Urteil des LSG Saarland vom 19.12.2006

LSG Saarbrücken: treppe, angriff, beiladung, wohnung, fraktur, gütliche einigung, materielle rechtskraft, formelle rechtskraft, datum, bedrohung

LSG Saarbrücken Urteil vom 19.12.2006, L 5b VG 9/99
Gewaltopferentschädigung - Antragstellung des Opfers - Weiterverfolgung des Antrags im
Klageverfahren durch die Krankenkasse - Beiladung - Rückgriff gegen den Täter iS einer
cessio legis
Leitsätze
Hat das Opfer einen Versorgungsantrag gegenüber dem Land/der Versorgungsverwaltung
rechtzeitig gestellt, kann die Krankenversicherung im Prozess gegen das Land auf
Gewährung von Versorgung nach § 1 OEG wegen der Folgen der auf das Opfer verübten
Gewalttat klagen. Im Verfahren der Krankenversicherung gegen das Land ist das Opfer
notwendig zu beteiligen. Die Feststellung der Versorgungspflichtigkeit des beklagten Landes
nach dem OEG führt zu einem denkbaren Rückgriff gegen den Täter im Sinne einer cessio
legis.
Tenor
1. Die Berufung des Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Sozialgerichts für das
Saarland vom 20. Mai 1999 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Bescheid des
Beklagten vom 17. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.
Dezember 1998 aufgehoben und dass festgestellt wird, dass die nachfolgend aufgeführten
Verletzungen der Beigeladenen zu 2., nämlich
a) Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und Radiusköpfchenfraktur
sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li,
b) Fraktur der 8. und 9. Rippe li.,
c) Prellung re. Flanke,
d) idealstehende Fraktur des Os metacarpale V.
Folge des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs des Beigeladenen zu 1. vom 23.
Februar 1997 sind.
2. Der Beigeladene zu 1. hat die der Beigeladenen zu 2. im Berufungsverfahren
entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. aus.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Vorfall vom 23. Februar 1997 als vorsätzlicher,
rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von
Gewalttaten (OEG) anzusehen ist und – gegebenenfalls – ob Gründe bestehen, die
Leistung zu versagen.
Der Beigeladene zu 1. ist der frühere Ehemann der Geschädigten und Beigeladenen zu 2.
Die Ehe der Beigeladenen ist durch Urteil des Amtsgerichts/ Familiengerichts S. vom 15.
Juni 1998 (Az. 41 F 160/97) geschieden worden. Der Beigeladene zu 1. greift im
Rechtsstreit der Krankenversicherung der Beigeladenen zu 2. gegen den Beklagten - unter
Berufung auf Verfahrensmängel und Versagungsgründe – die in erster Instanz erfolgte
Feststellung der Versorgungspflichtigkeit des Beklagten nach dem OEG im Hinblick auf die
Folgen aus dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 an. In einem Rechtsstreit bzgl.
eines weiteren Tatgeschehens vom 28. Dezember 1996 ist die Klage zurückgenommen
worden. Die Parallelsache S 18 VG 172/99 (Klage der Beigeladenen zu 2. gegen den
Beklagten wegen der Folgen aus dem streitgegenständlichen Angriff vom 23. Februar
1997) ist im Hinblick auf die hiesige Berufungssache mit Beschluss vom 17. September
1999 gemäß § 114 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgesetzt worden.
Das streitgegenständliche Schadensereignis vom 23. Februar 1997 steht im zeitlichen
Zusammenhang mit insgesamt 5 früheren zur Anzeige gebrachten Vorfällen (25.
Dezember 1996 – Strafanzeige wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch; 28.
Dezember 1996 Verdacht der Körperverletzung und versuchten Nötigung; 26. Januar
1997/ 27. Januar 1997 – Sachbeschädigung am Auto der Beigeladenen zu 2. und ihres
Freundes; 02. Februar 1997 – Verdacht der Bedrohung) und zwei späteren
Schadensereignissen (25. Juli 1998 - Hausfriedensbruch, Nötigung, Bedrohung, Verstöße
gegen das Waffengesetz; 17. Oktober 1998 – Verdacht der Bedrohung). Wegen des
Verstoßes gegen das Waffengesetz ist gegen den Beigeladenen zu 1. durch Strafbefehl
des Amtsgerichts S. (Az. 24 Js 1270/98) eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00
DM, zusammen 1.200,00 DM verhängt worden. Die Tathandlungen vom 23. Dezember
1997 (in der Anklageschrift vom 09. Februar 1999 ist das Datum fehlerhaft bezeichnet,
23. Februar 1997
1997, 25. Juli 1998 und 17. Oktober 1998 – darunter der streitgegenständliche Angriff –
sind unter dem 09. Februar 1999 im Verfahren 2 Js 278/97 zur Anklage gelangt. Mit
Beschluss des Amtsgerichts S. vom 14. Dezember 1999 (Az. 35- 242/99) ist das
Verfahren gegen den Beigeladenen zu 1. endgültig eingestellt worden (§§ 153,153a der
Strafprozessordnung ), nachdem er eine Geldbuße in Höhe von insgesamt
1.000,00 DM gezahlt hat.
Der Vorfall vom 23. Februar 1997 ist von der Zeugin L., einer Nachbarin der Beigeladenen
zu 2., am selben Tage zur Anzeige gebracht worden. Im Bericht der Polizeiinspektion K.
vom 23. Februar 1997 heißt es, die Beigeladene zu 2. habe erklärt, sie sei im Begriff
gewesen, im Hausflur des Anwesens „W. G.“ die Flurtreppe hinunterzugehen, als der
hinter ihr gehende Beigeladene zu 1. ihr mit dem Fuß in den Rücken getreten habe, so
dass sie die steile Holztreppe hinuntergefallen sei. Der Beigeladene zu 1. hat ausweislich
des Polizeiberichts ausgesagt, die Beigeladene zu 2. sei mit einem Wäschekorb in den
Armen die Treppe hinunter gegangen und hierbei gestürzt. Die bei dem Beigeladenen zu 1.
entnommene Blutprobe ergab eine BAK im Mittelwert von 1,25 Promille. In seiner
Vernehmung durch die Polizeiinspektion K. vom 26. Februar 1997 leugnete der
Beigeladene zu 1. jede Beteiligung an dem „Unfall“.
Die Beigeladene zu 2. hat in ihrer Vernehmung durch die Polizeiinspektion K. vom 27.
Februar 1997 den Inhalt des Polizeiberichts vom 23. Februar 1997 bekräftigt. Die
Niederschrift ihrer im Krankenhaus gemachten Aussage genehmigte die Beigeladene zu 2.
am 19. März 1997. In ihrer Unfallanzeige gegenüber der Klägerin mit Datum vom 11. März
1997 gab die Beigeladene zu 2. an, der Beigeladene zu 1. habe sie mit voller Absicht 18
Stufen der Treppe hinunter getreten. So äußerte sich die Beigeladene zu 2. auch
gegenüber dem Beklagten in dem am 18. April 1997 eingegangenen Formularantrag auf
Beschädigtenversorgung nach dem OEG.
Die Beigeladene zu 2. befand sich vom 23. Februar 1997 bis 19. März 1997 in stationärer
Behandlung in der C.-Klinik St. T., S.. Im Entlassungsbericht vom 19. März 1997 ist als
Diagnose vermerkt:
1. Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und
Radiusköpfchenfraktur sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li. (813.0),
2. Fraktur der 8. und 9. Rippe li. (807.0),
3. Prellung re. Flanke (849.9),
4. idealstehende Fraktur des Os metacarpale V.
Als Therapie erfolgte eine „1. offene Reposition, Verschraubung Proc. coronoideus und des
Radiusköpfchens, Naht des ulnaren Bandapparates am 04. März 1997; 2. u. 3.
symptomatisch; 4. Gipsruhigstellung, konservativ“.
Es ergab sich ein komplikationsloser postoperativer Verlauf mit reizlosen
Wundverhältnissen.
Abschließend heißt es im Entlassungsbericht :
„Die Gipsruhigstellung sollte insgesamt vier Wochen betragen, danach vorsichtig
geführte Krankengymnastik im mittleren Flexionsbereich, Bewegungsmaße
Extension/Flexion O-40-90, geringe Rotation.“
Die Beigeladene zu 2. hatte bereits am 14. März 1997 auf Veranlassung der Klägerin bei
ihr Versorgungsleistungen nach dem OEG beantragt. Gleichzeitig war von der Klägerin
gegenüber dem Beklagten ein Ersatzanspruch angemeldet und die Beiladung (der Klägerin)
als Beteiligte zum Verfahren beantragt worden.
Mit Bescheid vom 17. Februar 1998 lehnte der Beklagte nach Einsicht in die
Ermittlungsakte 02 Js 278/97 den Antrag der Beigeladenen zu 2. auf Gewährung von
Beschädigtenversorgung nach § 1 OEG mit der Begründung ab, es stehe Aussage gegen
Aussage. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG sei
nicht erwiesen. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen könne nicht festgestellt werden,
unter welchen konkreten Umständen die Beigeladene zu 2. tatsächlich zu Schaden
gekommen sei. Das schädigende Ereignis müsse nachgewiesen sein; das heißt, alle für
eine OEG-Entschädigung anspruchsbegründenden Tatsachen müssten zur Überzeugung
der Behörden beziehungsweise Gerichte erwiesen sein. Fehle es daran, gehe dies zu
Lasten eines Antragstellers, da der Grundsatz der objektiven Beweislast gelte. Dieser
Grundsatz besage, dass ein Antragsteller, der aus einer bestimmten Tatsache Rechte
herleiten wolle, die nachteiligen Folgen zu tragen habe, wenn die rechtserheblichen
Tatsachen nicht festgestellt werden könnten. Beweisschwierigkeiten rechtfertigten keine
generelle Beweiserleichterung – etwa im Sinne einer Beweislastumkehr. Es müssten die
allgemein anerkannten Beweisgrundsätze zur Anwendung kommen. Die strafrechtliche
Beweisregel “zu Gunsten des Angeklagten“ lasse sich im sozialen Entschädigungsrecht
nicht umdeuten in eine Beweisregel “zu Gunsten des Opfers“. Die Staatsanwaltschaft
habe das Ermittlungsverfahren eingestellt. Tatzeugen seien nicht vorhanden. Die
persönliche Aussage der Beigeladenen zu 2. sei als Nachweis für einen vorsätzlichen,
rechtswidrigen tätlichen Angriff nicht ausreichend.
In der Folgezeit bekräftigte die Beigeladene zu 2. am 17. August 1998 ihren früheren
Antrag vom 18. April 1998 und legte am 11. September 1998 Widerspruch gegen die
ablehnende Entscheidung vom 17. Februar 1998 ein. Sie stellte eine Zustellung des
Bescheides vom 17. Februar 1998 in Abrede und machte geltend, das Verhalten des
Beigeladenen zu 1. habe sich nahtlos in eine ganze Kette gewaltsamer Übergriffe gegen sie
eingegliedert, wobei sie sich immer wieder geradezu unverständlich rücksichtsvoll verhalten
habe, so dass kaum vorstellbar sei, dass sie sich die Vorwürfe gegen den Beigeladenen zu
1. ausgedacht habe, um diesem zu schaden. Die Verletzungen hätten zu einer bleibenden
Behinderung des linken Armes und einer entsprechenden dauerhaften Einschränkung der
Erwerbsfähigkeit geführt. Nur wegen ihrer Rücksichtnahme sei die Sache für den
Beigeladenen zu 1. so glimpflich ausgegangen. Wäre das Strafverfahren weiter
durchgeführt worden, so wäre der Beigeladene zu 1. sicherlich verurteilt worden.
Gegen die Einstellung des Strafverfahrens habe sie nichts unternommen, um die endlich
einmal friedlich und vernünftig angelaufene Auseinandersetzung des Eigentums an dem
Hausanwesen nicht zu stören. Den Einlassungen des Beigeladenen zu 1. könne nicht
gefolgt werden. Zunächst habe er angegeben, bei dem Sturz sei er nicht anwesend
gewesen. Dagegen habe er in einer Stellungnahme seiner Prozessbevollmächtigten mit
Datum vom 06. Juni 1997 vor dem Familiengericht in Bezug auf das Schadensereignis
vortragen lassen, es könne nicht die Rede davon sein, dass er sie, die Beigeladene zu 2.,
habe töten wollen. Sie sei bei einer Auseinandersetzung der Beigeladenen hingefallen und
habe sich verletzt. Der Beklagte hat auf die Geltendmachung der Verfristung verzichtet und
der Beigeladenen zu 2. unter dem 06. Oktober 1998 Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gewährt, den Rechtsbehelf jedoch in der Sache durch Widerspruchsbescheid vom
21. Dezember 1998 zurückgewiesen. Nach wie vor stehe Aussage gegen Aussage. Ein
vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG sei nicht
erwiesen. Entgegen der Behauptung der Beigeladenen zu 2. könne in Anbetracht des
Vortrags des Beigeladenen zu 1. im familiengerichtlichen Verfahren von einem
Eingeständnis seiner Tat nicht die Rede sein. Auch die erlittenen Verletzungen der
Beigeladenen zu 2. ließen keine Rückschlüsse auf den Geschehensablauf zu. Sie hätten
auch durch einen Sturz ohne fremde Einwirkung entstehen können.
Der Klägerin ist sowohl der ablehnende Bescheid vom 17. Februar 1998 als auch der
Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1998 in Kopie mitgeteilt worden. Eine förmliche
Zustellung der genannten Entscheidungen an die Klägerin ist nicht erfolgt.
Mit ihrer am 23. März 1998 erhobenen Klage hat die Klägerin in der Eigenschaft als dem
Beklagten gegenüber denkbar nachrangig verpflichtete Krankenversicherung der
Beigeladenen zu 2. - aus dem Recht ihrer Versicherten, der Beigeladenen zu 2. - die
Feststellung der bei dem Schadensereignis am 23. Februar 1997 in W. erlittenen
Verletzungen der Beigeladenen zu 2. als Schädigungsfolgen i.S.d. OEG begehrt sowie die
Verurteilung des Beklagten erstrebt, die von der Klägerin für die Beigeladene zu 2.
anlässlich des Schadensereignisses vom 23. Februar 1997 in W. bereits erbrachten und
künftig noch zu erbringenden Aufwendungen zu erstatten – dies unter Aufhebung des
Bescheides des Beklagten vom 17. Februar 1998. Im Zusammenhang mit der Behandlung
der Verletzungen der Beigeladenen zu 2. aus dem Schadensereignis vom 23. Februar
1997 habe sie, die Klägerin, bisher mehr als 25.000,00 DM aufwenden müssen. Der
Beigeladene zu 1. habe ausweislich des Schreibens seiner Prozessbevollmächtigten mit
Datum vom 27. November 1997 (Blatt... der GA) eingeräumt, einen Tatbeitrag zu dem
Sturz der Beigeladenen zu 2. geleistet zu haben. Auch die von der Beigeladenen zu 2.
erlittenen Verletzungen legten den von ihr berichteten Geschehensablauf nahe.
Verletzungen der hier vorliegenden Art würden regelmäßig nur dann auftreten, wenn ein
Sturz durch Fremdeinwirkung verursacht worden sei.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die von der Beigeladenen zu 2. erlittenen
Verletzungen könnten durchaus auf einen Sturz ohne Fremdeinwirkung zurückzuführen
sein.
Der Beigeladene zu 1. hat bestritten, die Beigeladene zu 2. in den Rücken gestoßen oder
sie getreten zu haben. Die Beigeladene zu 2. sei vielmehr von selbst hingefallen und habe
sich verletzt; möglicherweise sei sie an der – von oben gesehen – 4. Stufe, wo die
Gummileiste beschädigt gewesen sei, hängengeblieben. Ausweislich des in der öffentlichen
Sitzung des Amtsgerichts S. vom 12. November 1998 im Verfahren 37 C 631/98 zu
Protokoll festgestellten Vergleichs habe er sich zwischenzeitlich mit der Beigeladenen zu 2.
geeinigt. Im Übrigen entspreche es einem Mindestmaß an Selbstverantwortung, einen
gewaltbereiten Ehepartner durch Beleidigungen oder Tätlichkeiten nicht herauszufordern.
Die Beigeladene zu 2. habe es in der Vergangenheit stets darauf angelegt, ihn zu
provozieren.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat in der öffentlichen Sitzung vom 20. Mai 1999
Beweis erhoben über den Hergang des Unfallereignisses vom 23. Februar 1997 durch
Vernehmung der Beigeladenen zu 2. als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20. Mai 1999 Bezug genommen.
Durch Urteil vom 20. Mai 1999 hat das SG auf der Grundlage der Vernehmung der
Beigeladenen zu 2. unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 17. Februar 1998
der Klage stattgegeben und festgestellt, der Beigeladene zu 1. habe die Beigeladene zu 2.
mit einem heftigen Fußtritt in den rechten Rückenbereich die zur Wohnung führende
Treppe hinunter gestoßen, als die Beigeladene zu 2. im Begriff gewesen sei, die erste Stufe
hinab zusteigen. Da die Beigeladene zu 2. in der rechten Hand eine Tasche mit sich geführt
und mit dem linken Arm Kleidungsstücke getragen habe, sei sie nicht in der Lage gewesen,
sich am Treppengeländer festzuhalten, um dem Sturz entgegenzuwirken. Die Wucht des
Fußtritts habe zur Folge gehabt, dass die Beigeladene zu 2. über die Treppenstufen hinweg
geflogen und am Fußende der Treppe mit der linken Körperhälfte auf dem Boden
aufgeprallt sei. Hierdurch hätten sich die anschließend im Krankenhaus diagnostizierten
Verletzungen ergeben. In Anbetracht der Tatsache, dass durch den Aufprall ausschließlich
die linke Körperhälfte der Beigeladenen zu 2. zu Schaden gekommen sei, komme dem in
der rechten Flanke festgestellten Hämatom besondere Bedeutung zu. Zur Überzeugung
der Kammer handele es sich hierbei um die Folgen des von der Beigeladenen zu 2.
beschrieben Fußtritts in den rechten Rückenbereich. Die Glaubwürdigkeit der Beigeladenen
zu 2. werde durch die polizeiliche Aussage der Zeugin L. vom 18. März 1997 gestützt, zu
welcher sich die Beigeladene zu 2. unverzüglich nach dem schädigenden Ereignis begeben
habe. Für die Kammer sei es einleuchtend, dass die nach dem schweren Sturz unter
Schock stehende Beigeladene zu 2. – unter dem Eindruck des unmittelbaren Geschehens –
eine wahrheitsgetreue Schilderung abgegeben habe. Sie sei nicht dazu in der Lage
gewesen, eine Geschichte zu erfinden, in welche die erkennbaren Fakten passgenau
hätten eingeordnet werden müssen. Besonders die spontane Bezeichnung des
Beigeladenen zu 1. als „Mörder“ deute darauf hin, welche Rolle sie dem Beigeladenen zu 1.
beim Ablauf des Geschehens zugemessen habe. Die Richtigkeit des von der Beigeladenen
zu 2. geschilderten Geschehensablaufes erfahre auch dadurch eine Bestätigung, dass ihr
insbesondere die Reaktion des Beigeladenen zu 1. nach dem tätlichen Angriff erinnerlich
gewesen sei. Dieser habe zu der hilflos und verletzt am Boden liegenden Beigeladenen zu
2. sinngemäß gesagt: “Marie, warum rennst du auch so“, ohne ihr Hilfe zu leisten. Die
zynische Haltung des Beigeladenen zu 1., der die gesamte Situation offenbar als
Erfolgserlebnis empfunden habe, beherrsche die Erinnerung der Beigeladenen zu 2. an das
schädigende Ereignis. Zwar habe die Beigeladene zu 2. in ihrer polizeilichen Aussage
angegeben, die linke Hand sei frei gewesen, als der Beigeladene zu 1. sie die Treppe
hinunter gestoßen habe. Diese fehlende Übereinstimmung sei jedoch nicht geeignet,
Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Beigeladenen zu 2. zu wecken. Die Beigeladene zu 2.
habe in der rechten Hand eine Tasche getragen und sich folglich an dem rechtsseitigen
Treppengeländer nicht festhalten können. Sie sei damit gehalten gewesen, freihändig die
Treppe hinab zu gehen, was die Tatausführung durch den Beigeladenen zu 1. erleichtert
habe.
Gegen das ihm am 04. Juni 1999 zugestellte Urteil hat der Beigeladene zu 1. mit einem
am 28. Juni 1999 beim hiesigen Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, mit
der er die Aufhebung des angegriffenen Urteils erstrebt.
Er erhebt die Rüge mangelnder Sachaufklärung und macht im Weiteren geltend, das SG
habe bei seinem Urteil die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Mai 1997
(Az. B 9 VG 8/97) nicht berücksichtigt. Das SG habe die Frage, ob ein Versagungsgrund
nach § 2 OEG vorliege, überhaupt nicht geprüft. Das BSG habe entschieden, dass einem
Opfer dann ein Mitverursachungsbeitrag an seiner Schädigung zugerechnet werden müsse,
wenn es sich bewusst oder leichtfertig der Gefahr einer Schädigung ausgesetzt habe. Er
halte daran fest, die Beigeladene zu 2. weder in den Rücken gestoßen noch getreten zu
haben. Für den Fall, dass sich der Sachverhalt so darstelle, wie ihn die Beigeladene zu 2.
wiedergegeben habe, könne er sich die Diskrepanz zu seiner eigenen Aussage nur so
erklären, dass es ihm infolge des erheblichen Alkoholgenusses an einem hinreichenden
Erinnerungsvermögen an den Ablauf der Tat fehle. Auf jeden Fall müsse von einer
Beziehungstat ausgegangen werden. Er und die Beigeladene zu 2. seien verheiratet
gewesen. Die Beigeladene zu 2. habe sich einem anderen Mann zugewandt. Es sei durch
diese Handlungsweise enttäuscht und gekränkt worden. Von dem Verhältnis der
Beigeladenen zu 2. habe er in der Gaststätte „B.“ erfahren, wo sie abends als Bedienung
tätig gewesen sei. Die Beigeladene zu 2. habe zumindest leichtfertig gehandelt, als sie an
dem fraglichen Tag in die Wohnung gegangen sei, um ihre Kleider mitzunehmen. Im
Hinblick auf die kurz zuvor stattgefundenen Vorfälle und seine offensichtliche Alkoholisierung
hätte sie davon absehen müssen, mit ihm in die Wohnung zu fahren. Er sei kein schlechter
Mensch und habe der Beigeladenen zu 2. das gemeinsame Anwesen überlassen, ohne
einen Zugewinnausgleich zu fordern. Zurzeit wohne er mit ihr unter einem Dach, wobei er
Miete zahle. Soweit die Beigeladene zu 2. zuvor erklärt habe, sie wolle ihn in ihrem Leben
nicht mehr sehen (Vernehmungsprotokoll vom 27. Februar 1997), habe sie diesen Willen
nicht dauerhaft verwirklicht. Es bestehe deshalb sehr wohl die Möglichkeit, dass ihre
damalige Aussage übertrieben oder ganz falsch gewesen sei. Jedenfalls habe das SG zu
Unrecht davon Abstand genommen, ihn als Zeugen zu dem Vorfall zu vernehmen.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. W. in seinem vom erkennenden Senat im Laufe des
Berufungsverfahrens angeforderten Gutachten vom 26. Oktober 2006 ausgeführt habe,
ein akzidenteller Treppensturz ohne Tritteinwirkung sei etwas wahrscheinlicher als ein
Treppensturz mit Tritteinwirkung, spreche dies für ihn (den Beigeladenen zu 1.). Er habe
stets in Abrede gestellt, die Beigeladene zu 2. getreten zu haben. Es bestehe die
Möglichkeit, dass die Beigeladene zu 2. an der beschädigten Gummileiste der 4.
Treppenstufe hängen geblieben sei.
Der Beigeladene zu 1. beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 20. Mai 1999 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte schließt sich diesem Antrag an.
Er führt aus, das SG habe in seinen Entscheidungsgründen zu Unrecht das Vorliegen von
Versagungsgründen nach § 2 OEG nicht geprüft. Bei dem geschilderten Sachverhalt müsse
davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene zu 2. zumindest leichtfertig gewesen
sei, als sie am 23. Februar 1997 ihre Kleidung aus der früheren Ehewohnung
mitgenommen habe. Im Übrigen könne den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.
W. in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2006 gefolgt werden. Danach sei ein
vorsätzlicher, rechtswidriger und tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht
erwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Bescheid des
Beklagten vom 17. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21. Dezember 1998 aufgehoben, und dass festgestellt wird, dass die bei
der Beigeladenen zu 2. aufgetretenen Verletzungen, nämlich eine
Ellenbogenluxationsfraktur links, eine Fraktur der 8. und 9. Rippe links, eine
Prellung der rechten Flanke und eine idealstehende Fraktur des Os metacarpale
V. Folgen des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs des Beigeladenen
zu 1. vom 23. Februar 1997 sind.
Sie hält die Feststellungen des angegriffenen Urteils für zutreffend. Es lägen keine Gründe
vor, welche die Entschädigung als unbillig i.S.d. § 2 OEG erscheinen lassen könnten. Zwar
sei es zutreffend, dass das SG die Frage des Vorliegens eines Versagungsgrundes im Sinne
des § 2 OEG nicht expressis verbis geprüft habe. Den Urteilsgründen müsse jedoch indiziell
entnommen werden, dass die Kammer aufgrund der eindeutigen und widerspruchsfreien
Aussage der Beigeladenen zu 2. keinerlei Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der
Entschädigung gesehen habe. Der Einwand des Beigeladenen zu 1., die Beigeladene zu 2.
habe es in der Vergangenheit stets darauf angelegt, ihn zu provozieren, sei von ihm
erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt näher thematisiert worden. Unabhängig davon habe
sich die Beigeladene zu 2. auch nicht leichtfertig in Gefahr begeben. Da die Beigeladene zu
2. nicht mehr in der ehelichen Wohnung gewohnt habe, sei sie nicht umhin gekommen,
ihre persönlichen Sachen zu holen. Sie habe sich deshalb mit dem Beigeladenen zu 1. über
den Abholzeitpunkt der Kleider verständigt. Hierzu sei es zunächst erforderlich gewesen,
den Beigeladenen zu 1. am Sportplatz abzuholen, um überhaupt in die Wohnung gelangen
zu können. Soweit ihr vorgeworfen werde, sie habe die Alkoholisierung des Beigeladenen zu
1. erkennen müssen, hätten sich Anhaltspunkte für Ausfallerscheinungen nicht ergeben.
Der Beigeladene zu 1. sei häufig alkoholisiert gewesen. Im Unterschied zu dem vom BSG
entschiedenen Fall habe sie am Tattag keinerlei Veranlassung zu Gewalttätigkeiten
gegeben.
Der von dem Sachverständigen Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 26. Oktober 2006
gezogenen Schlussfolgerung, ein akzidenteller Treppensturz ohne Tritteinwirkung sei etwas
wahrscheinlicher als ein Treppensturz mit Tritteinwirkung könne nicht gefolgt werden. Zum
einen relativiere der Sachverständige diesen Ansatz selbst, indem er deutlich mache, dass
in dieser denkbaren Variante die Prellung in der rechten Flanke nicht nachvollziehbar sei.
Zum anderen ergebe sich aus den Ausführungen des Gutachters, dass die vorhandenen
Verletzungen der Beigeladenen zu 2. durch ein unterstelltes Ausrutschen auf der Treppe
kaum erklärt werden könnten. Das vom Beigeladenen zu 1. in den Raum gestellte
Hängenbleiben an der beschädigten Gummileiste der 4. Stufe erkläre - so der
Sachverständige - die erlittenen Verletzungen ebenfalls nicht.
Sofern der Gutachter als weitere Alternative darauf hinweise, dass die Treppe im unteren
Bereich eine Wendelung von 45° aufweise, dadurch die Treppenstufen rechtsseitig
schmaler seien als links und es deshalb denkbar sei und auch mit dem Verletzungsmuster
in Einklang gebracht werden könne, dass sich in diesem Bereich ein Stolpern zugetragen
habe, lasse diese Annahme des Gutachters wesentliche Umstände außer Acht. Der
Sachverständige führe selbst aus, dass die Treppe ausweislich der in der Ermittlungsakte
niedergelegten Daten lediglich ca. 1 m breit sei. Werde dann noch berücksichtigt, dass die
niedergelegten Daten lediglich ca. 1 m breit sei. Werde dann noch berücksichtigt, dass die
Beigeladene zu 2. unstreitig in der rechten Hand eine Reisetasche mit Kleidungsstücken
getragen habe, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass sie die Treppe rechtsseitig begangen
habe. Es liege viel näher, dass sie sich in der Biegung links gehalten habe, um mit der
Reisetasche nicht anzustoßen und sich gegebenenfalls links festhalten zu können. Zu
berücksichtigen sei auch, dass sie die Treppe gekannt habe. Hinzu komme, dass
erfahrungsgemäß gewendelte Treppen regelmäßig nicht innen, sondern außen begangen
würden, gerade um Stürze durch die inneren schmaleren Stufen zu vermeiden.
Schließlich mache der Sachverständige darauf aufmerksam, dass die Lage der Prellung in
der rechten Flanke und ihr Ausmaß nicht näher beschrieben worden sei. Es werde auch
nicht mitgeteilt, ob es sich um eine frische Verletzung gehandelt habe. Da die Prellung in
der rechten Flanke in den ärztlichen Unterlagen jedoch im Zusammenhang mit den
weiteren in jedem Fall frischen Verletzungen genannt werde und ein Hinweis darauf fehle,
dass es sich dabei um eine alte Verletzung gehandelt habe, müsse davon ausgegangen
werden, dass es auch insoweit eine frische Verletzung gewesen sei. Bei dieser Sachlage
spreche mehr dafür, dass sich das schädigende Ereignis so wie von der Beigeladenen zu 2.
geschildert zugetragen habe. In diesem Zusammenhang dürfe nicht verkannt werden, dass
der Beigeladene zu 1. in weiteren Fällen gegenüber der Beigeladenen zu 2. gewalttätig
gewesen sei.
Die Beigeladene zu 2. schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Sie trägt vor, sie habe sich nur wegen des gemeinsamen Kindes und aus finanziellen
Gründen sowie in der Befürchtung, der Beigeladene zu 1. könne in der Folgezeit noch
gewalttätiger werden, auf ein weiteres Zusammenleben mit ihm unter einem Dach bei
getrennten Wohnungen eingelassen. Die durch den Tritt des Beigeladenen zu 1. mit
nachfolgendem Treppensturz erlittenen Verletzungen hätten ihre bleibende
Erwerbsunfähigkeit ausgelöst. In den Bruchbereichen habe sich inzwischen eine Arthrose
entwickelt, wegen der sie in ständiger ärztlicher Behandlung sei. Der behandelnde Chefarzt
der chirurgischen Abteilung der C.-Klinik R. in S., welcher gegebenenfalls als
sachverständiger Zeuge gehört werden könne, habe aufgrund seiner eigenen
Untersuchung und der gefertigten Röntgenbilder noch Jahre nach dem Sturz ohne weiteres
feststellen können, dass hier der Art nach ein lebensgefährlicher Sturz überlebt worden sei,
der mit einem Ausgleiten auf der Treppe schlechterdings nicht erklärt werden könne. Im
Übrigen habe das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. vom 26. Oktober 2006
das Unfallereignis vom 23. Februar 1997 nicht aufklären können. Soweit vom
Sachverständigen ihre (der Beigeladenen zu 2.) Schilderung des Treppensturzes vor dem
Hintergrund der „Endlage“ nach dem Sturz problematisiert werde, müsse beachtet
werden, dass sie nach dem Sturz nicht das Bewusstsein verloren habe, sondern später,
wenn auch mit Mühe, selbstständig aufgestanden sei. Nach einem solchen Sturz bestehe
die erste unwillkürliche Reaktion aber darin, die etwa noch auf den letzten Treppenstufen
liegenden Füße anzuziehen, um sich in eine stabilere Lage zu bringen. Sofern von ihr (der
Beigeladenen zu 2.) stets ausgesagt worden sei, sie habe nach dem Sturz am Ende der
Treppe auf dem gefliesten Boden gelegen, habe sich diese Angabe schlechterdings nur auf
ihren Oberkörper beziehen können.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte und der Ermittlungsakte der
Staatsanwaltschaft S. (Az. 02 Js 278/97) sowie der Gerichtsakte im Parallelverfahren S 18
VG 172/99.
Der Senat hat der notwendigen Beteiligung der Beigeladenen zu 2. mit Beschluss vom 10.
August 2006 Rechnung getragen.
Mit Beweisanordnung vom 10. August 2006 ist das oben erwähnte schriftliche Gutachten
des Leiters des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes Prof. Dr. J. W.
eingeholt worden zu der Frage, ob aus dem Verletzungsmuster der Beigeladenen zu 2.
Rückschlüsse auf den Unfallmechanismus gezogen werden können bzw. inwieweit das sich
nach Aktenlage darstellende Unfallgeschehen vom 23. Februar 1997 und der
diesbezügliche Vortrag der Beigeladenen zu 2. zu Ursache und Hergang des Sturzes auf
der Treppe in der früheren Ehewohnung in W. schlüssig erscheinen.
In der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 sind die Beteiligten zu 1. und 2.
informatorisch zum Hergang des Unfallereignisses vom 23. Februar 1997 befragt worden.
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der informatorischen Befragung
der Beteiligten zu 1. und 2. wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. Dezember 2006
verwiesen und auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 26.
Oktober 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Dezember 2006.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung über die Berufung des Beigeladenen zu 1. hat die Beiladung der
Beigeladenen zu 2. erforderlich gemacht.
Nach § 75 Abs. 2 Alternative 1 SGG sind Dritte beizuladen, die an dem streitigen
Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur
einheitlich ergehen kann. Dies setzt die Identität des Streitgegenstandes im Verhältnis
beider Parteien und dem Dritten voraus (BSG, Beschluss vom 30. November 1982, Az. 2
BU 73/82; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 75 Rdnr. 10).
Die notwendige Beiladung beinhaltet einen prozessualen Anspruch auf Beiladung.
Unterbleibt sie, so ist eine das Verfahren betreffende Vorschrift verletzt, auf deren
Befolgung ein Beteiligter nach § 202 SGG i. V. m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO)
nicht wirksam verzichten kann (vgl. BSGE Bd. 13 S. 220). Ein Urteil bei unterbliebener
notwendiger Beiladung bleibt unwirksam (vgl. OVG Münster in OVGE Bd. 4 S. 10;
BayerVGH in DÖV 1950 S. 275); es kann nur formelle Rechtskraft erlangen. Es bindet die
Prozessbeteiligten also nur durch die Unanfechtbarkeit. Es tritt keine materielle Rechtskraft
ein, so dass der Streitgegenstand unter denselben Beteiligten nach materiellem und
Prozessrecht zum Gegenstand eines neuen Prozesses gemacht werden kann.
Die Entscheidung darüber, ob die bei der Beigeladenen zu 2. vorliegenden
Gesundheitsschäden auf einen am 23. Februar 1997 vom Beigeladenen zu 1. verübten
vorsätzlichen tätlichen Angriff zurückzuführen sind, kann auch gegenüber der Beigeladenen
zu 2. nur einheitlich ergehen.
Denn Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten der
Krankenhausbehandlung der Beigeladenen zu 2. in Höhe von mehr als 25.000,00 DM,
welche die Klägerin im Rahmen der Familienversicherung nach dem 5. Buch des
Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) erbracht hat, sowie
weiterer zukünftiger Kosten. Die Entscheidung hierüber greift in die Rechtssphäre der
Beigeladenen zu 2. unmittelbar ein. Dementsprechend hat die Beigeladene zu 2. im
Parallelverfahren S 18 VG 172/99 vor dem SG selbst Ansprüche auf Entschädigung für die
Folgen des „Ereignisses“ vom 23. Februar 1997 geltend gemacht und daher ein eigenes
Interesse daran, feststellen zu lassen, dass die ihr entstandenen, im Entlassungsbericht der
C.-Klinik St. T., S., vom 19. März 1997 aufgeführten Verletzungen auf einen vorsätzlichen,
rechtswidrigen tätlichen Angriff des Beigeladenen zu 1. zurückzuführen sind.
Die somit notwendige, in I. Instanz unterbliebene Beiladung der Beigeladenen zu 2. hat der
Senat mit Beschluss vom 10.April 2006 nachgeholt (vgl. hierzu: Peters-Sautter-Wolff, § 75
Anm. 6a).
Die Berufung des nach § 75 Abs. 1 SGG von Amts wegen „einfach“ Beigeladenen zu 1. ist
zulässig (§§ 151, 143 SGG). Insbesondere bindet das angegriffene erstgerichtliche Urteil
vom 20. Mai 1999 den Beigeladenen zu 1., der sich nach der kraft Beschlusses des SG
vom 06. Juli 1998 erfolgten Beiladung mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom
25. Februar 1999 am Verfahren erster Instanz beteiligt hat und auch im
Beweisaufnahmetermin vom 20. Mai 1999 anwaltlich vertreten war, wie einen
Hauptbeteiligten (§§ 69, 141 Abs. 1 SGG), vgl. hierzu Peters-Sautter-Wolff, Kommentar
zur Sozialgerichtsbarkeit, § 75 Anm. 7a). In materieller Hinsicht ist der Beigeladene zu 1.
durch die Bindungswirkung des angefochtenen Urteils in Ansicht seiner Person beschwert.
Die Feststellung der Versorgungspflichtigkeit des Beklagten nach dem OEG im Hinblick auf
die Folgen aus dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 führt zu einem denkbaren
Rückgriff gegen den Beigeladenen zu 1. im Sinne einer cessio legis (§§ 4, 5 Abs. 1 OEG,
81a des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz-
BVG) in der Fassung vom 22. Februar 1982, BGBl. I 21/20. Dezember 1982, BGBl. I
1857, zuletzt geändert durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20. Dezember
1988, BGBl. I S. 2477).
Zur Zulässigkeit seiner Berufung haben sich im Übrigen keine Bedenken ergeben.
Die Berufung des Beigeladenen zu 1. bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das SG hat der Klage
zu Recht stattgegeben.
Die Klägerin ist berechtigt, den Anspruch der Beigeladenen zu 2. und die Aufhebung des
ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 17. Februar 1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 im eigenen Namen und rechtlichen
Interesse geltend zu machen, und zwar als Bedingung des Erfolges ihres Ersatzanspruchs
(BSGE 34, 289,290 = SozR Nr. 13 zu § 19 BVG mw.N.).
Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG werden den Krankenkassen, die ihren Versicherten
Leistungen erbringen, die Aufwendungen erstattet, die durch Behandlung anerkannter
Schädigungsfolgen entstanden sind (vgl. BSG SozR 3100 § 19 Nrn. 7 und 9).
Schädigungsfolgen sind auch solche, die auf einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen
Angriff beruhen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Obwohl der Beklagte einen Versorgungsanspruch
der Beigeladenen zu 2. in diesem Rechtsverhältnis bisher nicht anerkannt hat, ist die
Klägerin berechtigt, ihre denkbaren Erstattungsansprüche gegenüber dem Beklagten zu
verfolgen. Zwar kann eine Krankenkasse ohne den Antrag des Opfers ihren
Erstattungsanspruch nicht durchsetzen (BSGE 63, 204, 206 = SozR 3100 § 19 Nr. 17
und BSGE 63, 204, 206 = SozR 3100 § 19 Nr. 19). Ist jedoch ein solcher Antrag – wie hier
– einmal gestellt, darf ihn die Krankenkasse weiter verfolgen (BSG SozR 2200 § 205 Nr.
55; USK 82124; BSGE 52, 281, 283 = SozR 3800 § 2 Nr. 3). Dies hätte schon in dem
Verwaltungsverfahren zwischen der Beigeladenen zu 2. und dem Beklagten geschehen
können, soweit die Klägerin hieran, was nach § 12 Abs. 2 Satz 2 des 10. Buchs des
Sozialgesetzbuchs – jetzt: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X)
geboten ist, beteiligt worden wäre (vgl. BSGE 52, 281, 283 und USK 82124). Eine solche
Beteiligung ist zum damaligen Zeitpunkt unterblieben. Der Beklagte hat der Klägerin
lediglich Mitteilung vom Verfahrensstand gemacht, ihr jedoch weder seinen Bescheid vom
17. Februar 1998 noch den Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1998 zugestellt. Im
anschließenden Parallelrechtsstreit der Beigeladenen zu 2. gegen den Beklagten vor dem
SG ist bis zur Aussetzung des Verfahrens eine Beiladung der Klägerin nicht erfolgt, so dass
auch dort für die Klägerin keinerlei Möglichkeit bestand, ihre Rechtsposition durch eigene
Anträge zu verfolgen.
Mangels Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 an die Klägerin
ist Letztere neben der Durchsetzung ihrer Erstattungsansprüche auch befugt, die der
Beigeladenen zu 2. erteilten ablehnenden Bescheide insoweit anzufechten, als dies für eine
erfolgreiche Klage erforderlich sein sollte; die Klagefrist hat nämlich im Verhältnis zur
Klägerin nicht zu laufen begonnen (§§ 87, 85 Abs. 3 SGG). Der Klägerin gegenüber sind die
streitgegenständlichen Bescheide nicht materiell rechtskräftig geworden. Mithin steht der
Anfechtung des Bescheides des Beklagten vom 23. Februar 1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 kein prozessuales Hindernis im Wege.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 19. Dezember 2006 hat die Klägerin
ihr Leistungsbegehren ausdrücklich auf die Anerkennung ganz bestimmter
Schädigungsfolgen erstreckt. Dementsprechend bedurfte der Tenor des angegriffenen
Urteils vom 20. Mai 1999 hinsichtlich der einzelnen Verletzungen, die die Beigeladene zu 2.
als Folge der Schädigung vom 23. Februar 1997 erlitten hat, und der bei ihr (der
Beigeladenen zu 2.) eingetretenen Schadensfolgen einer entsprechenden Klarstellung. Im
Weiteren war der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 1998 (als
jüngste Fassung des angefochtenen Bescheides vom 17. Februar 1998) in den
Entscheidungsausspruch mit aufzunehmen.
Mit dieser Maßgabe war die Berufung zurückzuweisen, denn nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme durch Einholung des schriftlichen Sachverständigengutachtens Prof. Dr.
W. vom 26. Oktober 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Dezember 2006
sowie in Anbetracht der Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat vom 19. Dezember 2006 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die im
Entlassungsbericht der C.-Klinik St. T., S., vom 19. März 1997 aufgeführten Verletzungen
der Beigeladenen zu 2., nämlich
1. Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und
Radiusköpfchenfraktur sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li.,
2. Fraktur der 8. und 9. Rippe li.,
3. Prellung re. Flanke,
4. dealstehende Fraktur des Os metacarpale V.
Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs des Beigeladenen zu 1. vom 23.
Februar 1997 sind.
Demgemäß hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen, die ihr
durch die Behandlung der bei der Beigeladenen zu 2. eingetretenen Schädigungsfolgen
entstanden sind und noch entstehen werden (Heilbehandlungskosten). Mithin wendet sie
sich auch zu Recht gegen den Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 1998 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Beigeladene zu 1. die Beigeladene zu 2.
am 23. Februar 1997 mit einem heftigen Fußtritt in den Bereich der rechten Flanke die zur
früheren Ehewohnung in W. gehörende Treppe hinunter gestoßen hat, als die Beigeladene
zu 2. im Begriff war, die erste Stufe hinab zu steigen. Die Wucht des Fußtritts hatte zur
Folge, dass die Beigeladene zu 2. die Treppe hinunterfiel und hierbei mit der linken
Körperhälfte auf die Treppe bzw. den Boden prallte. Hierdurch zog sie sich die im
Entlassungsbericht der C.-Klinik St. T., S., vom 19. März 1997 aufgeführten Frakturen und
Prellungen zu.
Die Überzeugung des Senats beruht auf den gutachtlichen Äußerungen des
Sachverständigen Dr. W., auf der informatorischen Anhörung der Beigeladenen in der
mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 sowie auf dem von den Beigeladenen
gewonnenen persönlichen Eindruck.
Entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 1. kommt eine Vernehmung seiner Person
als Zeuge zu den Vorgängen in der ehelichen Wohnung am 23. Februar 1997, die zu dem
Treppensturz der Beigeladenen zu 2. geführt haben, nicht in Betracht. Ein Beteiligter kann
nicht als Zeuge vernommen werden, vgl. hierzu Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur
Sozialgerichtsbarkeit, § 75 Anm. 7 a).
In I. Instanz ist die notwendige Beiladung der Geschädigten/ Versicherten und späteren
Beigeladenen zu 2. unterlassen worden; deren Vernehmung als Zeugin hätte nicht erfolgen
dürfen, insoweit beruht das erstgerichtliche Urteil auf einem Verfahrensmangel; wird im
sozialgerichtlichen Verfahren ein notwendig Beizuladender erst in der II. Instanz beigeladen,
so können die von ihm in der I. Instanz als Zeuge gemachten Aussagen allerdings als solche
verwertet werden; das sozialgerichtlichen Verfahren kennt nicht die Parteivernehmung, es
gibt auch keine Vorschriften über einen etwaigen unterschiedlichen Beweiswert zwischen
Zeugenaussage und der Anhörung eines Beigeladenen, vgl. hierzu BSG 3. Senat (Az. 3/12
RK 47/74, Beschluss vom 29. August 1975).
Die Angaben des Beigeladenen zu 1. anlässlich seiner informatorischen Befragung im
Termin vom 19. Dezember 2006 waren im Wesentlichen davon geprägt, dass er vortrug,
er könne sich an die damaligen Vorgänge konkret nicht erinnern und keine Angaben zu
seinen früheren Einlassungen im Rahmen der polizeilichen Vernehmungen machen. Damit
konnten zahlreiche sich im Lichte seiner früheren Schilderungen des Vorfalls vom 23.
Februar 1997 ergebenden Widersprüchlichkeiten seiner Angaben nicht mehr aufgeklärt
werden.
Ausweislich des Berichts der Polizeiinspektion K. vom 23. Februar 1997 hat der
Beigeladene zu 1. am Tag des zu bewertenden Ereignisses gegenüber den POM La. und
Be. erklärt, die Beigeladene zu 2. sei mit einem Wäschekorb in den Armen die Treppe
hinunter gegangen und hierbei gestürzt. Die Zeugin L. hat bei ihrer damaligen Vernehmung
angegeben, der Beigeladene zu 1. habe ihr am 23. Februar 1997 (gegen 21.00 Uhr)
gesagt, der Sturz der Beigeladenen zu 2. sei dadurch zu Stande gekommen, dass sie (die
Beigeladene zu 1.) in Badelatschen vollbepackt mit Kleidern die Treppe habe hinab gehen
wollen. Am 26. Februar 1997 hat der Beigeladene zu 1. als Beschuldigter laut des von ihm
unterschriebenen Vernehmungsprotokolls des PHM Fr. wieder von Kleidern gesprochen,
welche von der Beigeladenen zu 2. die Treppe hinunter getragen worden seien. Soweit der
Beigeladene zu 2. im Weiteren zunächst angegeben hatte, vor dem Unfallereignis, zu
Hause und auf dem Sportplatz in W., 11 Flaschen Bier à 0,33 l getrunken zu haben
(Polizeibericht des POM Be. vom 23. Februar 1997), ist hernach von 9 Flaschen Bier die
Rede gewesen (6 Flaschen auf dem Sportplatz, 2 Flaschen zu Hause vor, und 1 Flasche
nach dem Vorfall). Er (der Beigeladene zu 1.) sei nicht betrunken gewesen (Protokoll über
die Beschuldigtenvernehmung vom 26. Februar 1997).
Dem Inhalt der protokollierten Vernehmungen ist von dem Beigeladenen zu 1. hernach
mehrfach widersprochen worden (er könne sich wegen des erheblichen Alkoholgenusses
nicht mehr an den Ablauf der Tat erinnern
Februar 2000> zu der Aussage bei der polizeilichen Vernehmung vom 26. Februar 1997,
er sei nicht betrunken gewesen; die Beigeladene zu 2. sei mit einem Wäschekorb in den
Armen die Treppe hinunter gegangen
1997> zu den Angaben bei der Vernehmung vom 26. Februar 1997, das habe er nicht
gesagt).
Unklar ist auch geblieben, wie der Beigeladene zu 1. im Rahmen seiner früheren
Vernehmungen davon gewusst haben will, was die Beigeladene zu 2. zum Zeitpunkt des
Sturzes bzw. kurz zuvor in den Händen getragen hat, wenn er – wie später angegeben –
auf der Toilette saß. Hierzu hat der Beigeladene zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom
19. Dezember 2006 - ausweichend - angegeben, seine frühere Frau sei mehrfach die
Treppe hinauf und hinunter gegangen, er habe nur gesehen, dass sie Kleidungsstücke
getragen habe.
Auf Vorhalt seines Vortrags im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht/Familiengericht
S. (Schriftsatz mit Datum vom 06. Juni 1997 als Anlage zum Widerspruchsschriftsatz der
Beigeladenen zu 2. vom 10. September 1998) – es könne nicht die Rede davon sein, das
er die Beigeladene zu 2. habe töten wollen; es sei so gewesen, dass die Beigeladene zu 2.
bei einer Auseinandersetzung der Beigeladenen hingefallen sei und sich verletzt habe – hat
der Beigeladene zu 1. im Termin vom 19. Dezember 2006 auch auf mehrfaches Befragen
hin erklärt, er könne nicht mehr sagen, was damals los gewesen sei.
Im Weiteren hat der Beigeladene zu 1. eingeräumt, der besagte Tag sei nicht harmonisch
gewesen. Er sei zwar nicht wütend gewesen, habe sich aber geärgert, weil er vom
Sportplatz nach Hause musste. Er und die Beigeladene zu 2. hätten sich nicht gestritten.
Dass die Beigeladene zu 2. ihre Sachen abgeholt habe, sei für ihn nicht aufregend
gewesen. Er habe die Sachen ja nicht wegwerfen können.
Auf weiteres Befragen hat der Beigeladene zu 1. hinzugefügt, er habe deshalb mit der
Beigeladenen zu 2. fahren müssen, weil er im Besitz des Schlüssels zum Haus gewesen
sei. Die Beigeladene zu 2. habe keinen Schlüssel mehr gehabt. Auf Vorhalt, dass er seinen
Schlüssel der Beigeladenen zu 2. hätte geben können und warum er das nicht gemacht
habe, hat der Beigeladene zu 1. erklärt, das wisse er auch nicht mehr; das hätte man auch
so machen können. Alsdann hat er ausgeführt, er habe schon dabei sein wollen, wenn die
Beigeladene zu 2. Sachen herausholt, damit sie keine Sachen mitnimmt, die ihm gehören.
An dieser Äußerung muss sich der Beigeladene zu 1. festhalten lassen, auch wenn seine
sonstigen Angaben wenig ergiebig gewesen sind.
Die Beigeladene zu 2. hat bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 19.
Dezember 2006 ausgesagt, der Beigeladene zu 1. sei vor dem besagten Vorfall auf Schritt
und Tritt hinter ihr her gewesen und habe zwischendurch die Toilette nicht aufgesucht.
Die Aussage der Beigeladenen zu 2. ist im Gegensatz zu den Angaben des Beigeladenen zu
1. schlüssig, weitgehend frei von Widersprüchen und fügt sich nachvollziehbar in den
Gesamtzusammenhang ein. Insoweit ist glaubhaft, dass es der Beigeladenen zu 2. nicht
daran gelegen ist, den Beigeladenen zu 1. zu Unrecht für ein hypothetisches, ohne
Fremdeinwirkung verursachtes Stolpern in Anspruch zu nehmen.
Die Glaubwürdigkeit der Beigeladenen zu 1. fußt im Wesentlichen auf ihrer
Aussagekonstanz im Kernbereich des Geschehens.
Die Beigeladene zu 2. hat bei ihrer Vernehmung im R.-Krankenhaus S. durch den PHM Fr.
nach dem Wortlaut des von ihr unterschriebenen Protokolls vom 27. Februar 1997
ausgesagt, eine mit Pullovern bepackte Reisetasche in der rechten Hand getragen zu
haben, die linke Hand sei frei gewesen, als sie – auf der obersten Treppenstufe stehend –
einen heftigen Tritt oder Schlag oberhalb der rechten Gesäßhälfte verspürt habe, gerade
als sie im Begriff gewesen sei, einen Schritt nach unten zu machen. Der hinter ihr stehende
Beigeladene zu 1. habe zu ihr gesagt, jetzt werde er ihr das Genick brechen. Sie habe sich
nicht mehr halten können und sei in hohem Bogen die Treppe hinunter geflogen.
Die Zeugin L. konnte im Rahmen ihrer Vernehmung vom 18. März 1997 angeben, die
Beigeladene zu 2. habe gegen 19:00 Uhr bei ihr (der Zeugin) ans Fenster geklopft und
nach Betreten ihres (der Zeugin) Hauses einen sehr verstörten Eindruck gemacht und
geweint. Es sei ihr (der Beigeladenen zu 2.) anzumerken gewesen, dass sie starke
Schmerzen hatte; auch habe sie mit der rechten Hand ihren schlaff herunterhängenden
linken Oberarm festgehalten. Die Beigeladene zu 2. habe sehr viel gesprochen und sei mit
den Nerven am Ende gewesen. Sie habe behauptet, der Beigeladene zu 1. sei ein Mörder.
Nach und nach habe die Beigeladene zu 2. erzählt, sie sei in ihrer früheren Wohnung
gewesen und habe sich mit dem Beigeladenen zu 1. über das Haus und den Unterhalt
unterhalten. Sie (die Beigeladene zu 2.) habe angegeben, oberhalb der Treppe gestanden
zu haben, der Beigeladene zu 1. habe sie getreten und die Treppe hinunter gestoßen.
Danach habe er ihr nicht geholfen, sondern sich neben sie hingestellt und nur gelacht.
Wie bereits das SG in seinem angefochtenen Urteil vom 20. Mai 1999 ausgeführt hat, ist
es einleuchtend, dass die nach dem schweren Sturz unter Schock stehende Beigeladene
zu 2. unter dem Eindruck des unmittelbaren Geschehens eine wahrheitsgetreue
Schilderung der Ereignisse abgegeben hat. Der Senat konnte sich in Anbetracht des
persönlichen Eindrucks der Beigeladenen zu 2. in der mündlichen Verhandlung vom 19.
Dezember 2006 davon überzeugen, wie sehr das damalige Ereignis vom 23. Februar 1997
bei der Beigeladenen zu 2. noch heute im Sinne einer starken Einschüchterung und
seelischen Belastung zurückwirkt.
Eine Bestätigung dieser Angaben durch Aussagen der Zeugin L. war indessen nicht mehr
möglich, da die Zeugin nach Mitteilungen der Post und der Beigeladenen zu 2. mittlerweile
verstorben ist.
Der Beigeladene zu 1. hat darüber hinaus in diesem Zusammenhang im
familiengerichtlichen Verfahren schriftsätzlich eingeräumt, es könne nicht die Rede davon
sein, dass er die Beigeladene zu 2. habe töten wollen. Sie (die Beigeladene zu 2.) sei bei
einer Auseinandersetzung der Beigeladenen hingefallen und habe sich verletzt. Auch das
spricht letzten Endes für den Vortrag der Beigeladenen zu 2., zumal der Beigeladene zu 1.
nichts zu sagen wusste, was eine andere Interpretation hätte naheliegend erscheinen
lassen.
Das streitgegenständliche Schadensereignis vom 23. Februar 1997 steht im zeitlichen
Zusammenhang mit insgesamt 5 früheren zur Anzeige gebrachten Vorfällen (25.
Dezember 1996 – Strafanzeige wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch; 28.
Dezember 1996 Verdacht der Körperverletzung und versuchten Nötigung; 26. Januar
1997/ 27. Januar 1997 – Sachbeschädigung am Auto der Beigeladenen zu 2. und ihres
Freundes; 02. Februar 1997 – Verdacht der Bedrohung) und zwei späteren
Schadensereignissen (25. Juli 1998 - Hausfriedensbruch, Nötigung, Bedrohung, Verstöße
gegen das Waffengesetz; 17. Oktober 1998 – Verdacht der Bedrohung). Wegen des
Verstoßes gegen das Waffengesetz ist gegen den Beigeladenen zu 1. durch Strafbefehl
des Amtsgerichts S. (Az. 24 Js 1270/98) eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00
DM, zusammen 1.200,00 DM verhängt worden. Die Tathandlungen vom 23. Dezember
1997 (in der Anklageschrift vom 09. Februar 1999 ist das Datum fehlerhaft bezeichnet,
gemeint war offensichtlich der 23. Februar 1997), 28. Dezember 1997, 02. Februar
1997, 25. Juli 1998 und 17. Oktober 1998 - darunter der streitgegenständliche Angriff –
sind unter dem 09. Februar 1999 im Verfahren 2 Js 278/97 zur Anklage gelangt. Mit
Beschluss des Amtsgerichts S. vom 14. Dezember 1999 (Az. 35- 242/99) ist das
Verfahren gegen den Beigeladenen zu 1. endgültig eingestellt worden (§§ 153,153a der
Strafprozessordnung ), nachdem er eine Geldbuße in Höhe von insgesamt
1.000,00 DM gezahlt hat.
Diese Vorfälle zeigen, dass sich der Beigeladene zu 1. sowohl vor als auch nach dem
Schadensereignis vom 23. Februar 1997 gewaltsam gegenüber der Beigeladenen zu 2.
verhalten hat, und lassen die Angaben der Beigeladenen zu 2. insgesamt plausibel
erscheinen.
Am 23. Februar 1997 fehlte es aus Sicht des Beigeladenen zu 1. auch nicht an einem
konkreten Anlass für eine Auseinandersetzung. Er hatte sich laut seiner Einlassung in der
öffentlichen Sitzung vom 19. Dezember 2006 darüber geärgert, wegen des Wunsches der
Beigeladenen zu 2., aus der früheren Ehewohnung Kleidungsstücke abzuholen, früher als
geplant vom Sportplatz nach Hause zu müssen.
Die Schilderung des Sturzgeschehens durch die Beigeladene zu 2. wird durch die
Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 26. Oktober
2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Dezember 2006 nicht widerlegt.
Der Sachverständige hat zum Beweisthema ausgeführt, bei den nur unzureichenden
Anknüpfungspunkten und Feststellungen zu den Verletzungen sei eine sichere Zuordnung
der diagnostizierten Verletzungen zu einem bestimmten Geschehensablauf nicht möglich.
Aus gutachtlicher Sicht erscheine ein akzidenteller Treppensturz ohne Dritteinwirkung
etwas wahrscheinlicher, wobei dann allerdings die Prellung in der rechten Flanke nicht
ausreichend erklärt werden könne. Andererseits fehlten Verletzungsmuster, die bei einem
durch Tritt verursachten Sturz eher zu erwarten gewesen wären, und gleichzeitig stütze
auch die Endlage der Beigeladenen zu 2. nicht ausreichend einen solchen Vorgang.
Von den Beigeladenen werde übereinstimmend angegeben, die Beigeladene zu 2. habe
nach dem Sturz am Ende der Treppe auf dem gefliesten Boden gelegen. Gehe man davon
aus, dass der Sturz von der obersten Treppenstufe aus erfolgt sei, so hätte die
Beigeladene zu 2. aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und der Beschaffenheit der
Treppe mit Kopf und Oberkörper voraus auf den Fliesen, mit den Beinen jedoch noch auf
den unteren Treppenstufen zum Liegen kommen müssen. Weiterhin wäre wegen der
erheblichen Beschleunigung durch einen Tritt mit nachfolgendem Sturz kopfüber nach
vorne ein Anprall an der Glasscheibe in Verlängerung der Treppe zu erwarten gewesen. Die
Beigeladene zu 2. habe insoweit angegeben, in hohem Bogen über die gesamte Treppe
hinweg geflogen zu sein, ohne einzelne Stufen zu berühren. Ein solcher Anprall an die
Glasscheibe sei jedoch weder beschrieben noch aus den Verletzungen bzw. aus der
Endlage erkennbar.
Eine vollständige Endlage auf dem Fliesenboden vor der Treppe erscheine hingegen
nachvollziehbar, wenn man ein Sturzgeschehen erst kurz vor oder in der Biegung der
Treppe annehme. Andererseits lasse die Prellung im rechten Flankenbereich durchaus
daran denken, dass es sich hierbei um eine Trittfolge gehandelt habe. In dem zuletzt
ausgeführten möglichen Verlauf des Unfallgeschehens könne die Prellung jedoch nicht
problemlos erklärt werden. Über das Alter dieser Verletzung sowie ihre Ausdehnung oder
Form fehle es an Angaben. Eine solche Verletzung habe beispielsweise auch durch einen
Anstoß ohne direkten Zusammenhang mit dem gegenständlichen Treppensturz zustande
kommen können.
Diese Ausführungen des Sachverständigen schließen gleichwohl die Feststellung des von
der Klägerin behaupteten Geschehensablaufs eines Treppensturzes der Beigeladenen zu 2.
infolge eines Fußtritts des Beigeladenen zu 1. als vorsätzlicher rechtswidriger und tätlicher
Angriff i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht aus. Der Gutachter konnte im Rahmen seiner
Einschätzung im Wesentlichen nur von dem Vorbringen der Beigeladenen zu 2. bzw. ihren
Aussagen zum konkreten Sturzereignis ausgehen. Die Schlussfolgerungen des
Sachverständigen sind in Anbetracht der durch vier Farbfotos dokumentierten Unfallstelle
und des im Tatortbericht des PHM Fr. vom 13. März 1997 wiedergegebenen Aufmasses
der Treppe nicht zwingend.
Nach Auffassung des Senats bedarf schon das von der Beigeladenen zu 2. geschilderte
subjektive Erleben des „Hinabfliegens der Treppe in hohem Bogen“ einer zurückhaltenden
Bewertung, zumal die Beigeladene zu 2. – wohl infolge des Schocks – weder unmittelbar
nach dem Sturz noch später dazu in der Lage war, Angaben darüber zu machen, ob sie
sich dabei mehrmals überschlagen hat oder ob sie die Treppe hinab gerollt ist. Gleiches gilt
in Bezug auf die Endlage der Beigeladenen zu 2. nach dem Sturz (Kopf nach vorne zur
Glastüre hin oder zur Treppe hin, Liegen auf dem Bauch, auf der Seite oder auf dem
Rücken). Soweit die Beigeladene zu 2. erstmals im Termin vor dem Senat vom 19.
Dezember 2006 gemutmaßt hat, sie müsse etwa auf halber Höhe der Treppe
aufgeschlagen sein, da ihr im Nachhinein dort eine Beschädigung aufgefallen sei, die es
vorher an der Treppe nicht gegeben habe und die sie sich nicht anders erklären könne,
erscheint diese Annahme nach der allgemeinen lebenspraktischen Erfahrung – bei einem
wuchtigen Tritt in die Flanke - durchaus wahrscheinlicher, als ein „Abheben“ des Körpers
der Beigeladenen zu 2. über die gesamte Länge der Treppe, ohne einzelne Stufen zu
berühren. Der Ausdruck „im hohen Bogen“ ist nach Auffassung des Senats eher
umgangssprachlicher Übertreibung als konkreter Sachverhaltsschilderung zuzuschreiben.
Auf Seite 10 des Gutachtens vom 26. Oktober 2006 führt der Sachverständige hierzu aus,
ein Sturz mit primärem Aufkommen auf den linken überstreckten Arm und darauf
folgendem Aufprall mit der linken Brustkorbseite und der linken Schulter (auf einer
Treppenstufe) wäre als Unfallmechanismus mit den klinisch diagnostizierten
Knochenbrüchen vereinbar. Ein einfaches Ausrutschen auf der Treppe sei kaum geeignet,
die vorhandenen Verletzungen zu erklären. Es müsse weit eher davon ausgegangen
werden, dass es sich um ein Nach-Vorne-Fallen gehandelt habe.
Wenngleich ein vollständiges Aufklären der Endlage der Beigeladenen zu 2. nach dem
Treppensturz aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr möglich erscheint, ergibt sich
nach Auffassung des Senats dennoch als wahrscheinlichste Annahme ein Nach-Vorne-
Fallen der Beigeladenen zu 2. mit Aufschlagen auf der Treppe nach verabreichtem Tritt.
Hierdurch - und nur so - lassen sich in jedem Fall schlüssig die Prellung in der rechten Flanke
der Beigeladenen zu 2. erklären, wie auch die Verletzungen auf der linken Körperseite
durch Aufprall auf dieselbe (geringere Rotationskomponente um die Hochachse bei
Schrägstellung des Körpers zum Zeitpunkt des Trittes oder Stoßes) sowie das Verzögern
der Vorwärtsbewegung durch Aufschlagen auf der Treppe, so dass ein mit dem
Verletzungsbild nicht in Einklang zu bringender Anprall an der sich in unmittelbarer Nähe
zum Ende der Treppe befindlichen Glastüre nachvollziehbar ausscheidet.
Hiergegen spricht auch nicht, dass die Beigeladene zu 2. in der mündlichen Verhandlung
vor dem SG vom 20. Mai 1999 als Zeugin erstmals ausgesagt hat, sie habe in der rechten
Hand eine Tasche mitgeführt, der linke Arm sei mit Kleidungsstücken beladen gewesen, als
sie in den Rücken getreten worden sei. Hierbei handelt es sich um Ungenauigkeiten im
Randbereich des Geschehens. Ebenso verhält es sich letztendlich mit der Frage, ob die
Beigeladene zu 2. die Treppe vor dem Sturz einmal oder bereits zweimal begangen hatte.
Auch die spätere vereinzelte Angabe, sie sei von dem Beigeladenen zu 1. die Treppe hinab
„geworfen“ worden, ist im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang nicht schädlich, da
hiermit letztlich das gleiche Ergebnis gemeint ist.
Geht man, was der Senat letztlich den Angaben der Beigeladenen zu 2. entnimmt, davon
aus, dass sie zwischendurch aufgeschlagen ist, so ist dies durchaus auch vereinbar mit den
festgestellten Verletzungsmustern. Auf die Zweifel des Sachverständigen, diese
Verletzungen seien mit einem einzigen Aufschlag am Fuß der Treppe nicht vereinbar,
kommt es danach nicht mehr an.
Mithin ist dem Grunde nach von einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff des
Beigeladenen zu 1. auf die Beigeladene zu 2. auszugehen, der die zuvor aufgezeigten
Schädigungen zur Folge gehabt hat.
Versorgungsleistungen wegen dieser Schädigungsfolgen sind entgegen der Auffassung des
Beigeladenen zu 1. nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen. Ob ein solcher
anspruchsvernichtender Tatbestand gegeben ist, bestimmt sich ebenso wie die
Verursachung des Schadens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch den Täter nach der
sozialrechtlichen und speziellen versorgungsrechtlichen Kausalitätstheorie der wesentlichen
Bedingung (BSGE 49, 104, 105 = SozR 3800 § 2 Nr. 1; BSGE 50,95,96 = SozR 3800 §2
Nr. 2; zu § 1 Abs. 1; BSGE 49,98,103 = SozR 3800 §1 Nr. 1). Als wesentliche Bedingung
in diesem Sinne wäre das Verhalten der Beigeladenen zu 2. zu würdigen, falls Ihr Beitrag zu
der eingetretenen Schädigung als mindestens annähernd gleichwertige Mitursache neben
anderen Umständen, insbesondere dem Tritt durch den Beigeladenen zu 1., zu gewichten
wäre. Ein solches gleichgewichtiges Verhalten des Geschädigten ist dabei in der Regel nur
dann als wesentlich bedeutsam für den Erfolg im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG zu beurteilen,
wenn es ebenso wie der rechtswidrige tätliche Angriff des Schädigers von der
Rechtsordnung missbilligt wird (BSGE 52,281,284). Dass die Beigeladene zu 2. den
Beigeladenen zu 1. in irgendeiner Form provoziert hätte, ist nicht ersichtlich geworden.
Hat der Tatbeitrag des Opfers die Schwelle der Mitverursachung nicht erreicht, so kann
dies im Rahmen der 2. Alt. des § 2 OEG nicht allein, sondern nur aus sonstigen,
zusätzlichen Gründen zur Unbilligkeit von Versorgungsleistungen führen (Kunz/Zellner,
Kommentar zum OEG, 4. Aufl. 1999, § 2 Rdnr. 7 m.w.N). Es kommen neben
tatbezogenen auch tatunabhängige Umstände in Betracht, wie z.B. eine enge Beziehung in
häuslicher Gemeinschaft trotz dauernder Gefahrenlage, aus der man sich mit einem
Mindestmaß an Selbstverantwortung hätte befreien können; wenn Leistungen nach dem
OEG dem Täter zu Gute kommen könnten; bei unsolidem Lebenswandel des Opfers in
einer unmoralischen Haltung gegenüber dem Täter in einem unmoralischen Umfeld der Tat
als gruppenspezifisches Verhältnis auch außerhalb kriminellen Verhaltens (wohl z.B. im
Stadtstreicher-, Drogen- und Alkoholikermilieu); im Rahmen organisierter Kriminalität etc.
Im Ergebnis soll die staatliche Gemeinschaft nicht für Folgen einer Gesundheitsschädigung
durch eine Gewalttat einstehen müssen, wenn die Hilfe „sinnwidrig“ wäre und sich als
ungerecht im Lichte der grundlegenden Wertung des Gesetzes unter Abwägung des
Maßstabs unzulässiger Rechtsausübung und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
darstellen würde. All’ dies kann hier nicht angenommen werden.
Der Senat verkennt nicht, dass die Beigeladene zu 2. aus objektiver Sicht am Tage des
Vorfalls Anlass gehabt hätte, dem Beigeladenen zu 1. mit entsprechendem Misstrauen zu
begegnen. In der Vergangenheit war es mehrfach zu körperlichen Übergriffen des
Beigeladenen zu 1. gekommen, der die von der Beigeladenen zu 2. vollzogene Trennung
und deren Verhältnis mit einem anderen Mann offensichtlich nicht hinnehmen konnte.
Überdies war der Beigeladene am 23. Februar 1997 bereits nicht unerheblich alkoholisiert,
wenn man nach seinen Angaben von einem sog. Nachtrunk in geringem Umfang (1 Bier)
ausgeht. Hierzu hat die Beigeladene zu 2. allerdings auf Vorhalt glaubhaft ausgeführt, der
Beigeladene zu 1. habe ja immer getrunken, man sehe es ihm nicht an. Insoweit ist ihre
zuvor gemachte Angabe, sie habe von der Alkoholisierung nichts bemerkt, aus ihrer (der
Beigeladenen zu 2.) Sicht verständlich. Darüber hinaus lebten die Beigeladenen zu diesem
Zeitpunkt schon seit mindestens 2 Monaten getrennt. Die Beigeladene zu 2. hatte mit
ihrem damals 16 Jahre alten Sohn die Ehewohnung verlassen, in Heusweiler eine eigene
Wohnung angemietet und diese Unterkunft völlig neu eingerichtet. Bei dem Treffen am 23.
Februar 1997 handelte es sich nach der glaubhaften und unwidersprochen gebliebenen
Schilderung der Beigeladenen zu 2. um das erste Mal des Betretens der Ehewohnung nach
der Trennung in der Absicht, nichts weiteres als eigene Kleidungsstücke mitzunehmen. Von
daher und im Hinblick auf die nach der Trennung verstrichene Zeit sowie in Anbetracht des
„Ermittlungsdrucks“ gegenüber dem Beigeladenen zu 1. bestand aus objektiver Sicht kein
Anlass für die Annahme einer zusätzlichen Eskalation der Situation, auch wenn der
Beigeladene zu 1. nach seinen Angaben im Termin vom 19. Dezember 2006 bei dem
Besuch des gemeinsamen Hausanwesens durch die Beigeladene zu 2. präsent sein wollte,
damit die Beigeladene zu 2. keine Sachen mitnimmt, die ihm gehören. Hierum ging es aber
ersichtlich nicht. Insoweit glaubt der Senat den Einlassungen der Beigeladenen zu 2., die in
der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember versichert hat, sie habe nur
Kleidungsstücke mitnehmen wollen, sie habe nicht gedacht, dass der Beigeladene zu 1. so
was macht.
Letztendlich zeigt auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 2. ca. 1 Jahr nach der
Trennung wieder in das nunmehr gemeinsam in getrennten Wohnungen bewohnte
Hausanwesen zurückkehren konnte – ihr Sohn habe zurückgewollt, er habe nicht in der
Wohnung in Heusweiler bleiben wollen; sie habe das Haus halten wollen, da sie doch nur für
das Haus gearbeitet habe, sonst wäre alles fort gewesen -, dass die Hoffnung auf eine
gütliche Einigung mit dem Beigeladenen zu 1. (trotz der Vorfälle in der Vergangenheit) aus
dem Blickwinkel der Beigeladenen zu 2. nicht aussichtslos war. Eine andauernde
Gefahrenlage zum Zeitpunkt des Vorfalls am 23. Februar 1997 in der durch den Angriff
zutage getretenen lebensbedrohlichen Qualität vermag der Senat mithin im Ergebnis nicht
festzustellen.
Demnach hat die Klägerin wegen der eingetretenen Schädigungsfolgen einen Anspruch auf
Erstattung ihrer in der Vergangenheit entstandenen Aufwendungen. Wie weit die
Erstattung zurückreicht, richtet sich nach § 60 BVG, der für das Opferentschädigungsrecht
entsprechend gilt. Nach Abs. 1 Sätze 1 und 2 BVG sind die Leistungen erst ab
Antragstellung zu erbringen, wenn der Antrag später als ein Jahr nach Eintritt der
Schädigung gestellt wird. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall, da die Schädigung am 23.
Februar 1997 eingetreten ist und Antragstellung bereits am 14. März 1997 erfolgte.
Der Beklagte ist nicht nur verpflichtet, der Klägerin die im Zusammenhang mit dem
Schadensereignis vom 23. Februar 1997 bereits erbrachten Aufwendungen zu erstatten,
sondern darüber hinaus auch künftige Aufwendungen, die auf das genannte
Schadensereignis zurückzuführen sind (§ 259 ZPO in entsprechender Anwendung). Denn
die Ansprüche der Klägerin sind dem Grunde nach bereits entstanden, wobei der Beklagte
seine Verpflichtung zur Leistung stets in Abrede gestellt hat.
Somit unterliegt die Berufung des Beigeladenen zu 1. im Ergebnis der Zurückweisung in
Verbindung mit den im Entscheidungsausspruch zum Ausdruck gekommenen
klarstellenden Maßgaben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie bezieht sich nur auf die in II. Instanz
notwendig entstandenen außergerichtlichen Auslagen, da das angegriffene Urteil des SG
vom 20. Mai 1999 aufrechterhalten worden ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich.