Urteil des LSG Sachsen vom 06.05.2010

LSG Fss: härtefall, zweitausbildung, berufliche ausbildung, besondere härte, eltern, darlehen, leistungsausschluss, erwerbstätigkeit, berufsbildungsgesetz, berufsausbildung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 06.05.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 7 AS 1454/07
Sächsisches Landessozialgericht L 3 AS 58/09
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 11. Februar 2008 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt für die Zeit einer beruflichen Zweitausbildung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die 1983 geborene Klägerin ist Fremdsprachenkorrespondentin. Ihre Abschlussprüfung bestand sie am 4. Februar
2005. Sie wohnte zu dieser Zeit mit ihrem Lebenspartner in M ... Sie bemühte sich ein halbes Jahr um eine feste
Anstellung in dem erlernten Beruf und war auch für einen Monat in einem festen Arbeitsverhältnis, das sie jedoch
wegen ausstehender Lohnzahlungen und Insolvenz des Arbeitgebers aufgab. Am 8. August 2005 nahm die Klägerin
eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten bei einer Rechtsanwaltskanzlei in B. auf, die sie im August 2008
erfolgreich abschloss. Die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) L. , die für sie, als sie in M. wohnte, zuständig war, bewilligte
ihr Leistungen nach dem SGB II, zuletzt in Höhe von 88,02 EUR für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 15. April
2007.
Nach der Trennung von ihrem Lebenspartner zog die Klägerin nach L. um. Die für die Stadt L. zuständige Beklagte,
die ARGE L. , lehnte mit Bescheid vom 18. Mai 2007 den Antrag vom 31. Januar 2007 auf Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Klägerin in
einer Ausbildung sei und diese Ausbildung im Rahmen des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der
Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) oder der §§ 60 bis 62 des Drittes Buch Sozialgesetzbuch
– Arbeitsförderung – (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 5 und 6
SGB II.
Die Klägerin legte hiergegen am 30. Mai 2007 Widerspruch ein. Sie befände sich in einer Zweitausbildung. Diese sei
nicht förderungsfähig. Mithin habe sie einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die Leistungen benötige sie,
um täglich zur Arbeit zu gelangen. Ihre Zweitausbildung habe sie begonnen, nachdem sie ca. 80 erfolglose
Bewerbungen um eine Anstellung als Fremdsprachenkorrespondentin geschrieben hatte. Außerdem könne sie nicht
verstehen, dass eine andere ARGE ihr Leistungen bei unverändertem Sachverhalt gewährt habe, die Beklagte indes
nicht.
Die Klägerin erhielt die im Ausbildungsvertrag vereinbarte monatliche Ausbildungsvergütung von 340 Euro im ersten,
390 Euro im zweiten und 440 EUR im dritten Ausbildungsjahr. Daneben erhielt sie von ihren Eltern monatlich 100
EUR. Ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten hat sie erfolgreich nach dem dritten Ausbildungsjahr
beendet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Die Klägerin sei gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von einer Leistungsgewährung ausgeschlossen, da die Ausbildung
nach § 60 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sei. Ein besonderer Härtefall, wonach gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2
SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden könnten, sei nicht gegeben.
Die am 25. Juni 2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2008 abgewiesen.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen, da § 7 Abs. 5 SGB II einen solchen Anspruch
ausschließe. Die Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten sei als staatlich anerkannter Ausbildungsberuf
gemäß § 60 SGB III als berufliche Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz förderungsfähig. Es komme alleine auf
die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung an. Die Leistungen könnten auch nicht gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2
SGB II als Darlehen gewährt werden, da ein Härtefall im Sinne dieser Bestimmung nicht vorliege. Dass die Klägerin
zuvor von ARGE L. Leistungen erhalten habe, mache die Situation der Klägerin nicht zu einem Härtefall. Denn dass
die Klägerin einen Teil ihrer Zweitausbildung mit Leistungen nach dem SGB II gefördert bekommen habe, stelle
insoweit keine Härte dar, die eine solche Förderung bis zum Abschluss der Ausbildung nachziehen müsse
beziehungsweise einen Anspruch hierauf begründe, wenn auch nur darlehensweise.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 15. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 17. März 2008, einem Montag,
Berufung eingelegt. Die Zweitausbildung sei dem Grunde nach nicht förderungsfähig im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 1
SGB II, so dass ihr die beantragten Grundsicherungsleistungen zu gewähren seien. Sie habe durch den ablehnenden
Bescheid des BaföG-Amtes sowie des Negativbescheides der Agentur für Arbeit in Bezug auf die beantragte
Berufsausbildungsbeihilfe nachgewiesen, dass ihr keine BaföG-Leistungen zustehen. Die Förderungsfähigkeit nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz scheide nämlich bei einer betrieblichen Berufsausbildung aus. Ausweislich
ihres Ausbildungsvertrages absolviere sie eine betriebliche Ausbildung. Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III sei
förderungsfähig im Sinne des Bezuges einer Berufsausbildung derjenige Auszubildende, der eine erstmalige
Ausbildung durchführe. Sie, die Klägerin, habe bereits eine erstmalige Ausbildung in einem nach dem
Berufsbildungsgesetz anerkannten Ausbildungsberuf. Damit scheide eine tatsächliche Förderung aus. Ihre Ausbildung
sei auch nicht nach § 61 SGB III förderungsfähig. Jedenfalls habe sie nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II zur Vermeidung
einer unbilligen Härte zumindest Anspruch auf die begehrte Leistung als Darlehen. Trotz vielfältiger Bemühungen habe
sie vor Beginn der zweiten Ausbildung eine reguläre sozialversicherungspflichtige Tätigkeit in ihrem ersten
Ausbildungsberuf als Fremdsprachenkorrespondentin nicht finden können. Daher habe sie sich zu einer zweiten
Ausbildung entschlossen, die eine bessere Beschäftigungschance versprochen habe. Bei fehlender Leistung sei sie
nicht in der Lage, ihre Ausbildung zu beenden. Der Abbruch der Ausbildung und die fehlende Beschäftigungschance
im ersten Ausbildungsberuf würden zwangsläufig zur sofortigen Hilfsbedürftigkeit nach dem SGB II führen. Vor
diesem Hintergrund reduziere sich das grundsätzlich nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen auf Null. Die Höhe
des monatlichen Darlehens habe sich an den tatsächlichen ungedeckten Bedarf anzulehnen. Bis zur Antragstellung
am 16. April 2007 habe sie mit ihrem damaligen Lebenspartner in M. zusammen gelebt. Während dieser
Lebenspartnerschaft habe sie einen Wohnkostenzuschuss erhalten und sei von ihrem Lebenspartner unterhalten
worden. Diese Situation habe sich geändert, da sie sich von ihrem Lebenspartner getrennt habe und von M. nach L.
gezogen sei. Vor dem Hintergrund der Erfahrung der bewilligten Leistungen seitens der ARGE L. sei sie davon
ausgegangen, dass Leistungen zu den Wohnkosten auch seitens der Beklagten gezahlt würden. Eine Rückkehr in den
elterlichen Haushalt sei ihr nicht möglich gewesen. Des Weiteren sei zu diesem Zeitpunkt das zweite Ausbildungsjahr
fast vollendet gewesen. Ein Abbruch der Ausbildung sei wegen der zu erwartenden erfolgreichen Beendigung des
Ausbildungsverhältnisses damit nicht zumutbar. Die von ihren Eltern erhaltenen 100 EUR monatlich habe sie nach
Abschluss der Ausbildung begonnen zurückzuzahlen. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei noch ein
Restbetrag von 400 EUR an die Eltern zu zahlen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.
Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin ab Antragstellung Arbeitslosengeld II nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf das Urteil des Bundessozialgericht vom 30. September 2008 (Az.: B 4 AS 28/07 R), wonach bei
einer Zweitausbildung die dem Grunde nach objektive Förderfähigkeit der Ausbildung für eine Entscheidung über den
Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II maßgebend sei und individuelle Versagungsgründe außer Acht zu
bleiben hätten. Anhaltspunkte für eine besondere Härte lägen nicht vor. Ein Eintritt eines Härtefalls sei nicht zu
bejahen, zumal die Klägerin auf eine Leistungsgewährung bis zum Abschluss ihrer Ausbildung nicht vertrauen konnte.
Daran ändere auch nichts, dass sie von der vormals zuständigen ARGE L. trotz der Absolvierung der Ausbildung
Leistungen nach dem SGB II bewilligt bekommen habe. Des Weiteren habe der Abschluss der Ausbildung nicht
unmittelbar bevorgestanden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die
Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klage wurde zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat. Der insoweit ergangene Bescheid
vom 18. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2007 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten.
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
insgesamt versagt. In einem derartigen Fall ist grundsätzlich über die Ansprüche der Klägerin bis zum Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 – B
11a/11 AL 73/04 R – SozR 4-4220 § 6 Nr. 3 Rdnr. 12 = JURIS-Dokument Rdnr. 12)
2. Die Klägerin erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen des § 19 i. V. m. § 7 Abs. 1 SGB II, denn sie hat das 15.
Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), ist erwerbsfähig
im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 8 SGB II, hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m.
§ 9 SGB II und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB
II).
Die Klägerin kann gleichwohl keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen, weil sie nach § 7
Abs. 5 Satz 1 SGB II als Auszubildende von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen ist (a)
und in ihrem Fall auch kein Härtefall im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorlieget, der eine darlehensweise
Gewährung der Leistung ermöglichen würde.
a) Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die dreijährige Ausbildung der Klägerin zur
Rechtsanwaltsfachangestellten als Erstausbildung grundsätzlich förderungsfähig im Sinne des § 60 Abs. 1 SGB III
gewesen wäre, weil es sich um eine betriebliche Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt
und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Im Zusammenhang mit § 7 Abs.
5 Satz 1 SGB II spielt es keine Rolle, dass es sich um eine Zweitausbildung der Klägerin handelt. Hinsichtlich der
Förderungsfähigkeit einer Ausbildung ist allein darauf abzustellen, ob die Ausbildung dem Grunde nach, also aufgrund
objektiver Kriterien, förderungsfähig ist. Auf die Frage, ob die Klägerin in ihrer Person auch die subjektiven
Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung erfüllt, kommt es demgegenüber nicht an. Denn
Grundsicherungsleistungen einer Auszubildenden nach § 7 Abs. 5 SGB II sind auch dann ausgeschlossen, wenn eine
nach §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähige Ausbildung absolviert wird, die Ausbildung aber nach den
Vorschriften des SGB III im konkreten Fall wegen individueller Versagungsgründe nicht gefördert werden kann, weil es
sich – wie vorliegend – um eine Zweitausbildung des Hilfebedürftigen handelt, die im hier streitigen Zeitraum noch
nicht gefördert werden konnte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R – SozR 4-4200 §
7 Nr. 6 Rdnr. 16 = BSGE 99, 67 Rdnr. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4
AS 28/07 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 9 Rdnr. 17 = JURIS-Dokument Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS
67/08 R – FEVS 61, 104 = JURIS-Dokument, Rdnr. 14; jeweils m. w. N.).
Die Klägerin erfüllt unstreitig auch nicht die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 6 SGB II, wonach Absatz 5 keine
Anwendung auf Auszubildende findet, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf
Ausbildungsförderung oder auf Grund von § 64 Abs. 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben
(Nummer 1) oder deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG oder nach § 66 Abs 1 Satz 1 SGB III bemisst
(Nummer 2).
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Darlehens nach
§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Danach können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts,
allerdings nur als Darlehen und nicht als Beihilfe oder Zuschuss gewährt werden.
Bei dem Begriff des "besonderen Härtfalls" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung
in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 –
B 14/7b AS 36/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 Rdnr. 22 = BSGE 99, 67 Rdnr. 22 = JURIS-Dokument Rdnr. 22; BSG,
Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 8 Rdnr. 32 = JURIS-Dokument Rdnr. 32).
Er ist nach Sinn und Zweck der Ausschlussregelung auszulegen. Die Leistungen nach dem SGB II sollen
grundsätzlich nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer der dem
Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07
R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 9 Rdnr. 20 = JURIS-Dokument Rdnr. 20, m. w. N.). Ein besondere Härtefall liegt somit erst
dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe
zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, das heißt als unzumutbar oder
in hohem Maße unbillig erscheinen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R – SozR 4-
4200 § 7 Nr. 6 Rdnr. 23 = BSGE 99, 67 Rdnr. 23 = JURIS-Dokument Rdnr. 23; BSG, Urteil vom 6. September 2007 –
B 14/7b AS 28/06 R – a. a. O.; BSG, Urteil vom 30. September 2008, a. a. O.). Derartige Gründe, die über den
Umstand, dass die Klägerin während des Laufs der Ausbildung keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
erhält, hinausgehen, sind nicht gegeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgericht (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS
36/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 Rdnr. 23 = BSGE 99, 67 Rdnr. 23 = JURIS-Dokument Rdnr. 23; BSG, Urteil vom 6.
September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 8 Rdnr. 34 = JURIS-Dokument Rdnr. 34; BSG, Urteil
vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 9 Rdnr. 22 = JURIS-Dokument Rdnr. 22), die der
Senat sich zu eigen macht, liegt ein Härtefall insbesondere dann vor, wenn wegen einer Ausbildungssituation
Hilfebedarf entstanden ist, der nicht durch Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder Berufsausbildungsbeihilfe
gedeckt werden kann und deshalb begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende
Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko künftiger Erwerbslosigkeit. Es muss die durch objektive
Umstände belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle
Prüfungsvoraussetzungen zur Prüfung erfüllt seien, dass die Ausbildung mit Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zu Ende gebracht werde (vgl. BSG, a. a. O.). Eine
derartige Situation liegt bei der Klägerin jedoch nicht vor, da ihre Ausbildung im Zeitpunkt der Beantragung der
Leistungen bei der Beklagten noch nicht in der geforderten Weise unmittelbar vor dem Abschluss stand. Zum
Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung hatte die Klägerin ihre Zweitausbildung bereits beendet.
Eine weitere – hier nicht einschlägige – Ausnahme kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
anerkannt werden, wenn die bereits weit fortgeschrittene und bisher kontinuierlich betriebene Ausbildung auf Grund der
konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet ist (vgl. BSG, Urteil vom 6.
September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R – a. a. O.; BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR
4-4200 § 7 Nr. 8 Rdnr. 35 = JURIS-Dokument Rdnr. 35; BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07 R –
SozR 4-4200 § 7 Nr. 9 Rdnr. 24 JURIS-Dokument Rdnr. 24).
Das Bundessozialgericht hält einen Härtefall auch für möglich, wenn der Lebensunterhalt während der Ausbildung
durch Förderung auf Grund von BAföG-Leistungen oder SGB III-Leistungen oder anderen finanziellen Mittel – sei es
Elternunterhalt, Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit oder möglicherweise bisher zu Unrecht gewährte Hilfe zur
Sicherung des Lebensunterhalts – gesichert war, die kurz vor Abschluss der Ausbildung entfallen (vgl. BSG, Urteil
vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 8 Rdnr. 35 und 36 = JURIS-Dokument Rdnr. 35
und 36; BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R – a. a. O.; BSG, Urteil vom 30. September 2008,
a. a. O.). Der Klägerin fehlt jedoch ein schutzwürdiges Vertrauen in diesem Sinn. Denn die zu Unrecht erfolgte
Leistungsbewilligung durch die ARGE L. reichte nur bis etwa zur Hälfte der Ausbildungszeit. Zudem erhielt die
Klägerin in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang nach ihrem Umzug nach L. und dem damit verbundenen
Wechsel der zuständigen Behörde Mitte April 2007 unter dem 18. Mai 2007 einen ablehnenden Bescheid von der
Beklagten. Ab diesem Zeitpunkt war für die Klägerin zu erkennen, dass Weitergewährung der SGB II-Leistung und
damit die finanzielle Sicherung ihrer Ausbildung durch öffentliche Mittel ungewiss war (zu diesem Gesichtspunkt:
BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – a. a. O., Rdnr. 36).
Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe die Ausbildung nicht zuletzt im Vertrauen auf die rechtswidrige Arbeitslosengeld
II-Bewilligung durch die ARGE L. aufgenommen, sind die für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang dahinstehen
lassen, ob sich die dortige Beklagte überhaupt das Verhalten der zuvor zuständigen ARGE zurechnen lassen müsste
(vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008, a. a. O., Rdnr. 29). Es hat jedoch die Möglichkeit, den eingetretenen
Nachteil durch eine zusätzliche Amtshandlung beseitigen zu können, verneint. Denn eine Korrektur des fehlerhaften
Verwaltungshandelns würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen, weil das Gesetz für den ausgeschlossenen
Personenkreis grundsätzlich die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbiete und eine
darlehensweise Gewährung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte zulasse. Für eine weitere Öffnung bestehe kein
gesetzlicher Spielraum (vgl. BSG, a. a. O.). Gründe oder besondere Umstände, die im Fall der Klägerin eine
Bewertung rechtfertigen würden, die von der des Bundessozialgerichtes abweichen, sind weder vorgetragen noch
ersichtlich.
Soweit die Klägerin von ihren Eltern unterstützt worden ist, begründet dies nach der zitierten Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes keinen Härtefall, weil diese Unterstützung nicht entfallen ist. Auch der Umstand, dass sie die
finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern nur darlehensweise erhielt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn wenn
ein Hilfebedürftiger trotz des gesetzlichen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II und einer
ablehnenden Entscheidung in Bezug auf SGB II-Leistungen eine Ausbildung absolvieren möchte, ist er darauf
angewiesen, sich die erforderlichen finanziellen Mittel bei Dritten zu beschaffen. Würde dies als Härtefall im Sinne von
§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II angesehen, würde damit faktisch die Leistungsausschlussregelung § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB
II außer Kraft gesetzt; die Leistungsgewährung – wenn auch nur in Form eines Darlehens – wäre dann die Regel.
Ein besonderer Härtefall kann schließlich auch vorliegen, wenn die förderungsfähige Ausbildung objektiv belegbar die
einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 36/06
R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 Rdnr. 23 = BSGE 99, 67 Rdnr. 23 = JURIS-Dokument Rdnr. 23; BSG, Urteil vom 6.
September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 8 Rdnr. 37 = JURIS-Dokument Rdnr. 37; BSG, Urteil
vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 9 Rdnr. 26 = JURIS-Dokument Rdnr. 26). Die
Klägerin hat nach ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren die Ausbildung zur staatlich geprüften
Fremdsprachenkorrespondentin im Februar 2005 beendet. Im Zeitraum bis zur Aufnahme der Zweitausbildung am 8.
August 2005 stand sie für einen Monat in einem Arbeitsverhältnis. Damit fehlt es bereits an einer vorauszusetzenden
Mindestdauer der Betreuung durch die Beklagte. Das Erfordernis des Ablaufs einer derartigen Prüfungszeitraums trägt
dem Ausnahmecharakter der Härtefallregelung Rechnung (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07
R – a. a. O.). Damit kann dahingestellt bleiben, dass die vorgetragenen 80 Bewerbungen bislang nicht belegt waren.
Für die Frage, ob ein Härtefall im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorliegt, spielt es hingegen keine Rolle, ob der
Auszubildende besonders gute Ausbildungsleistungen erbringt. Denn nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes erfordert die "Erwerbszentriertheit" des SGB II eine Auslegung dieser Härteregelung, die der
Zielsetzung einer möglichst dauerhaften Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch Ausübung einer
Erwerbstätigkeit Rechnung trägt. Eine möglichst dauerhaften Eingliederung in das Erwerbsleben kann aber auch bei
mittelmäßigen oder schwachen Ausbildungsleistungen erreicht werden, solange nur die Ausbildung erfolgreich mit
einem Abschluss beendet wird.
Eine verfassungswidrige Benachteilung durch den Leistungsausschluss ist nicht ersichtlich (vgl. BSG, Urteil vom 6.
September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 Rdnr. 27 = BSGE 99, 67 Rdnr. 27 = JURIS-
Dokument Rdnr 27). Eine gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßende, sachlich nicht zu rechtfertigende
Ungleichbehandlung von Auszubildenden gegenüber anderen SGB II-Leistungsbeziehern, insbesondere denjenigen,
die es an Eigenbemühungen fehlen ließen und gleichwohl Leistungen nach dem SGB II – gegebenenfalls gekürzt nach
§ 31 SGB II – erhielten oder Auszubildenden, deren Ausbildung grundsätzlich nicht förderungsfähig nach den §§ 60bis
62 SGB III oder dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ist, liegt nicht vor. Der Gesetzgeber war wegen der
zwischen den genannten Gruppen bestehenden Unterschiede berechtigt, die Leistungsvoraussetzungen für die
Sicherung des Lebensunterhalts unterschiedlich zu regeln. Soweit ein Auszubildender, obwohl er die
Anspruchsvoraussetzungen des zur Förderung dessen vorgesehenen Sozialleistungssystems nicht erfüllt, eine
Ausbildung betreiben möchte, handelt es sich um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung.
Sie kann zumindest nicht die Konsequenz haben, den Gesetzgeber zu verpflichten, auch während der Ausbildung
Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren, ohne dass der Auszubildende dem
Gesamtsystem des SGB II unterläge (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R – SozR 4-4200
§ 7 Nr. 6 Rdnr. 28 = BSGE 99, 67 Rdnr. 28 = JURIS-Dokument Rdnr 28).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
III. Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben
waren.