Urteil des LSG Saarland vom 24.01.2006

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LSG Saarbrücken Urteil vom 24.1.2006, L 6 AL 22/04
Zulassungsberufung - Wert des Beschwerdegegenstandes bei Sperrzeit - Umdeutung von
Berufung in Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsätze
Wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung einer schon bewilligten Arbeitslosenhilfe
wegen des Eintritts einer Sperrzeit, ist für den Wert des Beschwerdegegenstandes allein
die versagte Leistung maßgeblich. Eine Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist
nicht möglich.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 01.
April 2004 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die teilweise Aufhebung der Entscheidung über die
Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 07. Juni bis 27. Juni 2003 wegen
des Eintritts einer Sperrzeit rechtens war. Insbesondere geht es darum, ob die Berufung
statthaft ist.
Der 1961 geborene Kläger war vom 12. März 1980 bis 02. April 1993 bei den F. Werken
in S. beschäftigt. Er bezog in Folge Arbeitslosengeld (Alg), Alhi und zuletzt bis 16. März
2003 Unterhaltsgeld.
Am 17. März 2003 meldete sich der Kläger arbeitslos. Er beantragte am 18. März 2003,
eingegangen am 21. März 2003, die Bewilligung von Alhi.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alhi ab 17. März 2003 in Höhe eines täglichen
Leistungssatzes von 21,69 Euro (= wöchentlich 151,83 Euro), bezogen auf ein gerundetes
Bemessungsentgelt von 455,-- Euro ohne Anrechnungsbetrag.
Am 03. Juni 2003 unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag für
eine Tätigkeit als Kraftfahrer im Nahverkehr, Schülertransporte, bei der Firma W.M., in
Vollzeit. Laut Stellenbeschreibung war die Stelle ab 01. Juni 2003 zu besetzen.
Der beigefügten Rechtsfolgenbelehrung war zu entnehmen, dass unter anderem eine
Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung dann eintreten könne, wenn die angebotene
Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten werde, ohne dass ein wichtiger
Grund dafür vorliege.
Der Kläger stellte sich am 06. Juni 2003 bei der Firma W.M. vor. Ein
Beschäftigungsverhältnis kam nicht zustande. Der Kläger war am Vorstellungstag wegen
einer Verletzung an seinem Fuß arbeitsunfähig und nahm das Vorstellungsgespräch
deshalb unter Zuhilfenahme von Gehstöcken wahr. In dem Antwortschreiben an die
Beklagte war in der Rubrik „Ich wurde nicht eingestellt, weil..", vermerkt: „Anfahrtsweg zu
weit!". Eine handschriftlich gefertigte weitere Erklärung – vom Kläger unterzeichnet –
lautet: „Anfahrtsweg zu weit, wegen geteilter Dienst, z. Hd. K.".
Mit Bescheid vom 11. Juni 2003 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit
vom 07. Juni bis 27. Juni 2003 fest und hob die Bewilligung von Alhi gem. § 48 Abs. 1 Satz
2 Nr. 4 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs – Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz – (SGB X) auf.
Der Kläger habe, so die Beklagte, das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses
vereitelt, indem er dem Arbeitgeber gegenüber geäußert habe, der Anfahrtsweg sei zu
weit. Darin sei aber ein wichtiger Grund nicht zu erblicken. Die Sperrzeit, die dadurch
eingetreten sei, umfasse das gesetzliche Mindestmaß von 3 Wochen. Die Entscheidung
beruhe auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches –
Arbeitsförderung - (SGB III) in der Fassung vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I, Seite 3443).
Mit seinem Widerspruch vom 13. Juni 2003 machte der Kläger geltend, bei dem
Vorstellungstermin durch den Inhaber der Firma W.M., den Zeugen M., befragt worden zu
sein, aus welchem Ort er komme. Er habe zur Antwort gegeben, er wohne in A. Daraufhin
sei er gefragt worden, wie weit sein Anfahrtsweg sei. Er habe erklärt, die einfache Strecke
betrage ca. 35 km, worauf der Zeuge M. geantwortet habe, diese Anfahrtsweg sei für die
vorgesehene Tätigkeit zu weit, da es sich um einen geteilten Dienst handeln würde, bei
dem nur ein paar Stunden vormittags und dann mit entsprechender Unterbrechung ein
paar Stunden nachmittags gearbeitet würden. Er suche deshalb Leute aus dem Raum M.T.
bzw. solche, die nicht zu weit weg wohnten. Der Zeuge M. habe dann gegenüber dem
Arbeitsamt angegeben, der Anfahrtsweg sei zu weit.
Einer Gesprächsnotiz vom 26. Juni 2003 ist zu entnehmen, dass der Zeuge M., der zu dem
Vorbringen des Klägers gehört wurde, telefonisch mitgeteilt habe, die Angaben des Klägers
seien nicht wahr. Der Kläger sei schon vor 1½ Jahren einmal wegen einer Arbeit bei ihm,
dem Zeugen M., gewesen. Der Kläger habe damals angegeben, der Anfahrtsweg sei ihm
zu weit. Als er sich erneut vorgestellt habe, sei er mit Krücken und umwickeltem Fuß
erschienen und habe auf die Frage, ob der Anfahrtsweg immer noch zu weit sei, mit ja
geantwortet. Er habe von ihm, dem Zeugen M., aber einen Stempel verlangt. Mit diesem
sei die Aussage bestätigt worden, dass der Anfahrtsweg zu weit sei. Eine entsprechende
Mitteilung habe er, der Zeuge, dann auch gegenüber dem Arbeitsamt gemacht.
Einer weiteren Gesprächsnotiz vom 04. Juli 2003 ist zu entnehmen, dass der Kläger, der
sich nach dem Bearbeitungsstand seines Widerspruchs erkundigt habe, die Bekundungen
des Zeugen M., die ihm vorgehalten worden seien, bestritten habe. Er, so der Kläger, sei
noch im Krankenschein mit dickem Fuß zu diesem Vorstellungstermin gefahren, obwohl er
sich noch bis zum 14. August 2003 bei der D.A. in einer Maßnahme befunden habe. Aus
einem weiteren Vermerk vom 10. Juli 2003 folgt, dass der Zeuge M. bei dem Mitarbeiter
O., einem bei der Beklagten beschäftigten Vermittler, angegeben habe, einen Busfahrer für
Schüler- und Kindergartentransporte und Linienverkehr zu benötigen. Der Fahrer sollte
morgens und mittags die Kinder vom Kindergarten bzw. von der Schule fahren und in der
übrigen Zwischenzeit im Linienverkehr eingesetzt werden, sodass eine durchgehende
Vollzeitbeschäftigung vorliege.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den
Bescheid vom 11. Juni 2003 zurück. Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
SGB III seien erfüllt. Der Kläger habe die ihm angebotene Beschäftigung zwar nicht
ausdrücklich abgelehnt, aber durch sein Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber das
Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses vereitelt, obwohl er über die Rechtsfolgen
hinreichend belehrt worden sei. Nach den Ermittlungen seien die Angaben, die der Kläger
gemacht habe, nämlich dass der Arbeitgeber gesagt habe, der Anfahrtsweg sei zu weit,
nicht bestätigt worden. Der Arbeitgeber habe lediglich die Aussage, die der Kläger gemacht
habe, mit Unterschrift und Stempel bestätigt. Im Übrigen habe eine Rücksprache mit dem
Vermittler ergeben, dass es sich bei der Stellenbeschreibung nicht um einen geteilten
Dienst gehandelt habe. Da der Anfahrtsweg von A. nach M.T. nicht zu weit sei, sei das
Beschäftigungsangebot dem Kläger zumutbar gewesen.
Hiergegen hat sich die Klage vom 21. Juli 2003, beim Sozialgericht für das Saarland (SG)
am 28. Juli 2003 eingegangen, gerichtet.
Der Kläger hat dazu vorgetragen, der Zeuge M. habe ihn, den Kläger, schon aus einem
früheren Vorstellungsgespräch gekannt. Er, der Zeuge M., sei sofort auf die Entfernung des
Wohnortes zur Arbeitsstelle zu sprechen gekommen und habe bemerkt, dass dies doch
relativ weit sei und dass er als Arbeitgeber auch für die Wintermonate die Gewähr haben
müsse, dass der Kläger pünktlich zur Arbeit kommen könne. Dies sei dem Zeugen M.
wegen der Entfernung als zu riskant erschienen. Der Zeuge M. habe dem zu Folge mit
Stempel für das Arbeitsamt angegeben, dass er, der Kläger, die Stelle deshalb nicht
bekommen habe, weil der Anfahrtsweg zu weit sei. Im Vorstellungsgespräch habe der
Zeuge M. im Übrigen auch davon gesprochen, dass der Dienst an manchen Tagen geteilt
sein könne. Auch das sei für den Zeugen Grund gewesen, ihn, den Kläger, nicht
einzustellen. Es sei nicht so gewesen, dass er, der Kläger, von sich aus auf den weiten
Anfahrtsweg zu sprechen gekommen sei. Für ihn wäre der Anfahrtsweg kein Hindernis
gewesen, auch nicht im Hinblick auf die geteilte Beschäftigung am Vormittag und
Nachmittag mit der dazwischenliegenden längeren Pause. Er, der Kläger, hätte von 6.00
Uhr bis 14.00 Uhr von Montags bis Samstags arbeiten müssen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W. M. zu der Frage des
Inhalts des Vorstellungsgesprächs des Klägers am 06. Juni 2003 und zu den Gründen für
die Nichteinstellung des Klägers. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den
Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 01. April 2004 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 01. April 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Kammer hat es als
erwiesen angesehen, dass der Kläger durch sein Auftreten im Vorstellungsgespräch vom
06. Juni 2003 und die sprachliche Anknüpfung an die vom ihm, dem Kläger, bereits in
einem früheren Vorstellungstermin mit dem Zeugen getätigte Bemerkung, der
Anfahrtsweg zur Arbeit sei ihm zu weit, das Zustandekommen des
Beschäftigungsverhältnisses als Busfahrer in der Firma des Zeugen M. in M.T. verhindert
habe.
Das, so das SG, habe die Bekundung des Zeugen M. ergeben. Danach sei es der Kläger
gewesen, der gesagt habe, der Anfahrtsweg sei zu weit. Der Vermerk „Anfahrtsweg zu
weit" auf dem Antwortschreiben an die Beklagte könne nicht dem Zeugen M. zugerechnet
werden. Dieser habe bekundet, mehrere seiner Mitarbeiter hätten einen ähnlichen
Anfahrtsweg wie der Kläger zu bewältigen. Die Voraussetzungen für den Eintritt der
Sperrzeit seien deshalb gegeben, weshalb die Aufhebung der Bewilligung von Alhi für die
Zeit vom 07. bis 27. Juni 2003 rechtens sei.
Diesem Urteil war eine Rechtsmittelbelehrung des Inhaltes beigefügt, dass die
Entscheidung mit der Berufung angefochten werden könne.
Gegen das Urteil, dem Kläger am 13. Mai 2004 zugestellt, hat dieser mit Schriftsatz vom
14. Juni 2004, am selben Tag beim Landessozialgericht für das Saarland (LSG)
eingegangen, Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor:
Die Berufung sei zulässig. Das habe auch das erstinstanzliche Gericht so gesehen und
deshalb in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass das Urteil mit der
Berufung angefochten werden könne.
Er, der Kläger, habe sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht nur gegen das Ruhen
der Leistungsansprüche für die Zeit vom 07. bis 27. Juni 2003, sondern auch gegen die
Festsetzung der Sperrzeit und des Minderungsumfanges zur Wehr gesetzt. Das habe zur
Folge, dass die Werte der zwei bzw. drei Ansprüche gemäß § 5 Zivilprozessordnung (ZPO)
zusammengerechnet werden müssten.
Nach Hinweis im Erörterungstermin auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) hat der Kläger weiter vorgetragen, er teile nicht die Auffassung der
Berichterstatterin. Nach dem Urteil des BSG vom 05. Juni 1997 sei zwar die isolierte
Anfechtungsklage die statthafte Klageart. In jenem Rechtsstreit habe sich der Kläger aber
nur gegen die Sperrzeitentscheidung gewehrt. Dass daneben ein Leistungsantrag gestellt
werden könne, ergebe sich aus den Entscheidungsgründen des BSG.
Im Übrigen sei in Fällen der vorliegenden Art die kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage die richtige Klageart. Das ergebe sich aus einer Entscheidung des BSG vom
29. April 1998.
Wenn aber zwei Anträge mit verschiedenen Rechtschutzzielen zu stellen seien, sei eine
Addition der Werte veranlasst.
Auch nach Hinweis in der mündlichen Verhandlung durch den Senat hat der Klägervertreter
auf seiner Auffassung beharrt, angesichts der zwei gestellten Anträge sei die
Berufungssumme erreicht. Er hat weiter erklärt, hilfsweise sei die Berufung in eine
Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des SG vom 13. Mai 2004 die Beklagte unter Aufhebung der
Sperrzeitentscheidung vom 11. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.
Juni 2003 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 07. bis 27. Juni
2003 in gesetzlicher Höhe zu zahlen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor:
Die Berufung sei unzulässig, da sich der Kläger gegen eine Sperrzeit von 3-wöchiger Dauer
wende. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige nicht 500,-- Euro. Im streitigen
Zeitraum habe der Kläger Anspruch auf Auszahlung von Alhi von 151,83 Euro wöchentlich
gehabt. Der Streitwert betrage deshalb 455,49 Euro. Im Übrigen führe die fehlerhafte
Rechtsmittelbelehrung, die dem Urteil des SG beigefügt gewesen sei, nicht zur Zulässigkeit
der Berufung. Auch eine Umdeutung in eine Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 145
Sozialgerichtsgesetz (SGG) komme nicht in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Leistungsakten
der Beklagten (Teilakte I und II) mit der Stammnummer 1. Bezug genommen. Die Beiakten
waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Gegenstand der Berufung, den festzustellen der Senat im Wege der Auslegung gehalten
ist, ist die Beseitigung der Sperrzeit vom 07. bis 27. Juni 2003. Die Berufung des Klägers
richtet sich gegen das Urteil vom 01. April 2004 und nicht - insoweit fehlerhaft beantragt -
vom 13. Mai 2004, mit dem das SG die Klage gegen den Bescheid vom 11. Juni 2003 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2003 (nicht, wie beantragt, vom 14. Juni
2003 ) abgewiesen hat. Der Kläger begehrt daher nur die Aufhebung der schon bewilligten
Alhi für die Zeit vom 07. bis 27. Juni 2003. Der diesbezüglich nicht zielführende Antrag des
Klägers, der nicht nur auf Anfechtung des Bescheides, sondern auch auf Leistung gerichtet
ist, ist vom Senat im Hinblick auf das eigentliche Begehren auszulegen.
Die vom Kläger eingelegte Berufung ist unzulässig.
Die 500,--Eurogrenze des § 144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGG wird im vorliegenden Fall
allerdings nicht erreicht.
Gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des
Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn unter
anderem der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder
Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,-- Euro nicht
übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für
mehr als ein Jahr betrifft.
Der Gesamtstreitwert bei der Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 07. bis 27. Juni 2003
beläuft sich damit auf 455,49 Euro (= 21,69 Euro x 21 Tage).
Auch wenn der rechtskundig vertretene Kläger, der mehrfach darauf hingewiesen wurde,
meint, nicht nur die Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2003, sondern auch die Verurteilung der Beklagten
zur Leistung von Alhi beantragen zu müssen, ändert dies an der Höhe des
Beschwerdegegenstandes nichts. Denn dessen Wert berechnet sich danach, was das SG
dem Kläger versagt hat und von ihm mit der Berufung weiter verfolgt wird.
Der Einwand des Klägers, es seien bei dem Beschwerdegegenstand die unmittelbaren und
mittelbaren Folgen der Sperrzeit zu berücksichtigen, geht ebenso fehl wie die weitere
Argumentation, er habe sich nicht nur gegen die Aufhebung seines Leistungsanspruchs für
die Zeit vom 07. bis 27. Juni 2003 gewandt, sondern auch gegen die Festsetzung der
Sperrzeit und des Minderungsumfanges zur Wehr gesetzt. Vorliegend sei die kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage richtige und zulässige Klageart. Das habe zur Folge, dass
gemäß § 5 ZPO entsprechend die Werte der Anträge, die unterschiedliche
Rechtsschutzziele verfolgten, addiert werden müssten.
War wie vorliegend Alhi für die Dauer der Sperrzeit bereits bewilligt, dann kann das
Arbeitsamt den Bewilligungsbescheid nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X
aufheben. In diesen Fällen ist allein die isolierte Anfechtungsklage richtige Klageart, da mit
der Aufhebung des Sperrzeitbescheides die Alhi-Bewilligung wieder wirksam wird und für
die Verurteilung zur Leistung kein Rechtsschutzinteresse besteht ( BSG in seiner amtlichen
Sammlung, BSGE Band 64, S. 202).
Das vom Kläger herangezogene Urteil des BSG vom 29. April 1998, AZ: B 7 AL 56/97 R,
betrifft einen anderen Fall als den streitgegenständlichen. In jenem Fall bewilligte das
Arbeitsamt der dortigen Klägerin nach der Arbeitslosmeldung zum 01. April 1995 Alg erst
ab 24. Juni 1995, weil die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund aufgegeben
habe und deshalb von 01. April bis 23. Juni 1995 eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten
sei. Dann sei zulässige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, da die
Klägerin nicht nur das Ziel verfolge, die Sperrzeit und Minderung der Anspruchsdauer zu
beseitigen, sondern ihren Leistungsanspruch durchsetzen wolle. Dieser Sachverhalt ist mit
dem vorliegenden also gerade nicht vergleichbar.
Der weitere Einwand des Klägers, die mittelbaren Folgen der Sperrzeit seien beim
Beschwerdegegenstand zu berücksichtigen, ist verfehlt.
Im Falle der Feststellung von Sperrzeiten haben die Arbeitsämter nämlich grundsätzlich
nicht Entscheidungen über Sperrzeiten, sondern über den Anspruch zu treffen. Die
sogenannten Sperrzeitbescheide haben daher in der Regel nicht die Feststellung von
Sperrzeiten oder das Ruhen des Anspruchs wegen einer Sperrzeit zum Inhalt. Diese regeln
vielmehr die rechtlichen Folgen der Sperrzeiten bzw. des Ruhens, indem die beantragte
Leistung für die Dauer der Sperrzeit bzw. des Ruhenszeitraumes abgelehnt wird. Dass eine
Sperrzeit eingetreten ist, ist die Begründung für die betroffenen Regelungen, nicht aber
selbst Inhalt dieser Regelungen (vgl. zur Problematik: Niesel, Kommentar zum SGB III, 2.
Auflage, § 144, Rdnr. 119; Urteil des erkennenden Senates vom 14. November 2000,
aaO.; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004, AZ: B 7 AL 104/03 R).
Bei einer Geldleistung ist der Wert des Beschwerdegegenstandes im Berufungsverfahren
lediglich nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Der
mögliche Einfluss auf andere Leistungen kann bei der Feststellung des
Beschwerdegegenstandes nicht berücksichtigt werden, denn rechtliche und wirtschaftliche
Folgewirkung der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch müssen bei der
Berechnung der Beschwer außer Ansatz bleiben. Das BSG leitet dies aus dem Wortlaut
sowie Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG her. Mit der Festlegung einer
notwendigerweise pauschalen Streitwertgrenze, so das BSG, werde eine Vereinfachung
des Verfahrens angestrebt. Mit diesem Ziel wäre es nicht zu vereinbaren, allein wegen des
Streitwertes nach allen Richtungen zu prüfen, welche Auswirkungen das Urteil für den
Rechtsmittelführer möglicherweise in anderen Bereichen haben könne (vgl. zur Problematik
BSG, Urteil vom 27. Juli 2004, aaO.). Die Frage der weiteren Konsequenzen der Sperrzeit,
insbesondere das Ruhen des Anspruchs und, soweit es das Alg betrifft, die Minderung der
Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 1 Nr. 3 SGB III, bleibt deshalb bei der Ermittlung des
Berufungsstreitwerts außer Betracht.
Mithin ist maßgeblicher Beschwerdegegenstand die Versagung der Alhi für die Zeit der
Sperrzeit vom 07. bis 27. Juni 2003, also die Leistung für 21 Tage. Wie sich aber aus
obiger Berechnung ergibt, ist die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gerade
nicht erreicht.
Die Berufung ist auch nicht deshalb zulässig, weil das SG in der Rechtsmittelbelehrung des
Urteils von deren Zulässigkeit ausgegangen ist. Denn dies führt nicht zu der Annahme,
dass die Berufung ausdrücklich zugelassen worden wäre. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des BSG, dass eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung nicht zur
Zulässigkeit der Berufung führt (vgl. zur Problematik: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 144 SGG, Rdnr. 40 und § 145 SGG Rdnr. 5; BSG,
Urteil vom 27. Juli 2004, aaO.).
Wenn das SG irrtümlich angenommen hat, die Berufung sei ohne Zulassung statthaft, und
deswegen die Zulassung nicht geprüft und darüber nicht entschieden hat, stellt die für eine
zulassungsfreie Berufung übliche Rechtsmittelbelehrung keine Entscheidung über die
Zulassung, sondern eine falsche Belehrung dar.
Der in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2006 gestellte Antrag auf Umdeutung
der – unzulässigen – Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG ist
unzulässig (vgl. zur Problematik: BSG, Urteil vom 27. Juli 2004, a.a.O; Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O; vor § 143 SGG, Rdnr. 15c; Landessozialgericht Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2005, Az: L 28 AL 16/04).
Denn für eine Umdeutung des eindeutig als „Berufung" bezeichneten Rechtsmittels in eine
Nichtzulassungsbeschwerde bleibt kein Raum, insbesondere, da der Kläger auch
rechtskundig vertreten war.
Das Gesetz verwendet den Begriff der Umdeutung bei fehlerhaften Verwaltungsakten (§
43 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - (SGB X)) und bei nichtigen Rechtsgeschäften (§ 140 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs in der seit 01. Januar 2002 geltenden Fassung (BGBl, 3138)).
Da es sich bei einem unzulässigen Rechtsmittel aber weder um das eine noch um das
andere handelt, ist bei der Annahme von Umdeutungsmöglichkeiten Zurückhaltung
geboten. Im Zivilverfahren ist zwar für bestimmte Konstellationen anerkannt, dass eine
unzulässige Prozesshandlung umgedeutet werden kann (Bundesgerichtshof (BGH), Neue
Juristische Wochenschrift (NJW) 1987, S. 1204).
Für das Verhältnis von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde im Sozialgerichtsprozess
kann das aber schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtung derselben Rechtsmittel nicht
gelten. Der Prüfungsgegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich nicht
unmittelbar gegen den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern gegen einen
prozessualen Teilgegenstand. Es ist auch nicht in allen Fällen als selbstverständlich
anzunehmen, dass die Umdeutung dem Beteiligtenwillen entsprechen würde. Vielmehr
erscheint es denkbar – und vorliegend auch naheliegend -, dass der Rechtsmittelführer den
zusätzlichen Aufwand einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf sich genommen hätte,
wenn ihm die Unzulässigkeit der Berufung bewusst oder bewusst zu machen gewesen
wäre (so: BSG, Urteil vom 20. Mai 2003, Az: B 1 KR 25/01 R).
Ob eine Nichtzulassungsbeschwerde gegebenenfalls zulässig gewesen wäre, wenn der
Klägervertreter auf den Hinweis des Senates das unzulässige Rechtsmittel
zurückgenommen hätte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da der Klägervertreter bis
zum Ende der mündlichen Verhandlung auf seiner Meinung beharrt hat.
Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.