Urteil des LSG Saarland vom 04.08.2006

LSG Saarbrücken: ausbildung, berufliche eingliederung, rehabilitation, freier mitarbeiter, wirtschaftlichkeit, luftfahrt, arbeitsmarkt, berufswahlfreiheit, berufsfreiheit, auskunft

LSG Saarbrücken Urteil vom 4.8.2006, L 7 RJ 22/04
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - Förderung einer Umschulung zum
Berufshubschrauberpiloten - Ermessen des Rentenversicherungsträgers - Gebot der
Wirtschaftlichkeit- und Sparsamkeit - Freiheit der Berufswahl - Eigenbeteiligung des
Versicherten - Klageart
Leitsätze
Bei einer auf die Gewährung von Rehabilitationsleistungen nach §§ 13,16 SGB VI iVm § 33
SGB IX gerichteten Klage ist grundsätzlich die mit der Anfechtungsklage verbundene
Verpflichtungssbescheidungsklage die richtige Klageart.Eine auf die Gewährung einer
bestimmten Rehabilitationsleistung gerichtete kombinierte Anfechtungs- und
Verpflichtsklage ist demgegenüber regelmäßig unzulässig und kommt nur in den Fällen
einer Ermessensreduzierung auf Null in Betracht, also dann, wenn der Ermessensspielraum
des Rentenversicherungsträgers aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles
derart eingeschränkt ist, dass allein die Bewilligung der konkret begehrten Leistung als
rechtmäßig anzusehen ist. Aus Art 12 GG folgt, dass der Zugang zu einem gewählten
Beruf nicht durch das öffentliche Leistungsrecht erschwert oder wirtschaftlich unmöglich
gemacht werden darf und deshalb die gesetzlichen Vorschriften im öffentlichen
Leistungsrecht im Zweifel zu Gunsten der Berufsfreiheit auszulegen sind. Mit dem in § 33
IV 1 SGB IX enthaltenen Begriff der Neigung ist die selbstbestimmt Berufswahl auch zu
einem Tatbestandsmerkmal und damit zu einem Entscheidungskriterium geworden, das
die Verwaltung mit Tücksicht auf Art. 12 GG besonders dann beachten muss, wenn sich
die Neigung tatsächlich zu einer entschiedenen Berufswahl verdichtet hat. Dies bedeutet
zwar nicht, dass im Bereich der Rehabillitation ein Berufswunsch allein entscheidenes
Kriterium für die Leistungspflicht eines öffentlichen Trägers sein müsste; daneben sind
nämlich Eignung und vor allem auch das Ziel einer dauerhaften beruflichen Eingliederung zu
beachten. Fördermittel dürfen daher nur dort eingesetzt werden, wo der gewünschte
Beruf zugleich die Chance des Rehabilitationserfolges eröffnet. Es ist jedoch dem Gesetz an
keiner Stelle zu entnehmen, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Berufswahlfreiheit
über das vom Leistungszweck hinaus gedeckte Maß eingeengt werden soll. Auch im
Rahmen der beruflichen Rehabilitation kann vom Rehabilitationsträger grundsätzlich eine
zumutbare Selbsthilfe und Eigenbeteiligung verlangt werden. Zur Möglichkeit der Föderung
einer Umschulung zum Berufshubschrauberpiloten, wenn sich der Antragsteller bereit
erklärt, die für die Aufnahme der Ausbildung erforderliche Privathubschrauberlizenz auf
eigene Kosten zu erwerben.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
10.03.2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13.05.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.02.2003 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die
Ausbildung zum Hubschrauberberufspiloten unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Senats neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Förderung der Ausbildung des Klägers zum
Berufshubschrauberpiloten im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur beruflichen
Rehabilitation.
Der 1973 geborene Kläger ist in Kroatien aufgewachsen. Nach Besuch der Mittelschule
absolvierte er eine Ausbildung zum Schlosser. 1992 kam er zusammen mit seinem Bruder
nach Deutschland und arbeitete in der Folge als angelernter Zimmermann bis zur
Kündigung des Arbeitsverhältnisses im April 1999. Am 15.06.1999 erlitt er anlässlich eines
Verkehrsunfalls eine Fußwurzelfraktur links (mit Fersenbein- und Kahnbeinbruch sowie
Fraktur des 2. und 3. Mittelfußknochens und Weichteildefekt) und eine Claviculafraktur
rechts.
In einem sozialmedizinischen Gutachten von Dr. H. D. vom medizinischen Dienst der
Krankenversicherung im S. (MDK) vom 10.11.1999 kam der ärztliche Gutachter zu dem
Ergebnis, dass eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliege und berufliche
Rehabilitation bzw. Fördermaßnahmen zu prüfen seien.
Vom 01.02.2000 bis 07.03.2000 befand sich der Kläger in einer medizinischen
Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik für Orthopädie und Sportmedizin der H.-Kliniken W..
Im Reha-Entlassungsbericht wurde u.a. ausgeführt, dass der Kläger arbeitsunfähig für seine
zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Zimmermann entlassen werde. Nach abgeschlossener
Rehabilitation bestehe in diesem Berufsbild voraussichtlich keinerlei Leistungsfähigkeit
mehr. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werde der Kläger voraussichtlich wieder in der
Lage sein, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen vollschichtig auszuüben. Dabei sollten
folgende Einschränkungen berücksichtigt werden: kein Steigen von Treppen, Leitern und
Gerüsten, keine hohen Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit, kein Heben und
Tragen von Lasten größer 15 kg, keine Überkopfarbeiten.
In einem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 04.05.2000 wurde zusammenfassend
ausgeführt, dass bei stark eingeschränkter Beweglichkeit im Sprunggelenk und
Zehenbereich der linke Fuß verkürzt und im Mittelfußbereich verdickt sei. Beim Stehen
werde ausschließlich das rechte Bein als Standbein gewählt, da immer noch starke
Schmerzen verspürt würden. Das linke Bein weise eine Muskelverschmächtigung auf. Auch
wenn durch die durchgeführte Krankengymnastik noch eine leichte Besserung erzielt
werden könne, sei mit einer bleibenden Behinderung zu rechnen. Eine sitzende Tätigkeit sei
anzustreben; dabei sollte der Kläger die Möglichkeit haben, gelegentlich etwas aufstehen
und gehen zu können.
Am 22.06.2000 stellte der Kläger einen Antrag auf Rehabilitationsleistungen beim
Arbeitsamt N., der am 10.07.2000 zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet
wurde.
Mit Bescheid vom 03.11.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Berufsfindung und
Arbeitserprobung, die in der Zeit vom 29.01. - 09.02.2001 beim Berufsförderungswerk
(BFW) in B. durchgeführt wurde. Im Rahmen der Berufsfindungsmaßnahme zeigte der
Kläger Interesse an einer Ausbildung zum Qualitätsfachmann. Im Abschlussbericht des BFW
wurde u.a. ausgeführt, dass für die Zukunft Belastungen des linken Fußes durch längeres
Gehen oder Stehen, insbesondere auf unebenem Boden, schweres Heben und Tragen,
Steigen auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in Kälte und Nässe vermieden werden
müssten. Daneben müssten auch ständige Überkopfarbeiten vermieden werden. Die
zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Dachdeckerhelfer könne der Kläger nicht mehr ausüben. Er
könne leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, aber auch mit der Möglichkeit,
etwas aufzustehen und gehen zu können, ohne stärkere Belastung des linken Fußes und
des rechten Schultergelenkes, aber auch der Lendenwirbelsäule (LWS), vollschichtig
ausüben. Daneben bestehe bei dem Kläger eine Hausstaubmilbenallergie zeitweise mit
Luftbeschwerden. Aus ärztlicher Sicht kämen in erster Linie Büroberufe in Frage; im
Hinblick auf die erheblichen Funktionsstörungen im linken Fuß und in der rechten Schulter,
aber auch bei angegebenen leichten Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sollte die
Umschulung nach Möglichkeit in einem BFW mit begleitender ärztlicher und psychologischer
Betreuung durchgeführt werden. Nach den Ergebnissen der praktischen Erprobung sei der
Kläger für handwerklich-technische Berufe, zeichnerische und zeichentechnische Berufe
sowie bürotypische und kaufmännisch-verwaltende Berufe geeignet. Sein
Begabungsschwerpunkt im Praktischen liege im Handwerklichen. Von den Berufen, die im
BFW B. angeboten würden, könnten vorgeschlagen werden: Bürokaufmann,
Qualitätsfachmann, Kommunikationselektroniker, Informationstechnik. Der Kläger
interessiere sich für den vorgeschlagenen Beruf Qualitätsfachmann. Die leichten
elektronischen Berufe und der Qualitätsfachmann kämen von Seiten des linken Fußes und
des rechten Armes in Frage. Hier stelle sich aber doch die Frage der Empfindlichkeit der
Bronchien im Hinblick auf Lötdämpfe und Stäube. Falls der Kläger einen solchen Beruf
wählen sollte, sollte noch eine lungenfachärztliche Stellungnahme eingeholt werden. Zur
Sicherung des Maßnahmeerfolges müssten berufliche Rehabilitationsmaßnahmen in einem
BFW durchgeführt werden; vor Maßnahmebeginn sollte ein dreimonatiger
Rehabilitationsvorbereitungslehrgang durchgeführt werden.
Anlässlich zweier Beratungsgespräche am 03.09.2001 und 25.02.2002 gab der Kläger an,
dass er nur an einer Ausbildung zum Hubschrauberpiloten interessiert sei; er wolle die
Kosten, die über die üblichen Umschulungskosten hinausgingen, selbst übernehmen. Er
legte ein fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis mit dem Tauglichkeitsgrad III (vom
19.10.2001) und ein Angebot des Fördervereins Allgemeine Luftfahrt in Z. vor, wonach der
Preis für die Ausbildung zum Berufshubschrauberführer 132.000 DM zuzüglich gesetzlicher
Mehrwertsteuer betrage.
Mit Bescheid vom 13.05.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Antrag auf
Übernahme der Kosten für die Ausbildung zum Hubschrauberpiloten als Leistung zur
Teilhabe am Arbeitsleben nicht entsprochen werden könne.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, wobei er mitteilte, dass die
Ausbildung zum Hubschrauberführer etwa ein Jahr dauere; er habe zwischenzeitlich Anfang
April mit der Ausbildung begonnen. Voraussetzung für eine Ausbildung zum Berufspiloten
sei eine Privatlizenz; die Prüfung für die Privatlizenz werde der Kläger Ende Juli 2002
ablegen. Der Kläger legte Bescheinigungen der Firmen „LGM Luftfahrt GmbH M.“ und „AIR
LLOYD“ vor, wonach sich die Kosten der Ausbildung zum Berufshubschrauberführer - für
Inhaber der Erlaubnis für Privathubschrauberführer - auf 26.681,60 EUR bzw. 39.665 EUR
beliefen.
Der eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2003 als
unbegründet zurückgewiesen. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde u.a.
ausgeführt, dass eine Umschulung in einem der vom BFW angezeigten Berufsfelder
ausreichend sei, eine berufliche Eingliederung zu erreichen, die auch nicht unter dem
bisherigen Berufsniveau des Klägers liege. Eine Kostenübernahme für die Ausbildung zum
Hubschrauberpiloten komme, unabhängig von der Frage der gesundheitlichen Eignung,
unter Beachtung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht in Betracht.
Eine Kostenteilung bzw. teilweise Übernahme der Kosten für eine Ausbildung zum
Hubschrauberpiloten lasse die Gesetzeslage nicht zu; die erforderlichen Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben seien grundsätzlich umfassend zu übernehmen.
Gegen den am 10.02.2003 abgesandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am
21.02.2003 Klage erhoben.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat die Klage, im Einverständnis mit den Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung, durch Urteil vom 10.03.2004 abgewiesen.
Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 9 Abs. 2 des 6. Buches des Sozialgesetzbuchs,
Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) erbracht werden könnten, wenn die persönlichen
und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. Im Rahmen ihres
Ermessens habe die Beklagte bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige
Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu
berücksichtigen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 des 9. Buches des Sozialgesetzbuchs, Rehabilitation
und Teilhabe behinderter Menschen ). Im Übrigen bestimme der Träger der
Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die
Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs. 1 SGB VI). Die von
der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung könne gerichtlich nur daraufhin überprüft
werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden seien oder von
dem eingeräumten Ermessen in einer der Zweckermächtigung nicht entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht worden sei (§ 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ).
Vorliegend habe die Beklagte die (teilweise) Kostenübernahme für eine Ausbildung zum
Hubschrauberpiloten ermessensfehlerfrei unter Hinweis auf das Gebot der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit abgelehnt. Die Ausbildung zum Hubschrauberpiloten
koste circa 153.120 DM. Dagegen hätte die von der Beklagten vorgeschlagene
Umschulung zum Qualitätsfachmann - ein Beruf, für den der Kläger geeignet und der ihm
auch zumutbar wäre - lediglich Kosten in Höhe von circa 76.000 DM verursacht. Die
Neigung des Klägers, Hubschrauberpilot zu werden, sei nach § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX
lediglich „angemessen“ zu berücksichtigen und trete zurück, wenn das Rehabilitationsziel
deutlich kostengünstiger erreicht werden könne. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf
eine teilweise Übernahme der Kosten bzw. die Zahlung der 76.000 DM, die die
Umschulung zum Qualitätsfachmann gekostet hätte. Insoweit fehle es an einer
gesetzlichen Grundlage.
Gegen das am 15.03.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.04.2004 bei Gericht
eingegangene Berufung.
Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass er zwischenzeitlich seine
Ausbildung zum Hubschrauberberufspiloten abgeschlossen habe; er sei momentan dabei,
sich zum Ausbilder bzw. Lehrer weiterzubilden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die
entstandenen Kosten auch nicht teilweise übernommen werden könnten; gerade hierdurch
würde dem Gebot der Sparsamkeit Rechnung getragen. Der Kläger habe sich auch, was
seine Neigungen und Fähigkeiten betreffe, richtig eingeschätzt. Entgegen der Ansicht der
Beklagten seien für ihn Berufe im Büro- bzw. Verwaltungsbereich nicht in Betracht
gekommen; diese hätten in keinster Weise seiner Neigung entsprochen.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des SG vom 10.03.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom
13.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.02.2003
aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Übernahme der
Kosten für die Ausbildung zum Hubschrauberberufspiloten unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
wobei sie sich zur Begründung im Wesentlichen die Argumentation des SG in dem
angegriffenen Urteil zu Eigen gemacht hat.
Der Kläger hat eine Bescheinigung des „Fördervereins Allgemeine Luftfahrt“ vorgelegt,
wonach sich die Kosten für den Erwerb der Berufspilotenlizenz CHPL auf insgesamt 32.700
EUR belaufen haben. Er hat ergänzend hierzu mitgeteilt, dass in dieser Bescheinigung
sowohl die Kosten für die Privatpilotenlizenz (13.500 EUR) als auch die Kosten für die
Berufspilotenlizenz (CHPL) enthalten seien. Nach dem am 29.05.2006 durchgeführten
Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger weitere Unterlagen zu den Kosten der
Ausbildung, fliegerärztliche Tauglichkeitsbescheinigungen und einen am 24.01.2003 vor
dem Landgericht Saarbrücken abgeschlossenen Vergleich in dem Verfahren 14 O 98/02
vorgelegt.
Seit dem 01.11.2005 ist der Kläger bei der Firma E. als Hubschrauberpilot im Rahmen
eines Arbeitsverhältnisses als freier Mitarbeiter angestellt.
Der Förderverein Allgemeine Luftfahrt Z.- H. e.V. hat auf Anfrage mitgeteilt, dass das
Angebot vom 13.11.2001 an den Kläger unter Berücksichtigung einer Ausbildung mit den
kompletten notwendigen Stunden zur Erlangung der Berufspilotenlizenz CHPL gemacht
worden sei. Bei dem zweiten Angebot vom 10.09.2004 handele es sich nur noch um einen
Teil der Stunden, da der Kläger privat schon einen Großteil der Stunden absolviert gehabt
habe.
In dem Termin am 29.05.2006 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im
schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den weiteren
Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte, nachdem sich die Beteiligten in dem Termin zur mündlichen Verhandlung
vom 29.05.2006 mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben, ohne weitere
mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die von dem Kläger eingelegte Berufung, gegen deren Zulässigkeit sich keine Bedenken
ergeben, ist begründet.
Denn die Entscheidung der Beklagten, den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten
für die Ausbildung zum Hubschrauberpiloten zur Gänze abschlägig zu bescheiden, ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Eine Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der von dem Kläger beantragten Kosten
i.S.d. von dem Kläger ursprünglich gestellten Hauptantrages war allerdings nicht möglich.
Bei einer auf die Gewährung von Rehabilitationsleistungen nach §§ 13, 16 SGB VI i.V.m. §
33 SGB IX gerichteten Klage ist nämlich grundsätzlich die mit der Anfechtungsklage
verbundene Verpflichtungsbescheidungsklage die richtige Klageart. Eine auf die Gewährung
einer bestimmten Rehabilitationsleistung gerichtete kombinierte Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage ist demgegenüber regelmäßig unzulässig und kommt nur in den Fällen
einer Ermessensreduzierung auf Null in Betracht, also dann, wenn der Ermessensspielraum
des Rentenversicherungsträgers aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles
derart eingeschränkt ist, dass allein die Bewilligung der konkret begehrten Leistung als
rechtmäßig anzusehen ist (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, §
13 SGB VI Randnr. 14 m.w.N.). Hiervon kann indes im vorliegenden Fall nicht ausgegangen
werden, weil - was noch auszuführen sein wird - nicht geklärt ist, ob nicht Belange des
Arbeitsmarktes einer Förderung der begehrten Umschulung zum
Berufshubschrauberpiloten entgegenstanden. Auf Hinweis des Senats in der mündlichen
Verhandlung vom 29.05.2006 hat der Kläger den Antrag auf Kostenübernahme auch nicht
aufrechterhalten.
Die Berufung ist - entsprechend dem von dem Kläger nunmehr allein gestellten Antrag -
insoweit begründet, als die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu einer
Neubescheidung des klägerischen Begehrens zu verpflichten ist. Denn mit ihrer
Entscheidung hat die Beklagte die vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens
überschritten (sog. Ermessensfehlgebrauch).
Gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimmt der zuständige Träger der Rentenversicherung
im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art,
Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung von Rehabilitationsleistungen sowie die
Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben erbringen die Träger der Rentenversicherung gem. § 16 SGB VI hierbei nach
Maßgabe der Vorschriften der §§ 33 bis 38 SGB IX.
Gem. § 33 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen
Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter
Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen
oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.
Die Leistungen umfassen hierbei gem. § 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX u.a. eine berufliche
Anpassung und Weiterbildung, wobei gem. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX bei der Auswahl der
Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt werden.
Die vom SG angeführte Begründung, die Neigung des Klägers sei nach § 33 Abs. 4 Satz 1
SGB IX lediglich angemessen zu berücksichtigen und müsse zurücktreten, wenn das
Rehabilitationsziel deutlich kostengünstiger erreicht werden können, ist nur eingeschränkt
zutreffend. Denn es ist zu berücksichtigen, dass durch Art. 12 Grundgesetz (GG) die
Freiheit der Berufswahl verfassungsrechtlich geschützt ist. Dies bedeutet zwar nicht, dass
die Verwaltung einem der Eignung entsprechenden Berufswunsch in jedem Fall
entsprechen müsste. Auch ein Behinderter, der auf seine berufliche Rehabilitation einen
durch Beiträge erworbenen Anspruch hat, erwirbt diesen Anspruch nur im gesetzlich
geregelten Umfang und kann sich nicht zur Erweiterung dieses Anspruchs auf das
Grundrecht des Art. 12 GG berufen. Denn dieses Grundrecht schützt die Berufsfreiheit
grundsätzlich nur gegenüber staatlichen Eingriffen und begründet allein keine
Leistungsansprüche. Aus Art. 12 GG folgt aber, dass der Zugang zu einem gewählten
Beruf nicht durch das öffentliche Leistungsrecht erschwert oder wirtschaftlich unmöglich
gemacht werden darf und deshalb die gesetzlichen Vorschriften im öffentlichen
Leistungsrecht im Zweifel zu Gunsten der Berufsfreiheit auszulegen sind (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichts vom 03.07.1991, Az.: 9b/7 Rar 142/89 = BSGE 69, 128 =
SozR 3-4100 § 56 Nr. 3). Im Allgemeinen ist das gesetzliche Berufsförderungsrecht
nämlich von dem Grundsatz getragen, dass öffentliche Mittel nicht berufslenkend wirken
sollen, weil nach überwiegender Meinung aus Art. 12 GG ein Verbot staatlicher
Berufslenkung folgt (vgl. BSG-Urteil vom 28.03.1990, Az.: 9b/7 Rar 92/88 = BSGE 66,
275 = SozR 3-4100 § 56 Nr. 1). Soweit dem Staat zur sozialen Sicherung und Vorsorge
eine - wenn auch nach dem Umfang verfügbarer Mittel begrenzte - Leistungsverpflichtung
zukommt, weil sonst die garantierte Berufswahlfreiheit unterlaufen werden könnte,
korrespondiert mit diesem staatlichen Leistungsmandat zwar auch eine Befugnis zur
Steuerung. Diese ist aber eingeschränkt auf das Setzen bildungs- und
arbeitsmarktpolitischer Ziele. Nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
muss jede Lenkungsmaßnahme im Rahmen des Subventionszwecks daher das jeweils
mildeste Mittel wählen. Berufspolitische Lenkungsmaßnahmen unterliegen hierbei der
strikten Bindung an das Übermaßverbot, woraus folgt, dass individuelle
Ausbildungswünsche in angemessener Form berücksichtigt werden müssen (vgl. BSG-
Urteil vom 28.03.1990 a.a.O.). Zu berücksichtigen ist auch, dass mit dem in § 33 Abs. 4
Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriff der „Neigung“ die selbstbestimmte Berufswahl zum
Tatbestandsmerkmal und damit zu einem Entscheidungskriterium wird, das die Verwaltung
mit Rücksicht auf Art. 12 GG besonders dann beachten muss, wenn sich die Neigung
tatsächlich zu einer entschiedenen Berufswahl verdichtet hat (so BSG vom 03.07.1991
a.a.O.). Dies bedeutet zwar nicht, dass im Bereich der Rehabilitation ein Berufswunsch
allein entscheidendes Kriterium für die Leistungspflicht eines öffentlichen Trägers sein
müsste; daneben sind nämlich Eignung und vor allem auch das Ziel einer dauerhaften
beruflichen Eingliederung zu beachten. Fördermittel dürfen daher nur dort eingesetzt
werden, wo der gewünschte Beruf zugleich die Chance des Rehabilitationserfolges eröffnet.
Es ist jedoch dem Gesetz an keiner Stelle zu entnehmen, dass die verfassungsrechtlich
verbürgte Berufswahlfreiheit über das vom Leistungszweck hinaus gedeckte Maß eingeengt
werden soll.
Aus dem Vorgesagten folgt für den vorliegenden Fall, dass die von der Beklagten und dem
SG zur Leistungsablehnung herangezogene Begründung, eine Förderung der Umschulung
zum Berufshubschrauberpiloten komme unter Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit nicht in Betracht, nur unter der Voraussetzung zutreffend sein könnte,
dass die Kosten für die von dem Kläger favorisierte Umschulung die Kosten für die von der
Beklagten vorgeschlagene Umschulung zum Qualitätsfachmann in erheblichem Maße
übersteigen würden. Hiervon sind zwar sowohl die Beklagte als auch das SG ausgegangen,
eine nähere Prüfung zeigt jedoch, dass dies nicht unbedingt zutrifft. Zwar wurden in der
Auskunft des Fördervereins Allgemeine Luftfahrt e.V. vom 13.11.2001 die
Gesamtausbildungskosten mit 132.000 DM beziffert; in den im Widerspruchs- und später
im Berufungsverfahren vorgelegten bzw. eingeholten Auskünften wurden dann aber nur
noch Kosten genannt, die sich zwischen 28.681,60 EUR (unter Einbezug von Nebenkosten)
und 39.665,00 EUR bewegten, also Kosten in einem Umfang, der sich von den
angegebenen Kosten für eine Umschulung zum Qualitätsfachmann nicht wesentlich
unterschied. Nach der ergänzenden Auskunft des Fördervereins Allgemeine Luftfahrt vom
23.01.2006 beruhte die Angabe von 32.700 EUR in der Auskunft vom 10.09.2004
allerdings darauf, dass der Kläger privat schon einen Großteil der für die Erlangung der
Pilotenlizenz erforderlichen Stunden absolviert hatte. Nach den von dem Kläger zuletzt
vorgelegten Unterlagen hat er für die Ausbildung zum Berufshubschrauberpiloten
insgesamt einen Betrag von ca. 20.000 EUR aufgewandt, also deutlich weniger, als eine
Ausbildung zum Qualitätsfachmann gekostet hätte. Die in diesem Zusammenhang von der
Beklagten und dem SG vertretene Auffassung, dass die Gesetzeslage eine nur teilweise
Übernahme der Kosten nicht zulasse, findet im Gesetz indes keine Stütze. Es ist im
Gegenteil vielmehr davon auszugehen, dass auch im Rahmen der beruflichen Rehabilitation
eine zumutbare Selbsthilfe und Eigenbeteiligung vom Rehabilitationsträger grundsätzlich
verlangt werden kann (vgl. Niesel a.a.O. § 13 SGB VI Randnr. 15; BSG-Urteil vom
16.12.1981, Az.: 11 RA 89/80; BSG-Urteil vom 06.12.1983, Az.: 11 RA 72/82 = SozR
2200 § 1237a Nr. 24). Es hätten daher von Rechts wegen keine Bedenken bestanden, als
erforderliche Leistungen nach § 33 Abs. 1 SGB IX dem Kläger nur die Kosten für die
Ausbildung zum Berufshubschrauberführer, nicht hingegen diejenigen für die vorangehende
Ausbildung zum Privathubschrauberführer zu erstatten bzw. die Kostenübernahme auf den
nunmehr angegebenen günstigsten Betrag von ca. 20.000 EUR zu beschränken. Der
Kläger hatte sich auch bereits im Widerspruchsverfahren ausdrücklich bereit erklärt, die
Kosten für die Ausbildung teilweise selbst zu übernehmen. Demzufolge stand das von der
Beklagten zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung maßgeblich herangezogene
Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Förderung der Ausbildung zum
Berufshubschrauberführer nicht entgegen; die in den angefochtenen Bescheiden
enthaltenen Gründe sind damit ermessensfehlerhaft und nicht tragfähig. Durch die im
Berufungsverfahren erfolgte Vorlage von fliegerärztlichen Tauglichkeitszeugnissen mit der
Tauglichkeitsklasse I hat der Kläger auch belegt, dass hinsichtlich seiner Eignung für eine
Ausbildung zum Berufshubschrauberpiloten aus medizinischer Sicht keine Bedenken
bestanden.
Eine Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der begehrten Leistung kam - wie bereits
ausgeführt - allerdings nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass
eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge eingetreten ist, dass als allein
rechtmäßige Entscheidung der Beklagten nur noch die Bewilligung der Leistung in Betracht
gekommen ist. Zwar hat der Kläger mittlerweile die Ausbildung zum
Berufshubschrauberführer mit Erfolg absolviert; etwaige, zum Zeitpunkt der
Verwaltungsentscheidung bestehende Zweifel im Hinblick auf die Geeignetheit des Klägers
hinsichtlich der begehrten Ausbildung wären damit widerlegt (vgl. BSG-Urteil vom
11.05.2000, Az.: B 7 AL 18/99 R = SozR 3-4100 § 36 Nr. 5 zur Widerlegbarkeit einer im
Verwaltungsverfahren zur Eignung des Bewerbers angestellten Prognose infolge des
späteren Geschehensablaufs). Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der
Leistungspflicht des Rehabilitationsträgers ist aber auch, wie gesehen, durch die gewährten
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben möglichst eine dauerhafte berufliche Eingliederung
zu erreichen. Bei der Auswahl der Leistungen ist gem. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX daher
auch die Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen.
Daraus folgt, dass eine Förderung der begehrten Umschulung nur unter der Voraussetzung
in Betracht kam, wenn sich auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung vorhandenen Arbeitsmarktzahlen (vgl. BSG-Urteil vom
31.03.1992, Az.: 9b Rar 18/91 = BSGE 70, 226 = SozR 3-4100 § 45 Nr. 2) eine
realistische Chance für den Kläger ergab, nach erfolgreicher Absolvierung der Ausbildung
eine dauerhafte Anstellung als Berufshubschrauberführer zu finden. Dies wird die Beklagte
bei ihrer Neubescheidung zu prüfen und in ihre Ermessenserwägungen einzubeziehen
haben.
Auf die Berufung des Klägers waren das angegriffene Urteil sowie die angefochtenen
Bescheide damit aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag des Klägers unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.