Urteil des LSG Sachsen vom 15.02.2010

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Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 15.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 14 AS 2424/09
Sächsisches Landessozialgericht L 3 AS 598/09 B PKH
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 21. August 2009 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das Verfahren, das vor dem Sozialgericht Leipzig unter dem Az. S 14 AS 2424/09 geführt wird,
ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin., als Bevollmächtigte beigeordnet.
Gründe:
Die am 14. September 2009 eingelegte Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Sozialgerichts
Leipzig vom 21. August 2009 ist gemäß den § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft. Insbesondere
ist die Beschwerde nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, da die Prozesskostenhilfe nicht
ausschließlich wegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe, sondern
wegen mangelnder Erfolgsaussichten verneint wurde. Sie wurde auch gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht
eingelegt und ist deshalb zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Rechtsverfolgung gemäß § 173a SGG i. V. m. den § 114 der
Zivilprozessordnung (ZPO) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht mutwillig erscheint und die Klägerin bedürftig
ist.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann,
auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden
Rechtszug besonders (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Hieran gemessen war dem Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin stattzugeben. In diesem Zusammenhang ist zu
beachten, dass das Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren die Prüfung der Sach- und Rechtslage nur summarisch
vorzunehmen hat und aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten insbesondere bei von
Fachgerichten zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten keine allzu überspannten Anforderungen zu stellen sind (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 7. April 2002 – 1 BvR 81/00 – NJW 2000, 1936 ff.). Damit muss der Erfolg des
Rechtsbegehrens nicht gewiss sein; Erfolgsaussichten sind nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder
schlechthin ausgeschlossen sind (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 23. Februar 2009 – L 3 B 740/08 AS-PKH –
JURIS-Dokument Rdnr. 8, m. w. N.).
In diesem Sinne besaß die Beschwerde zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den Prozesskostenhilfeantrag,
auf den abzustellen ist (vgl. Knittel in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [16. Erg.-Lfg., August 2009], § 73a Rdnr. 53;
Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl. 2008], § 73a Rdnr. 12c), hinreichende
Erfolgsaussichten.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Kosten der Unterkunft. Es entspricht nunmehr gefestigter
Rechtsprechung (vgl. BSG vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 5 Rdnr. 21 =
JURIS-Dokument Rdnr. 21; BSG, Beschluss vom 16. Juli 2009 – B 14 AS 121/08 B – JURIS-Dokument Rdnr. 9),
dass die Position Haushaltsenergie (mithin Stromverbrauch, Kochenergie, Beleuchtung und Warmwasserbereitung)
schon vor entsprechender Klarstellung in § 20 Abs. 1 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) in der Regelleistung enthalten war und die
Übernahme von Stromkosten auf Grundlage des § 22 SGB II mithin voraussetzt, dass sie (zumindest teilweise) für
die Heizung der Wohnung aufzubringen sind. Daher durfte das Sozialgericht nicht mit der Begründung, dass Kosten
für Strom, auch hieraus resultierende Nachforderungen, Bestandteil der Regelleistung sind und grundsätzlich nicht
gesondert geltend gemacht werden können, die Erfolgsaussichten der Klage verneinen.
Die Klägerin hatte ihrer Klage den Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2009 beigefügt. Hieraus ergibt sich, dass sie
bereits ihren Widerspruch vom 16. Mai 2009 damit begründete, dass der überwiegende Teil der Stromkosten durch die
Nutzung eines elektrischen Heizstrahlers entsteht, der die einzige Wärmequelle in ihrem Badezimmer darstelle.
Diesen habe sie benutzen müssen, da das Badezimmer im Winter lediglich eine Durchschnittstemperatur von 8° C
aufgewiesen habe mit der Folge, dass das Badezimmer regelmäßig im Winter habe beheizt werden müssen. Die
Beklagte hat in ihrem Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass nach den KdU-Richtlinien der Stadt L. zwar Kosten für
eine Elektroheizung, wie zum Beispiel ein Nachtspeicherofen, übernommen werden könnten, ein Heizstrahler könne
eine solche Elektroheizung im Sinne der KdU-Richtlinie jedoch nicht darstellen. Zudem sei kein Nachweis über den
Stromverbrauch geführt worden. Diese Begründung ist nicht stichhaltig, da mit einer solchen Begründung auch jeder
anderen nicht stationäre beziehungsweise nicht fest eingebauten Wärmequelle, sogar wenn sie die einzige
Wärmequelle in einem Haus darstellt, die Eigenschaft als Heizung abgesprochen werden könnte. § 22 SGB II spricht
von Leistungen für Unterkunft und Heizung und legt bereits vom Wortlaut her keine Einschränkung auf bestimmte
Heizanlagen nahe.
Eine andere Frage ist, ob Heizkosten auch dann zu übernehmen sind, wenn die Gesamtaufwendungen wegen eines
unwirtschaftlichen Heizverhaltens der Leistungsempfängerin unangemessen hoch sind oder ein Nachweis über die
tatsächlichen Kosten für die Heizung der Wohnung nicht geführt werden kann. Dies wird aber vom Sozialgericht im
Hauptsacheverfahren aufzuklären sein. Dabei wird das Sozialgericht dem Einwand der Klägerin nachgehen müssen,
ihre Wohnung befinde sich in einem unsanierten DDR-Plattenbau. Es handle sich um eine Eckwohnung im obersten
Stockwerk, die im Winter eiskalt sei. Der Stromverbrauch wird auf Grund einer Plausibilitätsprüfung der Angaben der
Klägerin, der Stromrechnungen und der technischen Verbrauchsdaten des Heizstrahlers festgestellt oder
gegebenenfalls geschätzt (§ 287 ZPO) werden müssen. Da diese Ermittlungen von Amts wegen (vgl. § 103 Abs. 1
Satz 1 SGG) anzustellen sind, ist im vorliegenden Fall – wie in der Regel – die Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Rechtsverfolgung im Sinne von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO zu bejahen (vgl. SächsLSG, Beschluss
vom 23. Februar 2009 – L 3 B 740/08 AS-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 10, m. w. N.).
Die Klägerin ist auch im Sinne von § 73a SGG i. V. m. § 115 ZPO bedürftig. Sie kann die Kosten der Prozessführung
nicht aufbringen. Dies ergibt sich aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und den
hierzu vorgelegten Unterlagen. Diese Verhältnisse lagen auch noch im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung vor
(vgl. SächsLSG, Beschluss vom 4. Juli 2007 – L 1 B 142/07 AL-PKH).
Der Klägerin ist daher Rechtsanwältin gemäß § 73a SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen, da angesichts der
nicht einfach zu überschauenden Tat- und Rechtsfragen in diesem Verfahren eine effektive Rechtsverfolgung nur mit
einem Rechtsbeistand möglich erscheint.
II. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (§ 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).