Urteil des LSG Saarland vom 04.04.2006

LSG Saarbrücken: grenzgänger, berufliche ausbildung, verlegung des wohnsitzes, richterliche rechtsfortbildung, stillschweigende annahme, berufliche wiedereingliederung, wahlrecht, eugh, familie

LSG Saarbrücken Urteil vom 4.4.2006, L 6 AL 21/04
Arbeitslosengeldanspruch - echter Grenzgänger - Wahlrecht - Behandlung als unechter
Grenzgänger bei besonderer Bindung an den Beschäftigungsstaat
Leitsätze
Eine echte Grenzgängerin kann grundsätzlich Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit nur nach
den Vorschriften des Landes erhalten, indem sie wohnt. Ausnahmsweise wird das dem
unechten Grenzgänger vorbehaltene Wahlrecht auf echte Grenzgänger erstreckt, wenn
der Betroffene zum früheren Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche Bindungen
aufrecht hält, dass er dort die besten Aussichten erhält auf Wiedereingliederung hat.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 15.
Januar 2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin
Arbeitslosengeld (Alg) zu bewilligen.
Die am 1953 in G.E geborene Klägerin besuchte die Volksschule und sodann die Realschule
in V.. Sie absolvierte eine einjährige Berufsausbildung zur Krankenpflegehelferin im H.
Krankenhaus in S.. Dieser Abschluss sei, so die Klägerin, in Frankreich nicht anerkannt. Die
Klägerin arbeitete nach ihrer Ausbildung zunächst im H. Krankenhaus, dann im W.-
Krankenhaus. Die Berufsausübung wurde aus familiären Gründen unterbrochen.
Am 1973 heiratete die Klägerin einen Franzosen. Durch die Heirat wurde sie Französin. Sie
zog alsdann nach Frankreich. Mittlerweile erwarb die Familie ein Haus in M..
Die Eltern der Klägerin lebten in G.E. Die Klägerin besuchte ihre Eltern häufig, ihre Mutter
lebt mittlerweile im Altersheim in D. ihr Vater ist im 2000 verstorben. Die drei Brüder der
Klägerin leben in Deutschland, in G., M. und F.. Die Klägerin pflegt mit ihnen und einer
Freundin in E. nach wie vor regelmäßigen Kontakt.
Die Klägerin hat drei Kinder, einen am 1974. geborenen Sohn, einen zweiten Sohn, der am
1976. geboren ist und eine Tochter, die am 1982. zur Welt kam.
Der ältere Sohn arbeitet bei der T. in L. Er ist geschieden. Der jüngere Sohn ist arbeitslos.
Er ist jetzt wieder bei der Klägerin eingezogen. Eine Familie habe er, da er keine feste Stelle
habe, nicht gründen können. Die Tochter studiert in L.I.. Die Klägerin hat keine Enkel. Ihr
Ehemann, mit dem sie mittlerweile in Scheidung lebt, hat das gemeinsame Haus
verlassen.
Ab 1990 nahm die Klägerin wieder eine Berufstätigkeit auf, und zwar zunächst als
Küchenhilfe im Deutschen-Roten-Kreuz (DRK)-Krankenhaus in S.A., ab 01. Mai 1994 als
Krankenpflegehelferin in Teilzeit (28,88 Stunden/Woche). Sie war von 28. Februar 1998 bis
13. August 1998 und vom 22. Oktober 1998 bis 30. November 1998 arbeitsunfähig
erkrankt. Vom 21. März 2000 bis 06. August 2001 bezog sie erneut Krankengeld bis zur
Aussteuerung durch die AOK. Das fiktive Bruttoarbeitsentgelt betrug 3.346,37 DM. Ihr
Arbeitgeber verzichtete seit der Aussteuerung auf sein Direktionsrecht.
In einer parallel betriebenen, noch nicht abgeschlossenen Rentensache ist ihr von ihrem
französischen Hausarzt bescheinigt worden, sie könne wegen orthopädischen
Beschwerden leichte Arbeiten auf Dauer nicht mehr verrichten.
Die Klägerin meldete sich am 14. August 2001 in Deutschland arbeitslos. Sie beantragte
am 26. September 2001 die Bewilligung von Alg. Der dabei ausgestellten
Arbeitsbescheinigung ist zu entnehmen, dass das Beschäftigungsverhältnis beendet sei, da
auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers verzichtet werde.
Mit Bescheid vom 05. Oktober 2001 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf
Bewilligung von Alg ab, da sie nicht die Voraussetzung für die Anerkennung der atypischen
Grenzgängereigenschaft erfülle. Sie habe bereits vor ihrer Arbeitsaufnahme ihren Wohnsitz
nach Frankreich verlegt. Die Entscheidung stützt sich auf § 30 Abs. 1 des Ersten Buchs des
Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil – (SGB I) in Verbindung mit Art. 71 der Verordnung
(EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der
sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- und abwandern (Amtsblatt Nr. L 149 vom 05. Juli 1971, Seite 2 bis 50; zuletzt
geändert am 29. März 1999 durch Verordnung 1399/1999, Amtsblatt Nr. L 164 Seite 1
). Die Klägerin erfülle den Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe
(Alhi) ebenfalls nicht, da sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 14. August 2001
kein Alg bezogen habe. Die Entscheidung beruhe auf § 117, 123, 124, 190,191 und 192
des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung – (SGB III).
Die Rechtsbehelfsbelehrung zu diesem Bescheid lautete wie folgt:
„Gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich oder
zur Niederschrift bei dem oben gezeichneten Arbeitsamt einzureichen, und zwar innerhalb
eines Monats, nachdem der Bescheid Ihnen bekannt gegeben worden ist.“
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2001, beim Arbeitsamt S.A. am 08. November 2001
eingegangen, legte die Klägerin Widerspruch ein.
Nach einem Vermerk vom 19. Dezember 2001 ist der Bescheid vom 05. Oktober 2001
von einem Sohn der Klägerin persönlich im Kundenbüro abgeholt worden, nachdem der
Mitarbeiter P. mit der Klägerin telefoniert hat.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2001 verwarf die Beklagte den Widerspruch der Klägerin
als unzulässig. Die Widerspruchsfrist habe am 06. Oktober 2001 begonnen und am 05.
November 2001 geendet. Der am 08. November 2001 eingegangene Widerspruch sei
deshalb nicht mehr fristgerecht im Sinne des § 84 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Diesem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung wie folgt beigefügt: „Gegen diese
Entscheidung kann beim Sozialgericht für das Saarland schriftlich oder zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage erhoben werden.
Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt einen Monat.....“
Mit Bescheid vom 13. Februar 2002 legte die Beklagte das Widerspruchsschreiben der
Klägerin vom 29. Oktober 2001 als Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 des Zehnten
Buchs des Sozialgesetzbuchs – jetzt: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz –
(SGB X) aus und wies diesen zurück. Im vorliegenden Einzelfall habe sich nicht ergeben,
dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden sei. Es sei
auch von keinem falschen Sachverhalt ausgegangen worden.
Dieser Bescheid war mit der selben Rechtsbehelfsbelehrung wie der Bescheid vom 05.
Oktober 2001 versehen.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2002 legte die Klägerin, nunmehr anwaltlich vertreten,
gegen den Bescheid vom 05. Oktober 2001 Widerspruch ein und stellte vorsorglich einen
Antrag nach § 44 SGB X. Die Klägerin machte geltend, der Bescheid vom 05. Oktober
2001 sei im Ausland bekannt gegeben worden, weshalb die Widerspruchsfrist gemäß § 84
Abs. 1 SGG nicht einen, sondern drei Monate betrage. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei
unrichtig gewesen, sodass gemäß §§ 84 Abs. 2 Satz 3, 66 Abs. 2 SGG der Widerspruch
innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe zulässig sei. Mit der Übergabe des Bescheides
vom 05. Oktober 2001 an ihren, der Klägerin, Sohn sei der Bescheid nicht ihr selbst
bekannt gegeben worden.
Am 21. Oktober 2002, beim Sozialgericht für das Saarland (SG) am selben Tag
eingegangen, hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 05. Oktober 2001 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2001 erhoben.
Mit Schreiben vom 07. November 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe mit
Klageerwiderung vom heutigen Tage anerkannt, dass die Klage fristgerecht erhoben
worden und der damalige Widerspruch der Klägerin nicht verfristet gewesen sei. Die Sache
könne deshalb im Klageverfahren entschieden werden. Ein neues Widerspruchsverfahren
werde nicht mehr durchgeführt. Eine Überprüfung nach § 44 SGB X erscheine nicht
sinnvoll, da der Antrag mit Bescheid vom 13. Februar 2002 schon abschlägig entschieden
worden sei. Die Klägerin wurde gebeten, sich baldmöglichst zur Vermeidung von Nachteilen
arbeitslos zu melden.
Am 05. Dezember 2002 meldet die Klägerin sich arbeitsuchend.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Sie sei Grenzgängerin im Sinne des Art. 71 Buchst. B VO 1408/71. Sie habe Anspruch auf
Alg gemäß Art. 69 Abs. 1 VO 1408/71. Sie sehe, da ihr deutsches Diplom in Frankreich
nicht anerkannt werde, auch wegen ihrer gesundheitlichen Beschwerden keine Möglichkeit,
in Frankreich vermittelt zu werden. Ihr Arbeitsverhältnis sei formal nicht beendet, der
Arbeitgeber habe nur auf sein Direktionsrecht verzichtet, was in Frankreich nicht zu einer
Begründung von Ansprüchen auf Entgeltersatzleistungen führen könne.
Tatsächlich ist einem Schreiben der A., dem Träger der französischen
Arbeitslosenversicherung, vom 20. August 2001 zu entnehmen, dass die Klägerin in
Frankreich die Bedingungen für den Bezug von Alg nicht erfülle. Nach ihren eigenen
Angaben gehöre sie, die Klägerin, nach wie vor der Belegschaft ihrer Firma an, die noch
keine Kündigung ausgesprochen habe. Deshalb könne sie kein Alg in Frankreich beziehen.
Die Klägerin hat weiter ausgeführt, für sie komme diese Situation faktisch einem Verlust
der in Deutschland geleisteten Sozialversicherungsbeiträge gleich. Sie wohne ungefähr 500
Meter von der Grenze entfernt. Sie fahre immer noch nach Deutschland zum Einkaufen
und habe Kontakt zu ihrer Familie.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, die Klägerin sei zweifelsfrei
Grenzgängerin, da sie in Frankreich wohne, in Deutschland gearbeitet habe und jeden Tag
an ihren Wohnsitz zurückgekehrt sei. Ein Anspruch auf Leistungen könne aber nur bei
einem Wohnsitz in Deutschland geltend gemacht werden. Nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. A
Ziff. Ii der VO 1408/71 hätten Grenzgänger Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit
gegen den Versicherungsträger des Wohnlandes, vorliegend also gegen Frankreich. Eine
atypische Grenzgängerin sei die Klägerin nicht. Nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) seien arbeitslose Grenzgänger, die
in einem Nachbarstaat wohnten und die unter Beibehaltung ihrer inländischen
Beschäftigung ihren Wohnsitz in Ausland verlegten, begünstigt. Die Aufrechterhaltung
persönlicher und beruflicher Bindungen im Beschäftigungsland sei weitere Voraussetzung
für die Begünstigung. Die Klägerin habe aber bereits in den frühen 70er Jahren ihren
Wohnsitz nach Frankreich verlegt, also nicht während der Beschäftigung aufgegeben.
Am 05. Juni 2003 meldete die Klägerin sich arbeitslos und beantragte am 23. Juni 2003,
am 03. Juli 2003 bei der Beklagten eingegangen, die Bewilligung von Alg. Der beigefügten
Arbeitsbescheinigung ist zu entnehmen, dass das Beschäftigungsverhältnis wegen
Verzichts des Arbeitgebers auf sein Direktionsrecht beendet sei.
Mit Urteil vom 15.Januar 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen
Anspruch auf Alg nach § 30 Abs. 1 SGB I, § 327 Abs. 1 Satz 1, 117 Abs. 1 SGB III. Nach §
30 Abs. 1 SGB I würden die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs für alle Personen gelten,
die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich hätten. Für alle
Bereiche des Sozialgesetzbuchs gelte nämlich das Territorialprinzip. Nach § 30 Abs. 2 SGB I
blieben Regelungen des über- bzw. zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Art. 71 VO
1408/71 sehe für Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen des Mitgliedstaates vor,
in dessen Gebiet sie wohnten. Auf Grund ihrer täglichen Rückkehr vom Ort ihrer
Berufstätigkeit zum Wohnsitz in Frankreich sei die Klägerin Grenzgängerin. Die VO 1408/71
gewähre keinerlei Leistungen auf Alg gegenüber der Beklagten. Die Regelung des
Leistungsanspruchs gegen den Wohnsitzstaat sei Ausdruck des Grundsatzes, dass
Grenzgänger generell einer weniger intensiven Bindung an den Beschäftigungsstaat
unterlägen. Bei ihnen sei in beruflicher Sicht davon auszugehen, dass sie sich nicht nur
wegen ihrer beruflichen Tätigkeiten in diesem Staat aufhielten und im Falle der Beendigung
des Beschäftigungsverhältnisses an den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen zurückkehrten,
wo eine Prüfung der Leistungsvoraussetzungen am zweckmäßigsten und
sachgerechtesten erfolgen könne. Ein Anspruch der Klägerin auf Alg ergebe sich auch nicht
aus Art. 71 Abs. 1 Buchst. B Ziff. Ii der VO 1408/71. Nach der Rechtsprechung des EuGH
sei ein sogenannter atypischer Grenzgänger zwar ausnahmsweise als Arbeitnehmer, der
nicht Grenzgänger sei, im Sinne des Art. 71 Abs. 1 Buchst. B Ziff. Ii der VO 1408/71
anzusehen, wenn er im Staat der letzten Beschäftigung persönliche und berufliche
Bindungen solcher Art beibehalte, dass er in diesem Staat die besten Aussichten auf
berufliche Wiedereingliederung habe. Der EuGH gehe dabei davon aus, dass es Zweck des
Art. 71 VO 1408/71 sei, dem Arbeitslosen Leistungen bei Arbeitslosigkeit unter den für die
Arbeitssuche günstigsten Voraussetzungen zu gewähren. Diese Leistung umfasse nicht nur
Geldzahlungen, sondern auch die Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung.
Der Vorschrift, wonach ein Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit ausschließlich Anspruch auf
Leistungen des Wohnstaates habe, liege die stillschweigende Annahme zu Grunde, dass
die Voraussetzungen für die Arbeitssuche für einen solchen Grenzgänger dort am
günstigsten seien. Das gelte jedoch dann nicht, wenn wegen der persönlichen und
beruflichen Bindung des Grenzgängers die Wiedereingliederungschancen im
Beschäftigungsstaat ausnahmsweise besser seien als im Wohnstaat.
Die beruflichen und persönlichen Bindungen der Klägerin unterschieden sich von denen des
typischen Grenzgängers nicht so sehr, dass ihre Wiedereingliederungsaussichten auf dem
deutschen Arbeitsmarkt zwingend günstiger seien. Der typische Grenzgänger sei nämlich in
der Regel Staatsangehöriger des Wohnstaates. Die im Saarland geborene Klägerin habe
durch die Heirat mit einem französischen Staatsangehörigen die französische
Staatsbürgerschaft im Jahre 1973 erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe sie auch ihren
Wohnsitz nach Frankreich verlegt. Insbesondere dieser lange Zeitraum von 28 Jahren
spreche vorliegend gegen eine atypische Grenzgängereigenschaft, da deren
Charakteristikum gerade der arbeitsbedingte Wohnsitzwechsel zwischen den
Mitgliedstaaten sei. Der typische Lebensmittelpunkt der Klägerin liege aber vielmehr,
bedingt durch den Wohnsitz der Familie, in Frankreich. Es komme nicht darauf an, ob die
Klägerin ihren Wohnsitz vor der Arbeitsaufnahme nach Frankreich verlegt habe. Die
Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland müsse nicht unter Beibehaltung der inländischen
Beschäftigung erfolgen. Entscheidend sei vielmehr die Eigenschaft als
Wanderarbeitnehmer. Der Zeitpunkt der Wohnsitzveränderung sei vielmehr nur ein Indiz
dafür, wo der Klägerin die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess am ehesten möglich
sei. Die Klägerin habe zwar ihre Schulausbildung in der Bundesrepublik erhalten und dort
auch ihr gesamtes berufliches Leben verbracht. Sie habe auch auf Grund ihrer familiären
Situation soziale Kontakte in der Bundesrepublik. Daraus lasse sich aber nicht zwingend der
Schluss ziehen, dass eine Wiedereingliederung der Klägerin auf dem französischen
Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei. Die Situation der Klägerin sei nicht mit der Fallgestaltung
vergleichbar, in welcher der EuGH die Kriterien für sogenannte atypische Grenzgänger im
Sinne des Art. 71 Abs. 1 Buchst. B Ziff. Ii VO 1408/71 entwickelt habe, da dort ein
ausschließlicher Bezug des Betroffenen zur Bundesrepublik gegeben gewesen sei. Dies sei
jedoch bei der Klägerin auf Grund der oben gezeigten Umstände nicht der Fall. Auch aus
dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 30. Dezember 1999 ergebe
sich keine günstigere Beurteilung. Der dortige Fall, dem die Klage eines österreichischen
Staatsangehörigen zu Grunde gelegen habe, sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
Dort sei unter Hinweis auf einen Auslandswohnsitz die Gewährung von Alg abgelehnt
worden, weil die VO 1408/71 auf Grund des Beitritts Österreichs im Jahre 1995 zum
Geltungsbereich der EG nicht anzuwenden gewesen sei. Eine Ungleichbehandlung der
Klägerin gegenüber anderen Personen in versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnissen, welche bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen
Leistungen von der Beklagten erhalten würden, liege nicht vor. Die Anknüpfung an den
Wohnsitz stelle ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium dar. Wegen der
unmittelbaren Geltung des Art. 77 VO 1408/71 habe der französische Träger der
Versicherungsleistungen die Versicherungs- und Beitragszeiten in der Bundesrepublik in der
Weise zu berücksichtigen, als wären sie nach den französischen Rechtsvorschriften
erbracht worden. Es sei deshalb keineswegs so, dass Angehörige eines Mitgliedstaates
Beiträge gezahlt hätten, ohne gleichzeitig Rechtsansprüche zu erwerben. Aus diesen
Erwägungen könne der Klägerin auch ein Anspruch auf Alhi mangels Bezugs von Alg
innerhalb der Vorschrift nicht zukommen (§ 190 Abs. 1, 191 Abs. 1 Nr. 1, 192 Satz 1 SGB
III).
Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 03. Mai 2004 zugestellt worden ist, hat diese mit
Schriftsatz vom 03. Juni 2004, beim Landessozialgericht (LSG) für das Saarland am selben
Tag eingegangen, Berufung eingelegt.
Sodann wurde mit Bescheid vom 02. August 2004 der Antrag der Klägerin auf Bewilligung
von Alg vom 05. Juni 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde auf das Urteil des SG
vom 15. Januar 2004 Bezug genommen. Dieser Bescheid werde, so die Beklagte, gemäß §
153 SGG in Verbindung mit § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens.
Die Klägerin trägt vor:
Alleine wegen des Umstandes, dass sie ihren Wohnsitz in Frankreich habe, dürfe sie
gegenüber Arbeitnehmern, die im Saarland wohnten, nicht ungleich behandelt werden.
Nach Hinweis durch den Senat, es stehe mittlerweile außer Streit, dass der Widerspruch
der Klägerin gegen den Bescheid vom 05. Oktober 2001 nicht verfristet und deshalb der
Bescheid vom 13. Februar 2002 überholt sei, haben die Beteiligten diesen Bescheid für
gegenstandslos erklärt.
Auf weiteren Hinweis, es bestünden Bedenken, ob der Bescheid vom 02. August 2004
Mitgegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden ist, hat die Beklagte sich bereit
erklärt, diesen Bescheid nochmals unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in
diesem Verfahren zu überprüfen. Die Klägerin hat erklärt, dass sich ihr Begehren auf den
Ausgangsbescheid reduziert.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 15. Januar 2004 und den
Bescheid der Beklagten vom 05. Oktober 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2001 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, Arbeitslosengeld gemäß den
gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen des weiteren Verfahrensganges wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Leistungsakte der Beklagten mit der Kundennummer 056828 Bezug genommen. Die
Beiakte war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I.
Gegenstand des Rechtsstreites ist nach den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung
nur der Bescheid vom 05. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
21. Dezember 2001.
Die insoweit eingeschränkte Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 144 Abs. 1
Satz 1 und 2 SGG statthaft.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des
Sozialgerichtes oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der
Wert des Beschwerdegegenstandes
1. bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder ein hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 500,-- Euro oder
2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des
öffentlichen Rechtes oder Behörden 5.000,-- Euro nicht übersteigt.
Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als
ein Jahr betrifft ( § 144 Abs.1 Satz 2 SGG ).
Beide Fallkonstellationen sind gegeben.
Bei dem ab August 2000 – fiktiv - zu Grunde gelegten Bruttoarbeitsentgelt von 3.346,37
DM würde die Klägerin nach der Verordnung über die Leistungsentgelte für das
Arbeitslosengeld, das Teilarbeitslosengeld, das Unterhaltsgeld, die Arbeitslosenhilfe, das
Altersübergangsgeld sowie die pauschalierten Nettoentgelte für das Kurzarbeitergeld und
das Winterausfallgeld für das Jahr 2001 (SGB III – Leistungsentgeltverordnung 2001) vom
22. Dezember 2000 ( BGBl I, 2050) ab August 2001 bei dem niedrigsten allgemeinen
Leistungssatz 217,21 DM pro Woche erhalten. Bereits bei einem zweimonatigen Bezug
von Alg wäre der oben genannte Grenzwert überschritten.
Die Berufung betrifft auch wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr. Die Dauer des
Alg bestimmt sich nach § 127 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III in der Fassung vom 24.
März 1997 ( BGBl I 594).
Nach § 127 Abs. 2 SGB III hätte die damals 48-jährige Klägerin einen Anspruch auf Alg für
die Dauer von 22 Monaten.
Das von der Klägerin begehrte Alg betrifft also einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht die Klage gegen den Bescheid der
Beklagten vom 05. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.
Dezember 2001 abgewiesen.
Wie das SG mit zutreffender Begründung, der der Senat beitritt, zu Recht festgestellt hat,
war die Klage auch zulässig erhoben, insbesondere innerhalb der Klagefrist des § 87 SGG.
Das SG hat die Klage auch zu Recht als unbegründet erachtet. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Alg gemäß § 117 Abs. 1 SGB III in der Fassung des Ersten SGB III-
Änderungsgesetzes (-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I, 2970).
Danach hat Anspruch auf Alg der Arbeitnehmer, der
1. arbeitslos ist, sich
2. beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Einen Anspruch auf Alg hat die Klägerin deshalb nicht, weil sie ihren Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs hat (§ 30 Abs. 1
SGB I). Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in Frankreich. Damit kann sie grundsätzlich keine
Leistungen nach dem SGB III verlangen, denn dieses beschränkt seinen
Anwendungsbereich i. d. R. auf Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthaltsort im Inland haben.
Das Wohnsitzprinzip des § 30 Abs. 1 SGB I gilt zwar insoweit nicht, als im über- und
zwischenstaatlichen Recht oder in den besonderen Teilen des SGB etwas anderes
vorgesehen ist (§ 30 Abs. 2 SGB I).
Letzteres ist aber nicht der Fall.
Als supranationales Kollisionsrecht regelt die VO 1408/71 den Bereich der
Arbeitslosenversicherung . Diese VO bestimmt insbesondere, welcher Rechtsordnung das
anzuwendende Recht zu entnehmen ist, wenn ein Sachverhalt Berührungspunkte zu
mehreren Staaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) aufweist, wenn Arbeitnehmer die
innerhalb der Gemeinschaft ab- und zuwandern. Die Klägerin hat zwar ihren Wohnsitz in
Frankreich, war aber in Deutschland beschäftigt. Sie ist damit Grenzgängerin.
Grenzgänger sind Arbeitnehmer, die die Beschäftigung im Gebiet eines Mitgliedstaates
ausüben, aber im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, so dass Wohnsitz und
ausüben, aber im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, so dass Wohnsitz und
Beschäftigungsstaat auseinander fallen.
Unterschieden wird dabei zwischen dem echten und dem unechten Grenzgänger. Der
echte Grenzgänger ist der Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates beschäftigt
ist und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt, in das er in der Regel täglich,
mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehrt (Art. 1 Buchst. b VO 1408/71).
Arbeitnehmer, die unechte Grenzgänger sind, kehren also in der Regel nicht täglich oder
mindestens nicht einmal pro Woche in ihren Wohnsitzstaat zurück. Beispiele sind die
Saison- oder Gastarbeiter.
Soweit die Beitrags- und Versicherungspflicht betroffen ist, ist für alle Grenzgänger der
Beschäftigungsstaat zuständig.
Für Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit sieht die VO 1408/71 für echte und unechte
Grenzgänger verschiedene Regelungen vor.
Nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii VO 1408/71 erhalten echte Grenzgänger bei
Vollarbeitslosigkeit Leistungen zwingend nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates,
in dem sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften des
Wohnsitzstaates für sie gegolten hätten. Der Anspruch muss sich sowohl hinsichtlich des
Umfangs als auch der Dauer der Zahlung nach den Vorschriften des Wohnsitzstaates
richten. Der Träger des Wohnsitzstaates gewährt die Leistungen zu eigenen Lasten. Er hat
also keinen Erstattungsanspruch gegen den Träger des letzten Beschäftigungsstaates (vgl.
zur Problematik: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2.
Auflage, § 37, Rdnr. 165).
Demgegenüber räumt die VO 1408/71 dem unechten Grenzgänger ein Wahlrecht
zwischen Leistungsansprüchen gegen den Wohnsitzstaat oder den letzten
Beschäftigungsstaat ein (Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii VO 1408/71). Arbeitnehmer, die
nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates zur
Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates
zurückkehren, erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften
dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären. Unechte Grenzgänger
können dadurch, dass sie sich der Arbeitsvermittlung im Wohnsitz- oder im bisherigen
Beschäftigungsstaat zur Verfügung stellen, letztlich zwischen den Trägern zweier
Mitgliedstaaten wählen. Grund für dieses Wahlrecht ist darin zu sehen, dass der
Verordnungsgeber bei den unechten Grenzgängern nicht eindeutig davon ausgehen
konnte, dass in der Regel im Wohnsitz oder im Beschäftigungsstaat die besseren
Vermittlungschancen bestehen. Das sei vielmehr eine Frage des Einzelfalles, die der
Einzelne selbst am besten durch Ausübung seines Wahlrechts entscheiden könne (vgl. zur
Problematik: Spellbrink/Eicher, a. a. O. Rdnr. 166).
Die Klägerin ist, da sie in Frankreich wohnt, aber zuletzt in Deutschland beschäftigt war und
täglich pendelte, eine echte Grenzgängerin im Sinne des Art. 1 Buchst. a VO 1408/71.
Damit bleibt es grundsätzlich dabei, dass sie Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit zwingend
nach den Rechtsvorschriften des Landes erhalten kann, in dem sie wohnt. Einen
Leistungsanspruch wegen Arbeitslosigkeit kann sie nur in Frankreich geltend machen.
Von dieser grundsätzlichen Regelung hat der EuGH durch richterliche Rechtsfortbildung eine
Ausnahme gemacht, d. h. der fakultative Statutenwechsel kann sich auch auf echte
Grenzgänger erstrecken. In bestimmten Ausnahmefällen wird also das dem unechten
Grenzgänger vorbehaltene Wahlrecht auf echte Grenzgänger erstreckt. Voraussetzung
dafür ist, dass der Arbeitslose zum früheren Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche
Bindungen solcher Art aufrechterhält, dass er dort die besten Aussichten auf
Wiedereingliederung hat (EuGH, Urteil vom 12. Juni 1986, Az: 1/85, SozR 6050, Art. 71
Nr. 8). Sinn dieser Entscheidung ist der, dass Leistungen Wanderarbeitern bei
Arbeitslosigkeit zu den Bedingungen garantiert werden, die für die Suche nach einem
Arbeitsplatz am günstigsten sind.
Ein solches Wahlrecht steht der Klägerin nicht zu. Ihre Vermittlungschancen in Deutschland
sind jedenfalls nicht besser als in Frankreich. Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt
werden maßgeblich durch die schulische und berufliche Ausbildung sowie die kulturelle und
soziale Bindung bestimmt (Urteil des (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.
März 2005, Az: L 12 AL 187/04). Zwar hat die Klägerin die schulische und berufliche
Ausbildung in Deutschland durchlaufen. Sie hat auch immer in Deutschland gearbeitet. Die
von ihr zuletzt ausgeübte Arbeit ist aber keine Beschäftigung, die nur auf dem deutschen
Arbeitsmarkt angeboten wird oder ausgeübt werden kann. Auch wenn ihre Ausbildung, wie
sie vorbringt, in Frankreich nicht anerkannt werde, sind ihre branchenspezifischen
Kenntnisse, die sie sich erarbeitet hat, nicht nur auf dem deutschen Arbeitsmarkt nutzbar
zu machen. Nach eigenem Vorbringen kann sie ihren letzten Beruf gerade nicht mehr
ausüben - weder in Deutschland noch in Frankreich. Dass sie ihr Restvermögen in
Deutschland besser nutzen könnte als in Frankreich, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt,
dass die Klägerin, wovon sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen
konnte, französisch zu sprechen in der Lage ist. Eine Sprachbarriere besteht für sie nicht.
Die Klägerin mag zwar immer noch private und soziale Kontakte in Deutschland haben und
diese auch pflegen. Allerdings lebt sie seit 1973 in Frankreich und ist mit einem Franzosen
verheiratet, von dem sie jetzt getrennt lebt. Sie hat ihren Lebensmittelpunkt, der durch ihre
Familie und ihre drei Kinder, die alle in Frankreich leben, bestimmt ist, in Frankreich. Unter
diesen Gesichtspunkten ist nicht erkennbar, wieso die Vermittlungschancen der Klägerin in
Deutschland besser sein sollen als in Frankreich. Sie ist dort sozial integriert. Dies zeigt sich
u. a. daran, dass sie sich in Frankreich ärztlich behandeln lässt und trotz der gescheiterten
Ehe, die Anlass für ihren Umzug nach Frankreich war, dort geblieben ist.
Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung rügt, da ihre Situation einen Verlust der in
Deutschland geleisteten Sozialversicherungsbeiträge gleich komme, vermag der Senat
dem nicht beizutreten. Denn eine Ablehnung von Leistungen in Frankreich allein mit der
Begründung, sie sei Deutsche und habe nur in Deutschland Beiträge bezahlt, ergibt sich
aus dem Schreiben der A. vom 22. August 2001 gerade nicht.
Die Klägerin erhält in Frankreich keine Leistungen, weil nach dem Bescheid der
französischen A.B. vom 22. August 2001 ihr Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung
beendet worden sei, sondern der Arbeitgeber vielmehr nur auf sein Direktionsrecht
verzichtet habe.
Die Klägerin ist damit zwar nach deutschem Recht arbeitslos. Denn an einem
Beschäftigungsverhältnis fehlt es, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers von einem
Arbeitgeber nicht mehr angenommen wird (vgl. Gagel/Steinmeyer, SGB III-
Arbeitsförderung, § 119 SGB III, Rdnr. 36 und 42; BSG, Urteil vom 03. Juni 2004, Az: B 7
AL 70/03 R).
Wenn dies in Frankreich nicht so sein sollte, bestünde durchaus die Möglichkeit, diesen, der
Anspruchsgewährung entgegenstehenden Umstand zu beseitigen, indem ihr Arbeitgeber
das Arbeitsverhältnis kündigen würde. Darauf ist die Klägerin hingewiesen worden.
Soweit der Klägerin letztlich auf eine Entscheidung des BVerfG vom 30. Dezember 1999
verweist, nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug.
Der Sachverhalt ist mit dem vorliegenden gerade nicht vergleichbar, da das BVerfG mit der
Versagung von Alg einer grenznah zur Bundesrepublik wohnenden Angehörigen eines
Staates befasst war, der damals nicht Mitglied der EG war.
Nach alledem hat die Beklagte den Anspruch auf Alg zu Recht verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, haben sich nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ergeben.