Absenkung des generellen Freibetrages von 520,00 EUR
auf 200,00 EUR in der AlhiV 2002 grundsätzlich nicht zu beanstan¬den ist. Zugleich hat es jedoch auch entschieden,
dass in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 im Rahmen einer gesetzli-chen Härteregelung nach § 193
Abs. 2 SGB III zusätz¬lich zum generellen Vermögensfreibetrag bei einer Lebensversi¬cherung, die nach § 165 Abs.
1 und 2 Versicherungsvertragsge¬setz gekün-digt werden konnte, 200,00 EUR pro Lebensjahr des Leistungs-
empfängers und seines Partners (Höchstbetrag je 13.000,00 EUR) als Härtefall privilegiert sind, wenn die
Le¬bensversicherung der Altersvorsorge dient. Zur Begründung hat das BSG ausge-führt, dass bei der
Berücksichtigung von Vermögen nach der Al-hiV 2002 im Rahmen der Härtefallklausel zumindest die ab 1. Januar
2005 geltenden Grundfreibeträge des SGB II in ent-sprechender Anwendung zu beachten seien. Danach sind vom
Ver-mögen abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 200,00 EUR je vollendetem Lebens¬jahr des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen und seines Partners (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 gelten¬den Fassung)
sowie – unter bestimmten Um-ständen – geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, in Höhe von aber¬mals
200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr der genannten Perso¬nen (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in der bis zum 31. Juli
2006 geltenden Fassung), insgesamt nach den genannten Bestimmungen also ein personenbezogener
Ge¬samtfreibetrag von 400,00 EUR je vollendetem Lebensjahr. Die¬ser BSG-Rechtsprechung hat sich der Senat
bereits wiederholt ange¬schlossen (Urteile vom 2. Dezember 2005, L 3 AL 100/04; 24. Februar 2006, a.a.O., 17. März
2006, L 3 AL 87/05 und 5. Mai 2006, L 3 AL 137/05). In seiner Entscheidung vom 17. März 2005 (a.a.O.) hat das BSG
ausgeführt, dass eine Le¬bensversicherung nach ihrer subjektiven Zweckbestimmung der Altersvorsorge dient, wenn
die Fälligkeit des Lebensversiche¬rungsvertrages "in etwa auf den Zeitpunkt des 60. bis 65. Le¬bensjahres da¬tiert
ist" (vgl. auch bereits BSG, Urteil vom 19. Juli 1996, 7 RAr 116/95 SozR 3-4100 § 137 Nr. 6). Dies ist bei der
Lebensversicherung der Klägerin der Fall, da das Vertrags¬ende auf den 1. Mai 2012 (Endalter: 62) bestimmt ist. Bei
Be¬rücksichtigung eines weiteren Freibetra¬ges, also nochmals 10.600,00 EUR zugunsten der Klägerin, ver¬bleibt
ein verwertba¬res Vermögen in Höhe von 7.026,80 EUR (58.906,80 EUR – 41.280,00 EUR - 10.600,00 EUR).
Dass im Übrigen die Verwertung der Lebensversicherung der Klä¬gerin im Rahmen einer allgemeinen Härteklausel
unbillig hart wäre, ist nicht ersichtlich. Dass eine Prüfung einer Verwert¬barkeit von Vermögen im Rahmen einer
allgemeinen Härteklausel auch bei der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung unter Geltung der Al¬hiV 2002 nicht entbehrlich ist,
hat das BSG bereits mehrfach entschieden (z.B. Urteile vom 9. Dezember 2004, a.a.O., und 25. Mai 2005, a.a.O.).
Es hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Berücksichtigung von Vermögen im
Rahmen des SGB II Regelungen getroffen hat, die auch zur Bestimmung der Grenzen der Ermächtigungsnorm des §
193 Abs. 2 SGB II fruchtbar gemacht werden können. So findet sich in § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II eine allgemeine
Härteklausel, nach der als Vermögen nicht zu berücksichtigen sind "Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung
offensichtlich unwirt¬schaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde". Da das BSG (z.B.
Urteile vom 9. Dezember 2004, a.a.O., und 25. Mai 2005, a.a.O.) es unter dem Gesichts¬punkt der
gesetzgeberischen Folgerichtigkeit für geboten gehalten hat, im Rahmen der AlhiV 2002 die später vom Gesetz¬geber
im SGB II gesetzten Standards zu berücksichtigen und der Senat sich dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung –
wie o-ben bereits ausgeführt – wiederholt angeschlossen hat, ist zu prüfen, ob die Verwer¬tung der
Lebensversicherung der Klägerin eine besondere Härte bedeuten würde. Dies ist nicht der Fall. Die Berufsbiografie der
Klä¬gerin weist keine die Annahme einer besonderen Härte rechtfer¬tigenden besonderen Versorgungslücken auf.
Dass die Altersvor¬sorge der Klägerin durch die Zeiten ih¬rer Arbeitslo¬sigkeit geschmälert wird, ist unerheblich. Der
Arbeitslose wird hinsichtlich derartiger Lü¬cken auf den durch die Renten¬versicherungspflicht während des
Leistungsbezuges sowie durch die gesetzlich geregelten Freibe¬träge gewährleis¬teten Mindest¬schutz verwiesen
(BSG, Urteil vom 14. September 2005, a.a.O.). Schließlich ist ein Härtefall auch nicht darin zu sehen, dass die
Klägerin sich in ihrem Al¬ter eine weiter gehende Alters¬vorsorge nicht mehr aufbauen kann. Dem trägt § 1 Abs. 2
AlhiV 2002 dadurch Rechnung, dass älteren Arbeitslosen ein höheres Schonvermögen zugebilligt wird als jüngeren
(vgl. BSG, Ur¬teil vom 27. Januar 2005, a.a.O.).
Allerdings hat die Klägerin unter Hinweis auf das ihren Ehe-gatten betreffende Urteil des Senats vom 24. Februar 2006
zum Aktenzeichen L 3 AL 18/05 zu Recht darauf hingewie¬sen, dass die Verwertung der Lebensversi¬cherung ihres
Ehemanns im Rahmen der Alhi-Bedürftigkeitsprü¬fung eine besondere Härte bedeutet und billigerweise nicht
er¬wartet werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit vollin¬haltlich Be-zug auf
seine Ausführungen in der vorgenannten Ent¬scheidung. Da mithin die Verwertung der Lebensversicherung des
Ehemanns in Anwendung der allgemeinen Härteklausel im Rahmen der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung aus¬scheidet und
davon ausgehend die be-reits beschriebenen Freibe¬träge für die Klägerin und ih¬ren E-hemann in ihrer Summe das
nach der vorstehenden Berech¬nung al-lein aus der Lebensversi¬cherung der Klägerin bei der H Lebensversicherung
AG anzusetzende Vermögen der E-heleute deutlich übersteigen, ist mangels einzusetzenden Ver¬mögens auch im
Falle der Klägerin Bedürftigkeit nach §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193 Abs. 2 SGB III ge¬geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.