Urteil des LSG Saarland vom 10.07.1997

LSG Saa: einkünfte aus erwerbstätigkeit, pauschalabzug, besondere härte, pauschalbetrag, bevorzugung, post, arbeiter, rückforderung, ergänzung, steuerberater

Landessozialgericht für das Saarland
Urteil vom 10.07.1997 (rechtskräftig)
Sozialgericht für das Saarland S 11 Eg 77/96
Landessozialgericht für das Saarland L 6/1 Eg 4/96
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.11.1996 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Erziehungsgeldes.
Die Klägerin ist die Mutter des am xx geborenen Sohnes S ... Am 03.03.1995 stellte sie einen Antrag auf Gewährung
von Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Bis zum Beginn der Mutterschutzfrist hatte
sie bei der Firma P. S. GmbH in St. I. gearbeitet. In dem Antragsformular gab sie an, daß sie bis zur Höchstdauer
(Vollendung des 24. Lebensmonats des Kindes) Erziehungsurlaub nehmen werde.
Mit Bescheid vom 06.04.1995 gewährte der Beklagte der Klägerin ein ungekürztes Erziehungsgeld von monatlich
600,- DM für die ersten sechs Lebensmonate des Kindes. Lediglich für die Zeit vom 03.01. bis 28.02.1995 ergab sich
aufgrund der Anrechnung des gezahlten Mutterschaftsgeldes kein Anspruch. Für die Zeit vom 7. bis 12. Lebensmonat
des Kindes wurde ein gekürztes Erziehungsgeld von 525,- DM monatlich unter Berücksichtigung der Einkünfte des
Ehemannes der Klägerin bewilligt.
Am 01.05.1995 nahm die Klägerin bei der P. S. GmbH eine Teilzeitbeschäftigung (19 Wochenstunden) auf. Den
Eintritt dieser Beschäftigung teilte sie dem Beklagten erst im Januar 1996 mit.
Mit Bescheid vom 05.03.1996 berechnete der Beklagte den Erziehungsgeldanspruch für die Zeit vom 03.07.1995 bis
02.01.1996 gem. § 6 BErzGG unter Berücksichtigung des Gesamteinkommens neu und stellte fest, daß das der
Klägerin gezahlte Erziehungsgeld das ihr zustehende Erziehungsgeld um 2.022,- DM übersteige. Dieser Betrag sei
von der Klägerin gem. § 50 des 10. Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu erstatten.
Mit weiterem Bescheid vom 05.03.1996 teilte der Beklagte der Klägerin auf einen von ihr am 12.12.1995 gestellten
Antrag hin mit, daß ihr für die Zeit vom 13. bis 24. Lebensmonat des Kindes kein Erziehungsgeld zustehe, weil der
monatliche Anrechnungsbetrag aus dem Einkommen ihres Ehemannes sich auf 715,32 DM belaufe.
Gegen beide Bescheide legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, daß bei der Berechnung der positiven
Einkünfte ein Betrag von 45.350,- DM als Einkommen des Ehegatten eingesetzt worden sei, während sich der Betrag
laut vorliegender Steuerkarte tatsächlich auf 44.713,37 DM belaufe. Bei der Berechnung des Erziehungsgeldes sei der
Beklagte weiter von einem Pauschalabzug von 27% ausgegangen. Für Beamte betrage der Pauschalabzug 22%. Die
Mehrbelastung eines Arbeiters und Angestellten gegenüber dem Beamten betrage jedoch allein aus der Renten- und
Arbeitslosenversicherung 12,85%, so daß ein Pauschalabzug von 37,85% zugrunde gelegt werden müsse. Auch
müsse als Basis der Berechnung nicht der Bruttolohn, sondern das Realeinkommen herangezogen werden, das heute
eher niedriger sei als im Jahr 1987.
Der eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.1996 als unbegründet zurückgewiesen. In
den Gründen des Widerspruchsbescheides wird u.a. ausgeführt, daß nach § 6 Abs. 2 BErzGG das voraussichtliche
Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes im 1. bis 12. Lebensmonat maßgebend sei. Dementsprechend sei
das von dem Steuerberater S. bescheinigte Einkommen von Januar bis Dezember 1995 der Berechnung des
Erziehungsgeldes in dem Bescheid vom 06.04.1995, den die Klägerin habe bindend werden lassen, ebenso zugrunde
gelegt worden wie in dem Bescheid vom 05.03.1996. Im übrigen stütze sich die Neuberechnung des
Erziehungsgeldes bis zum 12. Lebensmonat ausschließlich auf § 6 Abs. 6 BErzGG, wonach zunächst, wenn der
Berechtigte in der Zeit des Erziehungsgeldbezuges nicht erwerbstätig sei, seine vorher erzielten Einkünfte aus
Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt würden. Bei Aufnahme einer Teilzeittätigkeit würden die Einkünfte, soweit sie im
Bescheid noch nicht berücksichtigt seien, neu ermittelt. Was die Einwendungen gegen den Pauschalabzug von
lediglich 27% angehe, sei ebenfalls darauf zu verweisen, daß es sich um den gleichen Abzug wie in dem Bescheid
vom 06.04.1995 handele, den die Klägerin habe bindend werden lassen. Die gesetzliche Festschreibung der
Pauschale von 27% in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG erlaube keinen anderen Abzug; im übrigen sei die von der Klägerin
aufgezeigte Ungleichbehandlung gegenüber Beamten nicht zu erkennen. Die festgestellte Rückforderung von 2.022,-
DM stelle auch keine besondere Härte dar.
Gegen den am 17.07.1996 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 09.08.1996 Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.11.1996 abgewiesen.
Es hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Neufeststellung des Anspruchs auf
Erziehungsgeld für das 1. Lebensjahr des Kindes durch den Beklagten korrekt erfolgt sei. Aufgrund der Tatsache, daß
die Klägerin am 01.05.1995 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, habe eine Korrektur des
Bewilligungsbescheides vom 06.04.1995 gem. § 6 Abs. 6 BErzGG in die Wege geleitet werden müssen. Sei hiernach
der Berechtigte in der Zeit des Erziehungsgeldbezuges nicht erwerbstätig, würden seine vorher erzielten Einkünfte aus
Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt. Bei Aufnahme einer Teilzeittätigkeit würden die Einkünfte, soweit sie im
Bescheid noch nicht berücksichtigt seien, neu ermittelt. Bei der nachträglichen Errechnung des Erziehungsgeldes sei
das später bekannt gewordene tatsächliche Einkommen des Ehemannes nicht mehr zu berücksichtigen, sondern
lediglich das im Bewilligungszeitraum durch die Klägerin erwirtschaftete Einkommen in die Rechnung einzubringen
gewesen. Die gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 2 BErzGG beziehe sich ausdrücklich auf das nachträglich
erwirtschaftete Einkommen des Erziehungsgeldberechtigten; das übrige der Bewilligung zugrunde gelegte Einkommen
werde keiner Überprüfung mehr unterzogen.
Aufgrund der Höhe des Einkommens der Klägerin und ihres Ehegatten im Laufe des 2. Lebensjahres des Kindes sei
der Anspruch auf Erziehungsgeld in diesem Zeitraum entfallen. Der Beklagte habe richtigerweise für die Klägerin ein
Einkommen in Höhe von 22.300,- DM und für ihren Ehemann Einkünfte in Höhe von 51.370,55 DM berücksichtigt. Die
entsprechende Prognose sei aufgrund der aktuellen Einkommensbescheinigungen gem. § 6 Abs. 2 BErzGG ohne
Fehler erfolgt. Unter Beachtung der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG habe der Beklagte den
Pauschalbetrag von 27 v.H. der Einkünfte in Abzug gebracht. Der Einwand der Klägerin, sie halte diesen
Pauschalabzug für zu gering, da sie sich Beamten gegenüber benachteiligt fühle, sei unbeachtlich, da es allein Sache
des Gesetzgebers sei, die Berechnungsmodalitäten zu regeln.
Gegen das am 23.11.1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.12.1996 bei Gericht eingegangene Berufung.
Zur Begründung trägt die Klägerin im wesentlichen vor, daß der Pauschalabzug für Arbeiter und Angestellte weit über
35% liegen müsse, damit es zu keiner Ungleichbehandlung von Angestellten und Arbeitern im Verhältnis zu Beamten
komme. Bei der Neuberechnung des Erziehungsgeldes für 1995 sei im März 1996 das geschätzte Einkommen des
Ehemannes angesetzt worden, obwohl das tatsächliche Einkommen genau bekannt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.11.1996 aufzuheben sowie die Bescheide des Beklagten vom
05.03.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.07.1996 abzuändern,
- den Beklagten zu verurteilen, bei der Neuberechnung des Erziehungsgeldes für den 6. bis 12. Lebensmonat des
Kindes S. das tatsächliche Einkommen ihres Ehemannes im Jahr 1995 sowie einen Pauschalabzug von 37,85%
zugrunde zu legen und bei der Berechnung des Erziehungsgeldes für den 13. bis 24. Lebensmonat des Kindes einen
Pauschalabzug von 37,85% zugrunde zu legen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
wobei er zur Begründung im wesentlichen vorträgt, daß er bei der nachträglichen Berechnung des Erziehungsgeldes
lediglich das im Bewilligungszeitraum durch die Klägerin erwirtschaftete Einkommen in die Rechnung einzubringen
gehabt habe. Das später bekannt gewordene tatsächliche Einkommen des Ehemannes im Jahr 1995 sei nicht mehr
zu berücksichtigen gewesen. Aufgrund der Höhe des Einkommens der Klägerin und ihres Ehegatten im Laufe des 2.
Lebensjahres des Kindes sei der Anspruch auf Erziehungsgeld in diesem Zeitraum entfallen. Der Beklagte habe unter
Beachtung der gesetzlichen Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG richtigerweise einen Pauschalbetrag von 27 v.H.
der Einkünfte in Abzug gebracht. Der Einwand der Klägerin, sie halte diesen Pauschalabzug für zu gering, sei
unbeachtlich.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze, den weiteren Akteninhalt sowie auf die von
dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Klägerin eingelegte Berufung, gegen deren Statthaftigkeit und Zulässigkeit sich keine Bedenken ergeben,
ist nicht begründet.
Denn der Beklagte hat zu Recht aufgrund der von ihm vorgenommenen Neuberechnung von der Klägerin einen
Überzahlungsbetrag an Erziehungsgeld in Höhe von 2.022,- DM zurückgefordert und die Gewährung von
Erziehungsgeld für die Zeit vom 13. bis 24. Lebensmonat des Kindes verweigert.
Gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 BErzGG werden bei der Ermittlung der Höhe des zu zahlenden Erziehungsgeldes die von
dem Berechtigten vorher erzielten Einkünfte aus Erwerbstätigkeit unter der Voraussetzung nicht berücksichtigt, daß
der Berechtigte in der Zeit des Erziehungsgeldbezuges nicht erwerbstätig ist. Bei Aufnahme einer Teilzeittätigkeit
werden die Einkünfte, soweit sie im Bescheid noch nicht berücksichtigt sind, gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 BErzGG neu
ermittelt.
Dieser gesetzlichen Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß das gem. § 6 Abs. 2 BErzGG prognostizierte
Einkommen für das 1. und 2. Lebensjahr des Kindes grundsätzlich auch dann verbindlich bleiben soll, wenn sich
später aufgrund unerwarteter Entwicklungen Änderungen in der Höhe des tatsächlich erzielten Einkommens ergeben.
Die Anwendung der Regelung des § 48 des 10. Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) mit der dort vorgesehenen
Überprüfungsmöglichkeit wird inhaltlich und insoweit ausgeschlossen (vgl. Grüner-Dalichau,
Bundeserziehungsgeldgesetz-Kommentar, § 6 Ziffer I 1). Die Aufnahme einer Teilzeittätigkeit durch den Berechtigten
ist jedoch für die Berechnung derart einschneidend, daß hier vom Gesetzgeber eine nachträgliche
Überprüfungsmöglichkeit eröffnet worden ist; insoweit ist vom Zeitpunkt der Aufnahme der Teilzeittätigkeit an eine
Neuberechnung vorzunehmen (vgl. Grüner-Dalichau a.a.O. Ziffer II 6). Die Vorschrift des § 6 Abs. 6 Satz 2 BErzGG
stellt damit eine die Anwendbarkeit des § 48 SGB X ausschließende Sonderregelung dar.
Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorschrift hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise eine
Neuberechnung des der Klägerin zustehenden Erziehungsgeldes vorgenommen und einen Überzahlungsbetrag in
Höhe von 2.022,- DM festgestellt, der von der Klägerin gem. § 50 SGB X zu erstatten ist.
Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, daß im Rahmen der Neuberechnung das tatsächlich geringere
Einkommen ihres Ehegatten hätte berücksichtigt werden müssen. Denn schon nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 6
Satz 2 BErzGG werden die Einkünfte nur neu ermittelt, soweit sie im Bescheid noch nicht berücksichtigt sind. Das
Einkommen des Ehegatten der Klägerin war jedoch bereits in dem ursprünglichen Bescheid vom 06.04.1995
berücksichtigt worden. Das in diesem Bescheid in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Einkommen in
Höhe von 45.350,- DM bleibt unter Berücksichtigung des oben dargestellten Grundgedankens der gesetzlichen
Regelung auch im Rahmen der vorgenommenen Neuberechnung weiterhin maßgebend.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der in dem Bescheid enthaltene, auf der gesetzlichen
Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG beruhende Pauschalabzug von 27 v.H. der Einkünfte zu gering bemessen sei.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 20.11.1996 (Az.: 14 REg 6/96) detailliert dargelegt, daß die
Abzugspauschale des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG nicht zu beanstanden sei und sich aus dieser Vorschrift insbesondere
auch keine ungerechtfertigte Bevorzugung der Beamten im Verhältnis zu Angestellten und Arbeitern ergebe. Dieser
Auffassung schließt sich der Senat an.
Damit ist auch die Ablehnung der Gewährung von Erziehungsgeld für die Zeit vom 13. bis 24. Lebensmonat des
Kindes nicht zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang von dem Beklagten vorgenommene Berechnung ist
zutreffend. Dies wird von der Klägerin im Grunde auch gar nicht beanstandet, sondern gegen die Berechnung lediglich
eingewandt, daß der Pauschalabzug von 27 v.H. auch insoweit zu gering bemessen sei; dem ist aus den oben
dargelegten Gründen aber nicht zu folgen.
Die Berufung war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.