Urteil des LSG Saarland vom 21.11.2006

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LSG Saarbrücken Urteil vom 21.11.2006, L 5 VG 6/04
Berechnung des Berufsschadensausgleichs - derzeitiges Bruttoeinkommen - Umwandlung
von Teilen des Arbeitsentgelts in Versorgungsbeiträge für die betriebliche Altersversorgung
Leitsätze
Teile des Arbeitsentgelts, die nach dem Willen des Betroffenen in Versorgungsbeiträge im
Rahmen der betrieblichen Altersversorgung umgewandelt werden, sind derzeitiges
Bruttoeinkommen i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BSchAV.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das
Saarland vom 10. August 2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob bei der Berechnung des
dem Kläger zustehenden Berufsschadensausgleichs (BSA) nach dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG) 170,-- EUR pro Monat, die im Rahmen einer betrieblichen
Altersvorsorge eingesetzt werden, zum Bruttoeinkommen zählen.
Der 1961 geborene Kläger besuchte vom 01. August 1967 bis 21. Juli 1977 zunächst die
Grundschule und danach die Hauptschule ;
vom 1. September 1977 bis 27. Juli 1980 erlernte er den Beruf des Formers bei der D.H.,
jetzt Aktiengesellschaft der D.H.werke, D.-S. (in Folge: Arbeitgeberin).
Der Kläger arbeitete in seinem erlernten Beruf bei der Arbeitgeberin zunächst am
Hochofen, bis er zum 05. Januar 1981 zum Grundwehrdienst einberufen wurde.
Am 10. Februar 1982 befand sich der Kläger in seiner dienstfreien Zeit in der Kantine der
F.-Kaserne in K.. Im Laufe einer Auseinandersetzung mit einem Gefreiten verletzte dieser
den Kläger mit einem Bierglas am rechten Auge, was zur Erblindung dieses Auges führte.
Der Schädiger wurde durch das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Saarbrücken im
Dezember 1982 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und 6 Monaten auf Bewährung
verurteilt.
Einen Antrag vom 29. März 1982 auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem
Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre
Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz ) lehnte das Versorgungsamt S. durch
Bescheid vom 28. Mai 1982 ab. Dieser Bescheid ist bindend.
Auf den Antrag des Klägers vom 07. Juni 1982 auf Gewährung von
Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von
Gewalttaten (OEG) vom 11. Mai 1976 (BGBl. I, 1181) stellte das Versorgungsamt T. mit
Erstanerkennungsbescheid vom 15. November 1983 als Schädigungsfolge eine Erblindung
des rechten Auges fest. Durch diese Schädigungsfolge betrage die Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) nach § 30 Abs. 1 BVG 30 vom Hundert (v.H.). Hinsichtlich der
Erhöhung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG und der Gewährung von BSA gemäß § 30 Abs.
3 bis 5 BVG ergehe der Bescheid unter Vorbehalt.
Mit Bescheid vom 03. Februar 1985 wurde gem. § 30 Abs. 2 a BVG ab 01. Juni 1982 ein
besonderes berufliches Betroffensein anerkannt. Die MdE betrage ab diesem Zeitpunkt 40
v.H.
Mit weiterem Bescheid vom 03. Februar 1985 wurde festgestellt, dass der Kläger
Anspruch auf BSA hat. Die Tätigkeit als Schmelzer im Hochofenbetrieb habe
schädigungsbedingt aufgegeben werden müssen. Das Einkommen aus gegenwärtiger
Tätigkeit habe sich somit schädigungsbedingt gemindert. Ohne die anerkannte
Schädigungsfolge sei davon auszugehen, dass der Kläger als Schmelzer im
Hochofenbetrieb tätig sei. Nach Ermittlung des Vergleichseinkommens ergebe sich folgende
Einstufung:
Wirtschaftsbereich „Eisen- und Stahlindustrie, speziell eisenschaffende Industrie“
Leistungsgruppe 2.
Der Vorbehalt in dem Bescheid vom 15. November 1983 wurde ausgeräumt.
Vom 01. April bis 31. Mai 1982 war der Kläger nochmals am Hochofen bei der
Arbeitgeberin eingesetzt, vom 01. Juni bis 30. September 1982 war er in der
Lagerverwaltung tätig, seit 01. Oktober 1982 arbeitet er in der Stoffwirtschaft. Nach
Mitteilung seiner Arbeitgeberin bedient er dort die Lkw-Waage, was eine Anlerntätigkeit
darstellt.
In der Folgezeit wurden dem Kläger eine Grundrente nach § 30 BVG nach einer MdE von
40 v.H. und eine BSA nach Leistungsgruppe 2 der eisenschaffenden Industrie gewährt.
Gemäß Betriebsvereinbarung 2000/A/3 zur betrieblichen Altersversorgung aus
Entgeltumwandlung vom 22. Dezember 2000 sagte die Arbeitgeberin allen Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen, die sich durch eine gesonderte schriftliche Vereinbarung zur
Entgeltumwandlung für eine Versorgung entschieden hatten, Leistungen der betrieblichen
Altersversorgung zu. Dabei sollte nach § 1 Ziffer 1.2 der Betriebsvereinbarung ein
beitragsorientiertes System geschaffen werden, wobei Versorgungsbeiträge durch
Entgeltumwandlung finanziert würden. Mit der Entscheidung zur Entgeltumwandlung erklärt
der Begünstigte seine Kenntnisnahme und Zustimmung zu den Regelungen des
Entgeltumwandlungsplans (EP).
Jeder aus einer Entgeltumwandlung resultierende Versorgungsbeitrag wird mittels einer
Transformationstabelle in Abhängigkeit vom Alter in einen „Kapitalbaustein“ umgerechnet.
Über diese Kapitalbausteine wird für jeden Begünstigten ein Versorgungskonto geführt; der
Versorgungsbeitrag wird von der Firma in eine Rückdeckungsversicherung eingezahlt.
Der Leistungsempfänger enthält bei Eintritt des Leistungsfalles das Maximum aus dem
Gegenwert der Leistung aus der Rückdeckungsversicherung und der aus den
Kapitalbausteinen ermittelten Garantieleistung.
Am 19. August 2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Entgeltumwandlung gemäß
Betriebsvereinbarung 2000/A/3. Er beantragte, ab 01. Oktober 2002 das während der
Vertragslaufzeit fällig werdende monatliche Entgelt um den Betrag von 170,-- EUR zu
kürzen und in eine Anwartschaft auf Versorgungskapital nach dem EP umzuwandeln.
Bereits am 28. Juni 2002 hatte der Kläger beantragt, dass die Erfolgsbeteiligung des Jahres
2002 in eine Versorgungsanwartschaft nach dem EP umgewandelt werde.
In dem Einkommensfragebogen für das Jahr 2002 vom 18. Dezember 2002 gab der Kläger
am 10. Januar 2003 unter anderem an, von Januar bis Juli 2002 1.888,37 EUR brutto
verdient zu haben. Im August 2002 habe das Bruttoeinkommen 1.894,43 EUR, im
September 2002 1.956,77 EUR, im Oktober und November 2002 2.082,53 EUR und im
Dezember 2002 2.090,85 EUR betragen.
Dem Kläger wurden folgende Sonderzahlungen gewährt:
1. Urlaubsgeld aus dem Vorjahr: 89,42 EUR,
2. aktuelles Urlaubsgeld: 1.071,01 EUR,
2. Jahresgratifikation: 1.856,79 EUR,
3. Erfolgsbeteiligung: 68,32 EUR,
4. Jubiläumsgeld: 1.300,-- EUR.
Bescheid vom
für das Jahr 2002 aus dem gesamten Bruttolohn nebst der Erfolgsbeteiligung in Höhe von
68,32 EUR und dem Jubiläumsgeld in Höhe von 1.300,-- EUR. Urlaubsgeld und
Jahresgratifikation wurden nicht angerechnet. Ab dem 01. Januar 2003 wurde bei den
Versorgungsbezügen ein Betrag von 2.200,-- EUR zu Grunde gelegt. Der Beklagte stellte
eine Überzahlung von 234,-- Euro fest, worüber die Beteiligten mittlerweile nicht mehr
streiten.
Widerspruch
der Kläger die Neuberechnung seiner Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines
niedrigeren monatlichen Bruttoeinkommens begehrte. Er, der Kläger, führe zwar seit dem
01. Oktober 2002 eine monatliche Bruttoentgeltumwandlung von 170,-- EUR durch. Dieser
Umwandlungsbetrag sei jedoch kein Bruttoeinkommen und auch nicht als Einkommen aus
einer gegenwärtigen, nicht selbstständigen Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Nr. 1
Einkommensteuergesetz (EStG) anzusehen. Die arbeitnehmerfinanzierte
Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersvorsorge erfolge auf dem Durchführungsweg
der Direktzusage. Die Möglichkeit der Entgeltumwandlung ergebe sich aus dem Gesetz zur
Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitaldeckenden
Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetzes- AVmG) vom 26. Juni 2001 (BGBl I,
1310).
Steuerlich führe diese Umwandlung über die Direktzusage in der Ansparphase nur beim
Arbeitgeber zu einer Wirkung, nämlich über den Betriebsausgabencharakter der
Rückstellungszuführung. Beim Arbeitnehmer entstehe jedoch kein Arbeitslohn mit der
Folge, dass der Umwandlungsbetrag in der Anwartschaftszeit weder zu versteuern sei
noch hieraus Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden könnten. Dies gelte noch bis
zum Jahre 2008. Das sei der Übergangsvorschrift des § 115 des Vierten Buchs des
Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) zu
entnehmen, wonach die für die Entgeltumwandlung verwendeten Entgeltbestandteile kein
Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV seien, soweit der Anspruch auf die
Entgeltbestandteile bis zum 31. Dezember 2008 entstehe und die Entgeltbestandteile 4 v.
H. der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung nicht
überstiegen. Daraus folge, dass erst ab 2009 ein Arbeitsentgeltcharakter der Leistungen
entstünde.
Außerdem sei das einmalig gezahlte Jubiläumsgeld für 25 Jahre Betriebszugehörigkeit nicht
für die zukünftigen Berechnungen der vorläufigen Versorgungsleistungen zu
berücksichtigen. Hierbei handele es sich um eine einmalige Zahlung.
Einer Aktenentscheidung vom 17. März 2003 ist die Absicht des Beklagten zu entnehmen,
das Jubiläumsgeld von 1.300,-- EUR nicht zum Bruttoeinkommen zu zählen. Eine Abhilfe
hinsichtlich der monatlichen Aufwendungen für die Altersvorsorge in Höhe von 170,-- EUR
sei hingegen nicht möglich. Auch wenn die Aufwendungen nach dem Altersvorsorgegesetz
vom Arbeitgeber steuer- und versicherungsfrei als Entgeltumwandlung aus dem
Bruttogehalt ausgewiesen würden, finde das Bruttoprinzip des § 33 BVG Anwendung. Das
Altersvorsorgegesetz habe eine Änderung des § 33 BVG in Bezug auf die privat
durchgeführte Altersvorsorge nicht herbeigeführt. Insbesondere handele es sich bei den
Aufwendungen für die private Altersvorsorge nicht um Einkünfte, die nach § 2 der
Verordnung über die Einkommensfeststellung nach dem BVG (Ausgleichsrentenverordnung-
AusglV) in der Fassung vom 01. Juli 1975 (BGBl I,1769) in Verbindung mit § 10 der
Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40a Abs. 1 bis 5 BVG
(Berufsschadensausgleichsverordnung-BSchAV) vom 29. Juni 1984 (BGBl. I, 861) zu
berücksichtigen seien.
Das Bruttoeinkommen sei aber um Werbungskosten zu mindern, die den Betrag von 15,--
EUR überstiegen. Da der Kläger für die Fahrt zur Arbeitsstätte einen eigenen Pkw benutze,
seien monatlich 15,-- EUR zu berücksichtigen.
Der Bescheid vom 17. Februar 2003 erweise sich insofern als rechtswidrig im Sinne des §
44 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs – jetzt: Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - (SGB X), als beim Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig
angewandt worden sei und Werbungskosten bei Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit
nicht berücksichtigt worden seien. Der Bescheid sei deshalb zurückzunehmen. Da in den
bisher erteilten Bescheiden die Einkünfte aus Tätigkeiten nicht um die Werbungskosten
gemindert worden seien, obwohl der Beschädigte diese geltend gemacht habe, seien auch
diese rechtswidrig. Die Rücknahme habe deshalb gem. § 44 Abs. 4 SGB X ab dem 01.
Januar 1999 zu erfolgen.
Bescheid vom 28. März 2003
teilweise insoweit ab, als das im Oktober 2002 einmal gezahlte Jubiläumsgeld bei der
Berechnung des BSA unberücksichtigt blieb. Unter Berücksichtigung des § 44 SGB X seien
wegen der Werbungskosten die Versorgungsbezüge ab 1. Januar 1999 neu berechnet
worden.
Widerspruchsbescheid vom
zurückgewiesen. Welches Einkommen bei der Feststellung des derzeitigen
Bruttoeinkommens zur Berechnung des BSA zu berücksichtigen sei, richte sich nach § 9
BSchAV. Danach seien unter anderem alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer
früher oder gegenwärtig unselbstständigen Tätigkeit (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BSchAV), soweit in §
10 BSchAV nichts anderes bestimmt sei, Einkommen. Ausnahmen, die nicht in den Bereich
des Bruttoeinkommens fielen, seien in § 10 BSchAV mit Verweisung auf § 2 AusglVO
enumerativ geregelt. Eine Ausdehnung wegen des Ausnahmecharakters dieser Norm sei
nicht möglich. Die von der Arbeitgeberin gewährte, im Bruttogehalt enthaltene steuer- und
versicherungsfreie Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersversorgung sei in der
abschließenden Aufzählung der genannten Bestimmungen nicht enthalten. Im Übrigen gelte
bei der Anwendung des sozialen Entschädigungsrechts das Bruttoprinzip. Würde man dies
anders handhaben, wäre im Vergleich zum Kläger jeder im Nachteil, der eine private
Altersvorsorge aufbaue.
Klage
für das Saarland eingegangen, gerichtet, mit der der Kläger sich zum einen gegen die
Berücksichtigung von 170,-- EUR beim Bruttoeinkommen und zum anderen gegen die
Feststellung der Überzahlung von 234,-- EUR gewandt hat.
Gerichtsbescheid
abgewiesen und sich der Argumentation des Beklagten angeschlossen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, dem Kläger zugestellt am 16. August 2004, hat dieser
mit Schriftsatz vom 16. September 2004, beim Landessozialgericht (LSG) für das
Berufung
Der Kläger wendet sich in der Berufung nur noch gegen die Berücksichtigung der in der
betrieblichen Altersvorsorge eingesetzten 170,-- EUR beim Bruttoeinkommen, das zur
Berechnung des BSA dient.
Über sein bisheriges Vorbringen hinaus tritt der Kläger nunmehr auch der Ansicht des SG
entgegen und meint, die Entgeltumwandlung stelle kein Einkommen im Sinne des § 9
BSchAV dar. Dies ergebe sich daraus, dass § 14 Abs. 1 SGB IV den Begriff des
Arbeitsentgeltes eigenständig und umfassend definiere. Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1
Satz 2 SGB IV umfasse auch die Anteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 des
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ( BetrAVG
2610>) verwendet würden. Allerdings gehörten nach § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV
steuerfreie Aufwandsentschädigungen und steuerfreie Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 26
EStG nicht zum Arbeitsentgelt. Damit stelle die vorliegende Entgeltumwandlung auch kein
Arbeitsentgelt dar, sie zähle deshalb nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BSchAV nicht zum
Bruttoeinkommen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger darüber hinaus vorgetragen,
er fühle sich im Verhältnis zu Kollegen, die Berufsunfähigkeitsrente beziehen, ungleich
behandelt; bisher habe er in dieser Sache immer Nachteile gehabt.
Der Kläger beantragt ,
1. den Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 10. August 2004 sowie
die Bescheide des Beklagten vom 17. Februar 2003 und vom 28. März 2003,
beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2003, zu ändern
und
2. den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, BSA ohne Berücksichtigung
2. den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, BSA ohne Berücksichtigung
der für die betriebliche Altersversorgung aufgewendeten 170,-- EUR beim
Bruttoeinkommen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Der Hinweis auf § 14 Abs. 1 SGB IV gehe fehl. Aus § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV folge, dass
die 170,-- EUR nach § 1 Abs. 2 BetrAVG auch Arbeitsentgelt seien. Soweit der Kläger § 3
Nr. 26 EStG i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV anspreche, gelte dies nur für
Aufwandsentschädigungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrensganges wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakten mit der Geschäftsnummer 565001 (Bd. I bis III)
Bezug genommen. Die Beiakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I.
Gegenstand der Berufung sind die Bescheide vom 17. Februar 2003 und vom 28. März
2003, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2003.
Im Antrag und in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Gerichtsbescheides vom
10. August 2004 ist der Bescheid vom 28. März 2003 zwar nicht ausdrücklich genannt.
Gleichwohl ist davon auszugehen, dass das SG für das Saarland auch über diesen
Bescheid, der Gegenstand des Vorverfahrens gem. § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
geworden ist, mit entschieden hat.
Denn zum einen spricht das SG für das Saarland in den Entscheidungsgründen von den
angefochtenen Bescheiden. Zum anderen hat der Klägervertreter bereits im Schriftsatz
vom 25. November 2003 den Bescheid vom 28. März 2003 ausdrücklich genannt, so dass
davon auszugehen ist, dass der Angriff gegen diesen Bescheid Entscheidungsgrundlage des
Gerichtsbescheides vom 10. August 2004 war.
II.
Die Berufung ist zulässig.
Insbesondere ist der Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 und
2 SGG erreicht.
Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch
Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes unter anderem bei einer
Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt
betrifft, 500,-- EUR nicht übersteigt.
Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als
ein Jahr betrifft.
Letzteres ist vorliegend der Fall.
Streitgegenstand in der Berufung ist nur noch die Frage, ob die 170,-- EUR, die in die
Entgeltumwandlung fließen, bei der Berechnung des BSA als Einkommen zu
berücksichtigen sind. Da es sich um eine wiederkehrende Leistung für mehr als ein Jahr
handelt, greift § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG.
Nicht mehr Gegenstand der Berufung ist die Überzahlung von 234,-- EUR, über die das SG
für das Saarland befunden hat.
Das SG für das Saarland hat zwar in den Entscheidungsgründen ausdrücklich dazu nicht
Stellung genommen, dem Klageantrag ist aber zu entnehmen, dass sich der Kläger
ursprünglich noch gegen die Rückforderung gewandt hat.
Das SG für das Saarland hat die Klage im Ganzen abgewiesen und im Übrigen auf die
zutreffende Begründung in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.
Da der Berufungsangriff des anwaltlich vertretenen Klägers sich ausdrücklich nur gegen die
Anrechnung einer monatlichen Entgeltumwandlung von 170,-- EUR auf das
Bruttoeinkommen richtet , ist der Senat nur noch zur Entscheidung über diese Frage
berufen.
III.
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG für das Saarland hat die Klage auch in diesem Punkt zu Recht abgewiesen, da die
Bescheide vom 17. Februar und 28. März 2003, beide in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2003, nicht zu beanstanden sind.
Der Beklagte hat die seit 01. Oktober 2002 monatlich in Versorgungsbeiträge
umgewandelten 170,-- EUR zu Recht als Teil des der Berechnung des BSA zu Grunde
liegenden Bruttoeinkommens angesehen.
Das ergibt sich aus § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG i.V. mit §§ 9,10 BSchAV, 2 Abs. 1 AusglVO.
Auch die in Versorgungsbeiträge umgewandelten 170,-- EUR sind derzeitiges Einkommen
im Sinne von § 30 Abs. 4 BVG.
Dem Kläger steht gemäß Bescheid vom 03. Februar 1985 BSA im Sinne des § 30 Abs. 3
BVG zu.
Danach erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger
oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des
Absatzes 2 einen BSA in Höhe von 42,5 v. H. des auf volle Euro nach oben abgerundeten
Einkommensverlustes (Abs. 4) oder, falls dies günstiger ist, einen BSA nach Absatz 6.
Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen
dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der
Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen.
Was derzeitiges Einkommen im Sinne von § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG ist, bestimmt § 9 Abs. 1
der auf Grund des § 30 Abs. 14 erlassenen BSchAV, vorliegend in der Fassung, die sie
nach Art. 19 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I ,1827) erhalten hat.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BSchAV gelten als derzeitiges Bruttoeinkommen u.a. alle Einnahmen
in Geld- oder Geldeswert, soweit in §§ 30 Abs. 11 Satz 1, 64 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVG und
§ 10 BSchAV nichts anderes bestimmt ist.
Eine solche andere Bestimmung greift im vorliegenden Fall nicht ein. § 30 Abs. 11 Satz 1
oder § 64 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVG sind offensichtlich nicht einschlägig.
Auch aus § 10 BSchAV ergibt sich nichts anderes.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BSchAV gehören zum derzeitigen Bruttoeinkommen im Sinne des
§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG nicht die in § 2 Abs. 1 AusglVO genannten Einkünfte; abweichend
hiervon bleiben sowohl die in Nr. 17 genannten Weihnachts- und Neujahrsgratifikationen als
auch zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahltes Urlaubsgeld jeweils mit bis zu einem Zwölftel
des jährlichen Einkommens, mit dem diese Leistung in Zusammenhang stehen, oder, falls
dies günstiger ist, bis zur Höhe des Betrages, der dem Einkommen für den Monat der
Berechnung der Leistung entspricht, unberücksichtigt.
Die in Versorgungsbeiträge umgewandelten 170,-- EUR sind keiner der Fallgruppen des § 2
Abs. 1 AusglVO zuzuordnen, so dass sie als Einkünfte zu berücksichtigen sind.
§ 2 Abs. 1 Nr. 18 AusglVO sieht zwar vor, dass nicht zu berücksichtigende Einkünfte
betriebliche Vergünstigungen (z.B. Freimilch, Freitabak, Freibier, unentgeltliche oder
verbilligte Mahlzeiten im Betrieb, Essensmarken) sind, soweit sie lohnsteuerfrei bleiben.
Als solche betriebliche Vergünstigung ist die Entgeltumwandlung, wie sich der
Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2000 entnehmen lässt, gerade nicht anzusehen.
Denn danach werden Teile des Arbeitsentgeltes, nämlich bis zu 320,-- EUR, in einen
Versorgungsbeitrag umgewandelt, deren Anlage der Betrieb, hier die Arbeitgeberin,
übernimmt.
Sonstige Ausnahmefälle sind nicht einschlägig.
Da somit die 170,-- EUR zu berücksichtigen sind, gehören sie zum derzeitigen
Bruttoeinkommen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 BSchAV. Denn alle nicht ausdrücklich
aufgeführten Einnahmearten sind damit zum derzeitigen Bruttoeinkommen hinzurechnen.
Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut, aber auch aus der Systematik des § 30 Abs. 4
BVG i.V.m. § 9 und 10 BSchAV und § 2 AusglVO. Insbesondere § 2 AusglVO hat einen
Ausnahmecharakter, den über die genannten Fallgruppen auszudehnen nicht dem Willen
des Gesetzgebers entspricht.
Denn als nicht zu berücksichtigende Einkünfte gelten nur eine Reihe von ausdrücklich
genannten Leistungen in Geld oder Geldeswert, die zwar begrifflich als Einkommen
anzusehen sind, etwa aber wegen ihres Charakters, der Zweckgebundenheit oder der
Besonderheit der Leistung für eine Ansetzung nicht in Frage kommen, weil es zu einer
Doppelanrechnung, einer Entfremdung des mit ihm beabsichtigten Zweckes oder
tatsächlich zu einer Verletzung des Einkommensbegriffs führen würde. Der Katalog der
Ausnahmen muss deshalb als abschließend betrachtet werden.
Darüber hinaus bleibt es bei dem weiten Einkommensbegriff des § 30 Abs. 4 BVG (vgl. zur
Problematik: Urteil vom 23. März 2005 des LSG Rheinland-Pfalz, Az L 4 VS 8/04), der
Einkommen im wirtschaftlichen Sinne versteht, was zur Folge hat, dass auch die vom
Kläger eingesetzten 170,-- EUR als solches gelten.
Insbesondere geht die Schlussfolgerung des Klägers, nach §§ 14 Abs. 1 Satz 2 und 3, 115
SGB IV seien die für die betriebliche Altersvorsorge aufgebrachten 170,-- EUR nicht als
Arbeitsentgelt und daher nicht als Bruttoeinkommen im Sinne des § 30 Abs. 4 BVG
anzusehen, fehl. Die Definition des Arbeitsentgelts in § 14 SGB IV ist nicht auf den Begriff
des Einkommens i. S. des § 30 Abs. 4 BVG übertragbar.
Denn § 14 SGB IV hat eine Regelung für das Beitrags- und Leistungsrecht in der
Sozialversicherung sowie der Arbeitsförderung geschaffen (Hauck/Haines/Klattenhoff,
Kommentar zum SGB IV, § 14 SGB IV, Rdnr. :1); § 30 BVG ist hingegen eine Regelung des
sozialen Entschädigungsrechts. Dieses ist aber als ein in sich geschlossenes Rechtsgebiet
mit eigenen Regeln zu betrachten, so dass sich die Heranziehung der Definitionen aus dem
Recht der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung vom Ansatz her bereits verbietet.
Unerheblich ist daher auch die steuerrechtliche Behandlung des Einkommens
(Rohr/Strässer, Kommentar zum BVG, § 30 BVG, Anm.: 3; Bundessozialgericht ,
Urteil vom 16. März 1961, AZ: 8 RV 265/59).
Aus diesen Gründen ist auch der Vergleich mit anderen Schutzsystemen verfehlt.
So trägt Einwand des Klägers, gegenüber den Beziehern einer Berufsunfähigkeitsrente
benachteiligt zu sein, nicht.
Denn die Rente wegen Berufsunfähigkeit ( ursprünglich nach § 1246 Abs. 1 und 2
Reichsversicherungsordnung , gültig bis 31. Dezember 1991 ,
ab 01. Januar 1992 bis 31. Dezember 1995 nach § 43 des Sechsten Buchs des
Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung- in der Fassung des Art. 1
des Rentenreformgesetzes 1992- RRG 1992 )will dem Risiko, in dem
bisher ausgeübten Beruf nicht mehr tätig sein zu können, begegnen. Ihr Zweck ist es,
weggefallenen Lohn zu ersetzen und den Lebensunterhalt des Berufsunfähigen zu sichern.
Der Gesetzeszweck des in § 30 Abs. 4 BVG geregelten BSA ist ein anderer. Es soll ein
Ausgleich für die mit der Schädigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile im Beruf des
Betroffenen geschaffen werden.
Unabhängig von der nicht miteinander zu vergleichenden Zielrichtung der sozialen
Schutzsysteme bestehen Bedenken, ob der Kläger am 10. Februar 1982 überhaupt die
Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente erfüllt hätte.
Ob zum damaligen Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die
Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente gegeben gewesen wären, erscheint bereits
zweifelhaft. Denn bereits § 1246 Abs. 2a Nr. 1 RVO setzte voraus, dass von den letzten
60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit
Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt waren.
Darüber hinaus genügte es für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente nicht, den
bislang ausgeübten Beruf nicht mehr verrichten zu können. Vielmehr lag Berufsunfähigkeit
nicht vor, wenn der Betroffene sich, auch unter Inkaufnahme eines zumutbaren beruflichen
Abstiegs, seiner Qualifikation entsprechend verweisen lassen musste.
Als Facharbeiter hätte der Kläger aber auf die nunmehr ausgeführte Tätigkeit, die nach
Angaben seiner Arbeitgeberin einer Anlerntätigkeit entspricht, verwiesen werden können.
Somit ist die vom Kläger empfundene Ungleichbehandlung gegenüber denen, die eine
Rente wegen Berufsunfähigkeit beziehen, nicht zu objektivieren.
Es muss daher bei der Berücksichtigung der vom Kläger aufgewendeten 170,-- EUR zum
derzeitigen Bruttoeinkommen bleiben. Der Kläger ist im Ergebnis nicht anders zu behandeln
als der, der Teile seines Einkommens für eine private Altersvorsorge verwandt hat. Denn
nichts anderes stellt die betriebliche Altersvorsorge, an der teilzunehmen dem freien Willen
des Klägers entsprach, letzten Endes dar. Dass aber Entgeltanteile, die für eine private
Altersvorsorge aufgebracht werden, nicht bei dem derzeitigen Bruttoeinkommen des § 30
Abs. 4 BVG berücksichtigt werden, behauptet der Kläger selbst nicht.
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nach § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben.