Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 11.12.2008

LSG San: bedürftigkeit, auszahlung, sozialhilfe, leistungsfähigkeit, fälligkeit, form, zivilprozessordnung, zahlungsverzug, zahlungsaufforderung, leistungsklage

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 11.12.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Dessau-Roßlau S 8 AS 1611/06 ER
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 5 B 9/07 AS
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein sozialgerichtliches
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in welchem die dortige Antragsgegnerin, die ARGE SGB II Landkreis
Wittenberg, sich im Rahmen eines Anerkenntnisses bereit erklärt hat, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin dem Grunde nach zu erstatten.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 29. Mai 2006 Leistungen nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November
2006 in Höhe von zunächst 242,10 EUR/Monat und ab Juli 2006 von 235,10 EUR/Monat. Für die Monate August und
September 2006 wurden jedoch monatlich nur 126,25 EUR und für die Monate Oktober und November 2006 keine
Leistungen mehr zur Auszahlung gebracht. Eine Zahlungsaufforderung der Beschwerdeführerin vom 6. Oktober 2006
blieb ohne Reaktion.
Die Beschwerdeführerin erhob unter dem 10. Oktober 2006 eine Leistungsklage (S 8 AS 1344/06) und stellte am 23.
November 2006 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Dessau-Roßlau. Gleichzeitig
beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und legte
eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz
wurde der Antragsgegnerin per Fax am gleichen Tage übersandt. Diese räumte am 27. November 2006 ein, die
tatsächlich gezahlten Leistungen entsprächen nicht den bewilligten Leistungen. Unter dem 29. November 2006 führte
die Antragsgegnerin weiter aus, die fehlenden Leistungen zur Auszahlung gebracht zu haben. Sie übernehme die
notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach. Daraufhin erklärte die Beschwerdeführerin unter dem 8.
Dezember 2006 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, die Kosten für das gerichtliche
Verfahren in Höhe von 533,60 EUR festzusetzen. Die Antragsgegnerin hingegen erklärte sich nur zur Übernahme von
Kosten in Höhe von 278,40 EUR bereit und bat um Kostenfestsetzung seitens des Gerichtes. Dieses
Kostenfestsetzungsverfahren ist unter dem 20. März 2007 ausgesetzt worden. Das Sozialgericht hat den Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 19. Dezember 2006 zurückgewiesen und ausgeführt, das
quotal nicht beschränkte Kostenanerkenntnis der Antragsgegnerin stelle einzusetzendes Vermögen dar, weshalb die
Beschwerdeführerin der Prozesskostenhilfe nicht mehr bedürfe.
Gegen den ihr am 27. Dezember 2006 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 24. Januar 2007
Beschwerde beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingelegt. Unabhängig davon, ob zeitnah nicht realisierbare
Ansprüche die Bedürftigkeit verneinten, verfüge sie auch unter Einrechnung eines Gebührenbetrages nur über
geschütztes Vermögen. Die Bedürftigkeit sei auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zu beziehen, spätere Änderungen
der Sach- oder Rechtslage seien nicht zu berücksichtigen. Sie benötige auch weiterhin Prozesskostenhilfe, weil die
Antragsgegnerin in zahlreichen Fällen Kostenanträge nicht anerkenne. Kostenfestsetzungen durch das Gericht
dauerten derzeit mehrere Monate. Die Gebührenrechnung ihres Prozessbevollmächtigten sei jedoch bereits fällig. Es
sei ihr nicht zumutbar, mehrere Monate mit ihrer Zahlungsverpflichtung in Verzug zu sein. Sie habe daher nach wie
vor ein rechtliches Interesse an einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die Beschwerdeführerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. Dezember 2006 aufzuheben und ihr für das Verfahren S 8
AS 1611/06 ER Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Schlag aus
Lutherstadt Wittenberg zu bewilligen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, für die Beurteilung der Bedürftigkeit sei der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgeblich. Das
Kostenanerkenntnis der Antragsgegnerin sei zum allgemeinen Vermögen zu zählen, vergleichbar dem Vorhandensein
einer Rechtsschutzversicherung. Das Kostenanerkenntnis führe dazu, dass die Zahlungsverpflichtung gegenüber dem
Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin entfalle, ein anstehender Zahlungsverzug sei daher nicht zu
erkennen. Wegen der Höhe der zu erstattenden Kosten bestehe die Möglichkeit, eine Entscheidung des Gerichts zu
beantragen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde unter dem 24. Januar 2007 nicht abgeholfen und diese dem
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung und gemäß §
173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet. Die Beschwerdeführerin hat keinen
Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil sie die Kosten der Prozessführung aus ihrem Vermögen aufbringen kann.
Nach § 73 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 f. Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen,
soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat die Partei gemäß § 115 Abs. 3 ZPO
u.a. ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Prozesskostenhilfe stellt eine besondere Art der Sozialhilfe
auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes dar mit der Folge, dass ein Antragsteller wegen des für die
Sozialhilfe und die Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet ist, die dem
Justizfiskus durch Prozesskostenhilfe entstandenen Ausgaben gering zu halten (Bundessozialgericht, Beschluss v.
12. März 1996, Az. 9 RV 24/94).
Die Beschwerdeführerin verfügt über Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO, weshalb sie nicht bedürftig im
Sinne des Gesetzes ist. Ihr steht eine als Vermögen verwertbare Forderung gegen die Antragsgegnerin zur Seite.
Auch Forderungen gehören zum Vermögen, und zwar unabhängig davon, ob sie tituliert sind oder nicht. Sie müssen
allerdings verwertbar sein. Dies setzt Fälligkeit, einen rechtlich nicht zweifelhaften Anspruch sowie Leistungsfähigkeit
des Schuldners voraus. Ein durchsetzbarer Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner kann zum
Vermögen gehören (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 1990, 2 W 191/89, FamRZ 1990, S. 642).
Zumutbar verwertbare Forderungen hat ein Antragsteller einzusetzen, anderenfalls werden diese gleichwohl dem
einzusetzenden Vermögen hinzugerechnet (Kalthoehner/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und
Beratungshilfe, 4. Aufl. Rn. 324).
Die Beschwerdeführerin hat eine Forderung auf Übernahme ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten gegen
die Antragsgegnerin aus deren Kostengrundanerkenntnis vom 29. November 2006 gegenüber dem Sozialgericht.
Diese Forderung ist fällig, die Antragsgegnerin ist auch leistungsfähig und zahlungswillig.
Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin den Honorarvorstellungen des Bevollmächtigten der
Beschwerdeführerin nicht in vollem Umfang entsprochen hat. Welche Forderung der Bevollmächtigte der
Beschwerdeführerin dieser gegenüber für seine anwaltliche Tätigkeit in Rechnung stellen kann, ergibt sich bei einem
diesbezüglichen Streit aus dem gemäß § 197 Abs. 1, 2 SGG noch durchzuführenden Kostenfestsetzungsverfahren,
das für alle Beteiligten verbindlich die Höhe der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten regelt. Keinesfalls ist es
die Funktion der Prozesskostenhilfe, der Höhe nach ggf. nicht anerkennbare Honorarforderungen zu alimentieren.
Insoweit geht nämlich auch der Anspruch aus dem Vertragsverhältnis des Prozessbevollmächtigten gegenüber der
Mandantin nur auf die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten. Auch der Hinweis auf die Zeitdauer eines
solchen Kostenfestsetzungsverfahrens ändert nichts an der Fälligkeit der Forderung gegenüber der Antragsgegnerin
und der fehlenden Bedürftigkeit.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Bedürftigkeit auch nicht zum Zeitpunkt des vollständigen
Vorliegens des Prozesskostenhilfeantrages zu prüfen. Vielmehr ist maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Partei der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag
(Kalthoehner/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn. 353). Anderenfalls müsste das Gericht gemäß § 120 Abs. 4 ZPO
zunächst Prozesskostenhilfe - bezogen auf den Zeitpunkt des vollständigen Vorliegens des Antrages - bewilligen und
sogleich diesen Bewilligungsbeschluss - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung - aufheben. Der Zeitpunkt des
vollständigen Vorliegens des Antrages auf Prozesskostenhilfe ist nur für die Frage der Erfolgsaussichten maßgebend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).