Urteil des LSG Saarland vom 13.12.2005

LSG Saarbrücken: diabetes mellitus, innere medizin, physikalische therapie, chondropathia patellae, psychiatrische behandlung, psychovegetatives syndrom, wesentliche veränderung, hallux valgus

LSG Saarbrücken Urteil vom 13.12.2005, L 5 SB 61/01
Schwerbehindertenrecht - GdB-Festsetzung - Diabetes mellitus Typ II
Leitsätze
Für einen medikamentös suffizient eingestellten nicht insolinpflichtiger Diabetes mellitus Typ
II kann allenfalls ein GdB von 10 zur Feststellung gelangen. Insoweit ist eine Erhöhung des
gesamt GdB hierdurch ausgeschlossen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 21. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Neufeststellungsverfahren darüber, ob beim Kläger ein höherer
Grad der Behinderung (GdB), nämlich 50 statt 30, vorliegt.
Bei dem am 1947 geborenen Kläger wurde auf Antrag vom 7. August 1992 durch
Bescheid vom 6. Oktober 1992 ein Gesamt-GdB von 20 ab 1. Januar 1991 festgestellt mit
folgenden Leiden:
(1) Hypertonie, Herzinsuffizienz;
(2) degenerative Veränderungen der Wirbelsäule.
Der Beklagte ging hierbei – bezogen auf die einzelnen Leiden – von einem Teil- GdB von 20
und 10 aus. Eine ebenfalls vorliegende Sehstörung wurde nicht berücksichtigt, da der
Beklagte hierfür einen Einzel-GdB unter 10 ansetzte.
Auf Widerspruch des Klägers vom 5. November 1992 erfolgte mit Widerspruchsbescheid
vom 18. Januar 1993 in Abänderung des Ausgangsbescheides vom 6. Oktober 1992 eine
Heraufsetzung des GdB auf 30, wobei der Beklagte dem Leiden zu (2) nunmehr – einer
Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes vom 03. Dezember 1992 folgend – ebenfalls
einen GdB von 20 zumaß. Außerdem wurde festgestellt, die Körperbehinderung habe zu
einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt.
Einen Antrag auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung vom 19. Mai 1994 lehnte der
Beklagte mit Bescheid vom 14. November 1994 ab unter Anerkennung folgender
Behinderungen:
(1) Herz-Kreislauferkrankung;
(2) degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Fersensporn rechts;
(3) Reizmagen.
Hierbei ging der Beklagte von einem GdB von jeweils 20, 20 und 10 aus.
Einen weiteren Antrag auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung vom 11. Mai 1998
stellte der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit einem parallel laufenden
Rentenverfahren, das vom angerufenen Gericht unter der Geschäftsnummer L 4 KN 11/00
entschieden wurde. Mit Bescheid vom 6. Oktober 1998 erkannte der Beklagte nach
Kenntnisnahme des in der Rentensache eingeholten Gutachtens der Ärztin B.S., vom 30.
November 1997 unter Beibehaltung des Gesamt-GdB von 30 auf die Behinderungen:
(1) Herz-Kreislauferkrankung, hypertensive Dysregulation, psychovegetatives Syndrom;
(2) degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen;
(3) Reizmagen, Stoffwechselstörung.
Der Beklagte ordnete den oben bezeichneten Leiden einen GdB von jeweils 20, 20 und 10
zu.
Den hiergegen am 26. Oktober 1998 eingelegten Widerspruch mit dem Ziel der
Heraufsetzung des GdB auf 50 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.
September 1999 unter Bezugnahme u. a. auf das nach Klageerhebung (16. November
1998) in der Rentensache eingeholte weitere Gutachten des Arztes für Orthopädie,
Rheumatologie, physikalische Therapie, Unfallarzt, Chirotherapie, Dr. G.G., vom 27. August
1999 mit der Begründung zurück, nach den vorliegenden Rentengutachten (B.S. und Dr.
G.G.) bestehe von kardialer Seite keine wesentliche Leistungseinschränkung. Auch seitens
der Wirbelsäule und der Gelenke seien keine stärkergradigen Funktionseinschränkungen
nachgewiesen, die eine höhere Bewertung des GdB rechtfertigen würden.
Gegen den Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 1998 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14. September 1999 richtet sich die am 29. September
1999 erhobene Klage. Nach Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr.
T.A., vom 6. Januar 2000 - in der Zwischenzeit lag in der Rentensache das
internistische/arbeitsmedizinische Fachgutachten des Arztes für Innere Medizin,
Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Dr. D.M.W. vom 4. November 1999 vor
- hat der Kläger geltend gemacht, er leide entgegen den Feststellungen des Gutachters Dr.
T.A. an einer Bandscheibenvorwölbung (2 x) sowie arthrotischen Veränderungen der
Wirbelkörper. Hinzu kämen ein chronisches Halswirbelsäulen-(HWS) Syndrom, ein
leichtgradiges Lungenemphysem, eine Adipositas und ein Glaukom sowie Allergien. Auch
von dem Dauerschmerz in den Knien und der Wirbelsäule sei in dem vorgenannten
Gutachten nicht die Rede.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat nach Einholung eines HNO-fachärztlichen
Gutachtens des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. W.H. vom 15. Mai 2000 sowie eines
internistischen Fachgutachtens des Oberarztes der Inneren Abteilung des S.K.N., Dr. W.P.
vom 21. November 2000 die Klage durch Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2001 abgewiesen
und zur Begründung ausgeführt, der Sachverständige Dr. T.A. habe in seinem Gutachten
festgestellt, dass sich im Leidenszustand des Klägers seit der Bescheiderteilung vom 18.
Januar 1993 keine wesentliche Verschlimmerung auf orthopädischem Gebiet ergeben
habe. Der Gutachter Dr. G.G. sei in der Hauptsache zu denselben Ergebnissen gekommen
wie der Sachverständige Dr. T.A. Dr. W.H. habe auf HNO-ärztlichem Gebiet trotz einer
geringgradigen reinen Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits aufgrund des mit 0 %
ermittelten Hörverlustes sowohl für das rechte als auch für das linke Ohr keine
Behinderung des Klägers feststellen können. Auch der Sachverständige Dr. W.P., welcher
auf internistischem Gebiet zur Feststellung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung mit Hypertonus,
einem psychovegetativen Syndrom, Reizmagen sowie einer Stoffwechselstörung gelangt
sei, habe eine wesentliche Verschlimmerung auf internistischen Gebiet nach Erlass des
Bescheides vom 18. Januar 1993 verneint.
Gegen den ihm am 28. Juni 2001 zugestellten Gerichtsbescheid des SG vom 21. Juni 2001
hat der Kläger mit einem am 30. Juli 2001 per Telefax bei Gericht eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt.
Er wendet sich hauptsächlich gegen das erstinstanzlich eingeholte Gutachten T.A. und
vertritt die Auffassung, allein wenn man den in der Rentensache von seinem (des Klägers)
Hausarzt (Arzt für Allgemeinmedizin Dr. P.U., M.) zur Akte gereichten Befundbericht des
damals behandelnden Orthopäden und Chirurgen Dr. R.L., vom 21. April 1998 heranziehe,
zeige ein Vergleich mit den Gutachten T.A. und G.G. die Verschlimmerung seines (des
Klägers) Gesundheitszustandes schon zum damaligen Zeitpunkt. Selbst nach den
Ausführungen des Sachverständigen Dr. T.A. bestünden zumindest mittelgradige
Funktionseinschränkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, so dass bereits aus diesem
Grunde ein höherer GdB als 20 auf orthopädischem Gebiet anerkannt werden müsse. Im
Unterschied zu den Feststellungen der Bundesknappschaft anlässlich der ärztlichen
Untersuchung vom 15. Juli 1998 sowie dem Gutachten G.G. vom 27. August 1999 gehe
der Sachverständige Dr. T.A. davon aus, die Funktion der HWS sei frei. Ebenso verhalte es
sich mit den Feststellungen zur Funktion der Ellenbogengelenke. Er (der Kläger) leide im
Weiteren unter den Folgen eines chronischen Schmerzsyndroms mit Schmerzen im
gesamten Bewegungsapparat, insbesondere in den Knien und in der Wirbelsäule, wobei die
Schmerzen von der HWS zum Teil bis in den Kopf ausstrahlten. Beim Drehen des Kopfes
trete zudem Schwindel auf. Die Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule seien teilweise so
stark, dass er kaum schlafen könne und sich in psychiatrische Behandlung habe begeben
müssen. Von dem behandelnden Psychiater sei die Diagnose "depressives
Erschöpfungssyndrom im Rahmen eines chronischen wirbelsäulenbedingten
Schmerzsyndroms" gestellt worden. Mit Anerkennung eines "psychovegetativen Syndroms
" sei dieser Behinderung in keinem Fall Rechnung getragen. Auch die Schmerzen in den
Knien stellten funktionelle Einschränkungen dar. Beim Fersensporn träten
belastungsunabhängige Schmerzen auf. Schließlich habe es in Bezug auf seine (des
Klägers) Magenerkrankung an einer weitergehenden Aufklärung durch Beiziehung der bei
einer Magenspiegelung gewonnenen Befunde gefehlt. Auch seien weder die bei ihm
vorhandenen Allergien noch die bestehende Augenerkrankung mit Gesichtsfeldausfällen
berücksichtigt worden.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 21. Juni 2001 aufzuheben
sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 1998 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14. September 1999 zu ändern,
2. den Beklagten zu verurteilen, bei ihm, dem Kläger, einen GdB von 40 festzustellen
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und stützt sich im Übrigen auf die im
erstinstanzlichen Verfahren erstellten Gutachten T.A., W.H. und W.P. Auch die in der
Prozessakte L 4 KN 11/01 enthaltenen ärztlichen Unterlagen seien nicht geeignet, zu einer
anderen Beurteilung zu führen. Ein höherer Gesamt-GdB als 30 liege beim Kläger auch in
Ansicht der in der Rechtsmittelinstanz eingeholten Gutachten nicht vor.
Der Senat hat Befundberichte eingeholt bei dem Arzt für Allgemeinmedizin M.G., sowie bei
dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P.H. Im Weiteren hat der
Leitende Arzt der Abteilung für Neurologie des Städtischen Klinikums N. Facharzt für
Neurologie und Psychiatrie Dr. V.F. am 25. August 2004 ein nervenfachärztliches
Gutachten über den Kläger erstattet. Ein weiteres Gutachten zu Behinderungen des
Klägers auf internistischem Fachgebiet, insbesondere im schlafmedizinischen Teilbereich
datiert vom 13. Juli 2005 (Leitender Arzt der Abteilung für Innere Medizin, Internist,
Pneumologie, Angiologie Priv.-Doz. Dr. von B.).
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der vorgenannten
Befundberichte und Gutachten Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens
der Beteiligten und des sonstigen Verfahrensganges wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
verwiesen nebst der Verwaltungsakte des Beklagten mit der Geschäftsnummer 72/4203-4
sowie der Gerichtsakte L 4 KN 11/00. Die Beiakten waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, gegen deren Zulässigkeit sich keine Bedenken ergeben, bleibt in der Sache
ohne Erfolg.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass durch den Bescheid des Beklagten vom 6.
Oktober 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1993 und den
weiteren Bescheid vom 14. November 1994 das Behinderungsleiden des Klägers
hinreichend gewürdigt ist, und die Klage auf Feststellung eines höheren GdB zu Recht
abgewiesen. Denn eine wesentliche Veränderung in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die beim Erlass der vorgenannten Bescheide vorgelegen haben, kann nicht
festgestellt werden (§ 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch -
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130)).
In Anbetracht des fachorthopädischen Gutachtens Dr. T.A. vom 6. Januar 2000, des HNO-
fachärztlichen Gutachtens Dr. W.H. vom 15. Mai 2000 sowie des internistischen
Fachgutachtens Dr. W.P. vom 21. November 2000, des nervenfachärztlichen Gutachtens
Fachgutachtens Dr. W.P. vom 21. November 2000, des nervenfachärztlichen Gutachtens
Dr. F. vom 25. August 2004 und des internistischen Fachgutachtens Dr. von B. vom 13.
Juli 2005 mit schlafmedizinischem Schwerpunkt steht zur Überzeugung des Senates fest,
dass beim Kläger gegenüber dem sich aus den o. g. Bescheiden ergebenden
Vergleichsbefund keine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, welche geeignet
wäre, einen höheren Gesamt-GdB als 30 zu begründen.
Die Voraussetzungen für den vom Kläger erstrebten GdB von 40 nach § 69 Abs. 1 i.V.m. §
2 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen - (SGB IX) liegen nicht vor.
Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die
Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen
einer Behinderung und den GdB fest. Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger
als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher
ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die
Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach
Zehnergraden abgestuft festgestellt. Hierbei geltend die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG
festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB
von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX).
Nach welchen Rechtsmaßstäben der GdB festzustellen ist und wie bei mehreren
Funktionsbeeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden ist, richtet sich in erster Linie nach
den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht
und nach dem Schwerbehindertenrecht, herausgegeben vom Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung, Rechtsstand: 2004 (AHP), die zwar keine Normqualität
haben, aber weitgehend als antizipierte Sachverständigengutachten verstanden werden
können. Sie wirken sich in der Praxis normähnlich aus und sind im Interesse einer
gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Rechtsnormen von den Gerichten
anzuwenden, bis der Gesetzgeber die erforderliche Ermächtigungsnorm und klare
gesetzliche Vorgaben - insbesondere im Hinblick auf die parlamentarische Verantwortung
für die im Verordnungswege erlassenen, jetzt in den AHP enthaltenen wertenden
Regelungen - geschaffen hat (vgl. zur Problematik: Bundessozialgericht (BSG) in seiner
amtlichen Sammlung, BSGE 72, S. 285 f., Urteil des BSG vom 18. Dezember 1996, Az.: 9
RV 17/95 sowie Urteil des BSG vom 18. September 2003, Az.: B 9 SB 3/02 R).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält der Senat bei dem Kläger einen Gesamt-
GdB von 30 für ausreichend.
In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 6. Januar 2000 ist der Facharzt für
Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin, physikalische Therapie, Sozialmedizin,
Rehabilitationswesen, berufsgenossenschaftliche Unfallbehandlung, Dr. T.A., von folgenden
Funktionsstörungen ausgegangen:
1) statisches und degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit myotendopathischem
Reizzustand, funktionelle Beeinträchtigungen, keine radikuläre Symptomatik, kein
Bandscheibenvorfall;
2) Periarthrosis humero scapularis beidseits, keine wesentlichen funktionellen
Beeinträchtigungen;
3) Epicondylitis humeri radialis beidseits, keine wesentlichen funktionellen
Beeinträchtigungen;
4) beginnende Dysplasie-Coxarthrose beidseits, keine funktionellen Beeinträchtigungen;
5) Chondropathia patellae beidseits, keine funktionellen Beeinträchtigungen;
6) Fersensporn beidseits, Achillodynie beidseits, keine wesentlichen funktionellen
Beeinträchtigungen;
7) Senk-/Spreizfußdeformität.
Der Gutachter hat insoweit Einzel- GdB von 20, 0, 0, 10, 10, 10, und 0 angenommen.
Entgegen der Behauptung des Klägers liegt eine wesentliche Diskrepanz zu den
Feststellungen in dem in der Rentensache eingeholten orthopädischen Gutachten des
Arztes für Orthopädie, Rheumatologie, physikalische Therapie, Unfallarzt, Chirotherapie, Dr.
G.G., vom 27. August 1999 nicht vor. Der Sachverständige G.G. hat nachfolgende
Gesundheitsstörungen beim Kläger festgestellt:
1) chronisches rezidivierendes HWS-Syndrom mit leichter Funktionseinschränkung und
reaktiven Myotendopathien;
2) fortgeschrittenes degeneratives Thoraco-Lumbalsyndrom bei Spondylolyse L5/ S1,
Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS);
3) initiale Coxarthrose re. und li. bei flacher Pfannenausbildung, ohne wesentliche
Funktionseinschränkung;
4) initiale re. und li. Gonarthrose, initiale Retropatellararthrose ohne
Funktionseinschränkung, leichte re. und li. mediale Meniskopathie;
5) plantarer Fersensporn bds. mit belastungsunabhängigen Beschwerden;
6) Senk-/Spreizfußdeformitäten bds. mit leichtem hallux valgus bds.;
7) initiale Arthrose des linken Ellenbogengelenkes mit endgradiger Streckhemmung,
Epikondylitis lateralis humeri re.;
8) leichte Arthropathia humeroscapularis re., mäßig li. ohne Funktionseinschränkung.
Zu Recht beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, dass eine leicht
eingeschränkte HWS-Funktion maximal einen GdB von 10 verursachen würde, welcher
nicht geeignet wäre, zu einer Anhebung des Gesamt-GdB zu führen (Ziffer 26.18 AHP,
Wirbelsäulenschäden, S. 116). Die in dem Befundbericht des damals behandelnden
Orthopäden, Dr. R.L., vom 21. April 1998 erwähnte „erhebliche" Funktions- und
Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule ist einerseits in der vorgenannten
Unterlage nicht weiter erläutert und andererseits von keinem der genannten Fachgutachter
zumindest in der Form mittelgradiger funktioneller Auswirkungen bestätigt worden. In dem
Rentengutachten der Ärztin für Innere Medizin, B. B.S., vom 30. November 1997 heißt es
diesbezüglich, die neuerliche Röntgenaufnahme vom 27. Februar 1997 zeige
osteochondrotische und spondylotische Veränderungen von L 3 – S 1, wobei Letztere den
Spinalkanal von hinten und seitlich einengten. Der Gang sei schwerfällig. Bei einseitiger
Belastung verstärkten sich die Schmerzen in den Kniegelenken. Der Gelenkspalt sei
verschmälert, die Gelenkflächen seien röntgenologisch unscharf gezeichnet, man erkenne
eine grobsträhnige Osteoporose. Ein Erguss sei nicht nachweisbar. Die Beweglichkeit der
HWS sei zur Zeit frei trotz fortgeschrittener Osteochondrose und Spondylarthrose. Die
Zwischenwirbelräume seien aber noch ausreichend weit. Schürzen- und Hinterhauptsgriff
könnten frei ausgeführt werden.
In dem internistischen/arbeitsmedizinischen Fachgutachten (in der Rentensache) des
Arztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Dr. D.M.W.,
vom 4. November 1999 - dem Gutachter lagen die Befundberichte des damals
behandelnden Orthopäden, Dr. R.L., vom 21. April 1998 und 20. Januar 1999 sowie das
Gutachten Dr. G.G. vor - konnten hinsichtlich des Bewegungsapparates ohne
vorausgegangene Belastungen wesentliche Funktionseinschränkungen nicht dokumentiert
werden. Der Sachverständige Dr. H. hat in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 29. Juli
2002 (in der Rentensache) ein leicht- bis mittelgradiges unteres LWS-Syndrom ohne
neurologische Ausfälle, ohne Verlust der Werkzeugfunktion sowie ein leichtgradiges HWS-
Syndrom auf dem Boden degenerativer Veränderungen ohne nennenswerte funktionelle
Beeinträchtigung festgestellt. Insoweit erscheint der von dem Beklagten in Ansatz
gebrachte Einzel-GdB von 20 für die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen insgesamt
durchaus angemessen. Hinsichtlich der Ellenbogengelenkarthrose geht der Sachverständige
Dr. H. von nicht nachweisbaren funktionellen Beeinträchtigungen (rechts) aus. Die
Gutachterin B.S. hat eine Ellenbogengelenkarthrose nicht diagnostiziert. Der Gutachter
G.G. spricht im Rahmen der Befunderhebung von einem altersentsprechenden Knochen-
Gelenkaufbau mit kleiner Zuspitzung beugeseitig im Bereich des Radius, sonst unauffällig
(Re. Ellenbogengelenk in 2 EB), Zuspitzung am Radius und an der Ulna i.S.e. initialen
Arthrose des linken Ellenbogengelenkes. Dr. W. verneint in seinem
internistischen/arbeitsmedizinischen Fachgutachten eine diesbezügliche
Funktionseinschränkung.
Letztlich würden - auch hierauf hat der Beklagte zu Recht hingewiesen - lediglich
endgradige Funktionseinschränkungen maximal zu Einzeleinstufungen mit einem GdB von
10 führen, so dass sich auch hierdurch keine Auswirkungen auf die Gesamtbeurteilung
ergeben könnte (Ziffer 26.18 AHP, Schäden der oberen Gliedmaßen,
Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk, S. 120).
Schließlich kann auch ein vom Kläger behauptetes „außergewöhnliches" Schmerzsyndrom
(Ziffer 26.18 AHP, Wirbelsäulenschäden, S. 116) nicht zur Feststellung gelangen. Ein
„chronisches Schmerzsyndrom" ist in der Bewertung der orthopädischen Leiden des
Klägers als üblicherweise mit der Gesundheitsstörung einhergehende
Schmerzsymptomatik bei Ansatz des Einzel-GdB von 20 berücksichtigt worden.
Eine Verschlimmerung ist somit auf orthopädischem Fachgebiet nicht eingetreten.
Auf nervenfachärztlichem Gebiet hat der Sachverständige Dr. F. in seinem Gutachten vom
25. August 2004 Behinderungen des Klägers auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet
nicht festzustellen vermocht - weder hätten sich Hinweise auf das Vorliegen einer
krankheitsrelevanten depressiven Symptomatik noch einer hirnorganischen
Leistungsbeeinträchtigung ergeben - und den Gesamt-GdB ab Mai 1998 nach wie vor mit
30 veranschlagt. Die vom Gutachter gestellte Verdachtsdiagnose eines schweren
obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms hat sich nicht bewahrheitet (internistisches
Fachgutachten mit schlafmedizinischem Schwerpunkt, Dr. von B.). Somit ist auch auf
neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine Verschlimmerung nicht feststellbar.
Dagegen liegt eine Verschlimmerung auf internistischem Gebiet vor. Sie ist aber nicht
wesentlich.
Der Sachverständige Dr. von B. hat zwar einen medikamentös suffizient eingestellten, nicht
insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II diagnostiziert. Dies führt entgegen der Auffassung
des Gutachters allerdings nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB ab 1. Juli 2004 auf 40.
Insoweit kann nur ein Einzel-GdB von 10 zur Feststellung gelangen (Ziffer 26.15 AHP,
Stoffwechsel, innere Sekretion, Diabetes mellitus, Typ II), welcher eben nicht zur Erhöhung
des Gesamt-GdB führt.
Nach Ziffer 19 Abs. 3 AHP ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der
Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im
Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit
hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der einzelnen
Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen
sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Um die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter
Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander beurteilen zu können,
muss aus ärztlicher Gesamtschau beachtet werden, dass die Beziehungen der
Funktionsbeeinträchtigungen zueinander unterschiedlich sein können.
Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander
unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens
betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigungen kann sich aber auch auf eine andere
besonders nachteilig auswirken. Das ist vor allem der Fall, wenn
Funktionsbeeinträchtigungen an paarigen Gliedmaßen oder Organen - also zum Beispiel an
beiden Armen oder beiden Nieren oder beiden Augen - vorliegen. Die Auswirkungen und
Funktionsbeeinträchtigungen können sich auch überschneiden. Schließlich ist der Fall
möglich, dass die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung durch eine hinzutretende
Gesundheitsstörung gar nicht verstärkt werden.
Nach Ziffer 19 Abs. 4 AHP führen, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche, leichte
Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des
Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei einer Gesamtbeurteilung berücksichtigt
werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige gleiche Gesundheitsstörungen
nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB
von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes
der Behinderung zu schließen.
Somit kann das Hinzutreten des Diabetes mellitus nicht als wesentliche Verschlimmerung
angesehen werden, da der insoweit feststellbare Einzel-GdB nicht zu einer Erhöhung des
Gesamt-GdB führt, also vernachlässigbar ist.
Dasselbe gilt für weitere mittlerweile hinzugetretene Gesundheitsstörungen.
Bei der diagnostizierten Fehlsichtigkeit etc. ist zu beachten, dass für Gesichtsfeldausfälle in
Form vollständiger Halbseiten- und Quadrantenausfälle bei beidäugigem Sehen nur ein GdB
von 10 in Betracht kommt (Ziffer 26.4 AHP, Seite 54).
Der Magenerkrankung/Stoffwechselstörung ist von dem Gutachter W.P. ein GdB von 10
zugeordnet worden, wobei der von ihm erhobene Befund im Einklang mit der Diagnose der
„Rentengutachter" Dr. W. und Dr. H. steht.
Damit ist unter Berücksichtigung der insgesamt festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen
nach wie vor ein Gesamt-GdB von 30 angemessen.
Die Berufung unterliegt nach alledem der Zurückweisung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.