Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 24.01.2011

LSG San: aufschiebende wirkung, arbeitsgemeinschaft, verrechnung, altersrente, miete, telefon, hauptsache, erlass, benzin, geldleistung

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 24.01.2011 (rechtskräftig)
Sozialgericht Magdeburg S 18 R 364/10 ER
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 1 R 204/10 B ER
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. Juli 2010 wird
zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben sich auch im Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1947 geborene Antragsteller wendet sich gegen die Verrechnung von monatlich 75,00 EUR seiner Altersrente mit
Erstattungsansprüchen der Jobcenter Arbeitsgemeinschaft M. GmbH.
Auf seinen Antrag vom 14. April 2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 3. April
2006 ab dem 1. April 2005 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Für die Zeit vom 1. April 2005 bis zum 31. Mai
2006 betrug die Nachzahlung 4.584,81 EUR. Der Antragsteller bezieht seit Juni 2008 Altersrente.
Die Forderung der Jobcenter Arbeitsgemeinschaft M. GmbH ergibt sich aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 23.
März 2007 in Höhe von 986,00 EUR und dem Bescheid vom 25. April 2007 in Höhe von 107,31 EUR. Der
Antragsteller ging gegen beide Entscheidungen erfolglos durch Widerspruch und Anfechtungsklage vor (rechtskräftige
Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. Dezember 2009, S 9 AS 906/07 und S 9 AS 1206/07).
Mit Schreiben vom 25. Juni 2009 ermächtigte die Bundesagentur für Arbeit die Antragsgegnerin, die Forderungen in
Höhe von insgesamt 1.099,06 EUR gegen die bei ihr bestehenden Leistungsansprüche zu verrechnen. Die
Antragsgegnerin hörte den Antragsteller zu der beabsichtigten Verrechnung seiner Rente mit einem sechsmaligen
Betrag in Höhe von ca. 183,00 EUR an. Der Antragsteller beantragte beim Sozialamt die Ausstellung der durch die
Landeshauptstadt M. unter dem 4. August 2009 erstellten Bedarfsermittlung. Hiernach besteht ein
Einkommensüberhang in Höhe von 75,30 EUR. Mit Bescheid vom 14. April 2010 erklärte die Antragsgegnerin
gegenüber dem Antragsteller, dass ab dem Rentenmonat Juni 2010 eine monatliche Verrechnung in Höhe von 75,00
EUR vorgenommen werde. Hiergegen legte der Antragsteller am 10. Mai 2010 Widerspruch ein. Er wehre sich gegen
die Berechtigung der zur Verrechnung gestellten Forderung und verweise auf seine laufenden Kosten in Höhe von
512,00 EUR (Miete 369 EUR, Versicherungen 41 EUR, Telefon 25 EUR, Benzin 30 EUR, TV 10 EUR, Strom 25 EUR
und Zeitung 12 EUR). Nach Abzug weiterer 75,00 EUR verblieben ihm lediglich 255,00 EUR von seiner Rente. Mit
Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2010 wies die Antragsgegnerin diesen Widerspruch zurück.
Der Antragsteller hat am 16. Juli 2010 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben und um einstweiligen
Rechtsschutz nachgesucht. Im Hinblick auf das Eilverfahren hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren
dahingehend ergänzt, dass er über keine weiteren finanziellen Mittel verfüge. Auf seinem Konto sei kein Guthaben.
Abweichend von seinen Angaben im Widerspruchsschreiben hat er nun höhere Ausgaben geltend gemacht: 400,00
EUR für die Miete (statt 369,00 EUR), 42,00 EUR für Versicherungen (statt 41,00 EUR), 30,00 EUR Strom (statt 25,00
EUR), 30 EUR Telefon (statt 25 EUR) und 12,00 EUR Fernsehen (statt 10,00 EUR).
Das SG hat mit Beschluss vom 23. Juli 2010 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Es
hat das Vorbringen als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gewertet. Gemäß § 52 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) könne der für Geldleistungen zuständige Leistungsträger mit
Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden
Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig sei. Die Antragsgegnerin sei für die
Zahlung der Altersrente des Antragstellers zuständig und damit der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger
im Sinne des § 52 SGB I. Die Bundesagentur für Arbeit als Betreiberin des Forderungsmanagements der Jobcenter
Arbeitsgemeinschaft M. GmbH habe die Antragsgegnerin wirksam ermächtigt, die Ansprüche der Jobcenter
Arbeitsgemeinschaft M. GmbH mit der Altersrente des Antragstellers zu verrechnen. Die Forderung sei in Höhe von
986,00 EUR und 107,31 EUR durch die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. Dezember 2009 rechtskräftig
festgestellt worden; die darüber hinaus in der Forderung enthaltenen Mahngebühren in Höhe von 5,75 EUR seien nicht
zu beanstanden. Die Verrechnung eines Betrages von 75,00 EUR widerspreche nicht den Regelungen des § 52 i. V.
m. § 51 Absatz 2 SGB I. Der Antragsteller habe nicht nachweisen können, dass ein geringerer Einkommensüberhang
vorliege als 75,30 EUR. Soweit er abweichend von seinen Angaben im Widerspruch im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren erhöhte Belastungen vortrage, habe er diese weder nachgewiesen noch konkretisiert. In
seinem Widerspruch habe der Antragsteller eine Miete in Höhe von 369,00 EUR angegeben. Demgegenüber
berücksichtige die Landeshauptstadt in ihrer Bedarfsermittlung 371,87 EUR. Die Landeshauptstadt habe bei ihrer
Bedarfsermittlung die Warmwasserkostenpauschale in Höhe von 6,79 EUR abgezogen, da sie bereits in der
Regelleistung von 359,00 EUR enthalten sei. Ebenso seien in der Regelleistung Aufwendungen des Hilfebedürftigen
für Telefon, Benzin, Fernsehgebühren, Strom und Zeitungen enthalten. Ein zusätzlicher Abzug könne nur für
Versicherungsbeiträge geltend gemacht werden. Diesen Betrag habe die Landeshauptstadt in Höhe von 41,60 EUR
angesetzt. Demgegenüber habe der Antragsteller in seinem Widerspruch einen Betrag in Höhe von 41,00 EUR
genannt. Im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nenne er nunmehr einen Betrag von 42,00 EUR. Die genauere
Berechnung der Landeshauptstadt dürfte zutreffend sein. Dem danach auch unter Berücksichtigung der Angaben des
Antragstellers richtig ermittelten Bedarf in Höhe von 765,68 EUR stehe die Altersrente in Höhe von 840,98 EUR
gegenüber, so dass die Antragsgegnerin von einem zulässigen Verrechnungsbetrag in Höhe von 75,30 EUR ausgehen
dürfe.
Gegen den ihm am 30. Juli 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 5. August 2010 beim SG
Beschwerde eingelegt. Die von der Antragsgegnerin verrechnete Forderung der Jobcenter Arbeitsgemeinschaft M.
GmbH bestehe nicht. Er habe im Jahre 2006 noch keine Erwerbsminderungsrente bezogen und habe daher den Bezug
dieser Rente auch nicht anzeigen können. Er habe dem Jobcenter gemeldet, dass er seit dem 1. Juni 2006 teilweise
Erwerbsminderungsrente bezogen habe. Im Einzelnen wird auf sein Schreiben vom 11. Oktober 2010 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173
SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verwaltungsentscheidung der
Antragsgegnerin ist nicht begründet; das SG hat daher zu Recht den Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes abgelehnt.
Es kann offen bleiben, ob es dem Antragsteller um den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Gericht oder
um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Verrechnungsentscheidung der
Antragsgegnerin geht. Es ist streitig, ob es sich bei der Verrechnungsentscheidung um eine öffentlich-rechtliche
Willenserklärung oder um einen Verwaltungsakt handelt. Insoweit ist ein Verfahren vor dem Großen Senat des
Bundessozialgerichts anhängig (BSG, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2010, B 13 R 76/09 – juris).
Denn der Eilantrag ist unabhängig von dieser Rechtsfrage zurückzuweisen, da das Begehren des Antragstellers in der
Hauptsache nicht erfolgversprechend ist.
Gemäß § 86b Absatz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den
Fällen anordnen, in denen die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat. Dies ist hier gemäß § 86a Absatz
2 Nr. 3 SGG der Fall, da es sich bei der Verrechnung um die teilweise Entziehung einer laufenden Leistung handelt.
Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung. Je größer die Erfolgsaussichten, umso geringere
Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Ist die in der Hauptsache erhobene Klage aussichtslos,
wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz,
Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 12 - 12i). Der Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Absatz 2 Satz 2
SGG ist abzulehnen, wenn die Klage offensichtlich unbegründet ist und damit ein Recht, das geschützt werden muss,
nicht vorhanden ist (Keller a. a. O. Rdnr. 29).
Der Senat kommt nach Abwägung aller maßgeblichen Punkte und vor dem Hintergrund der im Eilverfahren gebotenen,
aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nach dem derzeitigen Kenntnisstand zu dem Ergebnis, dass der
Verrechnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 14. April 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 2.
Juli 2010 rechtmäßig ist und nicht die Rechte des Antragstellers verletzt. Der Senat verweist nach eigener
Überprüfung der Sach- und Rechtslage auf die überzeugenden Gründe des SG und sieht von einer weiteren
Darstellung der Gründe ab, § 142 Absatz 2 Satz 3 SGG. Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller nur Argumente
vorgetragen, die gegen die Rechtmäßigkeit der Forderungen der Jobcenter Arbeitsgemeinschaft M. GmbH gerichtet
sind. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sind jedoch – wie das SG bereits ausgeführt hat – bestandskräftig
geworden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.