Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 12.12.2008

LSG Shs: örtliche zuständigkeit, satzung, stiftung, bindungswirkung, kreis, niederlassung, behandlung, gerichtsverfassungsgesetz, rechtsgrundlage, wiedergabe

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Beschluss vom 12.12.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kiel S 5 KR 218/08
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 AR 43/08 SA
Zum örtlich zuständigen Gericht wird das Sozialgericht Lübeck bestimmt.
Gründe:
I.
Die Klägerin ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ihrer Satzung eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in
Reinbek, Kreis Stormarn, Land Schleswig-Holstein. In § 1 Abs. 2 der Satzung ist geregelt: "Der Gerichtsstand aller
Klagen, die auf den Betrieb einer Einrichtung der Stiftung Bezug haben, ist bei dem Gericht des Ortes begründet, an
dem sich die Einrichtung befindet."
Die Klägerin betreibt in Kiel das S. E. Krankenhaus. In diesem war ein bei der Beklagten gesetzlich
Krankenversicherter im Juli 2007 behandelt worden. Die Kosten dieser Behandlung macht die Klägerin mit der am 23.
Juni 2008 beim Sozialgericht Lübeck erhobenen Klage geltend.
Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das Sozialgericht Lübeck mit Beschluss vom 17. September 2008 für örtlich
unzuständig erklärt und das Verfahren an das Sozialgericht Kiel verwiesen. Zur Begründung ist in dem Beschluss u.
a. ausgeführt, Streitgegenstand sei die Vergütung einer Krankenhausbehandlung in dem genannten Krankenhaus in
Kiel. Inwieweit die Klägerin in R. legitimiert sein solle, im Namen des Krankenhauses in K. zu handeln, habe die
Klägervertretung nicht darzulegen vermocht. Außerdem ergebe sich die Zuständigkeit des Sozialgerichts Kiel aus § 1
Abs. 2 der Satzung der Klägerin. Die Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung liege im Zuständigkeitsbereich des
Sozialgerichts Kiel.
Das Sozialgericht Kiel hat sich mit Beschluss vom 20. November 2008 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und
das Schleswig-Hol¬steinische Landessozialgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Sozialgerichts angerufen.
In den Gründen hat es u. a. ausgeführt, nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei, da der Sitz der
Klägerin R. sei, das Sozialgericht Lübeck örtlich zuständig. Das sei auch bereits im Jahre 2003 vom Schleswig-
Holsteinischen Landessozialgericht entschieden worden. Daran ändere § 1 Abs. 2 der Satzung der Klägerin nichts,
eine einseitige Gerichtsstandsvereinbarung habe nach § 59 SGG keine rechtliche Wirkung. Da das Sozialgericht
Lübeck die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts nicht berücksichtigt habe, trete die
grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses ausnahmsweise nicht ein.
II.
Der Senat bestimmt das Sozialgericht Lübeck zum örtlich zuständigen Gericht (§ 58 Abs.1 Nr.4, Abs.2 SGG).
Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Lübeck ergibt sich aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach ist örtlich
zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz hat. Der Sitz der als
Stiftung des öffentlichen Rechts beteiligungsfähigen Klägerin (§ 70 Nr. 1 SGG) ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ihrer
Satzung R ... Dieser Ort liegt im Kreis Stormarn, letzterer gehört zum Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Lübeck (§ 1
Abs. 2 des Schleswig-Holsteinischen Ausführungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz). Der Sitz der Klägerin ändert
sich nicht dadurch, dass es im Klageverfahren um Kosten der Behandlung eines Versicherten im S. E. Krankenhaus
in Kiel geht. Damit wird dieses Krankenhaus nicht Verfahrensbeteiligter und damit Kläger im Sinne von § 69 SGG.
Wie sich aus dem Briefbogen des S. E. Krankenhauses (Bl. 11 der Gerichtsakte) ergibt, ist dieses "eine
Niederlassung der Katholischen Wohltätigkeitsanstalt zur heiligen Elisabeth, R. Kreis Stormarn, Rechtsfähige Stiftung
des öffentlichen Rechts. Die Rechtsträgerin unterhält neben Krankenhäusern auch Altenheime und andere soziale
Einrichtungen". Aus diesem Hinweis lässt sich – auch für das Sozialgericht Lübeck – unschwer erkennen, dass
Rechtsträgerin und damit Klägerin im Sinne von § 69 SGG die Stiftung selbst ist und bleibt. Diese hat ausweislich des
Inhalts der Klage dieses Rechtsmittel zutreffend selbst erhoben.
Durch den Sitz der Niederlassung in Kiel wird dort – entgegen der vom Sozialgericht Lübeck im Beschluss vom 17.
September 2008 vertretenen Auffassung – auch nicht dadurch der örtliche Gerichtsstand begründet, dass § 1 Abs. 2
der Satzung der Klägerin die oben wiedergegebene Formulierung zum Gerichtsstand enthält. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG
ist als Bestimmung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz) nicht durch eine untergesetzliche
Satzungsbestimmung abänderbar. Die Vorschriften des SGG über die örtliche Zuständigkeit sind abschließend (Keller
in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., Rn. 1a zu § 57). Das ergibt sich auch aus dem – hier allerdings nicht zur
Anwendung kommenden - § 59 SGG.
Das Sozialgericht Lübeck ist auch nicht durch seinen Verweisungsbeschluss örtlich unzuständig und das
Sozialgericht Kiel durch diesen örtlich zuständig geworden. Zwar ist ein Verweisungsbeschluss unanfechtbar und für
das Gericht, an das verwiesen wird und somit auch für den beschließenden Senat grundsätzlich bindend (§ 98 SGG,
der den den Rechtsweg betreffenden § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz auch hinsichtlich der örtlichen
Zuständigkeit für anwendbar erklärt). Eine solche Bindungswirkung hat der beschließende Senat in Übereinstimmung
mit der herrschenden Auffassung aber dann nicht angenommen, wenn der Verweisungsbeschluss jeder
Rechtsgrundlage entbehrt (Senatsbeschluss vom 15. August 2007 – L 5 AR 24/07 – m.w.N.). So ist es hier. § 57 Abs.
1 Satz 1 SGG ist, wie dargelegt, eindeutig. Er lässt Ausnahmen von der darin geregelten örtlichen Zuständigkeit nicht
zu. Das dürfte auch das Sozialgericht Lübeck erkannt haben, denn es hat im Verweisungsbeschluss ausdrücklich den
Sitz der Klägerin in R. genannt. Das Sozialgericht Lübeck hat damit seine örtliche Zuständigkeit erkannt. Sein dann
folgender Hinweis auf den Streitgegenstand und die sich darauf stützende Verweisung ist mit dem einschlägigen
Gesetzeswortlaut auch nicht ansatzweise in Übereinstimmung zu bringen. Und neben der Wiedergabe von § 1 Abs. 2
der Satzung der Klägerin wird nicht einmal der Versuch einer Subsumtion dieser Bestimmung unter eine der die
örtliche Zuständigkeit regelnden Normen des SGG gemacht.
Im Übrigen musste dem Sozialgericht Lübeck aus den auch Streitverfahren derselben Klägerin betreffenden
Beschlüssen des 1. Se¬nats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 2003 (z. B. L 1 SF
32/03 SA, L 1 SF 37/03 SA, L 1 SF 42/03 SA und L 1 SF 43/03 SA) bekannt sein, dass für die Klägerin das
Sozialgericht Lübeck örtlich zuständig ist. In jenen Verfahren war die Bindungswirkung der an das Sozialgericht Kiel
verweisenden Beschlüsse des Sozialgerichts Lübeck nur deshalb angenommen worden, weil die seinerzeit für
Rechtsstreitigkeiten der hier vorliegenden Art noch einschlägige Fassung des § 57a Abs. 1 SGG für die Bestimmung
der örtlichen Zuständigkeit zumindest noch einen gewissen Interpretationsspielraum zuließ und es hierzu auch
unterschiedliche Rechtsprechung gab. Nachdem nunmehr ausschließlich § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG einschlägig und
dessen Wortlaut eindeutig ist, ist für die Annahme der Bindungswirkung eines gesetzwidrigen
Verweisungsbeschlusses kein Raum mehr.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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