Urteil des LSG Saarland vom 19.01.2007

LSG Saarbrücken: luxemburg, recht der europäischen union, territorialitätsprinzip, vorbehalt des gesetzes, verordnung, soziale sicherheit, berufliche tätigkeit, arbeitslosigkeit, versicherungspflicht

LSG Saarbrücken Urteil vom 19.1.2007, L 8 AL 3/06
Anspruch auf Existenzgründungszuschuss - Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in
einem anderen Mitgliedstaat - Wohnsitz im Inland - Territorialprinzip - Sinn und Zweck der
Leistung - Verstoß gegen EG-Recht
Leitsätze
1. Ein Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss für die Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit (sog. "Ich-AG") besteht nicht bei der Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches des SGB 3, auch wenn der Antragsteller seinen
Wohnsitz im Geltungsbereich des SGB 3 hat.
2. Sinn und Zweck eines solchen Zuschusses ist im Wesentlichen die Abdeckung von
Kosten der Beitragszahlung zu den sozialen Sicherungssystemen, die bei der Aufnahme
einer an sich förderungswürdigen Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches des SGB 3
nicht anfallen.
3. Europarechtliche Vorschriften, insbesondere der Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften und die Verordnung EWG 1408/71, verpflichten die Arbeitsverwaltung
nicht, die Aufnahme selbständiger Tätigkeiten außerhalb des Geltungsbereiches des SGB 3
zu fördern.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
15.12.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses.
Der 1973 geborene Kläger stellte am 26.02.2004 einen Antrag auf Gewährung eines
Existenzgründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 421 l
Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III). Geplant war die Aufnahme
einer Tätigkeit als deutscher Rechtsanwalt in Luxemburg gemäß der Richtlinie 98/5/EG
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14.03.1998, L 77/36 ff.) ab dem
01.03.2004.
Mit Bescheid vom 16.03.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung eines
Existenzgründungszuschusses ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Antrag
abgelehnt werde, weil die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in Luxemburg geplant sei
und sich somit nicht im Geltungsbereich des SGB III befinde.
Hiergegen legte der Kläger am 06.04.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im
Wesentlichen vor, dass es für den Bescheid keine Ermächtigungsgrundlage gebe, keine
ausreichende Begründung vorhanden sei und dass § 421 l SGB III örtlich, persönlich und
sachlich anwendbar sei. § 421 l SGB III könne nicht entnommen werden, dass nur
selbständige Tätigkeiten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gefördert
würden. Es seien die nationalen Vorschriften über die Versicherungspflicht oder
Versicherungsberechtigung anzuwenden, da die gesetzlich vorgeschriebenen
Anknüpfungsmerkmale im Territorium der Bundesrepublik gegeben seien. Er sei
Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland und habe seinen Wohnsitz im
Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs. Seit dem 10.03.2004 sei er durch die
Rechtsanwaltskammer K. beim Landgericht B. K. und beim Amtsgericht I.-O. als
Rechtsanwalt zugelassen. Er sei im B. d. l. P., L-2023 Luxemburg als selbständiger Jurist
tätig. Ein Antrag auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer Luxemburg zur Erzielung
der Eintragung als europäischer Rechtsanwalt gemäß der Richtlinie 98/5/EG sei in
Vorbereitung. Er sei Grenzpendler zwischen Sa. und Luxemburg. Bis zum 31.01.2003 sei
er Arbeitnehmer gewesen und sei seit dem 01.02.2003 arbeitslos. Er habe
Arbeitslosengeld bzw. zeitweise Unterhaltsgeld bezogen. Durch die Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit habe er seine Arbeitslosigkeit zum 29.02.2004 beendet. Er werde
voraussichtlich durch seine Tätigkeit kein Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Viertes
Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV)
erzielen, das 25.000,00 EUR im Jahr überschreiten werde. Momentan sei er bei der BfA
bzw. beim Versorgungswerk versicherungspflichtig und erhalte kein Überbrückungsgeld
nach § 57 SGB III. Es bestehe daher ein gebundener Anspruch auf die
Existenzgründungsförderung. Das Gesetz erleichtere Arbeitslosen den Weg in die
Selbständigkeit, indem die Last der Sozialversicherungsabgaben zeitweilig verringert werde.
Er müsse dem Bescheid der Beklagten zufolge seinen sozialen Schutz in der dreijährigen
Übergangsphase in vollem Umfang selbst aufrechterhalten. Die Entscheidung der Beklagten
verhindere eine Verwaltungsvereinfachung gemäß der Neufassung des § 7 Abs. 4 SGB IV,
wonach bei dem Antragsteller, dem die Förderung nach § 421 I SGB III bewilligt werde,
unwiderlegbar vermutet werde, dass er in dieser Tätigkeit als Selbständiger tätig werde.
Durch die Ablehnung werde verhindert, dass dem Antragsteller die Beweislast für seine
Selbständigkeit genommen werde und sie stelle sich somit einer Rechtsklarheit für alle
Zweige der Sozialversicherung entgegen. Sie beschwöre die Gefahr divergierender
Entscheidungen herauf. Selbst wenn man unterstellte, dass der Förderung das sog.
Territorialitätsprinzip entgegenstünde, würde dies § 30 Abs. 2 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) und § 6 SGB IV widersprechen. In diesem Fall
würden mögliche Regelungen zum Territorialitätsprinzip von über- und zwischenstaatlichem
Recht abweichen. Die Entscheidung verletze ihn auch in seinen Grundrechten. Eine
Verletzung von Art. 14 GG i.V.m. Art. 2 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip sei gegeben, da
der gebundene Anspruch aus § 421 l SGB III unter dem Schutz des Art. 14 GG stehe. Die
Behörde hätte eine Ermächtigungsgrundlage angeben müssen und hätte bei Berufung auf
das Territorialitätsprinzip die Gesetzesnormen, etwa § 30 Absatz 1, 2, 3 SGB I,
verfassungskonform auslegen müssen. Das Territorialitätsprinzip müsse hinter dem Schutz
der Eigentumsgarantie zurückstehen. Da die gesetzliche Auferlegung von
Geldleistungspflichten, die die berufliche Tätigkeit belasteten, eine
Berufsausübungsregelung darstelle, gelte gleiches für die rechtswidrige Nichtgewährung
von Fördermitteln zur Reduzierung von Geldleistungspflichten. Ihm werde eine Förderung,
auf die er von Gesetzes wegen einen Anspruch habe, verweigert. Dadurch werde eine
Tätigkeitsaufnahme in Luxemburg gemäß der Richtlinie 98/5/EG erschwert und er werde in
seinem Grundrecht auf freie Berufswahl und Berufsausübung nach Art. 12 GG verletzt. Der
Bescheid verletze den Antragssteller auch in der Entfaltung seiner freien Persönlichkeit nach
Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, da er, um in den Genuss der Förderung zu
kommen, gezwungen sei, seine Kanzlei auf deutschem Staatsgebiet einzurichten. Auch
Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls verletzt. Zwischen Rechtsanwälten, die ihre Kanzlei in
Luxemburg unterhielten und solchen, die dies in der Bundesrepublik vollzögen, bestehe
aufgrund der Zulassungspflicht bei einer deutschen Rechtsanwaltskammer, der
Beitragspflicht bei einem deutschen Versorgungswerk und des Zwangs zum Abschluss
einer deutschen Berufshaftpflichtversicherung für beide Gruppen, kein Unterschied von
solcher Art und solchem Gewicht, dass ihre Ungleichbehandlung im Hinblick auf Leistungen
der Existenzgründungsförderung gerechtfertigt sei. Er beziehe sich auf die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 1 BvR 809/95. Auch widerspreche die
Entscheidung europäischem Recht. Die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 52 ff. EGV werde
verletzt, da er gezwungen werde, sich in der Bundesrepublik selbständig zu machen, um in
den Genuss der Förderung zu kommen. Die Entscheidung verletze die Richtlinie 98/5/EG,
wonach deutsche Rechtsanwälte in jedem EU-Mitgliedsstaat unter ihrer ursprünglichen
Berufsbezeichnung tätig werden könnten. Die Entscheidung verletze die praktische
Umsetzung der Richtlinie, indem er durch die Nichtförderung bei der Ausübung seiner
Selbständigkeit in Luxemburg gehindert werde. Die Entscheidung setze sich in Widerspruch
zum europäischen Arbeitsförderungsrecht und Sozialrecht. Durch den ablehnenden
Bescheid werde das Ziel der Zusammenarbeit der EG-Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit unterhöhlt. Die Entscheidung setze sich in Widerspruch zu
Anstrengungen Frankreichs, Luxemburgs, Belgiens und Deutschlands, die
Arbeitslosigkeitsrate im Saar-Lor-Lux-Raum zu senken und Existenzgründer über die
Grenzen hinweg zu fördern. Der Bescheid hindere die wirtschaftliche Verflechtung in der
Grenzregion Saar-Lor-Lux, von der Sa. als Grenzstadt profitiere.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück,
was sie ebenfalls damit begründete, dass nach dem geltenden Territorialitätsprinzip nur die
Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Geltungsbereich des SGB III gefördert werde.
Mit seiner am 09.07.2004 bei dem Sozialgericht für das Saarland (SG) erhobenen Klage
wiederholt der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt
ergänzend vor, dass er über die Zulassung als Rechtsanwalt in Deutschland und
Luxemburg verfüge. Ein erstes Mandat für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung
und Beratung in deutschem Recht und vor deutschen Gerichten sei bereits erteilt worden.
Mangels Nennung einer Ermächtigungsgrundlage verstoße die Entscheidung gegen den
Vorbehalt des Gesetzes. Die Beklagte lehne den Antrag mit dem Hinweis auf das
Territorialitätsprinzip ab, ohne seine Bedeutung zu erörtern. Die Entscheidung sei nicht
ausreichend begründet. Sollte die Beklagte ihre Entscheidung auf §§ 30, 37 SGB I, §§ 1 und
3 SGB IV stützen und sollten diese verfassungs- und europarechtskonform sein, verkenne
sie die darin erörterten Regelungen zum Geltungsbereich der Vorschriften. § 3 Nr. 1 SGB IV
stelle abweichend von § 30 Abs. 1 SGB I auf den Beschäftigungs- und Tätigkeitsort ab. Er
sei in Luxemburg tätig. Er sei aber zunächst bei einem Mandat auf dem Staatsgebiet der
Bundesrepublik tätig, § 9 I und § 11 I SGB IV. Es sei ohne Belang, wo die selbständige
Tätigkeit tatsächlich rechtlich lokalisiert sei. Der Umstand, dass sich seine Kanzlei in
Luxemburg befinde, sei somit unbeachtlich. In § 1 Abs. 3 und § 6 SGB IV werde
festgestellt, dass Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben
würden. § 3 SGB IV stelle lediglich eine Rahmenregelung dar, die nur insoweit zur
Anwendung gelange, als weder innerstaatliche noch über- und zwischenstaatliche
Sondervorschriften bestünden. § 3 SGB IV gelte darüber hinaus nicht für das
Leistungsrecht, da es sich um die Entstehung und Erfüllung eines Anspruch des Klägers
gegenüber der Beklagten handele, für den andere Grundsätze als das Territorialitätsprinzip
maßgebend seien. Sein Leistungsanspruch bestehe auch dann, wenn er sich in Luxemburg
aufhalte und von dort aus tätig sei. Bei § 421 l SGB III handele es sich um einen
gebundenen Anspruch. Die Entscheidung verletze ihn in seinen Rechten aus
überstaatlichem und zwischenstaatlichem Recht, so etwa denjenigen Rechten, die den
Transfer von Leistungen in andere EU-Staaten gewährleisten würden. Neben der
Verletzung der Niederlassungsfreiheit werde der freie Dienstleistungsverkehr verletzt. Die
Entscheidung verletze internationale Verträge und Abkommen und damit die daraus
resultierenden Rechte. So würden Art. 17 Abs. 1 des Europäischen
Niederlassungsabkommens, Art. 1 Nr. 1 und Art. 18 der Europäischen Sozialcharta, das
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Luxemburg über Leistungen bei
Krankheit und Mutterschutz und über Soziale Sicherheit der Grenzgänger sowie die Charta
der Grundrechte der Europäischen Union verletzt werden. Die Voraussetzungen der Art. 69
und 70 der Verordnung EWG NR. 1408/71 seien erfüllt. Mit Eröffnung einer weiteren
Kanzlei in Sta. ab dem 01.11.2005 könne das Territorialitätsprinzip nicht mehr zur
Begründung der Ablehnung seines Antrages angeführt werden.
Im Verfahren vor dem SG hat der Kläger beantragt:
1.) Den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 aufzuheben;
2.) die Beklagte zu verurteilen, seinem Antrag vom 26.02.2004 auf
Gewährung eines Existenzgründungszuschusses in Höhe von 600
EUR monatlich vom 01.03.2004 bis zum 30.02.2005 zur Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit gem. § 421 I SGB III stattzugeben;
hilfsweise ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu bescheiden;
3.) die Beklagte zu verurteilen, seinen Anträgen vom 26.02.2004,
03.08.2005 und 29.09.2005 auf Gewährung eines
Existenzgründungszuschusses in Höhe von 360 EUR monatlich in der
Zeit vom 01.03.2005 bis zum 28.02.2006 zur Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit gem. § 421 l SGB III stattzugeben, hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, die Anträge unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden;
4.) die Beklagte zu verurteilen, seinen Anträgen vom 26.02.2004,
03.08.2005 und 29.09.2005 auf Gewährung eines
Existenzgründungszuschusses in Höhe von 240 EUR monatlich in der
Zeit vom 01.03.2006 bis zum 28.02.2007 zur Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit gem. § 421 l SGB III stattzugeben; hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, die Anträge unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden
5.) festzustellen, dass die Beklagte ihm gegenüber zum Ersatz der
durch die Versagung des Existenzgründungszuschuss zur Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit gem. § 421 l SGB III verursachten
Mehraufwendungen zzgl. Zinstragung verpflichtet ist
6.) zu gewährende Existenzgründungsförderungsleistungen vom
01.03.2004 an mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte hat im sozialgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass die vom Gesetzgeber
erlassenen Normen des SGB III nach dem Territorialitätsprinzip nur für Sachverhalte gelten
würden, die sich im Zuständigkeitsbereich eben dieses Gesetzgebers verwirklichten. Dieses
Prinzip sei historisch auf die völkerrechtliche Grundnorm zurückzuführen, dass staatliche
Hoheitsgewalt nur im eigenen Hoheitsbereich ausgeübt werden dürfe und ihre Schranken in
den räumlichen Grenzen dieses Hoheitsgebiet finde. Das Territorialitätsprinzip habe in § 30
SGB I für den Bereich der Arbeitsförderung eine Ausformung erfahren, wonach für die
Arbeitsförderung der Beschäftigungs- oder Tätigkeitsort maßgebend sei. Dieses Prinzip
werde allerdings durch über- und zwischenstaatliches Recht verdrängt, vorliegend also
durch das Recht der Europäischen Union. Da sich allerdings in diesem Recht und hier
insbesondere in der Verordnung EWG Nr. 1408/71 keine Norm finde, welche die
Anwendung von § 421 I SGB III für die Tätigkeit in Luxemburg rechtfertige, sei der Antrag
zu Recht abgelehnt worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15.12.2005 abgewiesen und ausgeführt, die im
Rahmen der objektiven Klagehäufung (vgl. § 56 Sozialgerichtsgesetz – SGG) erhobene
Klage habe insgesamt keinen Erfolg. Die Klageanträge zu 1. und 2. seien unbegründet. Der
Kläger sei nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, da der Bescheid der Beklagten
vom 16.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2004 rechtmäßig
sei. Dem Bescheid fehle es insbesondere nicht an einer Ermächtigungsgrundlage. Da die
Beklagte die Voraussetzungen für eine Förderung nicht für gegeben halte, habe sie einen
ablehnenden Bescheid erlassen, der seine Grundlage in § 421 l SGB III finde. In keinem Fall
sei eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für eine Ablehnungsentscheidung
vorhanden, sondern die entsprechende Anspruchsnorm sei gleichzeitig Grundlage der
negativen Entscheidung. Als Verwaltungsträger (vgl. §§ 367 ff. SGB III) sei die Beklagte
auch befugt, durch Verwaltungsakt zu handeln. Der Bescheid der Beklagten sei auch
formell rechtmäßig. Es fehle nicht, wie vom Kläger vertreten, an einer ordnungsgemäßen
Begründung des Bescheids. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch –
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) sei ein schriftlicher
Verwaltungsakt grundsätzlich zu begründen. Nach Satz 2 sei dafür die Angabe der
wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe erforderlich. Dabei sei es nicht
ausreichend, wenn formelhaft der gesetzliche Tatbestand wiederholt wird oder schlicht
ausgeführt werde, im Einzelfall lägen keine Besonderheiten vor. Ob die gegebene
Begründung inhaltlich zutreffend oder unzutreffend sei, sei im Rahmen des § 35 SGB X
irrelevant, denn die sachliche Richtigkeit der gegebenen Begründung betreffe nicht die
Form- bzw. Verfahrensfehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts, sondern allenfalls seine
materielle Rechtmäßigkeit. Da die Beklagte mit der Berufung auf das Territorialitätsprinzip
den für sie ausschlaggebenden Grund für die Versagung der Leistung angegeben habe und
sich damit mit dem Einzelfall auseinandergesetzt habe, sei § 35 SGB X Genüge getan.
Darüber hinaus sei der Bescheid der Beklagten auch materiell rechtmäßig. Der Kläger habe
keinen Anspruch auf Gewährung eines Existenzgründungszuschuss gemäß § 421 l SGB III.
Nach Abs. 1 dieser Norm hätten Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendeten, einen Anspruch auf einen monatlichen
Existenzgründungszuschuss. Der Zuschuss werde u.a. dann geleistet, wenn der
Existenzgründer
1) in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der
selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch
bezogen habe,
2) nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen
nach § 15 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch erzielen werde, das
voraussichtlich 25.000 EUR im Jahr nicht überschreiten werde.
Da der Kläger bis zum 28.02.2004 Arbeitslosengeld bezogen habe, in direktem Anschluss
daran mit Aufnahme der Tätigkeit als Anwalt durch selbständige Tätigkeit die
Arbeitslosigkeit beendete habe und auch das Einkommen die vorgegebene Grenze
voraussichtlich nicht überschritten habe, seien diese Voraussetzungen erfüllt. Dem Kläger
habe jedoch der beantragte Zuschuss nicht gewährt werden können, da die selbständige
Tätigkeit nicht in Deutschland sondern in Luxemburg aufgenommen worden sei. § 30 Abs.
1 SGB I bestimme, dass die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs bzw. der
Sozialgesetzbücher für alle Personen gelten würden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in seinem Geltungsbereich hätten. § 30 SGB I regele den persönlichen und
räumlichen Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs. Er gehe vom sog. Territorialitätsprinzip
aus, wonach die vom Gesetzgeber erlassenen Normen in der Regel nur für Sachverhalte
gelten würden, die sich im Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers verwirklichten. Das
Territorialitätsprinzip sei historisch auf die völkerrechtliche Grundnorm zurückzuführen, dass
staatliche Hoheitsgewalt nur im eigenen Hoheitsbereich ausgeübt werden dürfe und ihre
Schranken in den räumlichen Grenzen dieses Hoheitsrechts finde. Danach wäre § 421 l
SGB III auch anwendbar, wenn, wie hier, die selbständige Tätigkeit im Ausland
aufgenommen werde, der Antragsteller aber seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik
Deutschland habe. So werde auch vertreten, dass die Ausübung einer selbständigen
Tätigkeit im Ausland die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nicht ausschließe,
was zumindest für eine Förderung in den Grenzregionen bzw. im Raum der Europäischen
Gemeinschaft gelte. Maßgebend sei der Zweck der Vorschrift. Vorrangiger Zweck der
Regelung sei die Beendigung und die Beseitigung von Arbeitslosigkeit sowie die
Eindämmung der Schwarzarbeit. Dies werde auch durch die Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit im Ausland erreicht, womit der erforderliche Inlandsbezug gegeben sei (so Link in
Eicher/Schlegel, Kommentar zum SGB III, § 421 l, RN 21 c; vgl. auch Stark in
Praxiskommentar zum SGB III zum Überbrückungsgeld, § 57, RN 9). Dem sei jedoch
entgegenzuhalten, dass bei einer Existenzgründung im Ausland immerhin die möglichen
wirtschaftsfördernden Aspekte des Existenzgründungszuschusses in Form von möglicher
Einstellung von Arbeitnehmern durch den Existenzgründer und möglicher Tätigung von
Investitionen zum Zwecke der Existenzgründung entfallen würden (Marschner in
Gemeinschaftskommentar zum SGB III, § 421 l, RN 9). Daran ändere auch die Tatsache
nichts, dass der Kläger über die deutsche Anwaltszulassung verfüge und deutsche
Mandanten nach deutschem Recht vor deutschen Gerichten vertrete. Sein Kanzleisitz sei
Luxemburg. Die Abstellung auf den Ort des Kanzleisitzes sei sachgerecht, da insofern ein
eindeutiger Anknüpfungspunkt vorhanden sei, was zum Zwecke der Wahrung der
Rechtseinheit sachdienlich sei. Für die Versagung der Leistung spreche auch, dass in der
EWG-Verordnung 1408/71 gerade keine Regelung für die vorliegende Fallgestaltung
getroffen sei. Der Kläger sei auch nicht in seinen Grundrechten verletzt. Denn ihm werde
eine Existenzgründung und die Tätigkeit als Anwalt in Luxemburg nicht unmittelbar
verboten oder erschwert; auch nicht unter Zugrundelegung des neuen weiten
Eingriffsbegriffs, nach dem auch mittelbare Beeinträchtigen Grundrechtsverletzungen
darstellen könnten, wenn sie staatlichem Handeln zugerechnet werden könnten (BVerfGE
66, S. 39 ff). Bei der Gewährung des Existenzgründungszuschusses handele es sich um
Leistungsverwaltung. Solange auf die Leistung kein grundrechtlicher Anspruch bestehe,
seien Einschränkungen der Leistung nicht grundrechtsrelevant. Im Hinblick auf die gerügte
Verletzung von Art. 14 GG sei besonders zu berücksichtigen, dass öffentlich-rechtliche
Vermögenspositionen nur dann in den Eigentumsbegriff einzubeziehen seien, wenn sie auf
nicht unerheblichen Eigenleistungen des Einzelnen beruhten und der Sicherung der Existenz
dienten ( BVerfGE 53, S. 257 ff). Wie sich aus der Höhe der Förderungsbeträge ergebe, sei
letzteres bei dem Existenzgründungszuschuss anders als beim Überbrückungsgeld gerade
nicht der Fall (vgl. Becker in Praxiskommentar, aaO, § 421 l, RN 6), so dass bereits der
Schutzbereich von Art. 14 GG nicht eröffnet sei. Da es nicht um Existenzsicherung gehe,
sei auch das Sozialstaatsprinzip nicht tangiert. Für einen Eingriff in Art. 12 GG fehle es an
der objektiv berufsregelnden Tendenz (BVerfGE 82, S. 209 ff). Eine etwaige Verletzung von
Art. 3 GG sei durch den wichtigen Grund der Erzielung wirschaftsfördernder Aspekte im
Inland gerechtfertigt. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei unter
keinem Gesichtspunkt denkbar. Es liege auch keine Verletzung des Klägers in seinen
Rechten aus europäischem Gemeinschaftsrecht oder internationalem Recht vor. Eine
Verletzung der Rechte des Klägers aus der EWG-Verordnung 1408/71 liege nicht vor, da
diese eine Regelung für die vorliegende Fallgestaltung gerade nicht enthalte. Ein Verstoß
gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EGV und die Dienstleistungsfreiheit sowie
gegen die Richtlinie 98/5/EG scheide aus, da dem Kläger der Zugang zum europäischen
Wirtschaftsraum nicht final und unmittelbar verboten oder erschwert werde. Auch eine
Verletzung in Form einer in Betracht zu ziehenden mittelbaren Diskriminierung scheide aus,
da im Bereich der Leistungsverwaltung, auf die kein grundrechtlicher Anspruch bestehe,
Einschränkungen der Leistung nicht in unzulässige Eingriffe umgedeutet werden könnten.
Die Klageanträge zu 3. und 4. seien unzulässig, da bzgl. der beiden Folgejahre des
Förderungszeitraumes eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten noch nicht vorliege
(vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 54, RN 22 und 39). Eine
Umdeutung in einen Feststellungsantrag scheitere am Subsidiaritätsgrundsatz. Darüber
hinaus seien die Klageanträge auch unbegründet. Diesbezüglich werde auf die obigen
Ausführungen verwiesen. Soweit der Kläger sich auf die Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit ab dem 01.11.1005 in Sta. berufe, fehle es an dem erforderlichen engen
Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit und der Aufnahme der selbständigen
Tätigkeit. Immerhin sei zuletzt Arbeitslosengeld im Februar 2004 gezahlt worden. Insoweit
könnten auch die Hilfsanträge des Klägers keinen Erfolg haben. Die Klageanträge zu 5. und
6. könnten mangels Erfolg der Hauptanträge nicht zum Erfolg führen.
Gegen dieses ihm am 20.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Eingang vom
10.02.2006 Berufung eingelegt und mit weiterem Schriftsatz vom 14.02.2006
ausgeführt, das SG stelle die für die Entscheidung relevanten Tatsachen unvollständig und
einseitig dar. Dem Tatbestand sei nicht zu entnehmen gewesen, dass der Kläger ab dem
01.11.2005 eine weitere Kanzlei in Sta. und somit in Deutschland gegründet habe, die er
neben der Kanzlei in Luxemburg betreibe. Daneben werden weitere nach Auffassung des
Klägers bestehende Fehler und Versäumnisse in der Tatbestandsdarstellung des SG
geltend gemacht. Der Kläger vertritt seinen bisherigen Vortrag vertiefend weiterhin die
Auffassung, dem ablehnenden Bescheid fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Er sei
auch formell nicht rechtmäßig, da nicht auf alle für die Entscheidung wesentlichen Fragen
und Tatsachen des konkreten Einzelfalles eingegangen worden sei. Er sei auch materiell
rechtwidrig. Das SG hätte bei Prüfung der materiellen Voraussetzungen den Anspruch auf
Förderung feststellen müssen. Das Gericht verkenne, dass der Kläger seine Klage im Jahr
2004 als deutscher Rechtsanwalt rechtshängig gemacht habe. Dem Urteil könne nicht
entnommen werden, wie der Kläger dieses Verfahren hätte führen können, ohne in
Deutschland zugelassen zu sein. § 30 Abs. 1 SGB I sei keine Ermächtigungsgrundlage,
sondern allenfalls eine ehemalige Regelung über die örtliche Anwendbarkeit deutschen
Sozialrechts. Das SG begründe seine Ansicht nicht. Es zitiere lediglich Literatur zu § 30 SGB
I, ohne diese zu erläutern. Das SG setze sich nicht damit auseinander, dass aufgrund der
deutschen Souveränitätsabgabe an die EU in Deutschland zumindest im vorliegenden Falle
nicht mehr von einem „Territorialitätsprinzip“ gesprochen werden könne. Darüber hinaus
würden § 421 l SGB III bzw. § 30 SGB I weder europarechtskonform ausgelegt noch
angewendet. Das Gericht prüfe nicht den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere Art. 3, 42, 43 ff., 49 ff. EGV. Gleiches gelte für die
Verordnungen EWG 1408/71 und 574/72. Insbesondere Art. 69 und 71 Abs. 1 der
Verordnung 1408/71 begründeten einen Anspruch.
Der Kläger beantragt,
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 15.12.2005
und den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 aufzuheben;
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger zur Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit als deutscher Rechtsanwalt in Luxemburg
gemäß der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 16.02.1998 einen Existenzgründungszuschuss nach den
gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihren bisherigen Vortrag sowie die ihrer Auffassung nach
zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen; der Inhalt dieser
Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
15.12.2005 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Berufung wird aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet
zurückgewiesen, so dass der Senat von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG absieht.
Ergänzend bleibt jedoch zu dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren
auszuführen, dass die vom Kläger gerügte Unvollständigkeit der Sachverhaltsdarstellung im
Urteil des SG keinesfalls gegeben ist. Die von ihm angegebenen Versäumnisse sind nämlich
nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen kann gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) die Darstellung des Tatbestandes durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der
vorbereitenden Schriftsätze und auf die nach der Sitzungsniederschrift erfolgten
Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und
vollständig ergibt. Dies erfolgt üblicherweise – ebenso wie vorliegend im Urteil des SG –
durch die sog. salvatorische Klausel.
Dem Senat bleibt darüber hinaus die Erkenntnis verschlossen, inwiefern es keine
Rechtsgrundlage für einen ablehnenden Bescheid geben sollte. Wie das SG dargelegt hat,
ist eine negative Entscheidung in einem (Sozial-)Verwaltungsverfahren immer dann zu
treffen, wenn ein mit einem Antrag geltend gemachter Anspruch nicht besteht.
Ein Anspruch auf Leistungen für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als deutscher
Rechtsanwalt in Luxemburg gemäß der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 16.02.199 - und nur dies war Gegenstand der Antragstellung und
damit des anhängigen Verfahrens - besteht jedenfalls nicht.
Dabei bleibt zunächst klarzustellen, dass der Kläger mit seinem Antrag auf Gewährung
eines Existenzgründungszuschusses für die „Aufnahme einer Tätigkeit als deutscher
Rechtsanwalt in Luxemburg gemäß der Richtlinie 98/5/EG“, nicht auch die Förderung einer
Anwaltstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat. Zwar hat er im Rahmen
der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die beantragte
Tätigkeit voraussetze, dass er als Rechtsanwalt in Deutschland zugelassen und auch tätig
sei. Dies entspricht aber nicht der genannten Richtlinie. So heißt es in dieser unter Nr. 12
der Vorbemerkungen:
„Der im Aufnahmestaat unter seiner ursprünglichen
Berufsbezeichnung eingetragene Rechtsanwalt muß bei der
zuständigen Stelle des Herkunftsstaats eingetragen bleiben, um
seinen Status als Rechtsanwalt zu behalten und diese Richtlinie in
Anspruch nehmen zu können. …“
Von einem Tätigsein in der Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat ist dabei nicht
die Rede. Weiter heißt es in den eigentlichen Bestimmungen der Richtlinie unter Artikel 2
(Recht auf Berufsausübung unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung):
„Jeder Rechtsanwalt hat das Recht, die in Artikel 5 genannten
Anwaltstätigkeiten auf Dauer in jedem anderen Mitgliedstaat unter
seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.“
Auch hiernach ist eine weitere Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht
erforderlich. Jedenfalls ergibt sich aus diesen Regelungen und dem Umstand, dass der
Kläger eindeutig seinen Antrag auf eine Tätigkeit in Luxemburg beschränkt hat, nicht, dass
der Kläger seinen Antrag (auch) für eine Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland
gestellt hat.
Die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 421 I SGB III außerhalb
des Geltungsbereiches des SGB III ist jedoch nicht möglich. Ergänzend zu der zutreffenden
Darstellung im Urteil des SG bleibt hierzu weiter auszuführen, dass das seinen Niederschlag
in § 30 Abs. 1 SGB I habende Territorialprinzip zwar zunächst an den Wohnort geknüpft ist.
Dass dieses allgemeingültige Prinzip aber auch für die Vorschrift des § 421 l SGB III im
Hinblick auf den Ort der ausgeübten selbständigen Tätigkeit gelten muss bzw. dass der
Gesetzgeber die danach zu gewährenden Leistungen auf selbständige Tätigkeiten in der
Bundesrepublik Deutschland beschränken wollte, zeigt der systematische Zusammenhang
mit anderen Vorschriften des SGB. So besteht z.B. nach § 2 Nr. 10 VI. Buch
Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) für Personen für die Dauer
des Bezuges eines Zuschusses nach § 421 l SGB III nach dem gesetzgeberischen Willen
ganz bewusst auch eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl.
hierzu Gesetzentwurf eines zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt, BT Drucksache 15/26 vom 05.11.2002). Eine Versicherungspflicht des
Klägers wäre nun aber durch § 3 IV. Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für
die Sozialversicherung (SGB IV) ausgeschlossen. Danach gelten die Vorschriften über die
Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung u.a., soweit sie eine Beschäftigung
oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich
dieses Gesetzbuches beschäftigt oder selbständig sind. Dies würde bedeuten, dass der
Kläger einerseits in den Genuss der begehrten Förderung gelangen würde, andererseits
aber die damit verbundene Pflichten – hier: Rentenversicherungspflicht – nicht
wahrzunehmen bräuchte. Dies widerspräche aber dem ausdrücklichen Willen des
Gesetzgebers, der in der Begründung zu der Vorschrift über die sog. „Ich-AG“ (ursprünglich
§ 421 m SGB III) ausgeführt hat (s. o.g. Gesetzentwurf BT Drucksache 15/26, S. 22):
„Die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Beschäftigung
erfolgt durch einen Existenzgründungszuschuss für Arbeitnehmer, die
ihre Arbeitslosigkeit beenden. Den von der Bundesanstalt für Arbeit
erbrachten Zuschuss können die Inhaber der Ich-AG für ihre
Beitragszahlungen zur Sozialversicherung verwenden.“
Für die Geltung des Territorialprinzips für die Förderung der Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit sprechen darüber hinaus ganz entscheidend die vom Kläger angesprochenen
europarechtlichen Vorschriften.
Insbesondere die vom Kläger zitierte Verordnung EWG 1408/71 vermittelt dem Kläger
gerade keinen Anspruch auf Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in
Luxemburg durch die deutsche Arbeitsverwaltung. Nach Art. 69 Abs. 1 dieser Verordnung
behält ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die Voraussetzungen für
einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates erfüllt und sich
in einen oder mehrere Mitgliedsstaaten begibt, um dort eine Beschäftigung zu suchen, den
Anspruch auf diese Leistungen u.a. unter folgenden Voraussetzungen und innerhalb
folgender Grenzen:
- der Arbeitslose muss sich bei der Arbeitsverwaltung jedes
Mitgliedsstaates, in den er sich begibt, als Arbeitssuchender melden
und sich der dortigen Kontrolle unterwerfen,
- der Leistungsanspruch wird während höchstens drei Monaten
aufrechterhalten.
Der Kläger begibt sich zum einen nicht nach Luxemburg im Sinne dieser Vorschrift. Dies
impliziert nämlich einen Umzug nach Luxemburg, der gerade nicht vorgenommen worden
ist. Darüber hinaus gilt diese Vorschrift nur für sich in anderen Mitgliedstaaten
arbeitssuchend meldende Arbeitnehmer oder Selbständige und zum anderen wäre danach
der begehrte Leistungsanspruch auf drei Monate begrenzt. Gleiches gilt für Art. 71 Abs. 1
der genannten Verordnung. Auch diese betrifft Leistungen an arbeitslose Arbeitnehmer ,
nicht jedoch an selbständig Tätige.
Auch die vom Kläger zitierten Vorschriften des Vertrages zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere Art. 3, 42, 43 ff., 49 ff. EGV, vermögen keine andere
Entscheidung zu begründen. Die darin enthaltenen Vorschriften über die Niederlassungs-
und Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU sind gerade nicht tangiert. Der Kläger ist
nämlich nicht daran gehindert, sich in Luxemburg zum Zwecke der Ausübung der
freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt niederzulassen. Die sich aus den Art. 43 ff. und
49 ff EGV ergebenden Rechte vermögen keinesfalls einen Förderanspruch im Rahmen
dieser Freiheitsrechte zu gewähren. Vielmehr ergibt sich aus Art. 87 Abs. 1 EGV ein
wettbewerbsrechtliches Verbot staatlicher Beihilfen, soweit sie Einfluss haben auf den
zwischenstaatlichen Bereich des Handels. Zwar hat der Kläger vorliegend nicht eine
entsprechende Subvention für die Aufnahme eines innerstaatlichen Handels im genannten
Sinne erhalten. Dennoch begehrt er eine staatliche Unterstützung zur Aufnahme einer
Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, die - wenn auch in geringem Umfange - seine
Wettbewerbssituation in Luxemburg gegenüber luxemburgischen Rechtsanwälten
zumindest verändern würde.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Da die Frage der möglichen Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit
außerhalb des Geltungsbereichs des SG B III nach Auffassung des Senats grundsätzliche
Bedeutung hat, ist die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).