Urteil des LSG Saarland vom 09.06.2006

LSG Saarbrücken: treu und glauben, arbeitslosigkeit, merkblatt, meldepflicht, arbeitsamt, unverzüglich, leistungsanspruch, unvorhersehbarkeit, wechsel, begriff

LSG Saarbrücken Urteil vom 9.6.2006, L 8 AL 48/04
Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung - grob fahrlässige Nichtmitteilung der
Beschäftigungsaufnahme - Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze von 15 Stunden in der
Beschäftigungswoche
Leitsätze
Der Begriff "wöchentlich" in § 118 II 1 SGB III (Fassung bis 31.12.04) bezieht sich nicht auf
die Kalenderwoche, sondern auf die Beschäftigungswoche, die mit dem ersten Tag der
Beschäftigung beginnt. In dem Merkblatt für Arbeitslose (Stand 2002) wird hierauf
ausdrücklich hingewiesen und
darüber hinaus der Arbeitslose zur Anzeige jeder Beschäftigung aufgefordert; daher ist im
Regelfall von einem grob fahrlässigen Verhalten auszugehen, wenn der Arbeitslose die
Anzeige der Aufnahme einer nur samstags und montags insgesamt mehr als 15 Stunden
ausgeübten und geringfügig entlohnten Beschäftigung unterlässt. die Ausnahmevorschrift
des § 118 II 1 Hs 2 SGB III (gelegentliche Überschreitung) ist bei Beschäftigungen, die nur
wenige Tage umfassen, nicht anwendbar.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
29.09.2004 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem
09.11.2002 und die Rückforderung von 2.279,51 EUR überzahlten Arbeitslosengeldes
sowie von 527,42 EUR entrichteter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Die 1962 geborene Klägerin war in der Zeit vom 01.07.1984 bis Mai 1988 und vom
01.06.1999 bis 31.03.2002 als Rechtsanwaltsgehilfin bei dem Rechtsanwaltsbüro R. pp
beschäftigt. Nach der Kündigung dieses Beschäftigungsverhältnisses meldete sich die
Klägerin am 13.03.2002 mit Wirkung zum 01.04.2002 arbeitslos und stellte einen Antrag
auf Bewilligung von Arbeitslosengeld. Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom
19.04.2002 statt und gewährte Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2002 auf der Grundlage
eines gerundeten Bemessungsentgelts von 275 EUR in Höhe von 143,50 EUR/Woche in
der Leistungsgruppe B/1.
Aufgrund einer Mitteilung über eine Überschneidung des Leistungsbezuges mit einer
Beschäftigungszeit erhielt die Beklagte davon Kenntnis, dass die Klägerin am Samstag,
dem 09.11.2002, und am Montag, dem 11.11.2002, bei der Firma W.M. in H. als Aushilfe
beschäftigt gewesen war. Die Arbeitszeit hatte insgesamt 17,5 Stunden betragen und der
Vertrag war von Anfang an befristet gewesen.
05.03.2003
die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 11.11.2002 wegen einer angeblich ab diesem
Datum erfolgten Arbeitsaufnahme auf.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung (u.a.) ein, dass
sie lediglich am 09. und 11.11.2002 im W.M. als Inventurhilfe Ware vorsortiert habe. Sie
sei der Meinung gewesen, dass eine so geringfügige Tätigkeit keine Auswirkung auf das
Arbeitslosengeld habe. Zudem sei sie dem Missverständnis unterlegen, sie könne eine
Nebentätigkeit ausüben, wenn diese weniger als 15 Stunden wöchentlich betrage. Dass
„wöchentlich“ im allgemeinen Sinne hier nicht gleichzusetzen sei mit
„Beschäftigungswoche“, sei verwirrend und ihr nicht bewusst gewesen. Tatsache sei, dass
sie nicht regelmäßig mindestens 15 Wochenstunden arbeite; warum sollte sie dann nicht
mehr arbeitslos sein? Sie könne eine Änderung in den Verhältnissen, die für den Anspruch
auf die Leistung erheblich seien, nicht erkennen, wenn sie einmalig eine äußerst
geringfügige Arbeit als Inventurhilfe zur Warenvorsortierung ausgeführt habe. Dass eine
grundsätzliche Meldepflicht bestehe, auch wenn es keine Auswirkungen auf den
Arbeitslosengeldbezug haben sollte, sei ihr nicht bewusst gewesen.
Am 10.03.2003 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und stellte einen Antrag auf
Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes. Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid
vom 08.05.2003 statt; die Gewährung der Leistung wurde dann mit dem 08.04.2003
wegen Arbeitsaufnahme ab dem 09.04.2003 eingestellt.
Mit Schreiben vom 13.03.2003 hörte die Beklagte die Klägerin erstmals dazu an, dass die
Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Leistung durch die Arbeitsaufnahme bei
der Firma W.M. weggefallen seien und eine Weiterzahlung frühestens ab der erneuten
persönlichen Arbeitslosmeldung am 10.03.2003 in Betracht komme. Für den Zeitraum
vom 11.11.2002 bis 09.03.2003 seien die Voraussetzungen für den Anspruch auf
Arbeitslosengeld nicht mehr erfüllt. Die Klägerin könne auch verpflichtet sein, die von der
Beklagten entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu erstatten.
06.05.2003
bereits für die Zeit ab 09.11.2002 auf und forderte die Klägerin zur Erstattung der zu
Unrecht gezahlten Leistungen auf. Die Klägerin habe das zu Unrecht gezahlte
Arbeitslosengeld in Höhe von 2.279,51 EUR sowie die in der Zeit vom 12.11.2002 bis
28.02.2003 entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 527,42
EUR zu erstatten.
Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein; die Widersprüche wurden
05.06.2003
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 07.07.2003 Klage erhoben. Laut
Klageschriftsatz wurde die Klage „für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung bedingt
erhoben“. Das Sozialgericht für das Saarland (SG) ist von einer ohne Einschränkungen
erhobenen Klage ausgegangen.
Zur Begründung der Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, sie habe am
Samstag, d. 09.11.2002, und am Montag, d. 11.11.2002, insgesamt 17,5 Stunden
angemeldet im W.M. im Rahmen einer Inventur ausgeholfen und hierfür insgesamt 99,32
EUR netto erhalten. Unstreitig wäre erst ab einem Hinzuverdienst von 165 EUR eine
Anrechnung auf das Arbeitslosengeld erfolgt. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass
erst bei Überschreitung der Grenze von 165 EUR Meldepflicht bestehe. Da sie an einem
Samstag und an einem Montag gearbeitet habe, habe sie nach normalem Sprachgebrauch
in zwei Wochen gearbeitet. Im Übrigen sei das aus insgesamt 71 Seiten bestehende
Merkblatt der Beklagten so gestaltet, dass ein durchschnittlicher Leser den Inhalt nicht
verstehen könne. Eine vollständige Rückzahlungspflicht würde die Klägerin auch
unangemessen hart treffen. Sie habe wegen der Erziehung ihrer 15-jährigen Tochter
lediglich eine Teilzeitbeschäftigung und erhalte vom Vater weder Unterhalt für sich noch für
ihre Tochter.
29.09.2004
Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, eine wesentliche
Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 und 4 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs,
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) sei ab dem 09.11.2002 in den
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eingetreten, weil die Klägerin ab diesem Datum
keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr gehabt habe. Die Klägerin sei ab dem
09.11.2002 nicht mehr arbeitslos gewesen. Arbeitslos sei nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 des 3.
Buches des Sozialgesetzbuchs, Arbeitsförderung (SGB III) nur ein Arbeitnehmer, der
vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis bestehe. Dabei schließe nach § 118
Abs. 2 Satz 1 SGB III die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden
Beschäftigung die Beschäftigungslosigkeit nicht aus. Bei der von der Klägerin am
09.11.2002 aufgenommenen Tätigkeit habe es sich um eine mehr als 15 Stunden
wöchentlich umfassende Beschäftigung gehandelt. Bei der Bestimmung der wöchentlichen
Arbeitszeit sei nicht von der Kalenderwoche, sondern von der Beschäftigungswoche
auszugehen, die mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung beginne. Hiergegen
spreche zunächst nicht der Wortlaut der Vorschrift. Mit „wöchentlich“ sei nach dem
allgemeinen Sprachgebrauch nicht zwingend die Kalenderwoche gemeint. Sinn und Zweck
des § 118 Abs. 2 SGB III zwängen zudem zu der Auslegung, dass mit „wöchentlich“ gerade
nicht „kalenderwöchentlich“ gemeint sei. Denn § 118 Abs. 2 SGB III begründe eine
Ausnahme zu § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wonach Arbeitslosigkeit nur bei
Beschäftigungslosigkeit vorliege. Warum die Beschäftigungslosigkeit von der - eher
zufälligen - zeitlichen Verteilung einer Beschäftigung innerhalb der Kalenderwoche abhängig
gemacht werden sollte, sei nicht ersichtlich. Eine solche Auslegung würde überdies ohne
sachlichen Grund diejenigen privilegieren, die ihre Arbeitszeiten um einen Wochenwechsel
gruppierten. Die Klägerin habe am 09.11.2002 (Samstag) und am 11.11.2002 (Montag)
17,5 Stunden gearbeitet. Die Beschäftigung habe mithin die 15-Stunden-Grenze
überschritten. Auch § 118 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. SGB III führe nicht zu einem anderen
Ergebnis. Danach führten gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer nicht zu einer
Unterbrechung der Arbeitslosigkeit. Die Vorschrift solle einen häufigen Wechsel zwischen
Kurzzeitigkeit und Wegfall der Arbeitslosigkeit vermeiden. Gelegentlich sei demnach eine
Abweichung, die nicht regelmäßig in Erscheinung trete und unvorhersehbar sei. Die
Vorschrift ziele auf längerfristige oder Dauerarbeitsverhältnisse, bei denen im Einzelfall eine
Überschreitung der 15-Stunden-Grenze eintrete. Insbesondere aus dem Kriterium der
Unvorhersehbarkeit ergebe sich, dass die Vorschrift nicht auf Fälle anwendbar sein könne,
in denen das Überschreiten der 15-Stunden-Grenze schon bei Aufnahme der Tätigkeit
aufgrund der vertraglichen Vereinbarung feststehe. Dafür, dass dies bei der Klägerin nicht
der Fall gewesen sein könnte, sei nichts ersichtlich. Die Klägerin sei auch nach dem
11.09.2002 nicht wieder arbeitslos gewesen. Denn ab diesem Zeitpunkt habe sie zwar
nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden; die Wirkung ihrer
Arbeitslosmeldung sei jedoch erloschen gewesen. Gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erlösche
die Wirkung der Meldung u.a. mit der Aufnahme einer Beschäftigung, wenn der Arbeitslose
diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt habe. Die Klägerin habe der
Agentur für Arbeit die Aufnahme der Beschäftigung nicht mitgeteilt. Die Wirkung der
Meldung sei damit zunächst entfallen. Erneut gemeldet habe sich erst wieder am
10.03.2003. Bis zu diesem Tag habe sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt.
Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung hätten vorgelegen.
Zwar gehe die Kammer davon aus, dass die Klägerin angesichts der Kompliziertheit der
entsprechenden Regelungen nicht gewusst habe, dass der Anspruch ab dem 09.11.2003
weggefallen gewesen sei. Die Kammer zweifele weiter daran und lasse offen, ob der
Klägerin wegen ihrer Unkenntnis der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden könne.
Die Kammer gehe ferner davon aus, dass die Klägerin nicht gewusst habe, dass in Ihrem
Fall eine Meldepflicht bestanden habe, da sie richtigerweise davon ausgegangen sei, dass
nur für den Leistungsanspruch erhebliche Änderungen meldepflichtig seien und sie
fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass die Aufnahme ihrer Beschäftigung auf ihren
Leistungsanspruch keine Auswirkungen gehabt habe. Nach Auffassung der Kammer sei der
Klägerin allerdings wegen ihrer Unkenntnis der Meldepflicht der Vorwurf zu machen, ihre
Sorgfaltspflichten in besonders schwerem Maße verletzt zu haben. Eine besonders
schwere Sorgfaltspflichtverletzung liege vor, wenn einfachste und ganz naheliegende
Überlegungen nicht angestellt würden, die jedem einleuchten müssten. Entscheidend seien
stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des
Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen. Das Außerachtlassen
von Vorschriften, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen worden sei, begründe
in der Regel den Vorwurf einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung. Nach § 60
Abs. 1 Nr. 1 des 1. Buches des Sozialgesetzbuchs, Allgemeiner Teil (SGB I) habe ein
Sozialleistungsempfänger alle Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung
erheblich seien, unverzüglich mitzuteilen. Hierauf weise die Beklagte in ihren Merkblättern
auch mit hinreichender Deutlichkeit hin. Im von der Klägerin selbst vorgelegten Merkblatt
Stand 2002 heiße es auf Seite 17: „Bei Aufnahme jeder Beschäftigung oder Tätigkeit prüft
ihr Arbeitsamt, ob sie die Arbeitslosigkeit und damit den Anspruch auf Arbeitslosengeld
entfallen lässt. Der Anspruch entfällt also, wenn die aufgenommene Beschäftigung oder
Tätigkeit 15 Stunden wöchentlich erreicht bzw. übersteigt. In Ihrem eigenen Interesse
sollten Sie jede Beschäftigung oder Tätigkeit vor deren Beginn ihrem Arbeitsamt anzeigen
…“ Wenn die Klägerin sich darauf berufe, dass das Merkblatt so gestaltet sei, dass ein
durchschnittlicher Leser seinen Inhalt nicht verstehen könne, sei für die Kammer
unverständlich, warum sie sich trotzdem selbst zu beurteilen zugetraut habe, ob die mit
der Arbeitsaufnahme verbundene Veränderung erheblich für die Leistung gewesen sei oder
nicht, anstatt sich an die - aus Sicht der Kammer eindeutige - Aufforderung zu halten, zur
Sicherheit jede Beschäftigung zu melden und die Überprüfung der Beklagten zu überlassen.
Auch sei für die Kammer nicht ersichtlich, dass die Klägerin - eine
Rechtsanwaltsfachangestellte - einen solch eindeutigen Hinweis nicht hätte verstehen
können. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung ab dem 09.11.2003 hätten mithin
vorgelegen. Die Beklagte sei nach § 50 Abs. 1 SGB X auch berechtigt gewesen, die
Erstattung bereits ausgezahlter Leistungen anzuordnen. Sie sei ferner berechtigt gewesen,
nach § 335 Abs. 1 und 5 SGB III die Erstattung geleisteter Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge ab dem 12.11.2002 zu fordern. Soweit sich die Klägerin
darauf berufe, die Beklagte verstoße durch die Rückforderung gegen Treu und Glauben, sei
darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Aufhebung nach § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3
SGB III und der Geltendmachung der Erstattungsforderung nach § 50 SGB X um
gebundene Entscheidungen handele; für die Ausübung eines Ermessens bestehe kein
Spielraum.
Gegen das am 14.10.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.11.2004 bei Gericht
eingegangene Berufung.
Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, entscheidend für die Anwendung
des § 118 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB III sei das Kriterium der Unvorhersehbarkeit, d.h.,
dass die Vorschrift dann anwendbar sei, wenn das Überschreiten der 15-Stunden-Grenze
bei Aufnahme der Tätigkeit nicht festgestanden habe. So sei es vorliegend aber gewesen.
Die Klägerin habe sich auf eine Stellenanzeige an einem Aushangbrett im W.M. H. als
Inventurhilfe für den 09.11. und 11.11.2002 beworben. In der Stellenausschreibung sei die
vorgesehene Stundenzahl nicht angegeben gewesen. Die Klägerin habe den
Bewerbungsbogen sowie einen mit „Geringfügige/Kurzfristige Beschäftigung“
überschriebenen Fragebogen ausgefüllt und im W.M. abgegeben. Aus der Natur des
Beschäftigungsverhältnisses habe sich ergeben, dass keine festgelegte Arbeitszeit
vereinbart werden konnte. Grundsätzlich liefen Inventuren so, dass die Warenbestände
vorsortiert, sodann gezählt würden; die Arbeit dauere, bis sämtlicher Warenbestand
ausgezählt sei. Aus diesem Grund sei auch im Fragebogen zur
sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung offen gelassen gewesen, ob sich um eine
geringfügige oder kurzfristige Beschäftigung handele. Bei der Einstellung sei lediglich
festgelegt worden, dass die Klägerin am Samstag um 12:00 Uhr beginnen sollte. In der
Folge habe sie am Samstag 7½ Stunden und am Montag 10 Stunden gearbeitet. Sie habe
zuvor als Inventurhilfe in dem Bereich „Vorsortieren der Waren“ noch nie gearbeitet
gehabt; sie sei davon ausgegangen, dass allenfalls 14 Stunden an 2 Tagen gearbeitet
würden. Erst nachdem am Montag 17½ Stunden gearbeitet gewesen seien, habe sich bei
ihr die Frage gestellt, inwieweit hier eine Anzeigepflicht in Betracht komme. Hierbei habe
sie festgestellt, dass ihr Verdienst unter der Grenze gelegen habe, die sie ohne Anrechnung
auf das Arbeitsentgelt verdienen konnte. Bei dieser Sachlage sei die Nichtmeldung der
Beschäftigung nicht grob fahrlässig gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG vom 29.09.2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom
05.03.2003 und vom 06.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 05.06.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden
Ausführungen in dem angegriffenen Urteil verweist.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den weiteren
Akteninhalt sowie auf die Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr.: ...-...), die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die von der Klägerin eingelegte Berufung, gegen deren Zulässigkeit sich keine Bedenken
ergeben, ist nicht begründet.
Denn die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von
Arbeitslosengeld rückwirkend für den Zeitraum ab dem 09.11.2002 aufgehoben und von
der Klägerin die Erstattung des überzahlten Arbeitslosengeldes sowie der für die Zeit vom
12.11.2002 bis 28.02.2003 entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
gefordert.
Zur Begründung bezieht sich der Senat hierbei im Wesentlichen auf die
Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils in Verbindung mit den in den
angefochtenen Bescheiden enthaltenen Ausführungen, so dass von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz
).
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung
angeführten Argumente nicht geeignet sind, eine andere Entscheidung zu begründen.
Zunächst sind die Beklagte und das SG zu Recht davon ausgegangen, dass bei der
Anwendung des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung
(nunmehr im Wesentlichen gleichlautend: § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III) der Begriff
„wöchentlich“ sich nicht auf die Kalenderwoche, sondern auf die Beschäftigungswoche
bezieht, die mit dem ersten Tag der Beschäftigung, hier also am 09.11.2002, beginnt (vgl.
Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.05.2004, Az.: L 10 AL
199/02 und vom 05.08.2005, Az.: L 8 AL 27/04; Urteil des Sächsischen LSG vom
19.02.2003, Az.: L 3 AL 77/02; Scheidt in PK-SGB III, § 118 Randnr. 35; Brand in Niesel,
SGB III-Kommentar, 3. Auflage 2005, § 119 Randnr. 29). Mit ihrer insgesamt 17,5
Stunden umfassenden Beschäftigung beim W.M. hatte die Klägerin also die
Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III überschritten mit der Folge, dass die
Arbeitslosigkeit als eine der grundlegenden Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von
Arbeitslosengeld entfallen war.
Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vorträgt, aufgrund des Umstandes, dass
vor Beginn der Beschäftigung nicht absehbar gewesen sei, ob die 15-Stunden-Grenze
überschritten werde, müsse § 118 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB III Anwendung finden, ist
dies nicht zutreffend. Denn diese Vorschrift soll, worauf bereits das SG hingewiesen hat,
einen häufigen Wechsel zwischen Kurzzeitigkeit und Wegfall der Arbeitslosigkeit vermeiden
(vgl. Scheidt a.a.O. Randnr. 39). Sie ist daher überhaupt nur unter der Voraussetzung
anwendbar, dass die Beschäftigung einen längeren Zeitraum umfasst und darin liegende
Über- bzw. Unterschreitungen der Geringfügigkeitsgrenze gegebenenfalls als „gelegentlich
oder von geringer Dauer“ anzusehen sind (vgl. Bayerisches LSG vom 05.08.2005 a.a.O.).
In Fällen wie dem vorliegenden, bei denen eine von vornherein befristete Beschäftigung von
wenigen Tagen angetreten wird, kommt eine Anwendung von § 118 Abs. 2 Satz 1 Halbs.
2 SGB III daher auch dann nicht in Betracht, wenn bei Beschäftigungsbeginn noch nicht
absehbar war, ob die 15-Stunden-Grenze überschritten wird oder nicht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ihr zwar kein vorsätzliches, aber doch ein grob
fahrlässiges Verhalten in Bezug auf die Nichtmitteilung der Beschäftigung i.S.d. § 48 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 SGB X zur Last zu legen. Zu Recht hat das SG in diesem Zusammenhang
darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehbar ist, wenn die Klägerin einerseits vorträgt,
das ihr ausgehändigte „Merkblatt für Arbeitslose“ sei so ausgestaltet, dass ein
durchschnittlicher Leser seinen Inhalt nicht verstehen könne, andererseits sich dann aber
selbst die Beurteilung zugetraut hat, dass sich in ihrem Fall durch die Ausübung der
Beschäftigung beim W.M. keine Auswirkungen auf ihren Leistungsanspruch ergeben
könnten. Insoweit ist zu Lasten der Klägerin auch zu berücksichtigen, dass auf Seite 41 des
der Klägerin ausgehändigten Merkblatts unter der Überschrift „Die Anrechnung von
Nebeneinkommen“ ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Nebentätigkeit einen
zeitlichen Umfang von 15 Stunden wöchentlich nicht erreichen darf; zur weiteren
Information wird dann auf den Abschnitt 2 unter dem Stichwort „Arbeitslosigkeit“
verwiesen. Unter diesem Stichwort findet sich auf Seite 17 des Merkblatts dann der
ausdrückliche Hinweis, dass die Woche in diesem Sinne nicht mit der Kalenderwoche
identisch ist, sondern 7 aufeinander folgende Tage umfasst, beginnend mit dem ersten Tag
der Beschäftigung bzw. Tätigkeit. Aufgrund des Eindrucks, den er sich von der Klägerin in
der mündlichen Verhandlung verschafft hat, hat der Senat auch keine Zweifel daran, dass
für die Klägerin bei einem sorgfältigen Studium des Merkblatts spätestens am Dienstag, d.
12.11.2002, hätte erkennbar sein müssen, dass ihre Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für
den Bezug von Arbeitslosengeld entfallen war und sie sich unverzüglich beim Arbeitsamt
melden musste. Es ist daher als besonders schwerwiegende Außerachtlassung der der
Klägerin obliegenden Sorgfaltspflichten anzusehen, dass sie die Aufnahme der
Beschäftigung trotz der entgegen ihrem Vorbringen deutlichen und verständlichen Hinweise
in dem Merkblatt nicht unverzüglich ihrem zuständigen Arbeitsamt mitgeteilt hat.
Die Berufung war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.