Urteil des LSG Sachsen vom 30.03.2007

LSG Fss: beendigung, falsche auskunft, alleinerziehende mutter, einzelrichter, obliegenheit, minderung, verschulden, gesetzestext, unverzüglich, befristung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.03.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 11 AL 486/05
Sächsisches Landessozialgericht L 1 AL 92/06
I. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29. März 2006 wird aufgeho-ben. II. Der Bescheid der Beklagten vom 14.
Juli 2005 i.V.m. dem Schreiben vom 12. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005
und der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. Mai 2006 i.V.m. dem Schreiben vom selben Tage wird
abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab 01. August 2005 Arbeits-losengeld ohne eine Minderung nach
§ 140 Drittes Buch Sozialgesetz-buch in der hier maßgeblichen Fassung zu gewähren. III. Die Beklagte hat der
Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Minderung des ihr gewährten Arbeitslosengeldes (Alg).
Die am 1959 geborene Klägerin war aufgrund eines zwischen ihr und der Stiftung Gedenkstätten B. und M. -D. am
19.01.2004 geschlossenen Arbeitsvertrages vom 01.02.2004 bis 31.07.2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die
Konzeption und Vorbereitung einer Sonderausstellung beschäftigt. § 5 des Arbeitsvertrages regelte: "Zur
Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld sind Sie gemäß § 37 b SGB III verpflichtet, sich drei
Monate vor Ablauf des Vertragsverhältnisses persönlich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden. Sofern dieses
Arbeitsverhältnis für eine kürzere Dauer als drei Monate befristet ist, besteht diese Verpflichtung unverzüglich.
Unterlassen Sie diese Meldung, so kann Ihnen im Rahmen des § 140 SGB III durch das Arbeitsamt das
Arbeitslosengeld gekürzt werden. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen".
Zwischen den Beteiligten ist streitig, wann die Klägerin vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Agentur
für Arbeit Leipzig (AA) Kontakt aufgenommen hat. Die Klägerin gibt an, sie habe sich bereits Ende April 2005 mit der
AA telefonisch in Verbindung gesetzt. Jedenfalls wurden Arbeitslosmeldung und Alg-Antrag der Klägerin vom
Vermittlungsbereich der AA am 09.06.2005 förmlich registriert bzw. entgegengenommen. Zugleich soll die Klägerin
nach den Unterlagen der AA an diesem Tag der Arbeitsvermittlerin sinngemäß mitgeteilt haben: " ... RS hat nach
eigenen Angaben bereits am 270505 mit Anmeldebogen sich in der falschen Eingangszone ASUCH gemeldet. Bewa
wurde nicht aufgenommen ..."
Mit Bescheid vom 14.07.2005 in Verbindung mit dem Schreiben vom 12.07.2005 bewil-ligte die Beklagte der Klägerin
Alg und verminderte dieses um 1.250 EUR, weil die Klägerin ihrer Pflicht, sich arbeitsuchend zu melden, nicht
rechtzeitig nachgekommen sei. Die Klägerin hätte sich spätestens am 02.05.2005 bei der AA arbeitsuchend melden
müssen. Da sie sich jedoch erst am 27.05.2005 gemeldet habe, sei die Meldung um 25 Tage zu spät erfolgt. Nach §
140 SGB III mindere sich der Anspruch auf Leistungen um 50 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens
jedoch für 30 Tage). Die Höhe des Abzuges betrage hier täglich 23,42 EUR und insgesamt 1.250 EUR.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei nur verpflichtet gewesen, sich im
Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses frühestens drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend zu melden.
Das Arbeitsverhältnis sei am 31.07.2005 beendet worden. Mit der Meldung am 27.05.2005 hätte sie dem
Gesetzestext entsprochen. Dies sei ihr so auch telefonisch von der in Anspruch genommenen Service-Hotline der AA
zuvor erklärt worden. Nach ihrer Meldung hätte die Arbeitsvermittlerin ihr kein Stellenangebot unterbreiten können.
Damit wäre auch bei einer früheren Meldung die drohende Beschäftigungslosigkeit ab August 2005 nicht abgewendet
worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. § 37 b Drittes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimme, dass Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis ende, verpflichtet
seien, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der AA arbeitsuchend zu melden.
Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses habe die Meldung spätestens drei Monate vor dessen Beendigung zu
erfolgen. Es habe Meldepflicht bestanden. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht zu erkennen. Ein Anruf bei
der Service-Hotline der AA sei nicht belegt. Die Meldung sei – gerechnet ab dem 02.05.2005 – um 25 Tage zu spät
erfolgt.
Hiergegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, nach
dem Wortlaut des § 37 b SGB III bestehe bei befristeten Arbeitsverhältnissen frühestens drei Monate vor Ablauf der
Befristung die Verpflichtung, sich arbeitsuchend zu melden. Der Wortlaut der Norm lasse den Schluss zu, dass auch
da-nach sanktionslos eine Meldung erfolgen könne, da ansonsten das eingefügte Wort "frü-hestens" überflüssig wäre.
Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.05.2005 (B 11a/11 AL 81/04 R) könne die nicht
unverzügliche Meldung nicht vorge-worfen werden, wenn sich der Arbeitslose aufgrund unverschuldeter Unkenntnis
nicht in-nerhalb der gebotenen Handlungsfrist bei der AA melde. Die Regelung im Arbeitsvertrag stehe dem nicht
entgegen. Außerdem sei sie, die Klägerin, von der Service-Hotline der AA falsch beraten worden. Dem hat die
Beklagte entgegengehalten, eine unverschuldete Ob-liegenheitsverletzung liege nach der Entscheidung des BSG vom
25.05.2005 hier nicht vor, weil die Klägerin im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die Meldeobliegenheit hingewiesen
worden sei.
Das SG hat mit Urteil vom 29.03.2006 die Klage abgewiesen. Es hat sich der Auffassung des BSG angeschlossen,
wonach die hier maßgebliche Fassung des § 37 b SGB III fordere, dass sich der Arbeitnehmer spätestens drei
Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend melden müsse, wenn das befristete Arbeitsverhältnis
länger bestehe, und im Wesentlichen ausgeführt, eine unverschuldete Obliegenheitsverletzung liege aus den von der
Beklagten benannten Gründen nicht vor. Ergänzend hat das SG – in Abweichung vom Tenor – ausgeführt: Soweit die
Beklagte eine Minderung um 25 Kalendertage mit jeweils 50 EUR vorgenommen habe, sei dies rechtswidrig. Bei der
Minderung des Alg wegen ver-späteter Arbeitsuchendmeldung sei nicht auf die Anzahl der Kalendertage, sondern nur
auf die Tage abzustellen, an denen es dem Arbeitslosen möglich und zumutbar gewesen sei, sich arbeitsuchend zu
melden. Verlange § 37 b SGB III ein Verschulden des Arbeitslosen, so müsse mit Rücksicht hierauf – aber auch im
Hinblick auf die der Norm entgegenzubrin-genden verfassungsrechtlichen Bedenken – § 140 Satz 2 SGB III dahin
ausgelegt werden, dass Tage der Verspätung ebenfalls auch nur solche Tage sein könnten, an denen dem Ar-
beitslosen der Vorwurf gemacht werden könne, sich nicht darum bemüht zu haben, den Versicherungsfall der
Arbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden oder deren Dauer zu begrenzen. Tage fehlender Dienstbereitschaft der AA
(Wochenenden oder Feiertage) seien deshalb ebenso wie die Tage auszunehmen, an denen es dem Arbeitslosen aus
subjektiven Gründen nicht möglich oder unzumutbar gewesen sei, die AA aufzusuchen. Dem entspre-che die im
Gesetzestext gewählte Formulierung "Tage" statt "Kalendertage" (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.08.2005 – B 7a/7
AL 94/04 R). Die Meldung der Klägerin sei nach alledem nicht um 25 Kalendertage, sondern nur um 17 Tage verspätet
gewesen, da die Wochenenden sowie die Feiertage Christi Himmelfahrt am 05.05.2005 und Pfingstmontag am
16.05.2005 in Abzug zu bringen seien. Damit sei das Alg nur um insgesamt 850 EUR zu mindern. Der Bescheid der
Beklagten sei daher zu korrigieren.
Mit ihrer dagegen am 09.05.2006 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter, Alg in ungeminderter Höhe
zu erhalten.
Mit Bescheid vom 10.05.2006 (i.V.m. dem Schreiben vom selben Tage) hat die Beklagte die Anzahl der
Minderungstage von ursprünglich 25 (Minderungsbetrag: 1.250 EUR) auf 17 Tage (Minderungsbetrag: 850 EUR)
korrigiert.
Die Klägerin führt aus, der – sanktionsbewehrte – Vorwurf eines Obliegenheitsverstoßes könne regelmäßig nur
erhoben werden, wenn das geforderte Verhalten hinreichend klar im Gesetz ausformuliert sind. Die Auffassung des
SG, nach der es sich bei § 37 b SGB III um eine inhaltlich hinreichend verständlich gefasste Norm handele, könne
nicht geteilt werden. Der Normbefehl der hier maßgeblichen Fassung laute: "Im Falle eines befristeten Arbeits-
verhältnisses habe die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen." "Frühestens"
könne nicht als "spätestens" ausgelegt werden. Aber auch die Rechtsprechung des BSG setze auf Seiten des
Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab voraus, damit die Verletzung einer
Obliegenheitspflicht des § 37 b SGB III bejaht werden könne. Das BSG habe überdies in Bezug auf § 37 b Satz 2
SGB III ausdrücklich ausgeführt, im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung sei zu Gunsten des Arbeitslosen zu
beachten, dass der Normbefehl der gesetzlichen Regelung hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens der
Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitssuch-endmeldung gerade in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisses klarer und
eindeutiger hätte formuliert werden können und die Norm von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit un-terschiedlich
ausgelegt worden sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R). Das SG hätte somit in dem zur
Entscheidung anstehenden Verfahren überprüfen müssen, ob auf Seiten der Klägerin ein Verschulden vorgelegen
habe. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG sei rechtlicher Ansatzpunkt hierzu § 121 Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB), der eine Legaldefinition der Unverzüglichkeit enthalte. Danach sei ein Verstoß gegen die
Obliegenheit, sich arbeitsuchend zu melden, dann zu verneinen, wenn der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner
individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ohne schuldhaftes Zögern gehandelt habe. Im Übrigen sei nach der
Rechtsprechung des BSG auch zu berücksichtigen, ob die Beklagte nicht bereits ohnehin aufgrund der ord-
nungsgemäßen Abmeldung des Arbeitslosen über den Beendigungszeitpunkt des befristeten Arbeitsverhältnisses
informiert gewesen sei, so dass eine Pflicht zur nochmaligen zusätzlichen Arbeitsuchendmeldung durch persönliche
Vorsprache gemäß § 37 b SGB III, mit der der Versicherte nochmals das Datum der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses an-zeigen müsste, eine bloße Förmelei und unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB bedenklich
sei.
Diese Prämissen auf das hierzu entscheidende Verfahren angewandt bedeute, dass sie, die Klägerin, die Obliegenheit
des § 37 b SGB III nicht schuldhaft verletzt habe. Das SG unterstelle, dass sie sich – entgegen dem
Gesetzeswortlaut – spätestens drei Monate vor Ab-lauf des befristeten Arbeitsvertrages hätte melden müssen. Woher
sie dieses Wissen hätte beziehen sollen, werde vom SG nicht weiter ausgeführt. Der Hinweis auf § 5 des
Arbeitsvertrages vom 19.01.2004 helfe nicht weiter, da der Wortlaut dieser Regelung lediglich Bezug auf § 37 b SGB
III und somit auf den Gesetzestext nehme. Sie habe außerdem substantiiert vorgetragen, dass sie sich Ende April
2005 an die Beklagte über deren Service-Hotline bei der AA gewandt und von dort die Auskunft erhalten habe, dass
eine Meldung im Laufe des Monats Mai 2005 ausreichend sei. Dieser Vortrag werde auch durch den Einwand der
Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 23.01.2006, dass die Unterlagen der Beklagten eine Kontaktaufnahme der
Klägerin nicht verzeichneten, nicht widerlegt. Nach diesseitiger Kenntnis würden Anrufe bei der Service-Hotline nicht
registriert bzw. in der Leistungsakte des Anrufenden vermerkt. Für ein Verschulden der Klägerin trage jedoch die
Beklagte die Beweislast. Sie sei überdies auch aus beruflichen Gründen gehindert gewesen, zu einem früheren
Termin als dem 27.05.2005 in der AA vorstellig zu werden. Wie aus der Mitteilung ihres ehemaligen Arbeitgebers vom
30.08.2005 hervorgehe, sei sie in den Monaten Mai und Juni 2005 in besonderem Maße in ihre arbeitsvertraglichen
Verpflichtungen eingebunden gewesen. Schließlich wäre vom SG zu überprüfen gewesen, ob die Beklagte nicht
ohnehin durch ihre Veränderungsmitteilung zum Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses (Februar 2004) über
das Ende der Befristung informiert worden sei. Wenn dem so wäre, würde ihre erneute Meldung gemäß § 37 b SGB III
eine unnötige Förmelei darstellen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2005 in
Verbindung mit dem Schreiben vom 12. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005 und
des Änderungsbe-scheides vom 10. Mai 2006 in Verbindung mit dem Schreiben vom selben Tage abzuändern und der
Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01. August 2005 ohne eine Min-derung nach § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch
in der vom 01. Januar 2005 bis 30. Dezember 2005 geltenden Fassung entsprechend den in den Bescheiden vom 14.
Juli 2005 und 10. Mai 2006 ausgewiesenen Berechnungsgrundlagen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen und die weitergehende Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens am 03.05.2006 im Rahmen des § 44 Zehntes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sinngemäß beantragt, den Bescheid vom 14.07.2005 hinsichtlich der Anzahl der
Minderungstage unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu prüfen. Dem habe die Beklagte mit
Bescheid vom 10.05.2006 Rechnung getragen. Streitig sei daher nur noch eine Minderung i.H.v. 850 EUR, was einer
verspäteten Meldung von 17 Tagen entspreche. Im Übrigen sei der angegriffene Bescheid vom 14.07.2005 (i.V.m.
dem Schreiben vom 12.07.2005) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2005 rechtmäßig. Die
Klägerin habe sich nicht im Sinne des § 37 b Satz 1 und 2 SGB III unverzüglich arbeitsuchend gemeldet. Aus der
Berufungsbegründung vom 21.06.2006 ergäben sich keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte, die den Bestand
des Urteils erschüttern könnten. Insoweit werde auf den Widerspruchsbescheid und das Urteil des SG verwiesen. Der
Klägerin sei mit dem BSG (Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R), darin zuzustimmen, dass der Normbefehl des §
37 b Satz 2 SGB III gerade in Fällen befristeter Arbeitverhältnisse klarer und eindeutiger hätte formuliert werden
können. Entgegen der Auffassung der Klägerin helfe hier aber sehr wohl der Hinweis auf § 5 des Arbeitsvertrages vom
19.01.2004 weiter. § 5 des Arbeitsver-trages greife gerade nicht auf die Formulierung des § 37 b SGB III zurück. Die
Formulierung in § 5 des Arbeitsvertrages sei eindeutig. Der Klägerin sei von Anfang an bekannt gewesen, dass das
Arbeitsverhältnis bis zum 31.07.2005 befristet gewesen sei. Ihr sei es damit unzweifelhaft möglich gewesen, den
Zeitpunkt "drei Monate vor Ablauf des Ver-tragsverhältnisses" zu bestimmen. Es werde bestritten, dass der Klägerin
Ende April 2005 von der Service-Hotline der AA mitgeteilt worden sei, eine Meldung im Sinne des § 37 b SGG III
reiche auch im Verlauf des Monats Mai 2005 noch aus. Die Vorschrift des § 37 b SGB III gelte seit dem 01.07.2003.
Es sei daher davon auszugehen, dass die Mitarbeiter der Beklagten mit der Vorschrift des § 37 b SGB III vertraut und
auch besonders sensibilisiert seien. Der Klägerin sei es aus dienstlichen Gründen auch möglich gewesen, sich
rechtzeitig arbeitsuchend zu melden. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom 30.08.2005 sei nicht geeignet, das
Gegenteil nachzuweisen. Nach dem vorgenannten Schreiben sei die Klägerin nicht an jedem Wochentag an ihrem
Arbeitsplatz in Weimar tätig gewesen. Bestritten werde weiter den Vortrag der Klägerin, sie habe im Februar 2004 mit
Veränderungsmitteilung die Aufnahme der bis zum 31.07.2005 befristeten Beschäftigung angezeigt. Nach Aktenlage
habe die Klägerin zuletzt am 23.05.2000 Arbeitslosenhilfe beantragt. Dieser Antrag sei mit Bescheid vom 23.05.2000
abgelehnt worden. Mit Verände-rungsmitteilung vom 03.01.2002 habe die Klägerin mitgeteilt, in der Zeit vom
01.10.2001 bis 31.12.2001 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Jena gearbeitet zu haben und ab dem
30.11.2001 umgezogen zu sein. Danach sei der Alg-Antrag vom 09.06.2005 gefolgt.
Die Beteiligten haben sich mit der Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter als Einzelrichter
einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 02.06.2006 und vom 17.07.2006).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Leistungsakte und der Verfahrensakten der beiden
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Leistungsakte und der Verfahrensakten der beiden
Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte hat den Alg-Anspruch der Klägerin zu Unrecht um die allein noch
streitgegenständlichen 850 EUR gemindert. Insoweit sind die Alg-Bescheide rechtswidrig.
Bezüglich der Auslegung des § 37 b SGB III (i.V.m. § 140 SGB III) in der hier maßgeblichen Fassung wird auf die
Urteile des BSG von 25.05.2005 (B 11a/11 AL 81/04 R – BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr. 1), vom 18.08.2005 (B
7a/7 AL 80/04 R; B 7a/7 AL 4/05 R – SozR 4-1500 § 95 Nr. 1; B 7a/7 AL 94/04 R – BSGE 95, 80 = SozR 4-4300 §
140 Nr. 2) und vom 20.10.2005 (B 7a AL 50/05 R – BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr. 2; B 7a AL 28/05 R)
Bezug genommen. Den dort aufgestellten Rechtssätzen schließt sich der Ein-zelrichter des Senats.
Nach der Auslegung der Norm des § 37 b SGB III, wie sie das BSG in seinen Urteilen vom 20.10.2005 vorgenommen
hat (vgl. nur B 7a AL 50/05 R – BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37 b Nr. 2 Rn. 14 ff.), muss sich bei kalendermäßig
befristeten, mehr als drei Monate dauernden Arbeitsverhältnissen der Arbeitnehmer spätestens drei Monate vor
Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend melden. Hiernach hat sich die Klägerin nicht recht-zeitig vor
Ablauf ihres befristeten Arbeitsverhältnisses persönlich bei der AA arbeitsuchend gemeldet, weil sie erst Ende Mai
2005 persönlich bei der AA vorgesprochen hat, jedoch das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2005 endete. Aus der
Leistungsakte ergibt sich auch nicht, dass die Klägerin der AA schon zuvor die Befristung des hier maßgeblichen
Arbeitsverhältnisses persönlich oder auch nur schriftlich mitgeteilt hat. Im Übrigen hat die Klägerin dies nicht als
Tatsache behauptet, sondern nur als eine Möglichkeit aufgezeigt, die es noch aufzuklären gelte. Eine weitere, über
die Auswertung der insoweit für die Klägerin unergiebigen Leistungsakte hinausgehende Aufklärungsmöglichkeit
besteht nicht und ist auch nicht dargetan.
Allerdings kommt eine Minderung des Alg-Anspruchs nach § 140 SGB III wegen Verlet-zung der sich aus § 37 b SGB
III ergebenden Obliegenheit nur dann in Betracht, wenn dem Versicherten vorgeworfen werden kann, er habe die
Obliegenheit der frühzeitigen Arbeitssuche schuldhaft verletzt. Zu prüfen ist mithin, ob der Leistungsempfänger nach
seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war und sich fahrlässig
nicht unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Kenntnis über die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses bei der
zuständigen AA gemeldet hat (vgl. nur BSG, Urteil vom 18.08.2005 – B 7a/7 AL 4/05 R – SozR 4-1500 § 95 Nr. 1 Rn.
10). An die Stelle der Kenntnisnahme von der Beendigung mit unverzüglicher Arbeitsuchendmel-dung tritt bei
kalendermäßig befristeten, mehr als drei Monate dauernden Arbeitsverhältnissen die Einhaltung der Dreimonatsfrist.
Diese darf nicht subjektiv fahrlässig unbeachtet geblieben sein (BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B7a AL 50/05 R –
BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr. 2 Rn. 17).
Soweit die Klägerin zunächst vorgetragen hat, ihr sei es auch aus beruflichen Gründen nicht möglich gewesen,
rechtzeitig persönlich die AA aufzusuchen, hat sie in der mündlichen Verhandlung sofort auf Nachfrage durch den
Einzelrichter des Senats offen einge-räumt, dass sie in der Lage gewesen sei, Ende April oder Anfang Mai 2005 die
AA aufzusuchen.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf die – zumindest hier anzutreffende – Unfähigkeit des Gesetzgebers berufen,
seinen Willen so zum Ausdruck zu bringen, dass er sagt, was er meint. Denn die Klägerin ist in § 5 ihres
Arbeitsvertrags mit klaren Worten über ihre Ob-liegenheit informiert worden. Die dortigen Angaben entsprechen auch
der zutreffenden Auslegung der Vorschrift des § 37 b SGB III durch das BSG. Die Klägerin hat dagegen nicht
vorgetragen, sie habe zusätzlich den Gesetzestext zu Rate gezogen und sei nach dessen Lektüre zur – bei einem
arbeitsförderungsrechtlichen Laien nachvollziehbaren – Auf-fassung gelangt, sie müsse sich frühestens drei Monate
vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses persönlich bei der AA arbeitsuchend melden. Die sprachlich
verunglückte Formulierung "frühestens" in § 37 b Satz 2 SGB III hat sich mangels Kenntnisnahme schon nicht kausal
ausgewirkt.
Jedoch ist der Einzelrichter des Senats nach ausführlicher Befragung der Klägerin davon überzeugt, dass sie
tatsächlich Ende April 2005 bei der Service-Hotline der AA angerufen und dort eine zumindest missverständliche,
wenn nicht gar falsche Auskunft über den Zeitpunkt, ab wann sie sich persönlich bei der AA als arbeitsuchend melden
soll, erhalten hat. Der Einzelrichter des Senats geht unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin davon aus, dass
ihr von der Service-Hotline mitgeteilt worden ist, es reiche aus, wenn sie sich im Mai melde.
Diese Angaben sind glaubhaft. Bei ihrer Befragung in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin sehr
nachvollziehbar ihre Situation geschildert. Sie stand als alleinerziehende Mutter eines kleinen Kindes unter hohem
beruflichem Druck, wusste aber auch, dass sie sich arbeitsuchend melden müsse und hat deswegen bei der Service-
Hotline angerufen. Zugleich war sie aber erleichtert, als sie erfuhr, dass sich nicht umgehend melden müsse, sondern
sich Zeit lassen könne. Diese Situation hat die Klägerin so offen und lebhaft ge-schildert, dass der Einzelrichter des
Senats keinen Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser An-gaben hat. Angesichts der prekären finanziellen Situation der
Klägerin und ihres in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretenen Verantwortungsbewusstseins für ihr Kind hat
der Einzelrichter auch keinen Anlass zur Annahme, der Klägerin sei es gleichgültig gewe-sen, ob sie den Termin
einhalte und gegebenenfalls finanzielle Nachteile in Kauf nehmen müsse, oder sie sei insoweit zumindest leichtfertig
gewesen. Hinzu kommt: Die Klägerin hat bereits in ihrem Widerspruch, und nicht erst als nachgeschobene
Begründung im Klage- oder gar erst im Berufungsverfahren auf ihren Anruf bei der Service-Hotline und die dort
erhaltene Auskunft hingewiesen. Nachvollziehbar und den Einzelrichter des Senats überzeugend ist auch ihre
Begründung dafür, warum der Anruf bei der Service-Hotline nicht thematisiert worden ist. Da eine Kürzung des Alg im
Sinne des Inaussichtstellens einer zu erwartenden Reaktion der Beklagten nicht besprochen wurde, gab es auch
keinen Anlass, auf die telefonische Kontaktaufnahme hinzuweisen, da diese natürlich keine persönliche
Arbeitsuchendmeldung dargestellt hat.
Wenn aber die Klägerin auf ihre Nachfrage hin eine zumindest unklare Antwort erhalten hat und ihr nicht unter Angabe
eines Datums konkret gesagt wurde, bis wann sie sich spätestens bei der AA als arbeitsuchend zu melden habe, um
Leistungsnachteile zu vermeiden, sondern nur die Rede davon war, es reiche aus, wenn sie sich im Mai melde, trifft
die Klägerin kein Verschulden daran, dass sie sich erst Ende Mai 2005 als arbeitsuchend gemeldet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160
Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.