Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 10.11.2010

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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 10.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Halle (Saale) S 15 AS 442/10 ER
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 AS 182/10 B ER
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 29. März 2010 wird abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet,
den Antragstellern zu 1) bis 5) vorläufig vom 28. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe
von insgesamt 81,00 EUR monatlich zu zahlen (je 20 EUR monatlich für die Antragsteller zu 1) bis 4) und 1,00 EUR
für die Antragstellerin zu 5). Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Antragsteller fordern die
Übernahme der erhöhten tatsächlichen Kosten der Unterkunft ab November 2009 bis 30. Juni 2010 im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes.
Die am 1976 geborene Antragstellerin und ihre minderjährigen Kinder J ... S. (geb ... 1995), Antragsteller zu 2), A ... S
(geb ... 1997), Antragstellerin zu 3), N , S. S. (geb ... 2003), Antragsteller zu 4) und L. -F ... K. (geb. 2006),
Antragstellerin zu 5) stehen im laufenden Leistungsbezug von Arbeitslosengeld II (Alg II). Zuvor erhielten sie
Sozialhilfe.
Zum 1. März 2008 zogen die Antragsteller bei dem Vater der Antragstellerin zu 1) aus (wegen einer Zerrüttung der
Verhältnisse). Vorübergehend kamen die Antragsteller bei den Eltern von Herrn C. K , dem Vater der Antragstellerin
zu 5), unter. Ab dem 1. April 2008 bezogen sie eine 97,57 qm große 4-Zimmerwohnung (EG + 1. OG) in einem Herrn
C. K ... gehörenden Haus in L. E , OT P ... Herr K. hatte im Dachgeschoss ein Arbeitszimmer und wohnte nach
seinen Angaben weiterhin bei seinen Eltern. Nach dem Mietvertrag betrug der monatliche Kaltmietzins 320,49 EUR.
Für die Betriebskosten findet sich die folgende Formulierung in dem Vertrag: "Die Betriebskosten werden als
Pauschale in Höhe von 161,41 EUR pro Monat entrichtet." In einer ergänzenden Anlage zu der Mietbescheinigung
findet sich eine Aufstellung, wonach die Heizkosten 60,00 EUR betragen und die übrigen Nebenkosten von 101,41
EUR sich wie folgt aufschlüsseln: Müllgebühren 18,03 EUR, Schornsteinfeger 7,66 EUR, Wasserverbrauch 50,00
EUR, allgemeine Beleuchtung 7,52 EUR, Grundsteuer 11,00 EUR und Versicherung 7,20 EUR. Die Antragsgegnerin
übernahm die Kosten der Unterkunft abzüglich der in den Heizkosten enthaltenen Anteile für die
Warmwassererwärmung.
Hinsichtlich einer zwischenzeitlich von der Antragsgegnerin angenommenen Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller
mit Herrn K. vereinbarten die Beteiligten in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dass sie sich darüber einig
seien, dass Herr K nicht zur Bedarfsgemeinschaft zähle und die Antragsgegnerin verpflichtete sich, die Leistungen ab
Juli 2009 ohne Berücksichtigung von Herrn K ... neu zu berechnen (Vergleich vom 5. November 2009 – Az. S 17 AS
5098/09 ER). Dies setzte sie in der Bewilligung der Leistungen für die Antragsteller in dem Bescheid vom 25.
November 2009 (geändert wegen der Anerkennung des Alleinerziehendenzuschlags durch Bescheid vom 4. Januar
2010) um. Darin bewilligte sie für die Kosten der Unterkunft der Antragstellerin zu 1) 91,51 EUR und den Antragstellern
zu 2) bis 4) jeweils 91,49 EUR. Daraufhin nahmen die Antragsteller ihren Überprüfungsantrag für diesen Zeitraum
zurück.
Bereits mit Schreiben vom 1. Mai 2009 übersandte Herr K den Antragstellern eine Aufstellung über die Nebenkosten
für 1. März 2008 bis 28. Februar 2009, wonach sich - insbesondere durch höhere Heizkosten (45 m³
Buchenbrennholz, was 63 Raummetern entsprechen würde mit Kosten pro Raummeter von 50 EUR = 3150 EUR) eine
Nachforderung von 1.762,46 EUR errechnete. Bei den Wasserkosten ergab sich ein jährlicher Betrag von 196,04 EUR,
was 16,33 EUR monatlich entspricht. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 teilte er den Antragstellern mit, dass sich
die Betriebs- und Nebenkosten für das Mietobjekt ab 1. November 2009 ändern würden. Nunmehr würden sich die
monatlichen Kosten wie folgt ändern: Heizkosten 118,75 EUR, die Kosten für Wasser 90,09 EUR und für Grundsteuer
und Versicherung insgesamt 19,20 EUR. Insgesamt erhöhten sich die monatlichen Betriebskosten dadurch auf 261,25
EUR. In der Folge zahlten die Antragsteller per Überweisung die infolge der Betriebskosten erhöhte Miete. Im Antrag
auf Fortzahlung der SGB II-Leistungen machten die Antragsteller ab 1. Dezember 2009 diese erhöhten
Unterkunftskosten geltend. Als Einkommen verfügten die Antragsteller über Kindergeld (Antragsteller zu 2) 184 EUR,
Antragstellerin zu 3) 184 EUR, Antragsteller zu 4) 190 EUR und Antragstellerin zu 5) 215 EUR) und eine
Unterhaltszahlung für die Antragstellerin zu 5) in Höhe von 111,00 EUR monatlich. Mit Bewilligungsbescheid vom 8.
Dezember 2009 und Änderungsbescheid vom 4. Januar 2010 (Berücksichtigung des Zuschlags für Alleinerziehende)
bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen für die Kosten der Unterkunft für Januar bis Juni 2010 nur in der bisherigen
Höhe unter Zugrundelegung der im Mietvertrag festgelegten Unterkunftskosten: Für die Antragstellerin zu 1) in Höhe
von 91,51 EUR und für die Antragsteller 2) bis 4) in Höhe von jeweils 91,49 EUR. Die Antragsteller legten am 11.
Januar 2010 gegen diesen Bescheid für den Bewilligungsabschnitt Januar bis Juni 2010 Widerspruch ein. Mit
Bewilligungsbescheid ebenfalls vom 8. Dezember 2009 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern 1) bis 4) Alg
II für die Monate Juli bis Dezember 2010. Bei den Kosten der Unterkunft bewilligte die Antragsgegnerin unveränderte
Kostenanteile. Einen gesonderten Widerspruch legten die Antragsteller gegen diesen Bescheid nicht ein.
Die Antragsteller haben am 28. Januar 2010 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Halle
(SG) mit dem Ziel der Zahlung der weiteren Unterkunftskosten seit November 2009 gestellt. Zur Begründung haben
sie ausgeführt: Bei den Unterkunftskosten der Antragsteller seien die um 99,84 EUR erhöhten monatlichen
Betriebskosten nicht berücksichtigt worden. Es bestehe eine aktuelle Leistungsbedürftigkeit zur Existenzsicherung.
Der Mietpreis sei angemessen und müsse auch ohne weitere Ermittlungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
zugrunde gelegt werden, da sich die Unterkunft zumindest im Rahmen der Obergrenze nach § 8 Wohngeldgesetz
(WoGG) zzgl. 10 % Zuschlag bewege. Sie (die Antragsteller) hätten dem Erhöhungsverlangen konkludent
zugestimmt, da sie es für gerechtfertigt hielten. Aus diesem Grund greife auch der Hinweis auf die
Mieterschutzklausel nach § 560 Abs. 6 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für ein einseitiges Erhöhungsverlangen
des Vermieters nicht.
Die Beklagte hat ausgeführt: Die Mieterhöhung sei schon zivilrechtlich nicht wirksam, da eine Pauschalvereinbarung
vorliege. Den formalen Voraussetzungen für eine Geltendmachung einer Erhöhung der Pauschale würde das
Schreiben des Vermieters nicht genügen. Eine Unangemessenheit der Unterkunftskosten werde von ihr überhaupt
nicht geltend gemacht.
Mit Beschluss vom 29. März 2010 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt: Die
erhöhte Mietforderung sei wegen der Vereinbarung einer Pauschale nicht gerechtfertigt. Die zivilrechtlichen
Voraussetzungen für eine einseitige Abänderung der Pauschale seien nicht eingehalten.
Gegen diese ihnen am 1. April 2010 zugestellte Entscheidung haben die Antragsteller am 3. Mai 2010 Beschwerde
eingelegt und wie folgt begründet: Zu Unrecht habe das SG nicht berücksichtigt, dass es eine zivilrechtliche
Vereinbarung zwischen den Antragstellern und ihrem Vermieter der Gestalt gegeben habe, dass die Antragstellerin zu
1) ihr Einverständnis mit dem Erhöhungsbegehren des Vermieters erklärt habe. Der Vermieter sei daher berechtigt,
sein Erhöhungsbegehren, wenn auch wiederum in einer erneuten Pauschale, gegenüber den Mietern in Ansatz zu
bringen. Sie seien tatsächlich der erhöhten berechtigten Forderung ausgesetzt, denn sie hätten insoweit
einvernehmlich den ursprünglichen Mietvertrag abgeändert. Sie seien bis zum 30. Juni 2010 nur deshalb "über die
Runden gekommen", weil sie sich nur bei der "Tafel" versorgt und ihre Ausgaben auf das absolut Notwendigste
beschränkt hätten.
Die Antragsteller beantragen nach ihrem Begehren sinngemäß,
den Beschluss des SG vom 29. März 2010 aufzuheben und den Antragstellern vom 1. November 2010 an vorläufig
Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlich an den Vermieter gezahlten laufenden
monatlichen Kosten zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Am 7. Mai 2010 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragsteller gegen den Bewilligungsbescheid vom 8.
Dezember 2009 für den Bewilligungsabschnitt Januar bis Juni 2010 zurückgewiesen. Hiergegen haben die
Antragsteller vor dem SG Klage erhoben (Az. S 12 AS 4514/10).
Am 8. Juni 2010 haben die Antragsteller einen Fortzahlungsantrag auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem SGB II gestellt. Mit diesem Antrag haben sie auch ein Schreiben ihres Vermieters über
eine Nachforderung von 709 EUR für Betriebskosten vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 eingereicht. Es seien
Gesamtbetriebskosten von 2.845,60 EUR angefallen (Brennholzverbrauch von 2.200 EUR, ein Trinkwasserverbrauch
von 231,46 EUR, Müllentsorgung von 155,04 EUR, Schornsteinfegergebühren von 49,41 EUR, Grundsteuer von 10,43
EUR und Gebäudeversicherung von 199,26 EUR) und die Antragsteller hätten 2.136,60 EUR Vorauszahlungen
geleistet. Mit Bescheid vom 23. Juni 2010 hat die Antragsgegnerin für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2010 bis
31. Dezember 2010 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft, der Antragstellerin zu 1) 91,47 EUR und den Antragstellern
zu 2) bis 4) in Höhe von 91,46 EUR jeweils monatlich bewilligt. Am 1. Juli 2010 haben die Antragsteller einen neuen
Mietvertrag mit Herrn K. ab dem 1. Juli 2010 für die bisherige Wohnung vorgelegt. Danach werden die aktuellen
monatlichen Betriebskosten in Höhe von 261,25 EUR als monatliche Vorauszahlung erbracht, über die jährlich
abzurechnen ist. Der Mietzins blieb im Übrigen unverändert. Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 14. Juli 2010
mitgeteilt, dass der neue Mietvertrag nicht akzeptiert werden könne, da davon ausgegangen werden müsse, dass der
neue Mietvertrag nur geschlossen worden sei, um höhere Leistungen zu beziehen. Hiergegen haben die Antragsteller
Widerspruch erhoben und zugleich erfolglos beantragt, den Bescheid vom 24. Juni 2010 zu überprüfen (Bescheid vom
17. August 2010). Ein Antrag auf einstweilige Anordnung auf die Übernahme höherer Unterkunftskosten für den
betreffenden Zeitraum hat das SG mit Beschluss vom 28. September 2010 abgelehnt.
Die Antragsteller haben zum Nachweis höherer Nebenkosten noch zwei Gebührenbescheide an Herrn K ... über
Abwasserbeseitigung für Fäkalschlamm aus der Kleinkläranlage in dem Objekt "A. G. in E ... " eingereicht. Diese
Bescheide vom 8. und 15. Juli 2010 betreffen Übernahmescheine vom 24. März 2010 und 3. Juni 2010 über 141,90
EUR und 151,36 EUR und sind jeweils am 17. August 2010 fällig.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten verwiesen. Die
Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig. Der Ausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) greift nicht. Nach dem Antragsbegehren der Antragsteller wäre in der Hauptsache eine Berufung zulässig. Die
Antragsteller begehrten nach ihrem ursprünglichen Antrag für acht Monate (November 2009 bis Juni 2010) höhere
Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von zumindest 99,84 EUR monatlich. Gegenstand ist nicht auch der
Folgebewilligungsabschnitt ab 1. Juli 2010. Hier haben die Antragsteller einen neuen Antrag bei der Antragsgegnerin
gestellt und ihr Begehren in einem eigenständigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren verfolgt.
Die Beschwerde ist auch zum überwiegenden Teil begründet. Die Antragsteller haben einen vorläufigen Anspruch auf
Leistungen für die geltend gemachten weiteren Kosten der Unterkunft vom 28. Januar 2010 bis 30. Juni 2010.
Statthafte Antragsart für das Begehren der Antragsteller ist hier der Antrag gemäß § 86b Abs. 2 SGG. Danach kann
das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn
die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen
sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kommt allein eine
Regelungsanordnung in Betracht. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S.
4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also
die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die
hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs).
Ein solcher Anordnungsanspruch auf höhere Leistungen der Kosten der Unterkunft besteht jedenfalls für die
Antragsteller zu 1) bis 4) in Höhe von jeweils 20,00 EUR monatlich für den Zeitraum 1. Februar 2010 bis 30. Juni 2010
und für die Antragstellerin zu 5) in Höhe von 1,00 EUR.
Die Beteiligten haben den Streitgegenstand in zulässiger Weise auf die Kosten der Unterkunft beschränkt, da die
Regelung über die Kosten der Unterkunft innerhalb der Leistungsbewilligung eine abtrennbare Verfügung darstellt.
Die Antragsteller zu 1) bis 5) erfüllen die Grundvoraussetzungen des § 7 SGB II für Leistungen der Grundsicherung.
Der Anspruch der Antragsteller zu 1) bis 5) umfasst auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II.
Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind.
Hier sind die tatsächlichen Aufwendungen der Antragsteller berücksichtigungsfähig. Bei der Anwendung des § 22 Abs.
1 Halbsatz 1 SGB II sind als Mietzinsen die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen berücksichtigungsfähig,
soweit sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und vom Hilfebedürftigen
tatsächlich gezahlt werden (BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 8/09 R). Auf die zivilrechtliche
Wirksamkeit der Vereinbarung kommt es nicht an, es reicht eine ernsthafte Mietforderung, es sei denn, die
Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung ist entweder bekannt oder müsste bekannt sein (BSG a. a. O.). Es
handelt sich um eine an der tatsächlichen Abwicklung des Mietverhältnisses orientierte Betrachtungsweise, die nur für
Missbrauchsfälle zu korrigieren ist. Dieser Rechtsprechung, die im Ergebnis, das Risiko, ob der zivilrechtlich geltend
gemachte Mietanspruch des Vermieters rechtmäßig ist, nicht dem Hilfebedürftigen auferlegen will, folgt der Senat.
Dies muss auch für eine Abänderung des Mietvertrages gelten bzw. eine Auslegung des Vertragstextes über seinen
Wortlaut hinaus auf das, was die Mietvertragsparteien eigentlich gewollt hatten. Eine rein formale Betrachtung, dass
nach dem schriftlich geschlossenem Mietvertrag eine Pauschale vereinbart wurde, an die bestimmte zivilrechtliche
Rechtsfolgen geknüpft sind, wird dem nicht gerecht.
Die Antragsteller sind seit November 2009 einer ernsthaften geänderten Mietforderung in Höhe der tatsächlich
geleisteten Zahlungen ausgesetzt. Der Vermieter, Herr K , hat die monatliche Forderung für die Nebenkosten für die
Zukunft erhöht, da sich in der Vergangenheit ein Nachzahlungsbetrag ergeben hatte. Diese erhöhte Forderung beruht
auf höheren Nebenkosten, als zunächst voraus gesehen, was durch einen Nachzahlungsbetrag für Nebenkosten in
der Vergangenheit belegt wird. Diesen erhöhten Mietzins haben die Antragsteller auch akzeptiert und dem Vermieter
gezahlt.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller davon ausgingen oder davon ausgehen mussten, dass
diese Forderung des Vermieters nicht gerechtfertigt war. Eine Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Forderung des
Vermieters ist hier nicht nur nicht evident, sondern sogar zweifelhaft. Es spricht viel dafür, dass die Vorgehensweise
des Vermieters sogar zivilrechtlich rechtmäßig war. Denn es ist zweifelhaft, ob die Mietvertragsparteien hier
tatsächlich eine Pauschalvereinbarung zu den Nebenkosten (einschließlich der Heizkosten) abschließen wollten oder
ob in ihrem Laienverständnis eine pauschale Vorauszahlung geregelt werden sollte, so dass es sich bei der
Verwendung des Rechtsterminus "Pauschale" um eine "falsa demonstratio" handeln könnte. Besteht ein
übereinstimmender Wille der Vertragsschließenden, so ist dieser rechtlich auch dann allein maßgebend, wenn er im
Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Palandt, BGB, § 133, Rn. 8). Für
einen anderen übereinstimmenden Willen spricht, dass die vermeintliche Pauschale auf einer exakten Addition der
aktuellen Kosten bis auf den letzten Cent beruhte und diese Berechnung dem Mietvertrag beigefügt war. Dies wäre für
die Vereinbarung einer Pauschale äußerst ungewöhnlich, da hier künftige Entwicklungen quasi "eingepreist" werden
sollen. Auch wie das Mietvertragsformular mit der Klausel der Betriebskostenpauschale ausgefüllt wurde, deutet auf
die fehlende Bedeutungskenntnis des Rechtsterminus "Pauschale" bei den Vertragsschließenden hin. Nach dem
vorgedruckten Vertragstext wären die Heiz- und Warmwasserkosten von der Pauschalregelung ausgenommen, was
auch sinnvoll erscheint. Gerade Heizkosten, die verbrauchsabhängig sind und je nach Witterung jährlich
unterschiedlich ausfallen, passen grundsätzlich nicht zu einer Betriebskostenpauschale. Die Antragsteller und ihr
Vermieter haben die Herausnahme jedoch gestrichen. Auch die weitere Handhabung, wie die Nachzahlungsforderung
des Vermieters nach der Abrechnung und dem Einverständnis der Mieter mit dieser Forderung, zeigen, dass beide
Mietvertragsparteien von einem Verständnis einer "Vorauszahlung in einer Gesamtsumme" ausgingen. Die
Antragsteller hielten auch eine konkrete Abrechnung der Nebenkosten für sachgerecht und den Vereinbarungen mit
dem Vermieter entsprechend und haben ihre Mietzahlungen entsprechend geändert. Haben jedoch Vertragspartner
einen in einem Vertragsvordruck verwendeten Rechtsterminus laienhaft falsch verstanden und ihrer Vereinbarung von
Anfang an eine andere Bedeutung beigemessen, was sich an äußeren Umständen belegen lässt, dürfte der wirkliche
Wille maßgebend sein.
Soweit dennoch die vom Vermieter geforderten und tatsächlich gezahlten Kosten der Unterkunft auf zivilrechtlich
unwirksamer Grundlage beruhen sollten, kann der Grundsicherungsträger das Kostensenkungsverfahren betreiben.
Hierbei muss dem Hilfebedürftigen der Rechtsstandpunkt des Grundsicherungsträgers und das von ihm befürwortete
Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlicht werden, die ihn zur Durchsetzung seiner Rechte
gegenüber dem Vermieter in die Lage versetzt (BSG a. a. O.). Eine solche Aufforderung fehlt hier. Frühestens im
Verlauf des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens am 9. Februar 2010 hat die Antragsgegnerin die ihres Erachtens
maßgebenden zivilrechtlichen Wirksamkeitsanforderungen und deren Konsequenzen erläutert. Jedenfalls für den hier
streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 30. Juni 2010 kann die Schutzfrist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II daher
noch nicht abgelaufen sein.
Nach dem tatsächlichen ernsthaften Begehren, wie es in der Erklärung der Anpassung der Miete seinen Ausdruck
gefunden hat, haben sich die Nebenkosten auf 261,25 EUR erhöht. Dabei sind von den geltend gemachten
Heizkosten in Höhe von 118,75 EUR noch die in den Heizkosten enthaltenen Anteile für die Warmwasserbereitung
abzuziehen. Diese sind bereits in der Regelleistung enthalten und betragen bei einer Regelleistung von 345 EUR
beispielweise 6,22 EUR (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R). Unter Beachtung des
prozentualen Anpassungsbetrages bei den Regelsatzerhöhungen beträgt der Wert für die Antragstellerin zu 1) 6,47
EUR, für den Antragsteller zu 2) 5,18 EUR, für die Antragstellerin zu 3) 4,53 EUR sowie für die Antragsteller zu 4) und
5) 3,88 EUR. Hieraus ergibt sich ein Gesamtabzug von 23,94 EUR. Es verbleibt ein geltend gemachter KdU-Anspruch
in Höhe von monatlich 557,80 EUR (462,99 EUR Kaltmietzins und 94,81 EUR Heizkosten), wovon auf jeden
Antragsteller ein Bedarfsanteil von 111,56 EUR entfällt. Herr K ist nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft, er lebt nicht in
einem gemeinsamen Haushalt mit den Antragstellern. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Wert für die Kosten der
Unterkunft für fünf Personen – wie von der Antragsgegnerin angenommen – die Angemessenheitsgrenze in Bezug auf
den Kaltmietzins nicht überschreitet, denn jedenfalls hat die Antragsgegnerin keine Kostensenkungsaufforderung an
die Antragsteller gerichtet. Denn sie hält den Mietzins für fünf Personen für angemessen. Die Heizkosten in Höhe von
monatlich 94,81 EUR für eine 97,57 EUR qm große Wohnung für fünf Personen liegen innerhalb des Rahmens für
noch angemessene Heizkosten nach dem bundesweiten Heizspiegel des Deutschen Mieterbundes.
Diesem Bedarf bei den Kosten der Unterkunft steht nur für die Antragstellerin zu 5) Einkommen gegenüber, welches
sich auf die Kosten der Unterkunft auswirkt. Die minderjährigen Kinder sind nur Teil der Bedarfsgemeinschaft, soweit
sie ihren Bedarf nicht mit eigenem Einkommen decken können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Dem Gesamtbedarf der
Antragstellerin zu 5) in Höhe von 326,56 EUR, bestehend aus 215 EUR für die Regelleistung und 111, 56 EUR für die
Kosten der Unterkunft steht ein Einkommen in Höhe von 326 EUR gegenüber (215 EUR Kindergeld und 111 EUR
Unterhalt). Es verbleibt ein Restanspruch in Höhe von 0,56 EUR, gerundet 1,00 EUR. Die anderen Kinder in der
Bedarfsgemeinschaft haben lediglich das Kindergeld als Einkommen, welches nur die Regelleistung mindert und sich
nicht auf die Kosten der Unterkunft auswirkt.
Daraus errechnet sich für die Antragsteller zu 1) bis 4) ein Anspruch auf Kosten der Unterkunft in Höhe von 111,56
EUR. Die Antragsgegnerin hat bisher nur 91, 49 EUR gezahlt. Es verbleibt ein gerundeter Restanspruch von 20,00
EUR pro Person.
Es besteht auch ein Anordnungsgrund für den glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch. Dem steht nicht entgegen,
dass der Bewilligungszeitraum inzwischen abgelaufen ist und die Antragsteller ohne die Aufnahme von jetzt
rückzahlbaren Schulden "über die Runden gekommen sind". Es entspricht der Spruchpraxis des erkennenden Senats,
dass bei einem auf höhere Leistungen gerichteten Begehren von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II auch ohne
besondere Glaubhaftmachung eingetretener oder zu befürchtender Nachtteile für die Zeit ab Eingang des
Rechtsschutzantrages beim Sozialgericht bis zum Ende des im Streit stehenden Bewilligungsabschnitts vom
Vorliegen eines Anordnungsgrundes auszugehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in diesem Zeitraum keine
Veränderungen in den Verhältnissen bezogen auf die Hilfebedürftigkeit eingetreten sind. Dann rechtfertigt allein der
Umstand, dass zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmte Leistungen nicht oder nicht im gesetzlich
vorgeschriebenen Rahmen erbracht worden sind, in der Regel die Bejahung des Anordnungsgrundes. Die
Hilfebedürftige müssen nicht nachweisen z. B. einen Nachholbedarf wegen des unterbliebenen Ersatzes
verschlissener Kleidung oder des unterbliebenen Ankaufs von Wasch- und Reinigungsmitteln zu haben oder aber
aktuell keine ausreichenden Mittel zur auskömmlichen Sicherung seines Lebensunterhalts zur Verfügung zu haben.
Im konkreten Fall ist nach den vorgenannten Grundsätzen davon auszugehen, dass ein Anordnungsgrund in dem
Umfang bejaht werden kann, wie an sich zustehende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab
Anrufung des SG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht erbracht worden sind. Dies ist hier ab dem 28. Januar
2010. Denn den Antrag auf einstweilige Anordnung haben die Antragsteller erst an diesem Tag beim SG gestellt. Bei
einer aus "einem Topf" wirtschaftenden Bedarfsgemeinschaft entfällt der Anordnungsgrund auch nicht wegen
Unterschreitens einer Bagatellgrenze bezogen auf den individuellen Anspruch eines Mitgliedes der
Bedarfsgemeinschaft, wenn der Bedarfsgemeinschaft insgesamt ein erheblicher Betrag fehlt. Bezogen auf den
Grundsicherungsbedarf der Bedarfsgemeinschaft fehlen insgesamt 81,00 EUR pro Monat bei den Kosten der
Unterkunft. Dies stellt auch einen erheblichen Fehlbetrag dar.
Die Kostenentscheidung folgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).