Urteil des LSG Saarland vom 24.04.2007

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LSG Saarbrücken Urteil vom 24.4.2007, L 5 VG 6/05
Gewaltopferentschädigung - MdE-Erhöhung - besondere berufliche Betroffenheit -
Rehabilitation vor Rente - Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation
Leitsätze
Nach § 29 BVG entsteht ein Anspruch auf höhere Bewertung der MdE nach § 30 Abs 2
BVG in entsprechender Anwendung nur in dem Fall, dass Maßnahmen zur Rehabilitation
Erfolg versprechend und zumutbar sind.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das
Saarland vom 13. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger, der Opfer eines vorsätzlichen,
rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist, weitere Schädigungsfolgen festzustellen und
ob ihm Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von
Gewalttaten (OEG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 07. Januar 1985 (BGBl. I, 1),
geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung von Erstattungsvorschriften im sozialen
Entschädigungsrecht vom 25. Juli 1996 (BGBl. I, 1118) und durch Art. 30 des Gesetzes zur
Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom
07. August 1996 (BGBl. I, 1254, 1316) nach einer Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE)
von mindestens 30 v. H. zu gewähren sind.
Der 1970 in F. geborene, nunmehr in B. (Departement A.) lebende Kläger besuchte am
05. Mai 1996 gegen 0:30 Uhr die K. in S.. Als er sich auf der Tanzfläche befand, wurde er
am rechten Auge von einer fliegenden Billardkugel (orange/Aufschrift „5“), in die eine
Schraube hineingedreht war, getroffen.
Der Kläger gab zu dem Hergang an, er sei „zwischen die Fronten zweier streitender
Gruppen (Bosnier, Serben, Italiener)“ geraten. Er sei, nachdem er getroffen worden sei,
ohnmächtig geworden. Als er sein Bewusstsein wieder erlangt habe, habe sein Bruder Ch.
ihn aufgerichtet (Vermerk der Polizeiinspektion S./Mitte vom 09. Mai 1996 und vom 23. Juli
1996 in der Strafakte 20 ..., ). Ein herbeigerufener Rettungswagen
brachte den Kläger zur Erstversorgung in das E. Krankenhaus nach S. (Schreiben des
Chefarztes der Chirurgie Dr. O. des E. Krankenhauses S. vom 15. Dezember 1999, dessen
Inhalt zu Folge der Kläger angegeben hatte, durch einen Schlag mit einem Bierkrug verletzt
worden zu sein).
Nachdem im E. Krankenhaus eine Unterlid- und zwei Stirnplatzwunden versorgt und eine
Tetanusimpfung verabreicht worden waren, wurde der Kläger in die Augenklinik der S. W.
Kliniken gGmbH geschickt. Bei der Erstvorstellung am 05. Mai 1996 wurde dabei folgende
Diagnose getroffen:
„RA: Contusio bulbi mit Hyposhagma und Hornhauterosio sowie drei
kleinen streifigen Netzhautblutungen peripapillär und traumatischer
Mydriasis;
Visus: RA: sc = 0,2 p – 0,25 pp;
LA: sc = 1,0;
Tensio: RA: 14 mm Hg.“
Der Kläger suchte am selben Tag erneut die Augenklinik um 23.20 Uhr auf. Einer
Empfehlung, in einer Woche noch einmal in der Ambulanz vorzusprechen, kam er nicht
nach (Befundbericht des Chefarztes der Augenklinik der S. W. Kliniken gGmbH Prof. Dr. T.
vom 06. Januar 2000).
vom 06. Januar 2000).
Noch in der Nacht des Vorfalls begab sich der Kläger in das Centre Hospitalier M.-M. in F.,
wo er einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. G.-G., Chirurg, Orthopäde, Traumatologe,
Mikrochirurg, F., zu Folge stationär vom 05. bis 17. Mai 1996 behandelt wurde. Eine am
16. Mai 1996 durchgeführte Gehirncomputertomographie war unauffällig (Befundbericht
vom 17. Juni 1996).
Der Kläger suchte noch mehrere Fachärzte an seinem Heimatort auf, so den Augenarzt
Dr. T., F. (Befundbericht vom 06. März 2000, vom 22. Juni 1996 und vom 24. Juli 1996).
Der ebenfalls vom Kläger konsultierte Facharzt für Gesichtschirurgie, Dr. C., F.
bescheinigte, dass die im Jahr 1996 durchgeführte Computertomographie der Nasen- und
Nebenhöhlen keine Knochenfraktur offenbart habe; das Gehör sei normal; es sei aber ein
Hörgeräusch in Form von Pfeifen rechts ohne objektive Hörstörung gegeben (Befundbericht
vom 04. Juli 1996, vom 12. Juni 1996, vom 17. Juni 1996 und vom 02. März 2000).
Die Allgemeinmedizinerin Dr. B.-M. behandelte den Kläger wegen psychologischer Störung
in Form von Angst und Depression auf Grund eines „Unfalls vom 09. Juni 1996“ und wegen
Kopfschmerzen (Befundbericht vom 20. März 2000).
Der Kläger hatte vor dem Vorfall in Frankreich ein Studium des Technicien en Construction
Mécanique begonnen, das dem Maschinenbaustudium entspricht.
Heute ist der Kläger als Lehrer im Bereich der Mechanik tätig.
Am 09. Mai 1996 stellte der Kläger Strafantrag. Das daraufhin eingeleitete Strafverfahren
wurde am 08. November 1996 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)
eingestellt, da der Verursacher nicht habe ermittelt werden können. Nachdem der Kläger
dagegen Beschwerde eingelegt hatte, ergaben weitere Ermittlungen, dass ein Bosnier mit
dem Namen „Che.“ immer eine Billardkugel bei sich zu tragen pflege, in welche eine
Schraube eingedreht sei. Bei dem Bosnier „Che.“ handelte es sich um G. J., der am 30.
September 1998 nach Bosnien ausgereist und zur Fahndung ausgeschrieben war (Vfg.
vom 14. Juli 1999). Am 19. Juni 2001 wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt.
Am 15. Mai 1997 beantragte der Kläger Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Zu
seinem Beruf befragt gab der Kläger an, er sei früher Maschinenbautechniker gewesen,
nunmehr sei er Student (Fernstudium) und zugleich „Maitre d´internat“.
Der Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und holte ein augenärztliches
Gutachten des Prof. Dr. T. vom 04. Dezember 2000 ein, der beim Kläger folgende
Diagnosen stellte:
„Rechtes Auge: 1. Reduktion der Sehschärfe auf 0,8 mit eigener Brille;
2. ausgedehnter zentraler und parazentraler Gesichtsfeldausfall
(Skotom);
3. posttraumatische Netzhaut-Aderhaut-Narbe oberhalb des rechten
Sehnervs als Ursache für den bestehenden Gesichts felddefekt. “
Die MdE bewertete er mit 20 v. H.
Bescheid vom 08. Juni 2001
des § 1 OEG an:
„Ausgedehnte chorioretinale Narbe oberhalb des Sehnervs mit fortbestehenden
Gesichtsfeldausfällen“ im Sinne der Entstehung.
Weitere Schädigungsfolgen lägen nicht vor. Die Gesundheitsstörung bedinge eine MdE von
20 v. H. Deshalb könne eine Rente nicht gewährt werden. Ab 01. Mai 1997 habe er, der
Kläger, Anspruch auf Heilbehandlung nach den Vorschriften des
Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Die als Schädigungsfolge anerkannte
Gesundheitsstörung sei durch den vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff vom 05.
Mai 1996 im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG verursacht worden.
Widerspruch
die MdE bezüglich der Gesundheitsstörung am Auge sei zu gering bemessen. Der
großflächige Ausfall der Sehfähigkeit auf dem rechten Auge stelle eine ständige
Beeinträchtigung dar. Durch die Gesichtsfeldausfälle nehme er Personen und Gegenstände,
die sich von rechts näherten, erst mit erheblicher Verzögerung wahr. Deshalb sei eine MdE
von mindestens 40 v. H. angemessen.
Außerdem habe er nach dem Unfall eine traumatisch bedingte depressive Phase durchlebt,
Anpassungsstörungen und Angstzustände, bedingt durch den Teilverlust der Sehfähigkeit
auf dem rechten Auge, beeinträchtigten ihn noch heute. Er fürchte, auch die Sehfähigkeit
auf dem linken Auge zu verlieren.
Zudem sei die MdE schon deshalb höher zu bewerten, weil er durch die Schädigung den
von ihm angestrebten Beruf nicht habe ausüben können. Er habe das Studium 1991 in M.
begonnen und den theoretischen Bereich erfolgreich abgeschlossen. Sein Bruder habe
unmittelbar nach ihm mit dem gleichen Studiengang begonnen und sei heute in einem
Ingenieurbüro tätig. Dabei müsse dieser als Konstrukteur den überwiegenden Teil seiner
Tätigkeit an einem Computer ausführen. Er, der Kläger, habe bereits studienbegleitende
Tätigkeiten ausgeübt und sei dazu in einem Ingenieurbüro als Praktikant tätig gewesen. Er
habe zwar den theoretischen Teil des Studiums abgeschlossen, habe aber
verletzungsbedingt den praktischen Teil nicht beenden können. Er habe dann eine
pädagogische Zusatzausbildung absolviert. Heute sei er Lehrer. Er erziele ein Einkommen,
welches weit unter dem erwarteten eines Maschinenbauers liege.
Bescheid vom 08. November 2001
zurück. Weitere Gesundheitsstörungen, die als Schädigungsfolge anzuerkennen seien,
lägen nicht vor. Die von ihm geschilderte traumatisch bedingte depressive Phase sei eine
normale Verarbeitung nach einem erlittenen Trauma. Die Notwendigkeit einer
diesbezüglichen ärztlichen Behandlung sei nicht erwähnt und nicht belegt.
Die Gesundheitsstörung am rechten Auge sei mit einer MdE von 20 v.H. hinreichend
bewertet. Die Zuerkennung einer MdE von 30 v. H. bedeute eine Gleichsetzung mit der
Blindheit des betroffenen Auges, die bei ihm, dem Kläger, nicht vorliege. Hinsichtlich seines
Begehrens der beruflichen Betroffenheit sei stets zu prüfen, ob berufliche Reha-
Maßnahmen zumutbar und möglich seien. Nach § 29 BVG entstehe ein Anspruch nach §
30 Abs. 2 BVG frühestens in dem Monat, in dem die Reha-Maßnahme abgeschlossen sei.
Falls der von ihm, dem Kläger, selbst gewählte Beruf des Lehrers weit hinter seiner
früheren beruflichen Erwartung bleibe, werde ihm anheim gestellt, eine berufliche Reha-
Maßnahme durchzuführen, die geeignet sei, seinem früheren Berufswunsch sozial und
wirtschaftlich zu entsprechen. Außerdem sei es nicht nachvollziehbar, wieso der Beruf des
Lehrers nicht sozial und wirtschaftlich zumindest annähernd mit den von ihm zunächst
angestrebten Berufsziel zu vergleichen sei. Letztlich sei auch nicht belegt, dass der Abbruch
des Maschinenbaustudiums und die berufliche Umorientierung allein oder zumindest
überwiegend auf Grund des erkannten Schädigungsleidens erfolgt seien.
Klage
Sozialgericht (SG) für das Saarland eingegangen, gerichtet.
Der Kläger hat sowohl die Anerkennung begehrt, dass weitere Schädigungsfolgen im Sinne
des § 1 OEG vorlägen, als auch die Gewährung von Leistungen nach dem OEG nach einer
MdE von mindestens 30 v. H. Zu der Bewertung der anerkannten Schädigungsfolge hat
der Kläger eingewandt, aus den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im
sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, herausgegeben vom
Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, damaliger Rechtsstand: 1996
(AHP), ergebe sich, dass bereits bei Gesichtsfeldausfällen in unterschiedlicher Intensität
eine MdE zwischen 10 und 40 v.H. in Betracht komme. Die bei ihm vorliegenden
Gesichtsfeldeinschränkungen rechtfertigten mindestens eine MdE von 30 bis 40 v.H. Es
liege schließlich ein Gesichtsfelddefekt auf Grund einer Sehbahnläsion vor.
Das SG für das Saarland hat zunächst ein augenärztliches Gutachten des Augenarztes Dr.
Tr., S., vom 30. Mai 2002 eingeholt. In der Sozialanamnese hat der Kläger angegeben, von
1991 bis 1995 Maschinenbau studiert zu haben, danach in einem Ingenieurbüro in V.
beschäftigt gewesen und seit 1998 Lehrer am Technologiegymnasium in F. zu sein.
Der Sachverständige hat beim Kläger am rechten Auge parazentrale Netzhautnarben und
einen parazentralen Gesichtsfeldausfall temporal unten, einen Visusverlust von 0,5, die
Notwendigkeit, eine Brille zu tragen, und den Verlust des räumlichen Sehens diagnostiziert.
Für die parazentralen Netzhautnarben mit konsekutivem Gesichtsfelddefekt hat er eine
Einzel-MdE von 0 v. H. empfohlen, da das binokulare Gesichtsfeld keine Ausfälle habe. Den
Visusverlust auf dem rechten Auge mit 0,5 hat er mit einer Einzel-MdE von 5 v. H., die
Notwendigkeit, eine Brille zu tragen, mit einer Einzel-MdE von 0 v. H. bewertet. Als
Gesamt-MdE hat er 10 v. H. für ausreichend gehalten und zu bedenken gegeben, dass bei
der teilweisen Schädigung des einzelnen Auges die Gesamt-MdE nie höher sein könne als
die für den kompletten Verlust eines Auges (MdE 25 v.H.) und in angemessener Relation
dazu stehen müsse.
Der Kläger hat dagegen eingewandt, das binokulare Sehen sei ebenfalls beeinträchtigt. Im
Übrigen lasse das Gutachten unberücksichtigt, dass die Deutsche Ophtalmologischen
Gesellschaft (DOG) empfohlen habe, Gesichtsfeldausfälle und Blickfeldbeeinträchtigungen
einzeln zu berücksichtigen. Das ergebe sich aus den AHP (Ziff. 26.4).
In der dazu erbetenen Stellungnahme hat der Sachverständige Dr. Tr. in einem vom 07.
Februar 2002 datierenden Schreiben (falsches Datum) ausgeführt, das binokulare
Gesichtsfeld sei vollständig und lückenlos, weil der Gesichtsfelddefekt des rechten Auges
vollständig durch das intakte Gesichtsfeld des linken Auges ausgeglichen werde. Im
vorliegenden Fall besitze das verletzte Auge noch eine gute Restfunktion mit einem Visus
mit Korrektur von 0,5 und könne nicht annähernd mit einem Totalverlust eines Auges
gleichgesetzt werden, für den nach der Tabelle der DOG und den AHP die MdE 25 v. H.
betrage.
Das SG für das Saarland hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen
Gutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin
Dr. N. R., S., vom 28. Oktober 2002, der sein Gutachten mit einer Stellungnahme vom 02.
Dezember 2002 ergänzt hat. Der Sachverständige hat das Vorliegen einer Sehbahnläsion
verneint. Vielmehr habe ein isolierter Netzhautschaden vorgelegen. Anhaltspunkte für eine
abgelaufene intracerebrale Contusionsblutung ergäben sich nicht.
Nach einem schädigenden Ereignis wie dem vorliegenden komme es zu einer psychischen
Traumatisierung, die sich in einer akuten Belastungsreaktion äußere. Nicht selten seien
aber auch Anpassungsstörungen; d. h. reaktiv auf den äußeren Auslöser entwickele sich
eine überwiegend depressive Reaktionsbereitschaft, die aber selten länger als 6 Monate
anhalte, abgesehen von depressiven Reaktionen, die höchstens auf 2 Jahre befristet seien.
Vorliegend könne beim Kläger keine relevante Psychopathologie, sondern nur eine
Verunsicherung im allgemeinen Lebensgefühl beobachtet werden. Aus neurologischer Seite
sei keine zusätzliche MdE festzusetzen, aus psychiatrischer Sicht liege die MdE unter 10 v.
H.
Diese Auffassung hat der Kläger nicht geteilt und will seine psychische Belastung mit einem
Schreiben seines ehemaligen Vorgesetzten F. G. vom 14. Januar 2003 belegt wissen.
Letzterer beschreibt den Kläger nach dem Vorfall 1996, als er am N.-Gymnasium in Sa.
gearbeitet habe, als müde und traurig. Direkt nach dem Ereignis sei es zu einer Umstellung
seiner Arbeit gekommen. Er habe nicht mehr am Computer arbeiten dürfen. Erst
1997/1998 sei es besser geworden.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG für das
Saarland ein augenärztliches Gutachten des Prof. Dr. T. vom 04. Juni 2003 eingeholt. In der
Sozialanamnese gab der Kläger an, er habe auf Grund der Unfallfolgen das Studium
abbrechen müssen. Nachdem er Gelegenheitsarbeiter (Bauzeichner) gewesen sei, habe er
auf Wartungstechnik umgeschult und 1997/1998 ein Diplom abgelegt. Seit 1998 sei er
Lehrer für Technologie am Collège in St. A..
Der Sachverständige hat unfallbedingt am rechten Auge eine Reduktion der Sehschärfe auf
0,4 mit eigener Brille, einen ausgedehnten zentralen und parazentralen Gesichtsfeldausfall
(Skotom), eine posttraumatische Netzhaut-Aderhautnarbe ausgehend von Sehnervenkopf
auch im papillomaculären Bündel bis in die mittlere Peripherie nach cranial reichend
diagnostiziert. Der Sachverständige hat für die Herabsetzung der Sehschärfe eine MdE von
5 v. H. und für den Gesichtsfeldausfall eine MdE von 15 v. H. empfohlen. Die Gesamt-MdE
will er mit 20 v. H. bewertet wissen.
Mit Schriftsatz vom 16. September 2003 hat der Kläger sodann vorgetragen, er leide an
rheumatologischen Beeinträchtigungen bei Wetterwechsel, die er auf die Verletzung
„1995“ zurückführe. Außerdem habe er eine Verletzung des Schädels und der Ohren
davongetragen.
Das SG für das Saarland hat daraufhin ein fachorthopädisch-rheumatologisches Gutachten
des Dr. So. vom 14. Januar 2004 eingeholt. In der Berufsanamnese ist festgehalten, der
Kläger habe von 1992 bis 1994 an der Universität St. A. und ab 1994 bis 1998 an der
Universität M. Maschinenbau studiert. Er habe vorher als Maschinenbauingenieur in V.
gearbeitet, seit 1998 sei er Lehrer im technischen Bereich auf dem Gymnasium gewesen.
Schädigungsbedingt hat der Sachverständige Dr. So. keine rheumatologischen
Gesundheitsstörungen festgestellt. Eine Verletzung des Schädels und der Ohren hat er
verneint und insgesamt eine MdE von 20 v. H. empfohlen.
Auf Antrag des Klägers ist sodann ein weiteres Gutachten des Chefarztes der
rheumatologischen Abteilung des Knappschaftskrankenhauses P. Dr. v. W. vom 06.
Dezember 2004 eingeholt worden. Der Sachverständige hat rheumatologische
Schädigungsfolgen verneint. Er hat degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule
feststellen können, die aber schadensunabhängig seien. Schädigungsbedingt hat er eine
Gesamt-MdE von 20 v.H. empfohlen.
Gerichtsbescheid
abgewiesen und sich auf die übereinstimmenden Empfehlungen aller Sachverständigen
einer Gesamt-MdE von 20 v.H. berufen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der dem Kläger am 20. Mai 2005 zugestellt worden ist,
hat dieser mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005, am selben Tag beim Landessozialgericht
Berufung
Der Kläger verfolgt sein ursprüngliches Begehren weiter und trägt ergänzend dazu vor:
Durch die auftreffende Billardkugel sei sein Kopf in eine Schleuderbewegung versetzt
worden, was vielleicht auch zu einer Verdrehung der Wirbelsäule geführt habe. Daraus
resultierten die rheumatologischen Erkrankungen. Es sei deshalb zu klären, wie stark der
Aufprall der Billardkugel auf den Körper und die dadurch entstandene Schleuderbewegung
gewesen seien. Auch in Bezug auf die Anpassungsstörung sei ihm, dem Kläger,
Gelegenheit zu geben, den Vorfall selbst zu schildern.
Nach einer Aufforderung durch den Senat hat der Kläger mit einem als Lebenslauf
bezeichneten Schreiben vom 20. April 2007 zu seinem beruflichen Werdegang u.a.
folgende Angaben gemacht:
Diplom und Titel
1984 Realschulabschluss
1985 Facharbeiterbrief
Wartungsmechaniker
1986 Facharbeiterbrief
Maschinenschlosser
1988 Berufsbildungszeugnis Wartung
Mechanische Produktionssysteme
1988 Facharbeiterbrief Mechaniker für
Produktionssysteme
1991 Abitur F 1 Maschinenbau
1994 Technikerdiplom Konzeption von
Industrieprodukten
1998 Technikerdiplom Industriewartung
1998 Technikerdiplom Industriewartung
Berufliche Laufbahn in der
staatlichen
Bildung
05. Dezember 1994 bis 16. September
1998
Internatsaufseher
17. September 1998 bis 31. August
2002
Vertragslehrer für Wartung von automatisierten,
mechanischen Systemen (dritte Kategorie)
01. September 2002 bis 31. August
2004
zertifizierter Lehrer für Technologie, seit 01.
September 2002 der normalen Kategorie
Einsätze
05. Dezember 1994 bis 31. August
1995
Collège G. H. Fa.
01. September 1995 bis zum 31
August 1997
Lycée général et technoloique Henri N. Sa.
17. September 1998 bis 31. Dezember
1999
Lycée professionnel Blaise Pascal F.
01. September 2002 bis 31. August
2004
Einsatz beim Rektor von Na. M.
Seit 01. September 2004
Austauschbereich Zr A. Est
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger erklärt, es sei für ihn so, als
habe er das Auge verloren. Er fürchte sich davor, auch das andere Auge zu verlieren und
dann blind zu sein. Diese Angst belaste ihn psychisch.
Seine Tätigkeit an der Schule in Sa. Habe mit einem bestimmten Berufsziel nichts zu tun
gehabt. Er sei dort neben seinem Studium beschäftigt gewesen. Er habe Schüler
beaufsichtigen, die Bereitung der Hausaufgaben überwachen und gelegentlich die
Anwesenheitslisten am Computer überprüfen müssen.
1997 und 1998 habe er zwar noch zeitweilig Vorlesungen in seinem Studium gehört, aber
er habe sich in einem Loch befunden. Er habe Antidepressiva genommen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte anerkannt, dass die von Dr. R.
festgestellte Anpassungsstörung depressiv ängstlicher Ausprägung – ungeachtet des
niedrigen Grades der MdE – weitere Schädigungsfolge des vorsätzlich rechtswidrigen
tätlichen Angriffs auf den Kläger vom 05. Mai 1996 ist.
Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und beantragt nunmehr nur noch,
1. den Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 13. Mai 2005
aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 08. Juni 2001 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2001
zu ändern sowie
2. den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, wegen der Folgen
des Vorfalls vom 05. Mai 1996 Versorgungsleistungen nach den
Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes zu gewähren unter
Bemessung der MdE mit mindestens 30 v. H., und zwar auch unter
Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Der Senat hat die Strafakte 20 ... der Staatsanwaltschaft S. beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrensganges wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten mit der Geschäftsnummer...
und auf die Beiakte mit dem Aktenzeichen 20 ... Bezug genommen.
Die Beiakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben. Im Übrigen haben sich zur Zulässigkeit
keine Bedenken ergeben.
II.
Über das in der mündlichen Verhandlung von dem Beklagten abgegebenen
Teilanerkenntnis, das der Kläger auch angenommen hat, hinaus konnte die Berufung nicht
zum Erfolg führen.
Die noch anhängige Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom
13. Mai 2005 war zurückzuweisen.
Zwar steht der Geltendmachung der Ansprüche nicht entgegen, dass der Kläger kein
Deutscher, sondern Franzose ist. Denn nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 OEG in der Fassung des
Gesetzes vom 21. Juli 1991 (BGBl. I, 1262) haben Ausländer Anspruch auf Versorgung,
wenn sie unter anderem Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen
Gemeinschaften sind, was vorliegend der Fall ist.
Indessen sind die geltend gemachten Ansprüche nicht begründet.
1. Denn der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung, dass die
Gesundheitsstörungen „Verletzung des Schädels und der Ohren“ und „rheumatologische
Beeinträchtigungen bei Wetterwechsel“ weitere Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 Abs. 1
Satz 1 OEG i. V. m. § 30 Abs. 1 BVG in entsprechender Anwendung sind.
2. Über die bereits gewährte Heilbehandlung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf
Versorgung durch Leistung einer Beschädigtenrente nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m.
den §§ 9 Nr. 3, 30 Abs. 1 und 2, 31 BVG in entsprechender Anwendung, weil die durch
den Vorfall vom 05. Mai 1996 erlittenen Gesundheitsstörungen keinen
rentenberechtigenden Grad von mindestens 25 v.H. erreichen. Vielmehr liegt nur eine MdE
von 20 v.H. vor.
Zu 1.) Das Vorliegen der weiter behaupteten Gesundheitsstörungen am Schädel und an
den Ohren sowie die rheumatologischen Beschwerden bei Wetterwechsel konnten nicht
festgestellt werden.
Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält der, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem
deutschen Schiff oder Luftfahrzeug in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen
Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine
gesundheitliche Erschädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen
Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
Nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BVG in entsprechender Anwendung sind vorübergehende
Gesundheitsstörungen nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu
6 Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 4 BVG in entsprechender Anwendung).
Während zwischen dem schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung ein
Ursachenzusammenhang bestehen muss, genügt bei der gesundheitlichen Schädigung und
der Gesundheitsstörung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1
Abs. 12 OEG i. V. m. § 1 Abs. 3 BVG in entsprechender Anwendung).
Eine Verletzung des Schädels und der Ohren durch den streitbefangenen Vorfall ist nicht
bewiesen. Die Sachverständigen Dres. R. und So. haben ausgeführt, eine knöcherne
Verletzung des Schädels sei nicht dokumentiert. Dies ergibt sich auch aus den im
Verwaltungsverfahren eingeholten Befundberichten. So ist in dem Befundbericht des Dr.
G.-G. festgehalten, dass unmittelbar nach dem Vorfall angefertigte Röntgenbilder keinen
Hinweis auf das Vorliegen einer Knochenläsion ergeben hätten. In einem Befundbericht des
Dr. C. vom 04. Juni 1996 ist beschrieben, dass die otoneurologische Untersuchung ohne
Befund geblieben sei. Eine Computertomographie des Nasennebenhöhlenbereichs ist
ebenfalls unauffällig geblieben (Befundbericht des Dr. G.-G. vom 17. Juni 1996).
Auch die vom Kläger behaupteten rheumatologischen Beschwerden bei Wetterwechsel
konnten weder von dem von Amts wegen berufenen Gutachter Dr. So. noch von dem
nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen Dr. v. W. bestätigt werden. Beide
Sachverständigen haben rheumatologische Gesundheitsstörungen beim Kläger verneint.
Der Sachverständige Dr. v. W. hat ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und eine
Epikondylitis diagnostiziert, die allerdings schädigungsunabhängig seien. Ob diese ggfls. mit
einem am 24. April 1999 erlittenen schweren Verkehrsunfall im Zusammenhang stehen,
bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
zu 2.) Ein Anspruch auf Versorgungsleistungen in Form einer Beschädigtenrente nach § 1
Abs. 1 OEG i.V. mit §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 2 BVG in entsprechender Anwendung
besteht nicht, da für die Schädigungsfolgen nur eine MdE von 20 v.H. angemessen ist und
damit der rentenberechtigende Grad von 25 v.H. nicht erreicht wird.
Die bereits anerkannte Schädigungsfolge „ausgedehnte chorioretinale Narbe oberhalb des
Sehnervens mit fortbestehenden Gesichtsfeldausfällen“ ist mit einer MdE von 20 v. H.
angemessen bewertet.
Die weitere, nunmehr vom Beklagten anerkannte Schädigungsfolge „Anpassungsstörung
depressiv ängstlicher Ausprägung“ ist mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten und
führt deshalb im Ergebnis nicht zu einer höheren Gesamt-MdE.
Eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVG in entsprechender Anwendung
kommt nicht in Betracht, da dafür die Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG in entsprechender Anwendung ist die MdE nach der
körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen;
dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die
Beurteilung ist maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten
Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer
Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt sind.
Zur inhaltlichen Bemessung und konkreten Bestimmung der MdE ist im Einzelfall
regelmäßig zum Zweck der Gleichbehandlung der Antragsteller von den AHP auszugehen,
die umfassend als eine der Entscheidungsfindung dienende Grundlage der Erkenntnisse der
medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der Schwere
der Gesundheitsbeeinträchtigung anerkannt sind. Die in den AHP angenommenen MdE-
Werte beruhen auf den neuesten medizinischen Erkenntnissen (vgl. zur Problematik:
Rohr/Strässer, Handkommentar zum Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand:
März 2006, § 30 BVG Anmerkung 2).
Beide in der ersten Instanz befassten Sachverständigen haben den Visusverlust auf dem
rechten Auge, den der Sachverständige Dr. Tr. mit 0,5, der Sachverständige Prof. Dr. T.
mit 0,4 bemessen hat, mit einer Einzel-MdE von 5 v. H. bewertet.
Das entspricht Ziff. 26.4 der AHP (dort: MdE-Tabelle der DOG). Neben der
Beeinträchtigung der Sehschärfe sind nach den AHP auch z.B. Ausfälle des Gesichtsfeldes
zu berücksichtigen.
Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat den Gesichtsfeldausfall mit einer MdE von 15 v.H. und
damit höher als der Sachverständige Dr. Tr. bewertet. Letzterer berücksichtigt den
parazentralen Gesichtsfeldverlust und empfiehlt für die Gesundheitsstörung am rechten
Auge insgesamt eine MdE von 10 v.H.
Der Sachverständige Prof. Dr. T. führt hingegen aus, bei dem normalen Gesichtsfeld des
Partnerauges links bestehe eine Einengung auf 0 Grad im temporal unteren, auf 5 Grad im
temporal oberen Gesichtsfeldquadranten. Insgesamt hat der Sachverständige Prof. Dr. T.
eine MdE von 20 v.H. empfohlen, was auch der Bewertung des Beklagten entspricht.
Eine höhere Bewertung des Gesichtsfeldausfalls als die von Prof. Dr. T. empfohlene steht
nicht im Einklang mit Ziffer 26.4 der AHP (dort: Gesichtsfeldausfälle). Dort ist bei
vollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen bei Verlust des beidseitigen Sehens eine
MdE von 30 v.H. vorgesehen. Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen sind
die MdE-Sätze entsprechend niedriger anzusetzen, so dass die Bewertung des Prof. Dr. T.
mit einer MdE von 15 v.H. stimmig ist.
Der Einwand des Klägers, es sei darüber hinaus bei ihm zu einer Sehbahnläsion
gekommen, ist unbegründet. Denn der Sachverständige Dr. R. hat dies ausdrücklich in
seinem Gutachten verneint.
Letztlich ist bei der MdE von 20 v.H. auch zu berücksichtigen, dass das binokulare
Gesichtsfeld nach den überzeugenden Äußerungen des Sachverständigen Dr. Tr.
vollständig und lückenlos ist, weil der Gesichtsfelddefekt des rechten Auges vollständig
durch das intakte Gesichtsfeld des linken Auges ausgeglichen ist. Bei noch ausreichend
vorhandener Restfunktion des rechten Auges kann die MdE im Ergebnis nicht höher sein als
bei vollständigem Sehschärfenverlust, bei dem die MdE 25 v. H. beträgt. Darauf hat auch
der Sachverständige Dr. Tr. hingewiesen und zu Recht ausgeführt, die vorliegende
Gesundheitsstörung müsse in ihrer Bewertung zu dem kompletten Verlust des Auges in
angemessener Relation stehen.
Die MdE für diese Schädigungsfolge kann nicht mehr als 20 v. H. betragen.
Die Bewertung der Schädigungsfolge „Anpassungsstörung depressiv ängstlicher
Ausprägung“ mit einer MdE von unter 10 v.H. entspricht Ziff. 26.3 AHP (dort: Neurosen,
Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen).
Denn der Sachverständige Dr. R. hat überzeugend ausgeführt, dass sich selbst die aus der
Traumatisierung entstandenen Anpassungsstörung im Laufe der Zeit kompensiert habe.
Damit korreliert, dass diese Belastungen nicht so schwer erträglich für den Kläger waren,
dass er psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Es ist nur eine vorübergehende
Konsultation seiner Hausärztin bekannt. Zudem konnte er trotz dieser psychischen
Störungen seine Tätigkeit am N.-Gymnasium weiter verrichten (Schreiben vom 14. Januar
2003).
Da somit die Beeinträchtigungen nach einem Zeitraum von 6 Monaten leichterer Natur
waren, ist eine MdE von unter 10 v.H. nicht zu beanstanden.
Nach Ziff. 19 Abs. 4 AHP führen aber MdE-Grade von 10 v.H. nicht zu einer Zunahme der
Gesamtbeeinträchtigung, so dass es bei einer Gesamt-MdE von 20 v.H. verbleibt.
Auch eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG in entsprechender Anwendung kommt
nicht in Betracht.
Danach ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der
Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in
seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach
Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn er
a) in Folge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten,
begonnenen oder nachweisbar angestrebten noch einen sozial
gleichwertigen Beruf ausüben kann,
b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen
Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruft
erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen
aber in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen
Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder
c) in Folge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in
seinem Beruf gehindert ist.
Im Versorgungsrecht gilt, wie im Sozialrecht überhaupt (§ 5 Abs. 1 des Ersten Buchs des
Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil ), der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“.
Dieser Grundsatz findet seinen Ausdruck in § 29 BVG. Nach dieser Vorschrift entsteht ein
Anspruch auf höhere Bewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG nur in dem Fall, dass
Maßnahmen zur Rehabilitation Erfolg versprechend und zumutbar sind, frühestens in dem
Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen worden sind (vgl. Bundessozialgericht
, Urteil vom 18. Oktober 1995, 9 RV 18/94).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat, das ist der Befragung im Termin zu
entnehmen, jedenfalls keine Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation im Sinne dieser
Vorschrift durchgeführt. Er hat zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebracht,
er habe, auch durch den Wechsel des Studiums, seine Rehabilitation, so gut er dies habe
tun können, selbst durchgeführt. Diese allgemein gehaltene Erklärung kann indes nur so
verstanden werden, dass er selbst bemüht war, sich beruflich zu orientieren. Der
Rückschluss, dass er aber Maßnahmen im Sinne des § 29 BVG durchgeführt hat, verbietet
sich.
Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf höhere Bewertung in der MdE.
Unabhängig davon sind die Voraussetzungen für die Höherbewertung der MdE wegen eines
besonderen beruflichen Betroffenseins nicht gegeben.
Denn die Angaben des Klägers zu seinem beruflichen Werdegang sind widersprüchlich. Die
vom Senat erbetene schriftliche Aufstellung hat zu keiner weiteren Klärung geführt.
So ist schon nicht ersichtlich, ob der Beruf des Maschinenbautechnikers der nachweisbar
angestrebte Beruf war. Der Kläger hat sich in der Vergangenheit mehrfach bei
Befragungen zu seiner beruflichen Vita dahingehend geäußert, er sei Lehrer.
So hat er in seinem Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem OEG angegeben, er sei
früher Maschinenbautechniker gewesen, nunmehr sei er Student und zugleich Maitre
d`internat.
In der Widerspruchsbegründung macht er geltend, er habe 1991 in M. das Studium des
Maschinenbautechnikers begonnen, während sich aus der Berufsanamnese des Dr. So.
ergibt, er sei von 1992 bis 1994 an der Universität St. A. und ab 1994 bis 1998 an der
Universität M. gewesen. Bei der Untersuchung durch Dr. Tr. hat der Kläger angegeben, von
1991 bis 1995 Maschinenbau studiert zu haben und seit 1998 Lehrer am
Technologiegymnasium in F. zu sein.
Bei Prof. Dr. T. hat er geschildert, seit 1998 Lehrer für Technologie am Collège in St. A. zu
sein. Er habe zuvor auf Wartungstechnik umgeschult.
Aus dem vorgelegten Schreiben des F. G. vom 14. Januar 2003 ergibt sich erneut eine
andere Version. Dieses Schreiben bezieht sich auf die Zeit im Juni 1996. Zu dieser Zeit, so
der Verfasser G., sei er direkter Vorgesetzter des Klägers im N.-Gymnasium in Sa.
gewesen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dies nach Vorhalt relativiert; die Tätigkeit
habe nur darin bestanden, Schüler zu beaufsichtigen und die Fertigung der Hausaufgaben
zu überwachen. Gelegentlich habe er Anwesenheitslisten am Computer überprüft. Dass die
Beschäftigung in den Schulen nur eine bloße Hilfstätigkeit gewesen sein soll, überzeugt
angesichts des früheren Vorbringens des Klägers nicht. So hat der Kläger mehrfach im
Laufe von gutachtlichen Untersuchungen bei Fragen nach seinem Beruf die pädagogische
Tätigkeit hervorgehoben. Dass er diese als bloße Aushilfstätigkeit neben seinem Studium
verstanden wissen wollte, wie er nunmehr vorträgt, ergibt sich aus seinen früheren
Angaben gerade nicht. Mithin muss davon ausgegangen werden, dass er bereits vor dem
streitgegenständlichen Vorfall die Ausübung einer pädagogischen Tätigkeit als seinen Beruf
angesehen hat. Nichts anderes kann dem schriftlich gefertigten Werdegang entnommen
werden, in welchem er der pädagogischen Tätigkeit eine eigene Rubrik mit der Überschrift
„ berufliche Laufbahn in der staatlichen Bildung“ widmet. Schon allein aus dieser
Formulierung wird deutlich, dass er sich mit dem Beruf des Lehrers identifiziert hat und
bereits zu einer Zeit, die vor dem streitbefangenen Ereignis lag. Denn aus seinem
Lebenslauf wird ersichtlich, dass er weit vor dem Vorfall, nämlich bereits 1994, mit
pädagogischen Aufgaben betraut war.
Selbst wenn dem aber so wäre, dass der Kläger den nachweisbar angestrebten Beruf des
Maschinenbautechnikers schädigungsbedingt nicht mehr habe ausführen können, ergibt
sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht, dass er derzeit keinen sozial gleichwertigen
Beruf ausüben kann. Denn für die Fragen der sozialen Gleichwertigkeit eines Berufs sind
nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend. Auch unabhängig von diesen kann
ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einem anderen gegenüber sozial
gleichwertig sein (vgl. zur Problematik: Rohr/Strässer, a. a. O., § 30 BVG Anmerkung 3b).
Es ist nicht erkennbar, dass der angestrebte Beruf des Maschinenbautechnikers in seiner
gesellschaftlichen Bedeutung den derzeit ausgeübten Beruf des Lehrers überragen soll. Ein
gesellschaftlich geringeres Ansehen des Berufs des Lehrers gegenüber dem des
Maschinenbautechnikers vermag der Senat nicht zu erkennen. Vielmehr ist die
Wertschätzung, die dem Lehrerberuf und dem damit verbundenen Erziehungs- und
Bildungsauftrag zuteil wird, sogar gewachsen, weil das Bewusstsein um die Bedeutung
einer Ausbildung mit den damit einhergehenden gesamtgesellschaftlichen Folgen gestiegen
ist. Nach alledem muss der Beruf des Lehrers, den der Kläger ausübt, als zumindest
gleichrangig mit dem eines Maschinenbautechnikers angesehen werden.
Eine Erhöhung der MdE aus diesem Gesichtspunkt kommt nicht in Betracht.
Die Berufung war deshalb, soweit sie noch rechtshängig war, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Trotz des teilweisen Obsiegens des Klägers bezüglich der Anerkennung einer weiteren
Schädigungsfolge ist eine Kostenteilung nicht veranlasst. Denn damit ändert sich an dem
Begehren des Klägers, Versorgungsleistungen nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu
erlangen, nichts. Nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Zivilprozessordnung ist das
Obsiegen des Klägers als geringfügig anzusehen, so dass er auch keine teilweise
Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten von dem Beklagten verlangen kann.
Gründe, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.