Urteil des LSG Sachsen vom 11.08.2010

LSG Fss: satzung, arbeitsentgelt, krankenkasse, transparenzgebot, arbeitsunfähigkeit, anteil, vergleich, pflege, rechtswidrigkeit, arbeitslosenversicherung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 11.08.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 39 KR 274/09
Sächsisches Landessozialgericht L 1 KR 8/10
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung nach dem
Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).
Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbständig tätig und beschäftigt nicht mehr als 30 Arbeitnehmer, darunter eine
Sekretärin, die bei der beklagten Krankenkasse versichert ist. Diese Krankenkasse bestimmte – soweit hier von
Interesse – in § 39 ihrer Satzung (in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung): (1) Die AOK PLUS erstattet 1. den nach §
1 Abs. 1 AAG ausgleichsberechtigten Arbeitgebern für Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit 60 vom Hundert des an
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgeltes ... 2 ... (2) Hat der Arbeitgeber den ermäßigten
Umlagesatz nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 gewählt, erstattet die AOK PLUS 45 vom Hundert der in Absatz 1 Nr. 1
aufgeführten Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit. (3) Mit den genannten Erstattungssätzen sind auch die auf die
erstattungsfähigen Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung abgegolten. Der Kläger hatte bei der Beklagten für den
Ausgleich der Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit nach § 1 Abs. 1 AAG (U1-Verfahren) den allgemeinen Umlagesatz
mit einem Erstattungssatz von 60 % gewählt. Seine Sekretärin war vom 19.01.2009 bis zum 23.01.2009
arbeitsunfähig und erhielt vom Kläger Entgeltfortzahlung (Bruttoarbeitsentgelt von 372,14 EUR zuzüglich des
Arbeitgeberanteils zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 70,08 EUR). Die Erstattung dieser
Krankheitsaufwendungen beantragte der Kläger am 28.01.2009. Die Beklagte erstattete ihm daraufhin 223,27 EUR,
mithin 60 % des fortgezahlten Bruttoarbeitsentgelts; für den entrichteten Arbeitgeberanteil zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag lehnte sie dagegen eine Erstattung ab (Bescheid vom 16.02.2009). Mit seinem
Widerspruch vom 18.02.2009 rügte der Kläger, dass der tatsächliche Erstattungssatz nicht bei 60 %, sondern bei 50,5
% liege. Die dem zugrunde liegende Satzungsbestimmung verstoße gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG, der es zwar
erlaube, durch Satzungsrecht die Höhe der Erstattung zu beschränken, es aber nicht zulasse, den Arbeitgeberanteil
vollständig von der Erstattung auszunehmen. Darüber hinaus verstoße die Satzungsregelung gegen das
Transparenzgebot, weil sie einen Vergleich mit anderen Krankenkassen, welche die Arbeitgeberanteile erstatteten,
zumindest erschwere. Die Beklagte wies den Widerspruch unter Verweis auf die Regelungen in § 39 ihrer Satzung
zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.04.2009).
Der Kläger hat am 18.05.2009 vor dem Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Er habe nicht nur Anspruch auf
Erstattung von 60 % des fortgezahlten Bruttoarbeitsentgelts, sondern auch von 60 % der Arbeitgeberanteile, mithin
insgesamt von 265,33 EUR, woraus sich eine offene Differenz von 42,05 EUR ergebe. Die Satzungsregelung, wonach
die Arbeitgeberanteile bei der Berechnung der Erstattung nicht berücksichtigt würden, verstoße gegen § 9 AAG, zumal
sich für Arbeitgeber mit einem Erstattungssatz von 45 % ein Erstattungsbetrag errechne, der unter dem gesetzlichen
Mindestsatz von 40 % liege.
Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 22.12.2009). Die Beklagte habe in
Anwendung des § 39 ihrer Satzung den Erstattungsbetrag richtig berechnet. Die Satzung verstoße nicht gegen
höherrangiges Recht. Sie entspreche der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG, wonach die Satzung die
Höhe der Erstattung nach § 1 Abs. 1 AAG beschränken und verschiedene Erstattungssätze, die 40 % nicht
unterschritten, vorsehen könne. Die Grundlagen der Berechnung würden nicht geändert. Errechne man einen
Gesamterstattungssatz aus fortgezahltem Arbeitsentgelt und Arbeitgeberanteilen zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag, liege dieser zwangsläufig unter den in § 39 Abs. 1 und 2 der Satzung aufgeführten
Erstattungssätzen von 60 % bzw. 45 % des fortgezahlten Arbeitsentgelts. Sofern dadurch bei einem Erstattungssatz
von 45 % die Höhe der Erstattung den in § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG vorgesehenen Mindestsatz von 40 % unterschreite,
dürfte die Satzung rechtswidrig sein. Dies könne der Kläger jedoch nicht rügen, da er durch die entsprechende
Satzungsregelung nicht beschwert sei. Bei dem gewählten Erstattungssatz von 60 % sei im Hinblick auf die derzeit
gültigen Beitragssätze zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung eine Unterschreitung des
Mindesterstattungssatzes von 40 % ausgeschlossen. Die Satzung verstoße auch nicht gegen das Gebot der
Normenklarheit bzw. das Bestimmtheitsgebot. Der Erstattungssatz sei in § 39 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 der Satzung
klar formuliert. Sofern – gegebenenfalls anlässlich der Wahl zwischen verschiedenen Umlagesätzen – ein
Gesamterstattungssatz aus fortgezahltem Arbeitsentgelt und Arbeitgeberanteilen zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag ermittelt werden sollte, sei dieser ohne Weiteres errechenbar, wie die
Klagebegründung zeige.
Gegen das ihm am 14.01.2010 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 27.01.2010 eingelegten
Berufung. § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten verstoße gegen höherrangiges Recht. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG erlaube
zwar, in der Satzung die Höhe der Erstattung zu beschränken, nicht aber die Grundlagen der Berechnung zu ändern
und nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AAG erstattungsfähige Positionen komplett aus der Erstattung herauszunehmen. Zudem
führe die Satzungsregelung der Beklagten bei der Wahl eines Erstattungssatzes von 45 % zu einer Unterschreitung
des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestsatzes von 40 %. Hierauf könnten sich nicht nur Arbeitgeber mit einem
Erstattungssatz von 45 % berufen. Da es keine geltungserhaltende Reduktion gebe, sei § 39 der Satzung der
Beklagten rechtswidrig und insoweit unbeachtlich, als er die Arbeitgeberanteile aus der Berechnung der Erstattung
ausnehme. Ferner verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen das Gebot der Normenklarheit sowie insbesondere
auch gegen das Transparenzgebot. Die Bestimmung des § 39 der Satzung sei schon deshalb nicht klar und
verständlich, weil sich ihr nicht entnehmen lasse, in welchen Fällen sie wirksam sei. Zudem habe die Beklagte § 39
Abs. 3 ihrer Satzung in keinem Schreiben erwähnt. Ein Vergleich mit anderen Krankenkassen, welche die
Arbeitgeberanteile in der Berechnung der Erstattung einbezögen, werde auf diese Weise verhindert, zumindest jedoch
verfälscht.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und den Bescheid
der Beklagten vom 16. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2009 zu ändern
sowie die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 42,05 EUR zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene
Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2009 nicht in rechtswidriger Weise beschwert. Er hat keinen
Anspruch auf Erstattung weiterer 42,05 EUR aufgrund der Arbeitsunfähigkeit seiner Sekretärin in der Zeit vom
19.01.2009 bis 23.01.2009.
1. Nach § 1 Abs. 1 AAG erstatten die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen den
Arbeitgebern, die in der Regel – ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten – nicht mehr als 30
Arbeitnehmer beschäftigen, 80 % 1. des für den in § 3 Abs. 1 und 2 und den in § 9 Abs. 1 des
Entgeltfortzahlungsgesetzes bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer fortgezahlten Arbeitsentgelts sowie 2. der darauf
entfallenden, von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an
Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach § 172 Abs. 2
des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 des Fünften und nach § 61 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch. Die zu gewährenden Beträge werden dem Arbeitgeber von der Krankenkasse
ausgezahlt, bei der der Arbeitnehmer versichert ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AAG). Die Krankenkasse ist ermächtigt, in ihrer
Satzung die Höhe der Erstattung nach § 1 Abs. 1 AAG zu beschränken und verschiedene Erstattungssätze
vorzusehen, die 40 % nicht unterschreiten (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG).
Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte mit § 39 ihrer Satzung (in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung) Gebrauch
gemacht und für das U1-Verfahren zwei Erstattungssätze vorgesehen. Danach entscheidet der Arbeitgeber mit der
Wahl des Umlagesatzes, ob für ihn ein Erstattungssatz von 60 % oder 45 % gelten soll, wobei sich dieser
Prozentsatz auf das Arbeitnehmern "fortgezahlte Arbeitsentgelt" bezieht (§ 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 der Satzung).
Zudem bestimmt § 39 der Satzung in seinem Absatz 3, dass mit diesen Erstattungssätzen – von 60 % oder 45 %
des fortgezahlten Arbeitsentgelts – "auch die auf die erstattungsfähigen Aufwendungen entfallenden
Arbeitgeberanteile der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur
Arbeitslosenversicherung abgegolten" sind.
Auf der Grundlage dieser satzungsrechtlichen Bestimmung hat die Beklagte die Höhe der Erstattung zutreffend
berechnet. Denn der dem Kläger in dem angefochtenen Bescheid zuerkannte Betrag von 223,27 EUR entspricht 60 %
des an dessen Sekretärin während der Arbeitsunfähigkeit vom 19.01.2009 bis zum 23.01.2009 fortgezahlten (Brutto-)
Arbeitsentgelts von 372,14 EUR. Damit ist gemäß § 39 Abs. 3 der Satzung der Arbeitgeberanteil zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 70,08 EUR abgegolten und kann nicht auch noch die Erstattung von 60 %
hieraus, mithin der streitigen 42,05 EUR, beansprucht werden. Folglich ergibt sich für die gesamten
Krankheitsaufwendungen von 442,22 EUR (fortgezahltes Bruttoarbeitsentgelt zuzüglich Arbeitgeberanteil zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag) ein Erstattungsbetrag von 223,14 EUR, was diesbezüglich einem Anteil von 50,5
% entspricht.
§ 39 der Satzung der Beklagten leidet nicht unter einem Rechtsfehler, der zu einem weitergehenden
Erstattungsanspruch des Klägers führte. Weder kann der Kläger einen solchen Anspruch aus einem Verstoß gegen
die vom Gesetz vorgegebenen Berechnungsgrundlagen herleiten (2.) noch aus einem Unterschreiten des
Mindesterstattungssatzes von 40 % bei Wahl des ermäßigten Umlagesatzes (3.) oder aus einem Verstoß gegen das
Gebot der Normenklarheit bzw. Transparenz (4.).
2. Soweit es im vorliegenden Fall von Relevanz ist, hat die Beklagte in § 39 ihrer Satzung die gesetzlichen Vorgaben
für die Berechnung der Erstattung im U1-Verfahren nicht unzulässigerweise abgeändert.
Das Gesetz trifft selbst in § 1 Abs. 1 AAG eine Regelung über die Berechnung der Erstattung von
Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung. § 1 Abs. 1 AAG definiert die erstattungsfähigen Aufwendungen
("fortgezahltes Arbeitsentgelt" und "Arbeitgeberanteile an Beiträgen") und schreibt einen bestimmten Erstattungssatz
(80 %) vor. Diese Regelung gilt, solange und soweit die Krankenkasse nicht von der ihr durch § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG
eingeräumten Befugnis zu einer abweichenden Satzungsregelung Gebrauch macht. Vorgaben für eine
satzungsrechtliche Regelung macht § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG insoweit, als er eine Herabsetzung des Erstattungssatzes
von 80 % bis auf 40 % gestattet und dabei verschiedene Erstattungssätze zulässt (zum Hintergrund für letzteres
siehe BT-Drucks. 16/4247, S. 66 mit Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.07.2006 - B 1 A 2/05 R - BSGE 97, 16
= SozR 4-7862 § 9 Nr. 1). Im Übrigen nimmt § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG mit dem Verweis auf "§ 1 Abs. 1" (AAG) Bezug auf
die in dieser Bestimmung enthaltenen Regelung über die Erstattung, mithin über die erstattungsfähigen
Aufwendungen.
Zwar zählt das Gesetz in § 1 Abs. 1 AAG nicht nur das "fortgezahlte Arbeitsentgelt" (Nr. 1), sondern auch die
"Arbeitgeberanteile an Beiträgen" (Nr. 2) zu den erstattungsfähigen Aufwendungen. Doch verlangt das Gesetz für das
U1-Verfahren nicht, dass diese Aufwendungen in vollem Umfang erstattet werden, sondern beschränkt in § 1 Abs. 1
AAG die Erstattung auf 80 %. Dabei ist in § 1 Abs. 1 AAG nicht davon die Rede, dass 80 % der Aufwendungen nach
Nr. 1 und 80 % der Aufwendungen nach Nr. 2 zu erstatten sind. Vielmehr spricht § 1 Abs. 1 AAG davon, dass 80 %
der Aufwendungen nach Nr. 1 und 2 zu erstatten sind. Das Gesetz gebietet mit anderen Worten eine
Gesamtbetrachtung bezogen auf alle erstattungsfähigen Aufwendungen. Dies muss auch im Rahmen des § 9 Abs. 2
Nr. 1 AAG gelten, der die Krankenkasse ermächtigt, in ihrer Satzung den in § 1 Abs. 1 AAG vorgesehenen
Erstattungssatz bis auf 40 % abzusenken. Der Bezugspunkt dieses Mindesterstattungssatzes wird in § 9 Abs. 2 Nr. 1
AAG nicht genannt, ergibt sich aber aus der Bestimmung des § 1 Abs. 1 AAG, auf die darin verwiesen wird. Folglich
ist auch bei der Prüfung, ob der Mindesterstattungssatz von 40 % gewahrt ist, eine Gesamtbetrachtung anzustellen
und sind nicht die Aufwendungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AAG jeweils für sich allein getrennt zu beurteilen.
Aus diesem Grunde ist es unbeachtlich, wenn die Satzung der Beklagten die darin vorgesehenen Erstattungssätze
von 60 % bzw. 45 % nur auf das "fortgezahlte Arbeitsentgelt" (§ 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 der Satzung), mithin nur auf
eine der zwei der von Gesetzes wegen erstattungsfähigen Aufwendungen, bezieht und hinsichtlich der anderen
Aufwendung bestimmt, dass diese mit den Erstattungssätzen auf das fortgezahlte Arbeitsentgelt abgegolten ist (§ 39
Abs. 3 der Satzung). Entscheidend ist allein, ob eine so berechnete Erstattung bezüglich der Gesamtaufwendungen
den Mindestsatz von 40 % nicht unterschreitet. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG eröffnet dem Satzungsgeber im Rahmen der
aufgezeigten Grenzen einen weiten Gestaltungsspielraum, der es zulässt, bei der Erstattungsregelung zwischen den
erstattungsfähigen Aufwendungen zu differenzieren, solange bei einer Gesamtbetrachtung der gesetzliche
Mindesterstattungssatz nicht unterschritten wird. Es wäre demnach denkbar, die Arbeitgeberanteile ganz von der
Erstattung auszuschließen, solange nur der Erstattungssatz für das fortgezahlte Arbeitsentgelt hoch genug ist.
Freilich schließt § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten keineswegs die Arbeitgeberanteile zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag aus der Erstattung völlig aus. Vielmehr ist darin mit Bedacht davon die Rede, dass
diese Aufwendungen mit der in § 39 Abs. 1 der Satzung vorgesehenen Berechnung der Erstattung "abgegolten" sind.
Diese Abgeltungswirkung stellt – anders als das SG meint – keinen Erstattungsausschluss dar. Vielmehr weist sie
darauf hin, dass der Arbeitgeber für alle erstattungsfähigen Aufwendungen einen Ausgleich erhält, bei der Berechnung
der Erstattungshöhe aber allein auf das "fortgezahlte Arbeitsentgelt" abgestellt wird.
Die im vorliegenden Fall anzuwendende Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung der Beklagten hält die
gesetzlichen Vorgaben des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGG ein. Die Mindesterstattungsgrenze ist gewahrt. Zwar ergibt eine
Gesamtbetrachtung, dass der Kläger nur 50,5 % der erstattungsfähigen Aufwendungen erhält. Dieser effektive
Erstattungssatz liegt aber deutlich über dem Mindestsatz von 40 %.
3. Der Kläger kann keine Ansprüche daraus herleiten, dass der Mindesterstattungssatz bei der gebotenen
Gesamtbetrachtung unterschritten würde, hätte er den ermäßigten Umlagesatz gewählt. Bei dem dann anwendbaren
Erstattungssatz von 45 % (§ 39 Abs. 2 der Satzung der Beklagten) wären von einem fortgezahlten (Brutto-
)Arbeitsentgelt von 372,14 EUR und einem Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 70,08 EUR,
mithin gesamten Krankheitsaufwendungen von 442,22 EUR, nur ein Betrag von 167,46 EUR zu erstatten, was einem
ein Anteil von 37,9 % an sämtlichen Aufwendungen nach § 1 Abs. 1 AAG entspricht. Noch gravierender wäre die
Unterschreitung, wäre bereits die ab 01.01.2010 geltende Fassung der Satzung anwendbar; bei den darin
vorgesehenen Erstattungssätze für den erhöhten und den normalen Umlagesatz von 70 % bzw. 55 % des
fortgezahlten Arbeitsentgelts (§ 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 der Satzung) ergäben eine Gesamtbetrachtung zwar
Anteile von 58,9 % bzw. 46,3 %, der ebenfalls vorgesehen Erstattungssatz für den ermäßigten Umlagesatz von 40 %
des fortgezahlten Arbeitsentgelts (§ 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 der Satzung) führte aber zu einem Anteil von lediglich 33,5
%. Aus einer Unvereinbarkeit der Regelung in § 39 Abs. 2 und 3 der Satzung der Beklagten in der ab 01.01.2009
geltenden Fassung (bzw. in § 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 der Satzung in der ab 01.01.2010 geltenden Fassung)
mit dem gesetzlichen Mindesterstattungssatz folgt indessen nichts für die hier anzuwendende Regelung in § 39 Abs.
1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung der Beklagten.
Anders als der Kläger annimmt, führt die Unterscheitung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterstattungssatzes
bei Wahl des ermäßigten Umlagesatzes nicht dazu, dass § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten für sich allein
rechtswidrig wäre. Wie bereits unter 2. ausgeführt wurde, überschreitet eine Krankenkasse mit einer Regelung wie
derjenigen in § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten nicht ihren Gestaltungsspielraum, soweit sie nicht zu einer
Unterschreitung des von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG vorgegebenen Mindestsatzes führt. Rechtliche Probleme wirft die
Regelung in § 39 Abs. 3 der Satzung daher erst im Zusammenspiel mit derjenigen in § 39 Abs. 2 der Satzung auf.
Allein insoweit kann von einem Verstoß gegen höherrangiges Recht die Rede sein. Eine Rechtswidrigkeit der
Gesamtregelung, die § 39 Abs. 2 und 3 der Satzung für die Erstattung bei Wahl des ermäßigten Umlagesatzes trifft,
wirkt sich auf die hier anwendbare Gesamtregelung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung nicht aus.
Zudem könnte der Kläger selbst dann keine 60 %ige Erstattung der Arbeitgeberanteile zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag beanspruchen, wenn § 39 Abs. 3 der Satzung der Beklagten für sich allein und
nicht erst im Zusammenspiel mit § 39 Abs. 2 der Satzung rechtswidrig wäre. Denn nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 der
Satzung berechnet sich der Erstattungsbetrag aus 60 % des "fortgezahlten Arbeitsentgelts". Das Arbeitsentgelt in
diesem Sinne umfasst aber nicht den Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Dies ergibt sich
bereits aus der im Gesetz vorgenommenen Gegenüberstellung von "fortgezahltem Arbeitsentgelt" und
"Arbeitgeberanteilen an Beiträgen" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AAG), an die die Satzung der Beklagen anknüpft. Diese
Unterscheidung entspricht dem Sprachgebrauch des Sozialversicherungsrechts, dessen Vorschriften, soweit sie für
die gesetzliche Krankenversicherung gelten, über § 10 AAG auch für den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen
Anwendung finden. Aus der Legaldefinition des Arbeitsentgelts in § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) geht
hervor, dass dieses die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem
gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sind (§ 14 Abs. 2 Satz
1 SGB IV). Zu diesem (Brutto-)Arbeitsentgelt zählen demnach nicht die Beitragsanteile, die der Arbeitgeber zu tragen
hat. In diesem Sinne verwendet § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Beklagten den Begriff des Arbeitsentgelts. Dies hat
zur Folge, dass bei der Wahl des normalen Umlagesatzes auch ohne die Regelung in § 39 Abs. 3 der Satzung die
Erstattung ohne Berücksichtigung des Arbeitgeberanteils zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu berechnen ist.
Damit stellt § 39 Abs. 3 der Satzung letztlich nur den Regelungsgehalt des § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung klar.
Diese Klarstellungsfunktion hat § 39 Abs. 3 der Satzung auch für die Regelung in § 39 Abs. 2 der Satzung. Es verhält
sich daher keineswegs so – wie der Kläger annimmt –, dass eine Unterschreiung des gesetzlichen Mindestsatzes bei
Wahl des ermäßigten Beitragssatzes zwangsläufig einen Erstattungssatz von 45 % der gesamten
Krankheitsaufwendungen aus fortgezahltem Arbeitsentgelt und Arbeitgeberanteil zum
Gesamtsozialversicherungsbeitrag zur Folge hätte. Dagegen spricht auch aus Gründen der Verwaltungspraktikabiliät,
dass andernfalls der von einem geringeren effektiven Erstattungssatz aus kalkulierte ermäßigte Umlagesatz nicht
mehr zuträfe, die allein dazu berufene Satzung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AAG) aber keinen zutreffenden kalkulierten
ermäßigten Umlagesatz festschriebe. Dies gilt auch für die – vom Kläger nicht in den Blick genommenen –
Alternativen eines unmittelbaren Rückgriffs auf die gesetzlichen Erstattungssätze von 40 % (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG)
oder 80 % (§ 1 Abs. 1 AAG) der gesamten Krankheitsaufwendungen. Auch in diesen Fällen gäbe es keinen
entsprechenden, in der Satzung der Beklagten festgelegten Umlagesatz. Dieses Problem stellt sich nur dann nicht,
wenn die Rechtswidrigkeit der Regelung für den ermäßigten Umlagesatz in § 39 Abs. 2 und 3 der Satzung zur Folge
hat, dass der normale Umlagesatz und die für ihn in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung getroffene Regelung
Anwendung findet. Von einer Anwendbarkeit der Regelung über den normalen Umlagesatz in einem solchen Falle geht
im Übrigen auch die ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung der Satzung aus, wenn darin bestimmt wird, dass die
Regelung für diesen Umlagesatz gilt, wenn der Arbeitgeber keine Wahl bezüglich des Umlagesatzes getroffen hat (§
40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 der Satzung). Da eine solche Wahl wirksam sein muss, darf sie auch nicht aus Rechtsgründen
ins Leere gehen, was der Fall wäre, wenn die Satzungsregelung über den ermäßigten Umlagesatz mit höherrangigem
Recht unvereinbar wäre.
4. Schließlich lassen sich weder aus dem Gebot der Normenklarheit noch aus dem Transparenzgebot weitergehende
Erstattungsansprüche herleiten. Dabei kann offenbleiben, inwiefern ein Verstoß gegen diese im Rechtsstaatsprinzip
wurzelnden Gebote überhaupt derartige Ansprüchen begründen können soll. Denn auf jeden Fall ist weder die hier
anwendbare Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 der Satzung der Beklagten unklar noch hat die Beklagte im
Zusammenhang mit der Wahl des Umlagesatzes durch den Kläger gegen das Transparenzgebot verstoßen.
Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass die Regelung über die Höhe der Erstattung in § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs.
3 der Satzung der Beklagten klar formuliert ist. Dies trifft auch dann zu, wenn für die gesamten nach § 1 Abs. 1 AAG
erstattungsfähigen Krankheitsaufwendungen, also für "fortgezahltes Arbeitsentgelt" und "Arbeitgeberanteile an
Beiträgen", ein Erstattungssatz ermittelt werden soll. Dieser ist ohne Weiteres errechenbar, wie der Kläger mit seinen
Berechnungen in Klage- und Berufungsbegründung zeigt. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren bemängelt, der
Bestimmung des § 39 der Satzung der Beklagten lasse sich nicht entnehmen, in welchen Fällen sie wirksam sei, ist
dadurch ein in seinem Fall relevanter Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit nicht aufgezeigt. Letztlich
unternimmt der Kläger damit den Versuch, über das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot eine Gesamtnichtigkeit des
§ 39 der Satzung aus der Rechtswidrigkeit einer darin getroffenen Teilregelung, von der er nicht betroffen ist,
herzuleiten. Derlei lässt sich dem Rechtsstaatsprinzip jedoch nicht entnehmen.
Für einen Verstoß gegen das Transparenzgebot ist nichts ersichtlich. Insoweit moniert der Kläger im
Berufungsverfahren, die Beklagte habe in ihrer Wahlaufforderung von Januar 2009, im Wahlantwortformular und im
Antragsformular nicht darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeberanteile im Erstattungsverfahren unberücksichtigt
blieben. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es dem Kläger jederzeit möglich gewesen wäre, die Satzung
der Beklagten einzusehen. Dann wäre ihm als Rechtsanwalt insbesondere die klarstellende Bestimmung des § 39
Abs. 3 der Satzung sicherlich nicht entgangen. Sollte er die Satzung vor der Wahl des Umlagesatzes für das Jahr
2009 eingesehen haben, die Tragweite deren § 39 Abs. 3 aber verkannt haben, könnte dies der Beklagten von einem
Rechtsanwalt nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ferner ist im Auge zu behalten, dass die Wahl der Krankenkasse
Sache des Versicherten und nicht des Arbeitgebers ist (vgl. § 173 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V],
siehe aber auch § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V in Verbindung mit § 28a Abs. 1 SGB IV). Daher findet zwischen den
Krankenkassen auch kein Wettbewerb über den Umlage- und Erstattungssatz im U1-Verfahren statt. Die
Satzungsregelungen hierüber müssen deshalb auch nicht so formuliert sein, dass zwischen den Krankenkassen ein
möglichst einfacher und schneller Vergleich vorgenommen werden kann. Da der Arbeitgeber auf die Kassenwahl
seiner Beschäftigten keinen Einfluss hat, muss er deren Entscheidung hinnehmen und hat nur insoweit
Gestaltungsmöglichkeiten, als ihm die Satzung der Krankenkasse seines Arbeitnehmers solche einräumt. Dies ist bei
dem gesetzlich geregelten Modell, das einen einzigen Erstattungssatz vorsieht (§ 1 Abs. 1 AAG), nicht der Fall. Erst
wenn die Krankenkasse von ihrer der Ermächtigung in § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG zur Schaffung verschiedener
Erstattungssätze Gebrauch gemacht hat, ist dem Arbeitgeber eine Wahl eröffnet. Allein in diesem Zusammenhang
kann das Transparenzgebot Bedeutung erlangen. So verstanden, ist diesem Gebot hier Genüge getan. Denn die
Vergleichbarkeit der in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Umlagesätze und der an deren Wahl anknüpfenden
Erstattungssätze hängt nicht von dem Hinweis ab, welche Aufwendungen bei der Berechnung der Erstattung
berücksichtigt werden, solange – wie es hier der Fall ist – die Satzung insoweit keine Unterschiede macht.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da Arbeitgeber in Streitigkeiten über die
Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung als Leistungsempfänger im Sinne von § 183 SGG anzusehen
sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 12/09 R - SGb 2010, 309, 311).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.