Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 26.08.2010

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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Urteil vom 26.08.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Halle (Saale) S 11 U 6/03 U
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 6 KN 4/05 U
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 25 v. H.
wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 71 der Berufskrankheitenverordnung der DDR (BKVO-DDR).
Der 1939 geborene Kläger absolvierte von 1953 bis 1956 eine Lehre als Schleifer und arbeitete anschließend bis 1959
in diesem Beruf. Von September 1959 bis März 1990 war er im Kupferbergbau S. tätig, zunächst bis 1977 als Hauer
im Streb und nachfolgend als Hauer in der Vorrichtung unter Tage, lediglich unterbrochen von Oktober bis November
1982. In diesem Zeitraum war er als Fördermann tätig. Von April 1990 bis September 1993 arbeitete er als
Straßenbauarbeiter in E/W. Seit Oktober 1993 war er zunächst arbeitslos, von 1994 bis Mai 1999 berufsunfähig, und
seit Juni 1999 bezieht er eine Altersrente.
Unter dem 5. Juli 1977 meldete der Facharzt für Allgemeinmedizin der Betriebspoliklinik T-M-Schacht S. P dem Rat
des Bezirkes H. einen Meniskusschaden des Klägers und äußerte den Verdacht einer Berufskrankheit nach Nr. 22 der
BKVO-DDR. Im Juli 1977 erfolgte im Kreiskrankenhaus S. eine Meniskusresektion links medial. In dem fachärztlichen
Erstgutachten vom 2. August 1980 wurde als Ursache der Meniskusschäden an beiden Knien die berufliche Tätigkeit
des Klägers angesehen und die Höhe des Körperschadens auf 25 % geschätzt. Mit Rentenbescheid vom 13. Februar
1981 gewährte der FDGB-Kreisvorstand S. dem Kläger eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 25 %. In den
Nachgutachten vom 2. November 1986 und 3. September 1989 schätzte der Facharzt für Innere Medizin MR Dr. L.
den Körperschaden auch weiterhin auf 25 %.
Der Kläger verließ am 18. März 1990 die DDR und traf am selben Tag in der Bundesrepublik Deutschland ein. Am 15.
August 1991 erhielt die Bezirksverwaltung der Rechtsvorgängerin der Beklagten (einheitlich Beklagte genannt) in C-Z
die Anzeige einer Berufskrankheit des Klägers. Unter dem 15. August 1991 bat sie den Kläger um Vervollständigung
eines Fragebogens zu einer Berufskrankheit der Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) unter
dem Aktenzeichen FRG.
Unter dem 13. September 1991 berichtete der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten, der Kläger erfülle die
Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2102 durch seine 18jährige Tätigkeit im Strebbereich.
Die Beklagte veranlasste den Arzt für Orthopädie Dr. S. vom Institut für Medizinische Begutachtung K mit der
Erstattung des Gutachtens vom 4. Februar 1992. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger keine
Meniskuserkrankung vorliege. Die geklagten Beschwerden resultierten aus den Kniescheibengelenken, die nach den
Röntgenaufnahmen anatomisch eine Patella subluxans beidseits darstellten. Typisch hierfür sei auch das
persistierende Beschwerdebild, welches der Kläger z. B. beim Treppensteigen geschildert habe. Dabei handele es
sich nicht um eine Berufskrankheit.
Gehe man davon aus, dass im Jahr 1977 eine primär degenerativ bedingte Meniskusläsion ohne konkurrierende
Verursachungskomponente bestanden habe, dann erscheine die Kausalitätsverknüpfung zwischen beruflicher
Tätigkeit und dem operativ behandelten Innenmeniskusschaden vertretbar. In diesem Falle seien aber nur der
Innenmeniskusverlust am linken Kniegelenk und die damit verbundene Kompartimentsarthrose als Folgen einer
Berufskrankheit anzuerkennen. Hieraus resultiere eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H ...
Mit Bescheid vom 24. April 1992 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente auf der Grundlage einer
Berufskrankheit nach Nr. 2102 ab, weil nach den ärztlichen Feststellungen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in
rentenberechtigendem Grad nicht vorliege. Hiergegen erhob der Kläger am 19. Mai 1992 Widerspruch. Er habe seit
1978 auf beiden Kniegelenken einen Körperschaden von 25 %. Die Einschätzung der Beklagten mit einem
Körperschaden von 10 % könne er nicht nachvollziehen. Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der
Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1992 zurück und verwies zur Begründung im Wesentlichen
auf das Gutachten von Dr. S ...
Am 24. November 1992 legte der Kläger hiergegen wiederum Widerspruch ein und verlangte eine erneute
Begutachtung. Die Beklagte verwies den Kläger auf den Rechtsweg zum Sozialgericht Gießen. Ein Verfahren war dort
in der vorliegenden Angelegenheit nicht anhängig.
Am 11. August 1999 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag im Hinblick auf seinen
Meniskusschaden. Die Beklagte holte Befunde ein: Unter dem 4. Oktober 1999 berichtete der Chefarzt der
Orthopädischen Abteilung des Klinikums M L Dr. S., der Kläger klage über zunehmende Kniebeschwerden, die er auf
der Innenseite des rechten Kniegelenks lokalisiere. Er diagnostizierte eine degenerative Innenmeniskus–
Hinterhornläsion rechts sowie eine beginnende Gonarthrose rechts. Der Pathologe Dr. M. diagnostizierte unter dem
30. September 1999, das Meniskuspräparat zeige eine ausgedehnte, bereits etwas ältere traumatische
Meniskusruptur mit rissrandnahen sekundären Degenerationszeichen.
Im Hinblick auf weitere Beschwerden des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Oktober 2000 die
Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2103 der Anlage 1 zur BKV und mit Bescheid vom 8. Februar 2001 die
Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 70 BKVO-DDR ab.
Die Beklagte beauftragte Dr. S. vom Klinikum M. L mit der Erstattung des Gutachtens vom 16. April 2002 zur
Berufskrankheit Nr. 2102. Dieser führte aus, die Beweglichkeit beider Kniegelenke betrage 0/0/125 Grad. Bei forcierter
Bewegung bestehe eine Krepitation in beiden Patellagleitlagern. Er diagnostizierte eine medial betonte Gonarthrose
beidseits (links stärker als rechts) und einen Zustand nach offener Meniskusresektion links (1977) und
arthroskopischer Meniskusoperation rechts. Im Vergleich zu den Vorbefunden habe sich der Zustand des Klägers
verschlechtert. Da der Kläger seit 1977 keiner speziellen kniebelastenden Exposition ausgesetzt gewesen sei,
komme eine zusätzliche Anerkennung der später aufgetretenen Meniskusschäden rechts als Berufskrankheit nicht in
Betracht. Die medial betonte Gonarthrose links sei Folge der Meniskusoperation links. Demgegenüber sei die
Patellafemoralarthrose Folge einer Subluxationsneigung der Patella bei extremer Beugehaltung und damit
anlagebedingt. Durch die Folgen der Berufskrankheit liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. vor.
Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie des St. J-
Hospitals B. Dr. K. vom 22. Juli 2002 ein. Darin führte dieser aus, eine wesentliche Verschlimmerung des linken
Kniegelenks zum Vorgutachten sei nicht zu erkennen. Die Funktion des Kniegelenks sei mit 0/0/125 Grad nicht
wesentlich eingeschränkt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage weiterhin 10 v. H ...
Unter dem 11. September 2002 nahm Dr. S. ergänzend Stellung. Auch er sah in der Funktion des linken Kniegelenks
keine Verschlechterung. Der Bewegungsumfang sei noch relativ gut. Zugenommen hätten die subjektiven
Beschwerden. Perspektivisch müsse zudem an eine Versorgung mit einer Endoprothese gedacht werden. Der
erheblich fortgeschrittene Arthroseprozess sei nicht allein Folge der natürlichen Alteration. Berücksichtige man nur die
objektive Funktion des Kniegelenks liege die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H ...
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Meniskusschadens am rechten
Kniegelenk als Berufskrankheit ab. Ein Anspruch auf eine Verletztenrente bestehe nicht. Folgen der Berufskrankheit
seien: ein sekundärer leichter Verschleiß im innengelegenen Kniegelenksanteil links mit einer lediglich endgradigen
Beuge- und Streckhemmung bei insgesamt relativ gutem Bewegungsumfang. Nicht anerkannt würden eine
anlagebedingte Fehlfunktion beider Kniescheibengelenke mit hierfür typischen chronischen Beschwerdebildern
besonders unter Belastung, ein Teil der Arthrose des linken Kniegelenks sowie die Erkrankung des rechten
Kniegelenks. Die infolge der Berufskrankheit bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit liege unterhalb von 20 v. H
... Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid
vom 12. Februar 2003 zurück und bezog sich auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme von Dr. S ...
Mit der am 10. März 2003 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger für die anerkannte
Berufskrankheit unter Berücksichtigung einer hierdurch eingetretenen Gonarthrose die Gewährung einer
Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. begehrt und dies mit dem Gutachten von Dr.
S. begründet. In jedem Falle hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass bei einer Rücknahme des Antrages
nach dem Fremdrentengesetz die bereits in der DDR gewährte Rente von der "Geburtstagsberufsgenossenschaft"
hätte weiter gezahlt werden müssen. Aufgrund eines Beratungsfehlers lägen daher die Voraussetzungen des
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor.
Mit Beschluss vom 15. Oktober 2004 hat das Sozialgericht die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und
Gaststätten notwendig beigeladen.
Mit Urteil vom 12. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen. Mit der Antragstellung vom 15.
August 1991 auf Anerkennung der bereits in der DDR anerkannten Berufskrankheit nach seiner am 18. März 1990
erfolgten Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland habe der Kläger das FRG-Rentenverfahren in Gang
gesetzt. Ein Anspruch auf Weitergewährung der bisher von der DDR gewährten Unfallrente bestehe mit der
Antragstellung nicht mehr. Der Kläger habe auch keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil ihn die Beklagte
nicht falsch beraten habe. Aufgrund des ständigen Wohnsitzes in den Altbundesländern und der Arbeitsaufnahme in E
habe für die Beklagte kein Anlass für die Annahme bestanden, er werde vor dem 1. Januar 1992 in das Beitrittsgebiet
zurückkehren. Er habe tatsächlich auch erst im Jahr 1994 seinen ständigen Wohnsitz im Beitrittsgebiet genommen.
Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es rentenrechtlich für ihn besser
sei, seinen Aufenthaltsort in das Beitrittsgebiet zurückzuverlegen, um nicht nach dem FRG behandelt zu werden. Eine
Hinweispflicht bestehe zudem nicht für Tatsachen, auf die die Beklagte keinen Einfluss habe.
Das Sozialgericht hat weiter ausgeführt, der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Hier folge es den Ausführungen von Dr. S. in seiner korrigierenden
Bewertung sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K ... Unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen
Literatur sei die Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks mit 10 v. H. richtig eingeschätzt. Aufgrund der
Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit im Jahr 1977 bestehe kein Anhaltspunkt für eine berufsbedingte Verursachung
der Erkrankung des rechten Kniegelenks.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 10. November 2005 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, der
Rentenbescheid vom 13. Februar 1981 sei zu keiner Zeit aufgehoben oder zu seinem Nachteil abgeändert worden. Im
Übrigen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn darauf hinzuweisen, dass bei Rücknahme des Antrages auf
Durchführung eines Verfahrens nach dem FRG eine Rente von der zuständigen "Geburtstagsberufsgenossenschaft"
zu zahlen gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. Oktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2002 in
der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12. Februar 2003 aufzuheben und die Beigeladene zu verurteilen, ihm
vom 1. Januar 1992 an wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 71 BKVO Verletztenrente nach einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts. Das vom
Landessozialgericht eingeholte Gutachten von Dr. W. bestätige ihre Entscheidung.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen, den Inhalt der Verwaltungsakte, das Urteil des Sozialgerichts, das
Gutachten von Dr. W. sowie auf das vom Landessozialgericht nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte
Gutachten von PD Dr. F ...
Der Senat hat die Verwaltungsakte mit dem Az. der Bezirksverwaltung G der Beklagten beigezogen. Es hat ferner den
Facharzt für Orthopädie und Leitenden Oberarzt des Zentrums für Rückenmarkverletzte und Klinik für Orthopädie der
Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. in H. Dr. W. mit der Erstattung des Gutachtens vom 5. Mai 2009 beauftragt.
Dieser hat ausgeführt, beim Durchbewegen des rechten Kniegelenks sei ein diskretes retropatellares Reiben tastbar.
Bereits bei milder Betastung im Hautbereich gebe der Kläger starke Schmerzen an. Am linken Kniegelenk sei keine
Instabilität vorhanden. Am Gelenkspalt bestehe medialseitig und lateral ein Druckschmerz. Beim Durchbewegen sei
ein retropatellares Reiben tastbar. Der Kläger könne beide Kniegelenke um 0/0/130 Grad bewegen. Am rechten Knie
lägen innenseitig eine Arthrose und Retropatellararthrose, eine anlagebedingte Fehlfunktion der Gleitbahn des
Kniescheibenoberschenkelgelenkanteils beidseits und ein Zustand nach Innenmeniskushinterhornteilentfernung rechts
bei altersmäßiger Degeneration vor. Am linken Kniegelenk bestehe eine innenseitig betonte Arthrose und
Retropatellararthrose sowie ein Zustand nach kompletter Innenmeniskusentfernung. Die Gesundheitsstörungen am
rechten Knie seien nicht durch die berufliche Tätigkeit verursacht. Die Spiegelung des rechten Knies sei erst 22 Jahre
nach Aufgabe der kniebelastenden Tätigkeit erfolgt. Brückensymptome lägen keine vor. Die veränderte Führung der
Kniescheibe in ihrer Gleitbahn mit dem Drang, zur Seite zu ziehen, sei anlagebedingt. Hierdurch sei die Arthrose bzw.
der Knorpelschaden verursacht. Am linken Kniegelenk bestehe ein primärer Meniskusschaden. Die bereits 1977 zu
erkennende beginnende Arthrose habe sich nicht in der kurzen Zeit seit der Meniskusentfernung im Juli 1977 bis
Oktober 1977 bilden können. Es sei deshalb davon auszugehen, dass bereits eine milde Knorpelschädigung
vorhanden gewesen sei, die im Laufe der Jahrzehnte langsam fortgeschritten sei. Die beiderseits bestehende
Retropatellararthrose gehe auf die anlagebedingte Änderung der Gleitrichtung zurück. Die geklagten Beschwerden am
Retropatellararthrose gehe auf die anlagebedingte Änderung der Gleitrichtung zurück. Die geklagten Beschwerden am
linken Kniegelenk bestünden zum überwiegenden Anteil wegen anlagebedingter Leiden bzw. der fortschreitenden
Arthrose. Aufgrund der Innenmeniskusentfernung sei das linke Knie von der Biomechanik her als etwas vermindert
belastbar anzusehen, so dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. vorliege. Nebenbefundlich bestehe
der Verdacht auf eine Polyneuropathie als Folge eines Vitamin B-12 Mangels nach einer Magenteilentfernung.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat die Ärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie der Friedrich-Schiller-
Universität J. PD Dr. F., nachdem sie Befundberichte von dem Arzt für Orthopädie Dr. H. (Befundbericht 13. April
2010) und der Klink H-L (Berichte 22. November 1991 und 30. Juli 1993) eingeholt bzw. beigezogen hat, das
Gutachten vom 22. Mai 2010 erstattet. PD Dr. F. hat darin ausgeführt, vergleiche man die Befundentwicklung an
beiden Kniegelenken innerhalb der letzten 18 Jahre, so habe sich links eine geringe Verschlechterung der
Beugefähigkeit (10 bis 20 Grad) mit einem aktuell hinzugekommenen Streckdefizit (-10 Grad) entwickelt. Der
vergleichende Muskelumfang bewege sich in den letzten beiden Gutachten innerhalb von 1 cm. Die im Gutachten von
Dr. S. angegebene Umfangsminderung korreliere nicht mit den übrigen erhobenen Befunden und müsse angezweifelt
werden. Röntgenologisch zeige sich seit 1992 keine wesentliche Befundverschlechterung. Am rechten Knie habe sich
ebenfalls eine geringe klinische Befundverschlechterung mit reduzierter Beugefähigkeit um 10 bis 15 Grad bei neu
hinzugekommenem Streckdefizit und weitgehend unverändertem Röntgenbefund entwickelt. Die geklagten
Beschwerden seien nur teilweise auf die Folgen der Meniskopathie beider Kniegelenke zurückzuführen. Es liege
beidseits eine symptomatische Verschleißerkrankung des Kniescheibenlagers vor. Zudem seien die von den Füßen
ausstrahlenden Schmerzen auf eine neurologische Grunderkrankung zurückzuführen, für die ein Vitamin-B-Mangel
infolge einer Magenteilresektion ursächlich sein könne. Der operativ versorgte Innenmeniskusschaden links sei
ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Der innenseitig betonte Verschleiß sowie die geringe
Funktionsminderung des linken Kniegelenks seien Folgen der Innenmeniskusentfernung. Die initiale
Verschleißerkrankung des Kniescheibengelenks sei hingegen anlagebedingt. Der Gesundheitsschaden des rechten
Kneisgelenks sei demgegenüber nicht beruflich bedingt. Befunde seien vor 1993 nicht erhoben worden. Die fehlende
Brückensymptomatik zwischen 1977 und der ersten ärztlichen Konsultation wegen Kniegelenkbeschwerden 1993
spreche gegen eine beruflich verursachte Gesundheitsstörung am rechten Knie. Hinzu komme, dass der Kläger bis
1991 körperlich schwere und kniegelenkbelastende Tätigkeiten ausgeübt habe. Es wäre zu erwarten gewesen, dass
eine Schädigung des rechten Innenmeniskus frühzeitiger klinisch relevant geworden wäre. Da es erst zwischen Mai
2009 und November 2009 zu einer geringen Befundverschlechterung gekommen sei, sei die Minderung der
Erwerbsfähigkeit zwischen dem 11. August 1999 und dem 30. November 2009 unter 10 v. H. und ab dem 1.
Dezember 2009 um 10 v. H. zu bewerten.
Die Verwaltungsakten der Beklagten mit den Az. und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und haben bei
der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 SGG statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - entsprechend dem tatsächlichen Anliegen des Klägers -
beschränkte Klage ist unzulässig.
Dem Kläger fehlt im Hinblick auf sein Ziel der Anerkennung einer Berufskrankheit nach dem Recht der DDR und eine
dafür zu zahlende Verletztenrente die Klagebefugnis gegen den angefochtenen Bescheid vom 29. Oktober 2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2003. Dieser Bescheid kann insoweit schon abstrakt keine
Beschwer im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 1 S. 2 SGG entfalten, weil er keine Regelung dazu trifft, ob eine
Berufskrankheit nach dem Recht der DDR festzustellen und der Kläger dafür zu entschädigen ist. Gegenstand des
Bescheides ist allein die Regelung, ob wegen der mit Bescheid vom 24. April 1992 anerkannten Berufskrankheit nach
Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV nunmehr eine - damals abgelehnte - Verletztenrente zu zahlen ist. Mit der Ablehnung
von Ansprüchen aus einer anerkannten Berufskrankheit wegen zu geringer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nicht
zugleich ausgesagt, dass aus einer anderen Berufskrankheit, z.B. aus den Bestandsschutzgründen, auf die der
Kläger sich beruft, nicht gleichwohl Ansprüche abzuleiten sein können. Dies gilt auch im Hinblick auf einen – wie hier
– gleichen Schädigungssachverhalt.
Eine andere rechtliche Aussage des angefochtenen Bescheides wird auch nicht dadurch vermittelt, dass die vom
Kläger zur Feststellung begehrte Berufskrankheit der DDR für den Fall ihrer Feststellung nach § 215 Abs. 1 S. 1 des
Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII - i. d. F. v. 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) i. V. m.
§ 1150 Abs. 1 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO - i. d. F. durch Gesetz vom 25. Juli 1991, BGBl. I S. 1688)
zugleich mit der Geltung als Berufskrankheit nach Bundesrecht versehen wäre. Die anerkannte Berufskrankheit nach
Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV kann dabei nicht den Rechtsgrund für die Zahlung einer Verletztenrente wegen einer
Berufskrankheit der DDR abgeben. Denn die Geltung als Berufskrankheit nach Bundesrecht führt nicht dazu, dass es
sich zugleich um eine bestimmte Berufskrankheit der bundesdeutschen Anlage 1 zur BKV handelt. Nicht zu prüfen
ist, ob dies auch dann gilt, wenn nach § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO zusätzlich die Voraussetzungen einer
Berufskrankheit nach Bundesrecht zu prüfen sind, weil die Berufskrankheit der DDR dem zuständigen
Unfallversicherungsträger - hier der Beigeladenen - erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden ist. Darum
geht es hier nicht, weil der Kläger sich wegen seines Anspruchs gerade darauf beruft, er müsse durch den
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegenüber der Beigeladenen so gestellt werden, als hätte er sich zum
rechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt und mit Wirkung vom 1. Januar 1992 an diese gewandt. Dieses Anliegen kann er
zulässig aber nur in einem Verfahren auf Aufhebung der bestandskräftigen Feststellung einer Berufskrankheit nach
dem Fremdrentengesetz im Bescheid vom 24. April 1992 verfolgen, die nach § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 RVO
gegenüber seinem Anliegen schädlich ist. Eine Entscheidung der Beklagten darüber liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.