Urteil des LSG Sachsen vom 27.05.2010

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Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.05.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 16 AL 19/07
Sächsisches Landessozialgericht L 3 AL 183/07
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 7. August 2007 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wehrt sich gegen ihre mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 7. August 2007 erfolgte
Verurteilung, an die Klägerin weiteres Transferkurzarbeitergeld für die Monate Juli und August 2005 in Höhe von
9.161,44 EUR zu zahlen.
Die Klägerin, die Bildungseinrichtungen betreibt und bei der wegen grundlegender Änderungen der Betriebsorganisation
ein Personalabbau geplant war, richtete ab dem 13. Dezember 2004 im Unternehmen eine betriebsorganisatorisch
eigenständige Einheit ein, in die sie 12 Arbeitnehmer (von zuvor 43), deren Beschäftigungsverhältnis nicht fortgesetzt
werden sollte, durch Vereinbarung jeweils eines "Nachtrag zum Anstellungsvertrag" überführte. Es wurde unter
anderem vereinbart, dass der Arbeitnehmer in der Zeit seiner Zugehörigkeit zur betriebsorganisatorisch eigenständigen
Einheit zu 100 % Kurzarbeit leistet und Transferkurzarbeitergeld erhalten soll.
Am 8. Dezember 2004 zeigte die Klägerin der Beklagten den Arbeitsausfall in der betriebsorganisatorisch
eigenständigen Einheit an, die ab dem 13. Dezember 2004 bis zum 30. November 2005 eingerichtet sei.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2005 bewilligte die Beklagte den vom Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern der
betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit ab dem 1. Dezember 2004 bis längstens 31. Mai 2005
Transferkurzarbeitergeld dem Grunde nach. Auf einen Antrag der Klägerin vom 4. Mai 2005 hin verlängerte sie mit
Bescheid vom 10. Mai 2005 den Bewilligungszeitraum bis zum 30. November 2005.
Auf die von der Klägerin eingereichten Leistungsanträge (erstmals am 6. Januar 2005 für Dezember 2004) bewilligte
die Beklagte jeweils Transferkurzarbeitergeld in der beantragten und sich aus dem Antrag beigefügten Listen
ergebenden Höhe. Die Bewilligungsbescheide enthalten in ihrer standardisierten Begründung den Hinweis, dass die
Leistung gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) vorläufig
gewährt wird.
Für den Monat März 2005 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 18. April 2005 Kurzarbeitergeld in Höhe von
10.388,88 EUR. Für Mai 2005 wurden mit Bescheid vom 2. Juni 2005 9.571,28 EUR und für Juni 2005 mit Bescheid
vom 13. Juli 2005 9.373,39 EUR, jeweils entsprechend der beantragten Höhe bewilligt.
Am 29. Juli 2005 beantragte die Klägerin Kurzarbeitergeld für den Abrechnungsmonat Juli 2005 in Höhe von 8.570,93
EUR und am 2. September 2005 für den Abrechnungsmonat August 2005 in Höhe von 5.585,67 EUR.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte für die Monate Juli und August 2005 Kurzarbeitergeld in
Höhe von 7.664,27 EUR, vom dem sie 2.669,17 EUR als "überzahlte Beträge für die Monate 3, 4 und 6/2005" in
Abzug brachte, so dass sich ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 4.995,10 EUR ergab.
Dagegen legte die Klägerin am 1. November 2005 Widerspruch ein und verwies darauf, dass mangels einer
Begründung der erfolgte Abzug nicht nachvollziehbar sei.
Mit Bescheid vom 5. Januar 2006, der als "Aufhebungs-/Änderungs-/Erstattungsbescheid" überschrieben ist, teilte die
Beklagte der Klägerin mit, sie habe Leistungen zu Unrecht erhalten. Unter Änderung der Bescheide vom 18. April
2005, 2. Juni 2005 und 13. Juli 2005 sei Kurzarbeitergeld in Höhe von 2.669,17 EUR zu erstatten. Die Korrektur
erfolge im Hinblick auf nichtberücksichtigte Urlaubsansprüche während des Bezuges von Kurzarbeitergeld. Ein
Arbeitsausfall, der bei Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden könne, sei
vermeidbar. Die Überzahlung für die Monate März 2005, Mai 2005 und Juni 2005 in Höhe von 2.669,17 EUR erfolge
mit der Zahlung des Kurzarbeitergeldes für die Monate Juli 2005 und August 2005.
Mit weiterem Bescheid vom 5. Januar 2006, der als "Änderungsbescheid zum Bewilligungsbescheid v. 5.10.2005"
überschrieben ist, setzte die Beklagte das Kurzarbeitergeld für Juli und August 2005 auf insgesamt 7.664,27 EUR fest
und zog im Wege der Verrechnung einen Betrag in Höhe von 2.669,17 EUR davon ab, so dass sich ein
Auszahlungsbetrag in Höhe von 4.995,10 EUR ergab. Der Abzugsbetrag wird in dem Bescheid als "Verrechnung
03/05, 05/05 und 06/05" bezeichnet.
Am 17. Januar 2006 legte die Klägerin daraufhin erneut Widerspruch unter Bezugnahme auf den Widerspruch vom 1.
November 2005, der den gleichen Sachverhalt betreffe, ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 1. November
2005 gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2005 zurück. Der Erstattungsbescheid vom 5. Januar 2006 sei Gegenstand
des Widerspruchsverfahrens geworden. Eine am 15. September 2005 durchgeführte Prüfung der Lohn- und
Arbeitszeitunterlagen der Klägerin habe ergeben, dass Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer bei der Abrechnung des
Kurzarbeitergeldes nicht berücksichtigt worden seien. Ein Anspruch auf Urlaub bestehe auch während der "Kurzarbeit
0". Da bei Urlaubstagen voller Entgeltanspruch und kein Anspruch auf Kurzabeitergeld bestehe, sei eine Verrechnung
des Urlaubs mit dem beantragten Kurzabeitergeld vorzunehmen. Unter Berücksichtigung dessen ergebe sich für die
Monate März, Mai und Juni 2005 eine Überzahlung in Höhe von 2.669,17 EUR. Für Juli 2005 ergebe sich ein
Anspruch in Höhe von 6.954,27 EUR und für August 2005 ein Anspruch in Höhe von 710,06 EUR.
Auf die am 9. Januar 2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 7. August
2007 unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Oktober 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. Januar
2006 und des Bescheides vom 5.Januar 2006, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember
2006, verurteilt, an die Klägerin weiteres Transferkurzarbeitergeld für Juli und August 2005 in Gesamthöhe von
9.161,44 EUR zu zahlen.
Im Monat Juli 2005 seien in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit der Klägerin noch 9, im Monat August
2005 noch 8 Personen eingegliedert gewesen, die in einem Arbeitsverhältnis zur Klägerin gestanden hätten. Diese
Personen seien in den Monaten Juli und August 2005 vollständig von einem dauerhaften unvermeidbaren
Arbeitsausfall im Sinne von § 216b Abs. 2 SGB III betroffen gewesen. Die persönlichen Voraussetzungen für den
Bezug von Transferkurzarbeitergeld nach § 216b Abs. 4 SGB III hätten bei ihnen vorgelegen. Die Klägerin erfülle die
betrieblichen Voraussetzungen nach § 216b Abs. 3 SBG III. Der dauerhafte Arbeitsausfall in den Monaten Juli und
August 2005 sei bereits am 4. Mai 2005 der Beklagten angezeigt worden. Über diese Umstände bestehe zwischen
den Beteiligten kein Streit.
Mit Ausnahme eines Arbeitnehmers, der vom 1. Juli bis 19. August 2005 Krankengeld bezogen habe, sei der
Arbeitsausfall bei den noch eingegliederten Personen mit einem vollständigen Entgeltausfall verbunden gewesen.
Soweit die Beklagte hinsichtlich eines Arbeitnehmers den Entgeltausfall im Monat Juli 2005 und für die übrigen
Arbeitnehmer hinsichtlich des Monats August 2005 (teilweise) verneine, weil diese Anspruch auf Urlaubsentgelt
gehabt hätten, sei dies unzutreffend. Ein Anspruch auf Urlaubsentgelt bestehe nach § 11 des Mindesturlaubsgesetz
für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) in den Zeiten, in denen der Arbeitnehmer seinen gesetzlichen, tariflichen und
arbeitsvertraglich vereinbarten Erholungsurlaub in Anspruch nimmt. Die Klägerin habe jedoch sämtlichen in die
betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit eingegliederten Arbeitnehmern in den Monaten Juli und August 2005
tatsächlich keinen Erholungsurlaub gewährt, so dass bereits deshalb kein Anspruch der Arbeitnehmer auf
Urlaubsentgelt bestanden habe. Zwar entstünden auch während Kurzarbeit 0 Ansprüche der Arbeitnehmer auf Urlaub,
da das Entstehen von Urlaubsansprüchen allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abhänge. Allein
das Bestehen von Urlaubsansprüchen stehe der Zahlung von Transferkurzarbeitergeld jedoch nicht entgegen. Der
Urlaub müsse vielmehr auch tatsächlich gewährt worden sein. Nur im Falle der Urlaubsgewährung entfalle die Arbeit
nicht aufgrund der Kurzarbeit. Die Klägerin habe den in Kurzarbeit 0 befindlichen Arbeitnehmern jedoch keinen Urlaub
gewährt. Die Urlaubsgewährung sei ihr auch tatsächlich unmöglich gewesen. Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des
Urlaubsanspruches sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass für die Zeit des Urlaubswunsches
eine arbeitsvertragliche Arbeitspflicht bestehe. Bei Kurzarbeit 0 bestehe aber bereits keine arbeitsvertragliche
Verpflichtung zur Leistungserbringung mehr, von der die Arbeitnehmer durch die Gewährung von Urlaub freigestellt
werden könnten.
Unter Berücksichtigung des Krankengeldbezugzeitraums eines Arbeitnehmers ergebe sich für die Monate Juli und
August 2005 anhand der von der Klägerin vorgelegten Abrechnungslisten, deren Richtigkeit die Beklagte nicht
anzweifele, ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld in Gesamthöhe von 14.785,06 EUR, den die Beklagte durch
Zahlung in Höhe von 4.995,10 EUR erfüllt habe. Der verbleibende Restanspruch in Höhe von 9.789,96 EUR sei
allenfalls in Höhe von 628,52 EUR durch Aufrechnung erloschen. Soweit die Beklagte den Leistungsanspruch der
Klägerin um 2.669,17 EUR verringert habe, sei dies allenfalls in Höhe von 628,52 EUR zutreffend. In dieser Höhe sei
der Arbeitnehmer Schön in der Zeit vom 9. bis 30. Juni 2005 aufgrund Krankengeldbezuges nicht von einem
Entgeltausfall betroffen gewesen, so dass die Voraussetzungen des § 216b Abs. 1 Nr. 1 SGB III für die Gewährung
von Transferkurzarbeitergeld nicht vorgelegen hätten. Das auf diesen Zeitraum entfallende Transferkurzarbeitergeld
entspreche jedoch allenfalls einen Betrag in Höhe von 628,52 EUR, die weitergehende Verringerung des
Leistungsanspruchs in Höhe von 2.040,65 EUR sei hingegen nicht gerechtfertigt. Im Ergebnis verbleibe nach der
Aufrechnung der Beklagten jedenfalls der mit der Klage geltend gemachte Leistungsanspruch in Höhe von 9.161,44
EUR.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 24. August 2007. Sie vertritt weiterhin die Auffassung,
dass die Gewährung von Urlaub zur Vermeidung des Arbeitsausfalls in Betracht gekommen wäre. Unvermeidbarkeit
des Arbeitsausfalls sei aber Voraussetzung für die Gewährung des Transferkurzarbeitergeld. Ob der Urlaub auch
tatsächlich gewährt worden sei, sei entgegen der Ansicht des Sozialgerichts unerheblich. Maßgebend sei vielmehr, ob
er hätte gewährt werden und damit für einen begrenzten Zeitraum Arbeitsausfall hätte vermieden werden können. Die
Klägerin hätte die Arbeitnehmer von ihrer Verpflichtung, sich für Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung zu halten
und mitzuwirken, freistellen können. Damit wäre der Urlaubsanspruch erfüllbar gewesen mit der Folge, dass ein
Anspruch auf Urlaubsentgelt, nicht aber ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld bestanden hätte.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 17. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, der Aufenthalt eines ehemaligen Arbeitnehmers in einer Transfergesellschaft stelle kein
Arbeitsverhältnis dar, folglich bestehe auch kein Anspruch auf Erholungsurlaub. Die Entscheidung des Sozialgerichts
sei daher im Ergebnis richtig.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs
sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der
entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verurteilt, der Klägerin für die Monate Juli und August 2005 weiteres
Transferkurzarbeitergeld in Höhe von 9.161,44 EUR zu zahlen. In mindestens dieser Höhe besteht ein Anspruch der
Klägerin.
Die Klägerin führt das Verfahren als Prozessstandschafterin ihrer in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit
integrierten Arbeitnehmer, ohne dass deren Beiladung nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendig
wäre (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. August 2009 – L 1 AL 103/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 16, m. w. N.).
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab und nimmt –
mit den folgenden Maßgaben – auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen
Gerichtsbescheides Bezug.
Die Diskussion des Streitstoffes im Berufungsverfahren hat nichts ergeben, dass das vom Sozialgericht gefundene
Ergebnis in Frage stellt. Zu Recht hat das Sozialgericht der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.
1 Satz 1, Abs. 4, § 56 SGG) der Klägerin entsprochen und die Beklagte in der beantragten Höhe verurteilt. In
mindestens dieser Höhe besteht ein weitergehender Anspruch der Klägerin. Die in den betreffenden Zeiträumen noch
in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit der Klägerin zusammengefassten Arbeitnehmer erfüllten, mit
Ausnahme des Arbeitnehmers Schön während seines Bezugs von Krankengeld, in den Monaten März, Mai, Juni, Juli
und August 2005 die Voraussetzungen für die Bewilligung von Transferkurzarbeitergeld.
Der Anspruch besteht gemäß § 216b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB III, wenn und so lange die Arbeitnehmer von einem
dauerhaften und vermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, die betrieblichen Voraussetzungen (§
216b Abs. 3 SGB III) vorliegen, die persönlichen Voraussetzungen (§ 216b Abs. 4 SGB III) erfüllt sind und der
dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Diese Anspruchsvoraussetzungen waren
gegeben.
Die Anzeige über Arbeitsausfall erfolgte mit Schreiben vom 6. Dezember 2004, das bei der Beklagten am 8.
Dezember 2004 einging.
Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld sind nach § 216b Abs. 3 SGB III
erfüllt, wenn in einem Betrieb Personalplanungsmaßnahmen aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt werden
(Nummer 1) und die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur
Verbesserung ihrer Eingliederungschancen in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst
werden (Nummer 2). Diese Voraussetzungen liegen nach den von der Klägerin in ihrer Anzeige über Arbeitsausfall
vom 6. Dezember 2004 gemachten und von der Beklagten beanstandungsfrei überprüften Angaben vor.
Die in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefassten Arbeitnehmer erfüllen auch die
persönlichen Voraussetzungen des § 216b Abs. 4 Satz 1 SGB III. Sie waren von Arbeitslosigkeit bedroht (Nummer 1)
und haben nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortgesetzt (Nummer 2
Buchst. a). Sie waren, ohne dass die zwischen ihnen und der Klägerin vereinbarten Nachträge zu den
Anstellungsverträgen das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Verweildauer in der betriebsorganisatorisch eigenständigen
Einheit beendet hätten, in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit tätig. Sie waren nicht – im Sinne eines
doppelten Leistungsbezuges – vom Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen (Nummer 3). Schließlich haben sie
vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit an einer arbeitsmarktbezogenen
Chanceneinschätzung (Profiling) im Sinne von § 216b Abs. 4 Nr. 4 SGB III teilgenommen.
Ein dauerhafter unvermeidbarer Arbeitsausfall mit Entgeltausfall im Sinne von § 216b Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2
SGB III lag für die in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit befindlichen Arbeitnehmer (auch) in den
streitbefangenen Monaten vor. Ihre Beschäftigungsmöglichkeit ist durch grundlegende Änderungen der
Betriebsorganisation, die in den Nachträgen zu den Einstellungsverträgen im Einzelnen bezeichnet sind, nicht nur
vorübergehend entfallen. Der dauerhafte Arbeitsausfall war für den Arbeitgeber unvermeidbar. Ein Arbeitsausfall
wegen Betriebsänderung erfüllt regelmäßig dieses Kriterium (vgl. Krodel in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 216b
Rdnr. 8).
Ob im Hinblick darauf, dass § 216b SGB III keine eigene Definition der Unvermeidbarkeit enthält und den Begriff der
Unvermeidbarkeit auf den dauerhaften Arbeitsausfall bezieht, von vornherein nicht angenommen werden kann, dass
die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub den dauerhaften Arbeitsausfall vermeiden kann (so LSG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 25. August 2009 – L 1 AL 103/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 29), bedarf hier keiner Entscheidung.
Jedenfalls ist die Auffassung des Sozialgerichts zutreffend, dass durch die Gewährung von Erholungsurlaub der
Arbeitsausfall deshalb nicht verhindert werden konnte, weil eine Urlaubsgewährung tatsächlich nicht möglich war.
Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(vgl. BAG, Urteil vom 19. April 1994 – 9 AZR 462/92 – NZA 1995, 123 [124] = JURIS-Dokument Rdnr. 27, m. w. N.),
dass eine arbeitsvertragliche Arbeitspflicht für die Zeit des Urlaubswunsches besteht. Zwischen der Klägerin und den
Arbeitnehmern war aber vereinbart, dass der jeweilige Arbeitnehmer in der Zeit seiner Zugehörigkeit zur
betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zu 100 % Kurzarbeit leistet. Damit besteht keine arbeitsvertragliche
Verpflichtung zur Leistungserbringung mehr, von der der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch die Gewährung von
Urlaub freistellen könnte. Folgerichtig haben das Arbeitsgericht Leipzig mit Urteil vom 17. Januar 2006 (Az.: 20 Ca
4404/05) und das Sächsische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30. November 2006 (Az.: 6 Sa 120/06) das
Begehren des in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit der Klägerin befindlichen Arbeitnehmers
Weingärtner auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung für das Jahr 2005 zurückgewiesen und zur Begründung auf die
bereits zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen. Der Kläger Weingärtner sei aufgrund der mit der
Arbeitgeberin geschlossenen Vereinbarung dieser gegenüber seit dem 20. Dezember 2004 nicht mehr zur Arbeit
verpflichtet, sondern leiste zu 100 % Kurzarbeit. Damit habe eine arbeitsvertragliche Arbeitspflicht nicht mehr
bestanden.
Selbst wenn ein Urlaubsanspruch der in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit beschäftigten
Arbeitnehmer bestanden hätte, hätte dies von der Beklagten nicht erst bei der Berechnung der Leistungshöhe
berücksichtigt werden können. Vielmehr wäre insoweit bereits der Anspruch auf Kurzarbeitergeld dem Grunde nach in
zeitlichem Umfang ausgeschlossen, weil Arbeitsausfall vermeidbar gewesen wäre (vgl. § 216b Abs. 10 SGB III i. V.
m. § 170 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III
Das Sozialgericht hat nach alldem zu Recht die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 9.161,44
EUR verurteilt. Nach den Berechnungen des Senats stand der Klägerin ein (ganz geringfügig) höherer Betrag zu, so
dass die Verurteilung in Höhe des von der Klägerin konkret beantragten Betrages die Beklagte nicht in ihren Rechten
zu verletzen vermag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Die streitentscheidende
Frage, ob während einer vereinbarten Kurzarbeit "O" ein dauerhafter Arbeitsausfall im Sinne von § 216b Abs. 1 Nr. 1
SGB III durch die Gewährung von Erholungsurlaub vermieden werden kann, erscheint – auch im Hinblick auf das
anhängige Revisionsverfahren Az. B 7 AL 29/09 R klärungsbedürftig