Urteil des LSG Sachsen vom 16.09.2004

LSG Fss: wahrscheinlichkeit, stillstand, sicherheit, aufzug, gewissheit, arbeitsunfall, innere medizin, herzinfarkt, gesundheitsschaden, haus

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 16.09.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 7 U 111/98
Sächsisches Landessozialgericht L 2 U 35/02
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 31. Januar 2002 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Arbeitsunfall vorliegt und die Beklagte Leistungen der gesetzlichen
Unfallversicherung zu gewähren hat.
Am 09.05.1995 gegen 12.00 Uhr erlitt der am ...1962 geborene Kläger einen Herz-Kreislauf-Stillstand, als er als
Dachdecker einen Lastenaufzug auf der sich " ..." in ... L ... befindenden Baustelle betriebsbereit machen wollte. Er
kletterte auf Trittstufen des Aufzugs mit einem Förderseil nach oben, um am oberen Ende des Aufzugs das Seil, in
das der Aufzugkorb gehängt wird, um die Umlenkrolle zu führen. Als er auf der Höhe der Dachrinne angekommen war,
sackte er plötzlich zusammen und blieb in dem Aufzug liegen. Kollegen des Klägers zogen ihn von dort durch eine
Dachgaube in das Haus hinein. Zunächst versuchte der in der Nähe als niedergelassener Arzt tätige Facharzt für
Allgemeinmedizin Dr. B1 ... den Kläger wiederzubeleben. Der herbeigerufene Notarzt Dr. S1 ... reanimierte den Kläger,
insbesondere mittels Defibrillation. Bei dem Kläger war in diesem Zeitpunkt allerdings schon ein hypoxischer
Hirnschaden bei apallischem Syndrom eingetreten. Der Notarzt stellte ein Kammerflimmern fest und vermutete einen
Stromunfall (Notarzteinsatzprotokoll). Der Kläger befindet sich jetzt im Wachkoma.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B1 ... erstattete am 10.05.1995 eine ärztliche Unfallmeldung und gab an,
"vermutlich" sei der Herz-Kreislauf-Stillstand durch einen Stromschlag verursacht worden. Die Dres. S2 ... und G1 ...
vom St. E ...-Krankenhaus L ... vermerkten in ihrem Befundbericht vom 05.07.1995, dass die Ursache des Herz-
Kreislauf-Stillstandes unbekannt sei; ebenso die behandelnden Ärzte der Klinik S ... P ... in ihrem Befundbericht vom
10.08.1995. Letztere stellten beim Kläger einen chronischen Alkoholabusus fest (Befundbericht vom 10.10.1995).
Der Arbeitgeber (A ...-B ... GmbH; als Gesellschafter- Geschäftsführer der Zeuge W ...) teilte in seiner Unfallanzeige
ergänzend mit, der Kläger habe einen Schmerz in der linken Brust verspürt und das Bewusstsein verloren. Der Kläger
habe seit etwa einer Woche über Unwohlsein und Rückenbeschwerden geklagt. Später gab er an, der Kläger habe am
Vortag des Unfalls krankheitsbedingt entschuldigt gefehlt. Am Unfalltag habe der Kläger nach einem Schmerz
(Aufschrei) in der linken Brust das Bewusstsein verloren. Der Zeuge W ... war im Zeitpunkt des Ereignisses nicht am
Ort anwesend. In der Behandlungskarte des den Kläger vor dem Unfall behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr.
W1 ... ist unter dem 24.04.1995 die Diagnose Kopfschmerzen und Zervikalsyndrom eingetragen. Dies bestätigte Dr.
W1 ... nochmals mit Befundbericht vom 11.07.1996. Deswegen sei der Kläger von ihm vom 24.04. bis 28.04.1995
arbeitsunfähig krank geschrieben worden.
Der Kläger war bereits am 11.09.1994 bei der Arbeit von einem Dach gefallen und hatte sich ein Schädelhirntrauma
mit retrograder Amnesie, eine Rippenserienfraktur und eine Skapulafraktur zugezogen. Die damalige Freundin des
Klägers V ... gab am 03.05.1996 an, der Kläger sei am 04.05.1995 wegen Schulterbeschwerden zu Hause geblieben.
Ansonsten sei es ihm gut gegangen.
Der Untersuchungsbericht der Beklagten vom 11.05.1995 kam zu dem Ergebnis, dass keine unfallursächlichen
Mängel am Aufzug festgestellt worden seien. Ferner holte die Beklagte beim Deutschen Wetterdienst eine
ausführliche Auskunft zur Wetterlage am Unfalltag im Raum L ... ein. Bestätigt werden konnte lediglich, dass es mit
großer Wahrscheinlichkeit in den Abendstunden des Unfalltages im Bereich der Unfallstelle zu einem Gewitter
gekommen sei (Auskunft vom 20.05.1996).
In ihrem Bescheid vom 17.07.1996 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 09.05.1995 als Arbeitsunfall
anzuerkennen und zu entschädigen. Der ohne erkennbaren Grund eingetretene akute Herz-Kreislauf-Stillstand sei
nicht Folge eines Arbeitsunfallereignisses. Der Beratungsarzt habe eine innere Ursache angenommen. Dagegen legte
die vom Vormundschaftsgericht als Betreuerin bestellte Vertreterin des Klägers Widerspruch ein und ließ dies mit
ausführlichem anwaltlichen Schriftsatz vom 20.01.1997 näher begründen. Insbesondere wurde auf ein TÜV-Gutachten
verwiesen, wonach ein Fehlerstromschutzschalter gefehlt habe.
Die Beklagte ermittelte weiter: Dr. B1 ... teilte am 27.02.1997 mit, ein benutztes Verlängerungskabel habe einen
defekten Eindruck gemacht. Dr. H1 ..., Chefärztin der Anästhesie- und Intensivabteilung des St. E ...-Krankenhauses,
und der Facharzt für Anästhesiologie Oberarzt Dipl.-Med. W2 ... führten in ihrer Stellungnahme aus, die Annahme
eines elektrischen Schlages habe die höchste Wahrscheinlichkeit. Zwar seien keine Strommarken gefunden worden.
In den Tagen nach der stationären Aufnahme des Klägers sei es bei ihm aber zu einer starken Senkung der
Serumproteine gekommen. Es sei bekannt, dass Stromunfälle eine solche Folge haben könnten. Der beim Kläger
eingetretene, nicht transmurale Herzinfarkt gehe kaum mit einem plötzlichen Herzstillstand oder einem
Kammerflimmern einher. Auch seien keine Risikofaktoren vorhanden gewesen. Ein Herzinfarkt mit sofortigem
Kammerflimmern ohne präkardiale Schmerzen sei ein extrem seltenes Ereignis.
Die Beklagte zog den im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen erstellten Untersuchungsbericht des
Sachverständigen W3 ..., TÜV Bau- und Betriebstechnik, vom 22.05.1995 bei, wonach ein technischer Fehler bei den
Prüfungen (Isolationsmessungen, Funktionsprüfungen, Messung des Schleifenwiderstandes) nicht habe festgestellt
werden können. Das Verlängerungskabel habe sich in einem betriebssicheren Zustand befunden. Allerdings sei das
Arbeitsgerät Top-Lift nicht ordnungsgemäß mit einem Fehlerstromschutzschalter mit einem Fehlerstrom von 30mA
betrieben worden. In seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 22.04.1997 teilte Dr. Fl1 ... mit, ein vor dem
streitgegenständlichen Ereignis liegender sicherer kardialer krankhafter Organbefund ergebe sich nach Aktenlage
nicht. Die Beklagte ließ Kollegen des Klägers durch das Sozialgericht (SG) Leipzig (26.05.1997 - Zeuge T ...;
05.02.1998 Zeuge V2 ...) vernehmen. Der Zeuge T ... gab an, er habe gehört, wie der Kläger geschrieen habe, er
kriege einen Schlag. Der Zeuge D ... teilte im Oktober 1997 schriftlich seine Wahrnehmungen vom Unfalltag mit. Er
meinte, Stromschwankungen seien gemessen worden. Der Kläger sei zusammengezuckt und habe geschrieen. Der
Zeuge V1 ... gab an, bevor der Aufzug betreten worden sei, um dem Kläger zu helfen, seien die Sicherungen
herausgedreht worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 320 f. und 369 f. der Beklagtenakte verwiesen.
Nach den später im Klageverfahren aus dem Zivilverfahren 2 O 7751/97 (Landgericht Leipzig) beigezogenen
Aussagen der Zeugen D ... und V1 ... soll der Kläger nur einen Laut wie "ah" bzw. einige unverständliche Töne von
sich gegeben haben, wohingegen der Zeuge T ... aussagte, der Kläger habe gesagt: "Ich kriege einen Schlag." Er sei
durch den erregten, ängstlichen und lauten Ausruf des Klägers auf diesen aufmerksam geworden. Er habe sich gleich
gedacht, dass der Kläger einen Schlag erlitten habe.
Die Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Bescheid vom 23.04.1998 zurück. Voraussetzung für die Annahme
eines Unfalls sei ein körperlich schädigendes, zeitlich eng begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes
Ereignis. Dies alles müsse mit Gewissheit gesichert sein (so genannter Vollbeweis). Dies sei dann der Fall, wenn ein
vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keine Zweifel an der Existenz der zu beweisenden
Tatsache mehr habe. Der vermutliche Stromschlag sei nicht bewiesen. Die Untersuchung des TÜV habe keine
technischen Mängel zutage gefördert. Ärztliche Vermutungen, es habe sich um einen durch Stromfluss bedingten
Herz-Kreislauf-Stillstand gehandelt, hätten sich nicht bestätigt. Die Beweislosigkeit bei anspruchsbegründenden
Tatsachen gehe zu Lasten des Anspruchstellers, hier zu Lasten des Klägers.
Mit seiner dagegen beim SG Leipzig eingelegten Klage hat die Betreuerin des Klägers dessen Begehren weiterverfolgt
und vortragen lassen, der Herz-Kreislauf-Stillstand sei unter Berücksichtigung der einen Kriechstrom begünstigenden
Wetterlage (leichter Nieselregen) durch einen Fehlerstromfluss verursacht worden, weil der Aufzug über keinen
Fehlerstromschutzschalter verfügt habe. Dadurch sei bei Fehlerströmen die Stromzufuhr nicht automatisch
abgeschaltet worden. Der Kläger habe beim Anbringen des Förderseils dieses mit der rechten Hand und die Dachrinne
mit der linken Hand berührt, dabei sei es aufgrund des Spannungsunterschiedes zum Stromfluss durch den Körper
des Klägers gekommen. Der Kläger habe geschrieen: "Ich kriege einen Schlag!" und sei dann vornübergebeugt
zusammengesackt, etwas abgerutscht und mit der Achselhöhle an einer Sprosse hängen geblieben. Zur Unfallstelle
gerufene Mitarbeiter des Arbeitgebers hätten noch leichte Stromschwankungen entdeckt. Die Übelkeit des Klägers vor
dem Unfall habe lediglich auf einer Magenverstimmung beruht. Außerdem habe der Kläger aufgrund eines anderen
Arbeitsunfalls vom 11.09.1994 weiterhin Rückenbeschwerden gehabt. Schließlich seien dem Kläger wegen der
besonderen Situation, in der er sich befinde, Beweiserleichterungen einzuräumen; es müsse auch nicht der genaue
Unfallhergang bewiesen werden, wenn sonst nachgewiesene Umstände überwiegend auf einen Versicherungsfall
hinweisen würden und die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen sei (Hinweis u.a. auf
Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 12.06.1990 - 2 RU 58/99 - und vom 14.11.1984 - 9 B RU 68/83). Da kein
krankhafter Organbefund habe festgestellt werden können, bestehe kein sicherer Hinweis auf einen Herzinfarkt. Nach
der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. H1 ... und Dipl.-Med. W2 ... stehe sogar fest, dass der Kläger einen
elektrischen Schlag erlitten habe. Im Übrigen sei die Beklagte dafür beweispflichtig, dass Ursache des Herz-Kreislauf-
Stillstandes eine innere Ursache gewesen sei (Hinweis u.a. auf BSG, Urteil vom 24.02.1988 - 2 RU 30/87 - BSGE 61,
127). Die Beklagte hat entgegengehalten, dass ein Kontakt mit Strom nur eine Vermutung sei. Ein Nachweis hierfür
habe nicht geführt werden können.
Das SG hat eine erneute Stellungnahme bei den Anästhesisten Dr. H1 ... und Dipl.-Med. W2 ... eingeholt, die
ausgeführt haben, dass ein Stromschlag sehr wahrscheinlich, ein "exakter Beweis" dafür aber nicht zu erbringen sei
(Stellungnahme vom 14.10.1998). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ein im Zivilrechtsstreit 2 O 7751/97
(Landgericht Leipzig) eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. P1 ..., Leiter der Abteilung für Kardiologie und Angiologie,
Zentrum für Innere Medizin der Universität L ..., vorgelegt (Gutachten vom 05.01.1999). Aufgrund der Feststellungen
des Notarztes sei von einem Kammerflimmern auszugehen, das vor allem bei schweren Herzkrankheiten auftrete.
Befunde für eine alkoholbedingte Kardiomyopathie lägen nicht vor. Hier sei ein Stromunfall die "plausibelste
Erklärung" für die Abläufe am 09.05.1995. Als einzige alternative Ursache einer plötzlich auftretenden
lebensbedrohenden Herzrhythmusstörung komme ein so genanntes idiopathisches Kammerflimmern in Betracht, das
auch bei Herzgesunden auftrete. Hierbei handele es sich aber um eine extreme Rarität und kündige sich bei
medizinischen Voruntersuchungen durch Rhythmusstörungen an. Das vom SG beigezogene, im landgerichtlichen
Verfahren von der dortigen Beklagten vorgelegte Privatgutachten des Rechtsmediziners Prof. Dr. B2 ... hat dargelegt,
es treffe nicht zu, dass ein Myokardinfarkt mit sofortigem Kammerflimmern ohne vorausgegangene klinische
Symptome, insbesondere ohne präkordiale Schmerzen bei einem 35-Jährigen ein extrem seltenes Ereignis sei.
Pathoanatomisch voll ausgeprägte Infarkte seien in dieser Altersstufe zwar eher die Ausnahme. Todesfälle durch
disseminierte Herzmuskelschäden seien aber in diesem Altersbereich wohlbekannt. In einer Erwiderung vom
18.02.1999 hat Prof. Dr. P1 ... dazu ausgeführt, nach aller klinischen Erfahrung sei es richtig, dass es einige wenige
verbleibende Patienten gebe, die ohne jeden klinischen Nachweis ein Kammerflimmern bekommen könnten, dessen
Ursache letztlich nicht zu ermitteln sei. Kammerflimmerzustände bei einem 35- Jährigen seien ganz zweifellos seltene
Ereignisse. Ein Herzinfarkt als dem Kammerflimmern vorausgegangene Ursache sei eher unwahrscheinlich, da
nachfolgend keine Kinetikstörungen am Herzen festgestellt worden seien. Die Annahme eines Stromunfalls sei die
plausibelste Lösung und könne für sich die größte Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen. Richtig bleibe aber, dass
die vorliegenden Erklärungen über Wahrscheinlichkeiten nicht hinauskämen.
Das SG hat eine im landgerichtlichen Verfahren bei dem TÜV- Sachverständigen W3 ... eingeholte gutachtliche
Stellungnahme vom 04.09.1998 ebenfalls beigezogen. Er hat dort ausgeführt, dass dann, wenn ein
Fehlerstromschutzschalter in der Anlage vorhanden gewesen wäre, dessen Auslösung auf eine Isolationsminderung
hingewiesen hätte.
Mit Endurteil vom 17.05.1999 hat das Landgericht Leipzig im dortigem Verfahren das beklagte private
Unfallversicherungsunternehmen verurteilt, 180.000 DM an den Kläger zu zahlen und sich dabei in seinem vierseitigen
Urteil maßgeblich auf Prof. Dr. P1 ... gestützt. Im Berufungsverfahren haben die dortigen Prozessparteien vor dem
Oberlandesgericht Dresden einen Vergleich geschlossen (Zahlung eines Betrages von 100.000 DM).
Mit Beweisanordnung vom 16.05.2000 hat das SG den Flottenarzt Dr. S3 ... zum ärztlichen Sachverständigen
bestimmt. Er hat in seinem Gutachten vom 11.12.2000 ausgeführt, als Ursachen kämen eine akute
Herzminderdurchblutung im Sinne eines Herzinfarktes, die Dekompensation einer schweren chronischen
Herzerkrankung, die Dekompensation einer latenten chronisch-ischämischen Herzkrankheit unter
Belastungsbedingungen, ein so genanntes idiopathisches Kammerflimmern oder ein Stromschlag in Betracht. Diese
Möglichkeiten hat der Sachverständige diskutiert und zunächst einen Stromschlag als mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit bejaht, nachdem er zuvor die äußeren Umstände des Ereignisses beschrieben und bemängelt
hatte, dass Herr W4 ..., ein am Unfalltag anwesender Kollege des Klägers, bislang nicht als Zeuge vernommen
worden sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 07.03.2001 hat Dr. S3 ... auf Nachfrage des SG ausgeführt,
dass es rein medizinisch beweisende Befunde für einen Stromschlag nicht gebe. Insbesondere die EKG-
Veränderungen bewiesen keinen Stromschlag. Die Gewissheit lasse sich nur aus den sonstigen Umständen
gewinnen. Es stelle sich daher die Frage, ob ausreichend starker Strom (ab 40mA) ausreichend lange geflossen sei,
um ein Kammerflimmern auszulösen. Hiervon gehe er weiterhin aus.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Fachausschusses Elektrotechnik der berufsgenossenschaftlichen Zentrale
für Sicherheit und Gesundheit des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 26.02.2001
vorgelegt. Das Fehlen der Fehlerschutzschaltung könne nicht als unfallursächlich angesehen werden, wenn der
Aufzug ansonsten - wie vom TÜV bestätigt - technisch in Ordnung gewesen sei. Ein Stromfluss sei nur unter der
Annahme möglich, dass das Regenrinnenablaufsystem keine niederohmige Verbindung mit dem Erdreich gehabt habe
und im Haus eine fehlerhafte Verlängerungs- oder Netzanschlussleitung in Gebrauch gewesen sei (z.B. bei
Handwerkerarbeiten). Entsprechende Untersuchungen seien nicht vorhanden. Wenn die Regenrinne unter Spannung
gestanden hätte, hätte es zu einem Stromfluss durch den Körper des Klägers über den Aufzug und dessen Erdung
kommen können. Die Möglichkeit einer gefährlichen Körperdurchströmung sei nicht auszuschließen.
Mit Beschluss vom 27.02.2001 hat das SG im Wege der Rechtshilfe die Vernehmung des Zeugen W4 ... durch das
SG Trier veranlasst, das am 21.03.2001 den Zeugen W4 ... vernommen hat. Er hat angegeben, dass er nach dem
Zusammensacken des Klägers bei der Berührung des Aufzugs ein Kribbeln verspürt habe. Wegen der Einzelheiten
wird auf Blatt 263 der SG-Akte verwiesen.
Schließlich hat das SG mit einer weiteren Beweisanordnung vom 28.03.2001 den Internisten Prof. Dr. S4 ... zum
ärztlichen Sachverständigen bestimmt, der in Zusammenarbeit mit der Internistin Dr. K1 ... am 20.07.2001 das
Gutachten erstattet hat. Hierin geht der Sachverständige wie schon Dr. S3 ... zunächst ausführlich auf die
nichtmedizinischen Aspekte des Sachverhaltes näher ein. Ein Elektrounfall sei die plausibelste Erklärung mit der
größten Wahrscheinlichkeit. Über Wahrscheinlichkeiten komme man aber nicht hinaus. Ohne Zusammenhang mit den
Angaben zum Unfallhergang und Recherchen nach einer möglichen Unfallquelle seien der Herz-Kreislauf-Stillstand
und die danach aufgetretenen EKG-Veränderungen für sich genommen nicht beweisend. Sodann hat der
Sachverständige weitere mögliche Ursachen diskutiert (Herzinfarkt, hypertrophe Kardiomyopathie, akut entzündliche
Herzmuskelerkrankung) und als nicht wahrscheinlich ausgeschlossen. Zum idiopathischen Kammerflimmern ist
ausgeführt worden, dass es extrem selten sei und im vorliegenden Fall weder zu beweisen noch auszuschließen sei.
Das SG hat mit Urteil vom 31.01.2002 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht im Wege
des Vollbeweises gesichert, dass der Kläger einen Stromunfall erlitten habe. Die erforderliche Gewissheit lasse sich
weder aus den Ausführungen der technischen Sachverständigen noch aus den Ausführungen der medizinischen
Sachverständigen noch aus den Zeugenaussagen und auch nicht aus einer Gesamtschau gewinnen. Nach
Auffassung des TÜV hätten sich die benutzten elektrischen Betriebsmittel in einem betriebssicheren Zustand
befunden. Es seien die elektrischen Betriebsmittel auf Schutz gegen direktes und indirektes Berühren und Einhaltung
der Schutzmaßnahmen untersucht worden. Der nicht vorhandene Fehlerstromschutzschalter habe zur Folge gehabt,
dass die einzelnen Teile in ihrer Zusammenschaltung als Anlage nicht ordnungsgemäß betrieben worden seien. Unter
Berücksichtigung der Wetterbedingungen sei die Möglichkeit einer Isolationsminderung durch Feuchtigkeitseinwirkung
nicht auszuschließen. Weiterhin könnte die Möglichkeit des unsachgemäßem Betreibens bzw. Bedienens der Anlage
gegeben sein. Der TÜV habe dies aber nur als Möglichkeiten beschrieben. Einen Nachweis könne er nicht führen.
Dies decke sich mit der Einschätzung des Fachausschusses Elektrotechnik der Berufsgenossenschaftlichen Zentrale
für Sicherheit und Gesundheit des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 26.02.2001. Auch
dessen technischen Ausführungen belegten nur die Möglichkeit einer Stromexposition. Gewissheit hierüber in der
Weise, dass kein Zweifel mehr daran bestehen könne, erbrächten sie jedoch nicht. Dasselbe gelte für die
medizinischen Gutachten. Der Internist Dr. S3 ... habe auf Nachfrage des SG eingeräumt, dass es rein medizinisch
beweisende Befunde für einen Stromunfall nicht gebe (z.B. Strommarken an den Händen, die jedoch bei regennasser
Haut und einer Stromspannung von 220 Volt nicht aufträten). Wäre der Kläger zu Tode gekommen und es hätten sich
bei der Sektion z.B. kleinste Thrombozytenaggregate in den kleinen Herzgefäßen befunden, so wären diese mit
Wahrscheinlichkeit einem Stromschlag zuzuordnen gewesen. Die EKG-Veränderungen alleine erbrächten dagegen
keinen Beweis für einen Stromfluss. Im Ergebnis sei Prof. Dr. S4 ... in seinem Gutachten ebenfalls nicht über
Möglichkeiten hinausgekommen. Auch die eingeholten Zeugenaussagen hätten keine Gewissheit über einen Kontakt
mit Strom erbracht. Insbesondere habe der Zeuge W4 ... bei seiner Vernehmung vor dem SG Trier nichts bekundet,
was eindeutig auf einen Stromfluss hingewiesen habe. Der Zeuge habe mitgeteilt, dass er auf einmal einen Ausruf
"Schlag" gehört habe. Von wem dieser Ausruf gekommen sei, könne er jedoch nicht genau sagen. Auch habe er bei
Berührung des Aufzuges ein leichtes Kribbeln verspürt. Ein elektrischer Schlag von 220 Volt, den er schon einmal
bekommen habe, sei dagegen etwas ganz Anderes. Durch diese Aussage sei ebenfalls keine Gewissheit darüber zu
erlangen, dass der Kläger mit Strom in Kontakt gekommen sei. Der Annahme, der Kläger habe noch das Wort
"Schlag" ausrufen können, stehe die Auffassung des TÜV vom 24.08.1998 entgegen, dass die Vorankündigung einer
elektrischen Durchströmung bei einem Stromunfall nicht möglich sei. Nach einem Stromschlag oberhalb der
Loslassschwelle sei ein verständlicher Ausruf nicht mehr möglich. Die Gewissheit sei auch nicht durch eine
Gesamtschau aller drei Beweismittel (technische und medizinische Gutachten und Zeugen) erbracht worden. Dies
würde voraussetzen, dass einzelne auf den verschiedenen Gebieten liegende hohe Wahrscheinlichkeiten sich so
stark verdichteten, dass eine gegenseitige Berücksichtigung dieser Wahrscheinlichkeiten insgesamt nur den Schluss
zulasse, dass es nicht anders gewesen sein könne, als dass der Kläger mit Strom in Kontakt gekommen sei. Im
technischen Bereich habe keine hohe Wahrscheinlichkeit für das Fließen von Strom erbracht werden können.
Vielmehr gingen die technischen Stellungnahmen lediglich von der denkbaren Möglichkeit eines Stromflusses aus.
Die Zeugenaussagen belegten dies auch nicht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Dass der Zeuge W4 ... ein Kribbeln
an der Hand gespürt habe, lasse noch nicht den Schluss zu, dass ein Stromfluss sehr wahrscheinlich sei. Das
Gleiche gelte - wie oben gezeigt - für den von dem Zeugen gehörten Ausruf. Es blieben die medizinischen
Sachverständigengutachten. Hier habe Dr. S3 ... auf Seite 3 seines Gutachtens die verschiedenen denkbaren
Ursachen für ein Kammerflimmern aufgeführt. Für jede Ursache gebe es Argumente und Gegenargumente. Selbst
wenn man davon ausgehe, dass ein Stromschlag die höhere Wahrscheinlichkeit - medizinisch abstrakt - für sich habe
würde, seien auch die anderen Ursachen als praktische Möglichkeiten nicht auszuschließen. Die durch die
medizinischen Gutachten dargelegte Wahrscheinlichkeit für eine Stromexposition werde jedoch durch die technischen
Gutachten und die Zeugenaussagen nicht so gestärkt, dass man deshalb von dem Auftreten eines Stromschlages mit
der vom Gesetz geforderten Gewissheit ausgehen dürfe.
Hiergegen hat die Vertreterin des Klägers Berufung eingelegt. Zur Begründung lässt sie vortragen, dass der vom SG
eingenommene beweisrechtliche Ausgangspunkt geteilt werde. Anspruchsbegründende Tatsachen unterlägen dem
Vollbeweis. Absolute Gewissheit sei aber selten möglich und auch nicht erforderlich; es genüge an Sicherheit
grenzende Wahrscheinlichkeit, wobei der Richter persönliche Gewissheit haben, sich aber mit einem für das
praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen müsse. Es werde jedoch an der schon im
Klageverfahren vertretenen Auffassung aus den dort genannten Gründen festgehalten, dass die Beweisanforderungen
im vorliegenden Fall herabzusetzen seien. Das bedeute, dass das Gericht schon aufgrund weniger tatsächlicher
Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein könne (Hinweis auf BSG, Urteile vom
12.06.1990 - 2 RU 58/59 und vom 18.04.2000 - B 2 U 7/99 R). Auch an den sonstigen erstinstanzlichen Ausführungen
zu den beweisrechtlichen Anforderungen werde festgehalten. Das SG habe danach § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
nicht beachtet, da es sonst zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass ein Stromunfall vorgelegen habe. Hierfür gebe es
ausreichend Indizien: Der Zeuge V1 ... habe im Verwaltungsverfahren anlässlich seiner Vernehmung durch das SG
und im Zivilprozess ausgesagt, der Zeuge W4 ... habe nach dem Unfall des Klägers auch einen Stromschlag
bekommen. Dies habe der Zeuge W4 ... insoweit bestätigt, als er ein leichtes Kribbeln wie bei der Berührung einer
elektrisch aufgeladenen Fläche gespürt habe. Auch seien, wie der Zeuge D ... angegeben habe, nach dem Unfall
Stromschwankungen gemessen worden. Damit korrespondiere, dass das Arbeitsgerät Top Lift über keinen
Fehlerstromschutzschalter mit einem Fehlerstrom 30 mA verfügt habe und eine automatische Abschaltung nicht habe
erfolgen können, obwohl in Bereichen, in denen wegen besonderer Umgebungsbedingungen mit erhöhter
Stromgefährdung zu rechnen sei, die VDE-Bestimmungen die Anwendung bestimmter Schutzmaßnahmen zwingend
vorschrieben (DIN VDE 0100 Teil 410). Dies gelte insbesondere auch für Baustellen. Der Aufzug sei während des
Regens in Betrieb gewesen. Dies spreche für eine Isolationsminderung durch Feuchtigkeitseinwirkung an den
elektrischen Betriebsmitteln (z.B. durch eindringendes Wasser in die Steckerkupplung, in die Bedieneinheit oder den
Anschlussraum des Aufzugs). Mit einem Fehlerstromschutzschalter wäre es nicht zu dem Unfall gekommen.
Weiterhin sei die theoretische Möglichkeit vorhanden, dass durch fehlerhafte Anlagen in anderen Häusern der
Reihensiedlung eine Potentialanhebung der Dachrinne gegenüber dem Aufzug während des Regens vorhanden
gewesen sei (z.B. infolge von Durchfeuchtung von Wänden). Zwar habe das E ...-Krankenhaus in seinem Bericht vom
05.07.1999 eine Myokardischämie als mögliche Ursache der Herzkreislauferkrankung bezeichnet, diese Möglichkeit
aber mit Schreiben vom 13.03.1997 verworfen. Dieser Befundbericht des St. E ...-Krankenhauses enthalte eine
eindeutige Aussage dahingehend, dass Unfallursache ein elektrischer Schlag gewesen sei. Soweit die Beklagte
insoweit moniere, dass die behandelnden Ärzte lediglich darauf hinwiesen, dass für die Annahme eines elektrischen
Stromschlages die "höchste Wahrscheinlichkeit" spreche, dürfe dies nicht überinterpretiert werden, da die Ärzte
selbstverständlich den Begriff "höchste Wahrscheinlichkeit" im nichtjuristischen Sinne gebrauchten. Die juristische
Bewertung und Auslegung sei dagegen Sache des Gerichts. Es habe kein sicherer Hinweis auf einen Herzinfarkt
bestanden. Auch aus dem im Zivilprozess bei Prof. Dr. P1 ... eingeholte Gutachten vom 09.01.1999 ergebe sich,
dass der Arbeitsunfall vom 09.05.1995 auf einen Stromschlag zurückzuführen sei. Denn es habe weder eine akute
Rechtsherzbelastung noch eine ausgeprägte Kinetikstörung oder eine sonstige relevante innere Ursache festgestellt
werden können. Andere Ursachen für ein plötzliches Kammerflimmern (wie z.B. nachweisbare schwere
Herzerkrankung, ein Herzinfarkt, eine Lungenembolie) hätten bei den eingehenden Untersuchungen der nächsten Tage
nicht bewiesen werden können. Damit bleibe als einzige alternative Ursache einer plötzlich auftretenden
lebensbedrohenden Herzrhythmusstörung das so genannte "idiopathische Kammerflimmern", das bei Herzgesunden
auftrete. Diese Rhythmusstörung sei eine extreme Rarität und kündige sich bei medizinischen Untersuchungen durch
auftretende Extraschläge und Salven an. Die medizinischen Voruntersuchungen des Klägers hätten jedoch keine
Rhythmusstörungen bekannt gemacht. Nach Prof. Dr. P1 ... Meinung habe der Kläger u.U. auch noch Zeit gehabt,
eine verständliche Äußerung zu machen. Auch in dem Gutachten der Universität L ... vom 18.02.1999 werde ein
Elektrounfall des Klägers als die plausibelste Erklärung für die Abläufe am 09.05.1995 angesehen. In seinem
Gutachten vom 11.12.2000 weise Flottenarzt Dr. S3 ... auf Seite 10 darauf hin, dass sowohl der äußere Ablauf als
auch die medizinischen Befunde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür sprächen, dass ein
Stromschlag die Ursache der jetzt bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörung sei. Zwar habe Dr. S3 ...
eingeräumt, dass sonstige Hinweise auf das Fließen eines Stromes vorhanden sein müssten, um einen Stromfluss
mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Betracht zu ziehen. Dies ergebe sich aber aus
den geschilderten Umständen. Hierauf sei auch Dr. S3 ... näher eingegangen (Stromschlag beim Zeugen W4 ...,
nachträglich gemessene Stromschwankungen). Zudem gehe auch der Fachausschuss Elektrotechnik der
Berufsgenossenschaften, Zentrale für Sicherheit und Gesundheit, in der Zusammenfassung seiner Stellungnahme
davon aus, dass die Möglichkeit einer gefährlichen Körperdurchströmung nicht auszuschließen sei. Prof. Dr. S4 ... sei
auch der Auffassung, dass bei zusammenfassender Betrachtung der technischen Gegebenheiten, insbesondere unter
kritischer Betrachtung des Fehlens eines Fehlerstromschutzschalters und unter Berücksichtigung der feuchten
Witterungsverhältnisse ein Stromunfall keinesfalls auszuschließen sei. Vielmehr sei Ursache für die beim Kläger
vorliegende Gesundheitsstörung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Stromunfall. Die beim Kläger vorliegenden
medizinischen Befunde seien typische Folgen eines Stromunfalls, bei dem das Herz im Stromweg gelegen habe.
Zwar meine auch dieser Sachverständige, der Beweis, dass der Herz-Kreislauf-Stillstand alleine durch eine
Stromexposition verursacht worden sei, könne nur unter Berücksichtigung der Begleitumstände, der Vorgeschichte
und der technischen Gegebenheiten erbracht werden. Dies bejahe aber der Sachverständige. Nehme man alle diese
Fakten zusammen und beachte die Grundsätze der freien Beweiswürdigung unter Einbeziehung der
Beweiserleichterungen, die das BSG anerkenne, hätte das SG zu dem einzig möglichen Ergebnis kommen müssen:
Arbeitsunfall durch Stromschlag. Etwaige andere Ursachen hätten sämtliche Gutachter ausgeschlossen, so dass -
wie das SG als Obersatz aufgestellt habe - "kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch
noch Zweifel hat", dass als einzige Ursache ein Stromunfall in Frage komme.
Dem tritt die Beklagte entgegen und meint, der Klägervertreter gehe, was sich durch die gesamte
Berufungsbegründung ziehe, davon aus, dass der Kläger keinen Vollbeweis führen müsse. Das sei unrichtig. Sofern
der Vollbeweis dem Kläger nicht gelinge, könne er vermeintliche Ansprüche nicht realisieren, es sei denn, das Gericht
ließe eine Beweiserleichterung zu. Dies sei hier besonders schwierig, weil die Beweisführung zweispurig erfolgen
müsse: Zunächst sei zu beweisen, dass überhaupt ein Stromfluss stattgefunden habe, danach sei zu beweisen, dass
der Stromfluss (sofern er als erwiesen gelte) zu einer Verletzung geführt habe. Die naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse, die im Verwaltungsverfahren erlangt worden seien, ließen lediglich den Schluss zu, dass Strom
geflossen sein könne. Da der technische Zustand der Aufzugsanlage einen Stromfluss eigentlich ausschließe,
komme die Feststellung des Klägervertreters, dass Strom geflossen sei, nicht über eine gewisse Bandbreite zwischen
Möglichkeit und Plausibilität hinaus. Daran ändere auch die Sicht des Zivilrichters nichts, der einfach geschlussfolgert
habe, dass der Stromfluss als bewiesen gelte, nachdem seiner Auffassung nach andere Möglichkeiten nicht in Frage
kämen. Ohne den Vollbeweis, dass Strom geflossen sei, seien medizinische Erörterungen nicht geboten.
Der Senat hat weitere Ermittlungen zum Unfallhergang durchgeführt. Er hat am 06.02.2004 die Zeugen B3 ..., D ...
und W ... und am 16.04.2004 den Zeugen J ... vernommen sowie eine Stellungnahme bei dem Sachverständigen W3
... eingeholt, der am 13.05.2004 mitgeteilt hat, dass Spannungsmessungen, Isolationsmessungen und
Schleifenmessungen an der Hausanlage und bei den am Arbeitsunfall verwendeten elektrischen Betriebsmitteln
durchgeführt worden seien. Diese Messungen hätten keine Abweichungen ergeben. Wegen des Inhalts der
Zeugenaussagen wird auf Blatt 182, 184 und 202 der LSG-Akte verwiesen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist mit Schreiben des Senats vom 24.05.2004 auf die fehlende
Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 31.01.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.07.1996 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.1998 aufzuheben und unter Anerkennung des Ereignisses vom
09.05.1995 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat den Beteiligten mit Schreiben vom 26.08.2004 den Aufsatz von Buob/Siaplaouras/Böhm/Jung,
Differenzialdiagnose des idiopathischen Klammerflimmerns, Dtsch Med Wochenschr 2002, 2517 - 2523, übersandt
und darauf hingewiesen, dass und welche Ausführungen dieses Aufsatzes bei der Entscheidungsfindung des Senats
mit berücksichtigt werden. Die Beteiligten haben keine Einwände erhoben.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte
des Landgerichts Leipzig (Az.: 2 0 7751/97) vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Ereignis vom 09.05.1995 stellt keinen Arbeitsunfall nach §§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 548 Abs. 1 Satz 1
Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) dar. Der Kläger hat
keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er am 09.05.1995 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Demzufolge hat er auch
keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente.
Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter insbesondere bei einer der in §
539 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes
Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt (so jetzt auch die Definition des Unfallbegriffs in § 8
Abs. 1 Satz 2 SGB VII, der die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung wiedergibt; vgl. nur BSG, Urteil vom
24.06.1981 - 2 RU 61/79 - SozR 2200 § 548 Nr. 56; std. Rspr.). Soweit ein "äußeres" Ereignis gefordert wird, wird
damit lediglich ausgedrückt, dass ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis nicht als
Unfall anzusehen ist (BSG a.a.O.; std. Rspr.). Zudem liegt ein Unfall nur vor, wenn das auf den Versicherten
einwirkende Ereignis den zeitlichen Rahmen einer Arbeitsschicht nicht überschreitet.
Hier besteht kein Zweifel, dass das streitgegenständliche Ereignis, der Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstandes mit
nachfolgender Hypoxämie und apallischem Syndrom während einer Tätigkeit des Klägers als Arbeitnehmer der A ...-B
... GmbH eingetreten ist. Diese Tätigkeit ist nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO in den Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung einbezogen. Der Zurechnungszusammenhang zwischen abstrakt versicherter und konkret
ausgeübter Tätigkeit ist hier offenkundig gegeben.
Streitig und nicht aufklärbar, wie im Folgenden näher darzulegen sein wird, ist aber, ob der Kläger einen Unfall erlitten
hat, also ein äußeres Ereignis auf ihn eingewirkt hat, oder ob er einen Herz-Kreislauf-Stillstand aus innerer Ursache
erlitten hat. Letzteres ist dann der Fall, wenn der Herz-Kreislauf-Stillstand zwar in einem zeitlichen Bezug zur
Ausübung der versicherten Tätigkeit eingetreten ist, diese Tätigkeit aber keine notwendige Bedingung für den Eintritt
des Herz-Kreislauf-Stillstandes darstellt. Denn ein betrieblicher Umstand ist nur dann eine Ursache im Rechtssinne,
wenn er eine notwendige und darüber hinaus wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens oder
des Todes war. Es besteht hierbei keine Rechtsvermutung des Inhalts, dass ein Versicherter, der auf der
Betriebsstätte tot aufgefunden wird und bei dem die Todesursache nicht einwandfrei zu ermitteln ist, einem
Arbeitsunfall erlegen ist. Das Gericht hat vielmehr in freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu
entscheiden, ob der Tod mit der versicherten Tätigkeit ursächlich zusammenhängt (BSG, Urteil vom 12.05.1992 - 2
RU 26/91 SozR 3-2200 § 548 Nr. 14). Nichts anderes gilt dann, wenn der Versicherte einen so schweren
Gesundheitsschaden davonträgt, dass er selbst keine Angaben zu dem streitgegenständlichen Ereignis mehr machen
kann. Der Zusammenbruch eines Versicherten mit posthypoxämischem apallischem Syndrom auf der Betriebsstätte
beinhaltet ebenfalls nicht die Rechtsvermutung, dass er Opfer eines Arbeitsunfalls geworden ist, wenn keine Ursache
für den Herz-Kreislauf-Stillstand gesichert werden kann.
Steht allerdings aufgrund des Sachverhalts fest, dass Umstände aus dem versicherten Bereich als notwendige
Bedingungen an dem Eintritt des den Gesundheitsschaden verursachenden Ereignisses derart beteiligt waren, dass
ohne diese Bedingungen zu dieser Zeit das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre und besteht im Übrigen nur
die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass innere Ursachen bei wertender Betrachtung am Geschehen als allein
wesentliche Ursachen mitbeteiligt waren, darf die Unfallkausalität nicht bloß wegen der Möglichkeit oder der
Wahrscheinlichkeit des Vorliegens medizinischer Voraussetzungen für die Begründung einer inneren Ursache verneint
werden (vgl. nur BSG, Urteil vom 24.02.1988 - 2 RU 30/87).
Beweisrechtlich ist für den Nachweis des von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses der sogenannte
Vollbeweis erforderlich. Es muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter Ausschluss vernünftiger
Zweifel die anspruchsbegründende Tatsache bewiesen sein. Das Gericht muss Gewissheit haben, dass sich der
behauptete anspruchsbegründende Sachverhalt tatsächlich so zugetragen hat. Die Anforderungen an den Nachweis
dürfen dabei nicht überspannt werden, sondern müssen dem Umstand Rechnung tragen, dass Sachverhalte in der
Lebenswirklichkeit häufig nicht mit absoluter Sicherheit ermittelt werden können. Die objektive Beweislast für die das
schädigende Ereignis mit verursachenden betrieblichen Umstände liegt bei dem den Anspruch geltend machenden
Versicherten. Ist dieser Nachweis erbracht und will die Beklagte den Anspruch gleichwohl wegen einer überragenden
inneren Ursache verneinen, trägt sie die objektive Beweislast für das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen
der inneren Ursache und den sich daraus ergebenden Nachteil, wenn diese Voraussetzungen im Wege des
Vollbeweises nicht belegt werden können. Umgekehrt trägt der Versicherte den sich daraus ergebenden Nachteil,
wenn schon nicht die das schädigende Ereignis als mitbedingend angeschuldigten betrieblichen Umstände im Wege
des Vollbeweises belegt werden können. Dies gilt umso mehr, wenn nicht einmal feststeht, ob überhaupt irgendein
"äußeres" Ereignis, sei es nun dem betrieblichen oder dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen, auf den Körper
(oder die Psyche) des Versicherten eingewirkt hat.
Im vorliegenden Fall sind keine betrieblichen Umstände ersichtlich, die unter Ausklammerung des hier streitigen
elektrischen Stromflusses eine notwendige Bedingung für den Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstandes oder für die
Dauer des hypoxämischen Zustandes sein könnten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger durch das
Zusammensacken auf dem Aufzug einen (zusätzlichen) Gesundheitsschaden, etwa durch eine gefährliche
Metallkante oder einen ähnlichen Umstand erlitten hat. Auch ist der Kläger, obwohl er an einer schwer zugänglichen
Stelle zusammengebrochen ist, nicht deswegen längere Zeit ohne ärztliche Versorgung geblieben. Die
Beweisaufnahme des Senats hat ergeben, dass ärztliche Hilfe erst eintraf, als der Kläger von seinen Kollegen über
das Dachfenster schon in das Inneres des Hauses gezogen worden war. Auch gibt es keinen Hinweis darauf, dass
sich unter den Kollegen des Klägers jemand befunden hat, der in der Lage gewesen wäre, den Kläger, wenn er an
einer leichter zugänglichen Stelle zusammengebrochen wäre, sofort durch Wiederbelebungsmaßnahmen vor dem
dann tatsächlich eingetretenen weitreichenden Gesundheitsschaden zu bewahren. Hier kann dies schon deswegen
ausgeschlossen werden, weil selbst der zuerst eintreffende Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B1 ... nicht in der Lage
war, den Kläger zu reanimieren und erst der Einsatz eines Defibrillators durch den herbeigerufenen Notarzt die
Herzaktivität und die Atmung des Klägers wieder in Gang gebracht hat. Schließlich ist auch von den
Sachverständigen ausgeschlossen worden, dass der Kläger aufgrund einer besonderen, betrieblich bedingten
körperlichen Belastung (gegebenenfalls in Verbindung mit einem Vorschaden oder einer Schadensanlage) einen Herz-
Kreislauf-Stillstand erlitten hat.
Es kommt daher für die Annahme, dass eine betriebliche Ursache am Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstandes und
dessen Folgen mitgewirkt hat, allein ein Stromunfall in Betracht, der ein äußeres auf den Körper des Klägers
einwirkendes Ereignis darstellen würde, wenn er im Vollbeweis gesichert wäre.
Technisch-physikalisch gibt es aber nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass es zu einem elektrischen
Stromfluss gekommen ist. Die Ermittlungen des TÜV-Sachverständigen W ... und dessen Messungen sind insoweit
sämtlich negativ gewesen. Der Aufzug selbst und auch das Stromkabel waren technisch in Ordnung. Der Umstand,
dass kein Fehlerstromschutzschalter vorhanden war, war zwar geeignet einen gefährlichen Stromfluss zuzulassen,
der ansonsten von dem Fehlerstromschutzschalter unterbunden worden wäre. Das Nichtvorhandensein des
Fehlerstromschutzschalters hat aber in keinem Fall einen Ursachenbeitrag für die eigentliche Entstehung eines
Stromflusses geleistet. Daraus, dass kein Fehlerstromschutzschalter vorhanden war, kann nicht geschlossen werden,
dass Strom geflossen ist. Er war nur in der Lage, einen aus anderen Gründen zunächst aufgetretenen Stromfluss zu
unterbinden. Nur wenn er eingebaut gewesen wäre, hätte man schlussfolgern können, ob Strom geflossen ist
(Reaktion des Fehlerstromschutzschalters) oder nicht (keine Reaktion des Fehlerstromschutzschalters). Die
Behauptung des Zeugen D ... und des Zeugen W ..., es sei nach dem Ereignis ein Stromfluss gemessen worden, ist
durch die Aussage des Zeugen J ..., der als selbständiger Unternehmer für den Arbeitgeber des Klägers als
Sicherheitsbeauftragter tätig gewesen war, widerlegt worden. Er selbst hat keine Strommessungen vorgenommen. Die
Messungen des TÜV-Sachverständigen waren negativ und die Beklagte hat durch ihren eigenen Technischen
Aufsichtsdienst keine Messungen vornehmen lassen.
Die Annahme, der durch die Zeugenaussage gesicherte Nieselregen habe die Isolation der elektrischen Anlage des
Aufzugs reduziert oder bei Arbeiten im Haus, an dem der Aufzug stand, sei es infolge von Isolationsmängeln zu
Kriechströmen gekommen, die über die Dachrinne abgeleitet worden seien (bei Unterstellung, dass das Haus nicht
ausreichend geerdet war), kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Es handelt sich dabei aber gleichwohl nur um
eine vertretbare Spekulation über mögliche Geschehensabläufe, um mehr nicht.
Der Senat hat darüber hinaus durch die Befragung der Zeugen B3 ..., D ... und W ... die Möglichkeit abklären wollen,
ob der Arbeitgeber oder ein anderer Mitarbeiter nach dem streitgegenständlichen Ereignis am Aufzug oder am Kabel
Veränderungen vorgenommen haben. Die Beweisaufnahme hat dazu überhaupt keinen Anhaltspunkt erbracht. Im
Gegenteil hat sich ergeben, dass dem Arbeitgeber erst nach seinem Eintreffen am Ort des Geschehens überhaupt
bewusst geworden war, dass der Kläger nicht wie er erst gemeint hatte - vom Dach gestürzt sei. Als er ankam, waren
schon Polizei und TÜV da. Die Baustelle war abgesperrt. Auch der Zeuge B3 ... hat ungeachtet seines bei der
Zeugenvernehmung gezeigten aufbrausenden Verhaltens plausibel sein Verhalten dargestellt und keinen Anlass für
die Annahme gegeben, es sei etwas vertuscht worden. Es bestand daher auch kein Anlass, die Adressen der durch
die Ladung postalisch nicht erreichbaren Zeugen T ... und V1 ... zu ermitteln und diese erneut als Zeugen zu laden
und zu vernehmen.
Soweit der Zeuge W4 ... angegeben hat, er habe beim Berühren des Aufzugs ein leichtes Kribbeln verspürt, hat der
Senat erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Wahrnehmung. Denn hier sind, wie die Befragung der auf der
Baustelle anwesenden Kollegen des Klägers ergeben hat, diese spontan von der Annahme ausgegangen, es handele
sich um einen Stromunfall. Insoweit für den Senat plausibel hat Prof. Dr. S4 ... aber die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, dass der Zeuge W4 ... nur situativ bedingt im Rahmen einer Schreckreaktion ein Kribbeln in den
Händen empfunden haben könnte, ohne dass das Kribbeln tatsächlich auf einen Stromkontakt zurückzuführen
gewesen sei.
Ebenso ist offen, ob der Kläger, während er zusammenbrach, noch gesagt hat, er bekomme einen Schlag, wie dies
der Zeuge T ... bekundet hat. Die Zeugen D ..., W4 ... und V1 ... haben nichts oder nur einen unartikulierten Laut des
Klägers gehört. Hier ist schon streitig, ob ein Betroffener, der jenseits der Loslassschwelle einen elektrischen Schlag
bekommt, sich noch kurzzeitig artikuliert äußern kann. Der TÜV-Sachverständige W3 ... hat dies verneint, Prof. Dr.
P1 ... hat dies jedoch für möglich gehalten. Unabhängig davon ist festzustellen, dass die Aussagen der am Ort des
Geschehens anwesenden Zeugen erst sehr spät nach dem Ereignis gemacht wurden und widersprüchlich sind. Eine
gesicherte Überzeugung des Senats kann auf die Aussage des Zeuge T ... daher auch dann nicht gegründet werden,
wenn man davon ausgeht, dass er im Zeitpunkt seiner Aussage vor dem SG Leipzig am 26.05.1997 genau das
ausgesagt hat, was sich bei dem streitgegenständlichen Ereignis nach seiner subjektiven Überzeugung zugetragen
hat. Zusätzlich wird seine Aussage dadurch erschüttert, dass er auf ein Schreiben der Beklagten vom 23.08.1995, in
dem auch nach dem Ablauf der Ereignisse nach einem Stromschlag gefragt worden war, wie folgt am 23.09.1995
geantwortet hat: " ... zu den aufgeworfenen Fragen, die sich bei der Bearbeitung der Unfallsache bezüglich des
Unfallherganges ergeben haben, kann ich keinerlei Aussagen machen." Es liegt daher die Möglichkeit nicht fern, dass
es sich bei dem, was der Zeuge T ... zwei Jahre nach dem Ereignis als eigene Wahrnehmung wiedergibt, um eine
nachträgliche, unbewusste Ergänzung von Erinnerungslücken handelt. Jedenfalls verliert dadurch die Aussage des
Zeugen T ... auch ohne Berücksichtigung der Angaben der anderen Zeugen erheblich an Überzeugungskraft. Denn
nichts hätte bei noch frischer Erinnerung an das Ereignis näher gelegen, als der Beklagten auf ihre Anfrage hin
mitzuteilen, dass der Kläger gesagt habe, er habe einen Schlag bekommen.
Der sichere Nachweis der Einwirkung eines äußeren Ereignisses auf den Körper des Klägers kann damit allein
medizinisch geführt werden. Alle ärztlichen Sachverständigen haben aber keinen sicheren positiven Beleg für einen
Stromschlag gefunden. Sie haben zwar alle bis auf Prof. Dr. B2 ... einen elektrischen Stromschlag als die
plausibelste, wahrscheinlichste oder gar sichere Ursache (so Dr. S3 ...) für das Kammerflimmern mit nachfolgendem
Herz-Kreislauf-Stillstand angesehen. Sie mussten aber alle einräumen, dass ihre Auffassung sich nicht medizinisch
positiv belegen lässt. Nur im Wege der Ausschlussdiagnose und erst unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände
ist bei ihnen die Überzeugung eines Stromunfalls entstanden. Überzeugend wären die Aussagen der ärztlichen
Sachverständigen aber nur dann, wenn sie zu diesem Ergebnis auch unter Ausklammerung des äußeren
Geschehensablaufs gekommen wären.
Es ist nicht möglich, eine sich allein nicht selbst tragende medizinische Überzeugung durch einen bloß möglichen
Geschehensablauf zu stützen. Ein physikalisch-technisch bloß möglicher Stromschlag und ein medizinisch nur
wahrscheinlicher Stromfolgeschaden können nicht dazu führen, einen Stromschlag mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Bei einer Addition von Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit kann bestenfalls die
Wahrscheinlichkeitsaussage beibehalten werden. Wenn allein ein medizinischer Folgezustand im Wege der
Ausschlussdiagnose einen sicheren Rückschluss auf die Erstursache ermöglichen soll, müssen alle anderen
praktisch denkbaren Entstehungsursachen ausgeschlossen werden können. Praktisch denkbar bedeutet in diesem
Zusammenhang, dass die Alternativursachen so bedeutsam sein müssen, dass sie differenzialdiagnostisch ernsthaft
zu erwägen sind.
Hier muss ausgehend von einem apallischen Syndrom nach vorausgegangener Hypoxämie, die ihrerseits auf einem
Herz- Kreislauf-Stillstand beruht, der höchstwahrscheinlich durch ein Kammerflimmern ausgelöst worden ist, auf die
Ursache für dieses Kammerflimmern geschlossen werden. Die ärztlichen Sachverständigen haben - insoweit
überzeugend - viele Alternativursachen ausschließen können. Dies gilt jedoch nicht für das idiopathische
Kammerflimmern, dessen Auftreten von ihnen allerdings als extrem selten dargestellt worden ist. Aber auch wenn ein
idiopathisches Kammerflimmern nur sehr selten bei (tatsächlich oder doch nur scheinbar) Herzgesunden (d.h.
Personen ohne nachweisbare strukturelle Herzschäden) in jüngeren Jahren auftritt, handelt es sich immerhin um eine
Erscheinung, die differenzialdiagnostisch ernsthaft erwogen werden muss und nicht bloß eine theoretische Möglichkeit
darstellt, wie schon die Ausführungen der ärztlichen Sachverständigen belegen. Man kann als Arzt, wenn eine
strukturelle Herzerkrankung nicht gefunden wird, nicht einfach einen Herz-Kreislauf-Stillstand aus unbekannter
körpereigener Ursache ausschließen. In diesen Fällen ist es zwar naheliegend und sachgerecht, zunächst auf die
sonstigen Sachverhaltsumstände abzustellen, um doch die Ursache zu ermitteln. Hier darf aber, wie oben schon
dezidiert ausgeführt, nicht mit Vermutungen argumentiert werden. Die Sachverhaltsumstände müssen gesichert sein,
damit der ärztliche Sachverständige seine medizinischen Schlussfolgerungen darauf stützen kann. Sind sie nicht
gesichert, verbleibt es bei der unbekannten, möglicherweise körpereigenen Ursache.
Es kommt hinzu, dass nach dem den Beteiligten vom Senat übersandten Aufsatz "Differenzialdiagnose des
idiopathischen Kammerflimmerns" von Buob/Siaplaouras/Böhm/Jung (Dtsch Med Wochenschr 2002, 2517 ff.) bei 5
bis 10 % der Fälle von überlebtem Kammerflimmern keine zugrunde liegende strukturelle Herzerkrankung zu erkennen
sei und es sich bei den Betroffenen nicht selten um junge und bisher völlig gesunde Personen gehandelt habe. Weiter
wird in diesem Aufsatz ausgeführt, dass für einen Teil der zunächst als idiopathisch eingestuften Kammerflimmerfälle
doch eine Ursache ermittelt werden könne (QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, katecholaminerge polymorphe
ventrikuläre Tachykardien). Aber ein nicht zu vernachlässigender Teil der Personen mit einem überlebten plötzlichen
Herztod und fehlender struktureller Herzerkrankung könne keinem dieser Krankheitsbilder zugeordnet werden. In
diesen Fällen liege ein idiopathisches Kammerflimmern im eigentlichen Sinne vor.
Auch hiernach kann nicht im Wege der Ausschlussdiagnose mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein
Stromschlag als äußeres Ereignis angenommen werden. Es bleibt die ernsthafte Möglichkeit, dass der Kläger Opfer
eines idiopathischen Kammerflimmerns geworden ist. Das idiopathische Kammerflimmern ist hier eine praktisch
denkbare Alternativursache, die von den ärztlichen Sachverständigen nicht ausgeschlossen werden konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen
nicht vor. -