Urteil des LSG Saarland vom 23.01.2004

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LSG Saarbrücken Urteil vom 23.1.2004, L 7 RJ 65/03
Berufsunfähigkeitsrente - Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze - Heranziehung der
tatsächlich bezogenen Sozialleistung als Bemessungsgrundlage zur Berechnung der
Hinzuverdienstgrenze
Leitsätze
Für Zeiten des Bezugs einer nach 1998 beginnenden Rente wegen Berufsunfähigkeit vom
Januar 1999 bis Dezember 2000 darf bei gleichzeitigem Bezug einer Sozialleistung mit
Lohnersatzfunktion nur deren Geldwert, nicht ihre Bemessenungsgrundlage, als erzielter
Hinzuverdienst berücksichtigt werden.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 21.02.2002 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2000 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2001 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, bei der dem Kläger zu gewährenden Rente wegen
Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom 01.12.1999 bis 31.12.2000 über die Höhe des
anzurechnenden Hinzuverdienstes, die Höhe der sich hieraus ergebenen Einzelansprüche
und über die Höhe des Nachzahlungsbetrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Senats neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 2/5 der diesem entstandenen außergerichtlichen Kosten zu
erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Auszahlung der ihm gewährten
Rente wegen Berufsunfähigkeit trotz des Bezuges von Arbeitseinkommen und von
Sozialleistungen (Krankengeld und Arbeitslosengeld) hat und ob in diesem Zusammenhang
der anzurechnende Hinzuverdienst von der Beklagten korrekt berechnet worden ist.
Mit gerichtlichem Anerkenntnis vom 18.10.2000 (Sozialgericht für das Saarland, Az. S 14
RJ 197/99) erkannte die Beklagte bei dem Kläger Berufsunfähigkeit ab Antragstellung an
und erklärte sich bereit, Berufsunfähigkeitsrente entsprechend den gesetzlichen
Vorschriften zu gewähren. Der Rentenantrag war von dem Kläger am 28.01.1999 bei der
Gemeinde Sch. (Eingang bei der Beklagten: 11.02.1999) gestellt worden.
Mit Bescheid vom 14.12.2000 wurde dem am 26.06.1949 geborenen Kläger beginnend
zum 01.12.1999 eine Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit gewährt. Gleichzeitig
wurde jedoch festgestellt, dass eine Rentenzahlung ab dem 01.12.1999 nicht erfolge, da
ein Anspruch auf Auszahlung der Rente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze
nicht bestehe.
Gegen den Bescheid vom 14.12.2000 legte der Kläger mit Schriftsatz vom 10.01.2001
über seine Bevollmächtigten Widerspruch ein, mit dem geltend gemacht wurde, die
zulässige Hinzuverdienstgrenze sei im maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten worden.
In der Zeit vom 01. bis zum 31.12.1999 habe der Kläger 72,06 DM täglich Krankengeld
erhalten, in der Zeit vom 01.01. bis zum 28.02.2000 72,15 DM täglich und vom 01.03.
bis zum 21.09.2000 jeweils 72,09 DM täglich. Seit dem 22.09.2000 habe der Kläger
Arbeitslosengeld in Höhe von 344,68 DM wöchentlich erhalten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2001 zurückgewiesen. Zur
Begründung wurde ausgeführt, die Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI sei
aufgrund eines gerichtlichen Anerkenntnisses vom 18.10.2000 (Sozialgericht für das
Saarland, Az: S 14 RJ 197/99) anerkannt worden. Die Rente sei wegen der Höhe des zu
berücksichtigenden Einkommens des Klägers nicht zu zahlen. Der diesbezüglich
heranzuziehende § 96a SGB VI sei durch das Rentenreformgesetz 1999 mit Wirkung ab
dem 01.01.1999 um die Abs. 3 und 4 ergänzt worden. Die Ergänzung bewirke, dass die
Hinzuverdienstgrenzen des § 96a SGB VI bei den Renten wegen Berufs- und
Erwerbsunfähigkeit auch zu beachten seien, wenn anstelle von Arbeitsentgelt und
Arbeitseinkommen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen bestünde. Hiermit werde
sichergestellt, dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
aufgrund seines Hinzuverdienstes gekürzt werde, nicht besser gestellt werde, wenn
anstelle des Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens die Lohnersatzleistung trete. Als
Hinzuverdienst sei das der Sozialleistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen zu berücksichtigen. Es sei daher jeweils festzustellen, aus welchem
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sich die Sozialleistung errechne.
Mit Eingang vom 29.03.2001 hat der Kläger über seine Bevollmächtigten beim
Sozialgericht für das Saarland (SG) Klage erhoben und ergänzend zu seinem Vortrag im
Widerspruchsverfahren ausgeführt, er habe ab dem 06.05.1999 kein Arbeitseinkommen
mehr erhalten. Krankengeld und sonstige Erwerbsersatzeinkommen berührten die
Rentenhöhe nach §§ 44 ff. SGB V nicht. Jedenfalls für den Zeitraum ab dem 06.05.1999
sei der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.02.2002 abgewiesen und im
Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Ermittlung des Hinzuverdienstes sei §
96a Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1a und 3 SGB VI i.d.F. vom 20.12.2000, mit welchem der §
96a a.F. geändert worden sei. Nach § 302b SGB VI sei § 96a Abs. 3 SGB VI in dieser
neuen Fassung auf den vorliegenden Fall anwendbar. Dabei genieße der Kläger jedoch nicht
den Vertrauensschutz des § 302b Abs. 3 SGB VI, da seine Rente wegen Berufsunfähigkeit
nicht vor dem 01.01.1999 begonnen habe. Bei der Feststellung des Hinzuverdienstes
stehe nach § 96a Abs. 3 SGB VI dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich der
Bezug von Krankengeld, das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit geleistet werde, die nach
dem Beginn der Rente eingetreten sei und ein Übergangsgeld, dem ein nach dem Beginn
der Rente erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liege. Dabei sei bei der
Feststellung des Hinzuverdienstes die Höhe des der Sozialleistung zugrunde liegenden
monatlichen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens heranzuziehen. Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze sei die Beklagte zu Recht zu dem Ergebnis gelangt,
dass aufgrund des Hinzuverdienstes für den Kläger kein Anspruch bestehe. Das dem Kläger
gewährte Krankengeld sei anzurechnen, da es aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit vom
25.03.1999 geleistet worden sei. Zwar werde als Beginn der Rente erst der 01.12.1999
ausgewiesen, gleichwohl seien die Voraussetzungen für die Anrechnung nach § 96a Abs. 3
SGB VI erfüllt. Denn Rentenbeginn im Sinne dieser Vorschrift sei der Beginn des
Zeitraumes, für den Rente gezahlt werde, nicht ein davon abweichender Zeitpunkt der
Entscheidung über den Anspruch oder den Beginn der Zahlung. Unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass der Kläger eine Rehamaßnahme vom 02.11. bis zum 30.11.1999
durchgeführt habe, liege damit der Rentenbeginn unter Berücksichtigung des § 116 SGB VI
zwar am 01.12.1999, der fiktive für die Anrechnung maßgebliche Zeitpunkt sei aber der
01.02.1999. Dass die durchgeführte Anrechnung dieser Sozialleistungen auf die zu
gewährende Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit fehlerhaft sei, sei nicht erkennbar
und werde auch vom Kläger selbst nicht gerügt.
Mit Eingang vom 21.03.2002 hat der Kläger über seine Bevollmächtigten Berufung
eingelegt. Begründet wurde die Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts.
Mit weiterem Bescheid vom 03.04.2003, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des
anhängigen Berufungsverfahrens geworden ist, hat die Beklagte ihren Bescheid vom
14.12.2000 mit Wirkung vom 02.03.2003 gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X insoweit
zurückgenommen, als für die Zeit ab dem 02.03.2003 nunmehr Anspruch auf Rente
wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe bestehe.
Nachdem die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, die
Beklagte sei bereit, vorgezogenes Übergangsgeld für den Zeitraum vom 01.02.1999 bis
zum 01.11.1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren, beantragt der
Kläger,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 21.02.2002 aufzuheben
sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2000 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14.03.2001 abzuändern,
2. die Beklagte zu verpflichten, über die Höhe des anzurechnenden Hinzuverdienstes, die
Höhe der sich hier aus ergebenden Einzelansprüche und über die Höhe des
Nachzahlungsbetrages für die Berufsunfähigkeitsrente des Klägers ab 01.12.1999 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbringen im Klageverfahren sowie auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
des vorliegenden Verfahrens sowie die des Verfahrens S 14 RJ 197/99 und darüber hinaus
auf die Rentenakte der Beklagten Bezug genommen; der Inhalt dieser Akten war
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sie die Frage von
wiederkehrenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist allerdings lediglich im tenorierten Umfang begründet. Der Kläger hat nur
einen Anspruch darauf, dass die Beklagte für den Zeitraum vom 01.12.1999 bis zum
31.12.2000 über die Höhe des anzurechnenden Hinzuverdienstes, die Höhe der sich
hieraus ergebenden Einzelansprüche und über die Höhe des Nachzahlungsbetrages unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu entscheidet.
I. Die Beklagte hat den anzurechnenden Hinzuverdienst im oben genannten Zeitraum
rechtsfehlerhaft berechnet.
Nach § 43 Abs. 5 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), die sowohl
bei Rentenantragstellung wie auch bei Abgabe des Anerkenntnisses anzuwenden war, galt:
"Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a
Abs. 2 Nr. 2) in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel
geleistet."
Dabei ist die zum Zeitpunkt des gerichtlichen Anerkenntnisses bzw. dem darin
festgestellten Anerkenntniszeitpunkt (Rentenantragstellung) geltende Fassung des § 96a
SGB VI anzuwenden. Demgegenüber bleiben die §§ 300 ff. SGB VI - wie vom SG
angenommen - nicht anwendbar (vgl. insoweit Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom
17.12.2000 - B 4 RA 23/02 R - = RegNr 26110 (BSG-Intern), zitiert nach JURIS). Das BSG
hat hierzu insbesondere ausgeführt, dass bei Anerkenntnissen im Rahmen gerichtlicher
Verfahren bzw. in gerichtlichen Vergleichen auch der Beginn des Rechts auf Rente geregelt
wird. Es ist allein schon deshalb das ab diesem Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die
§§ 300 ff. SGB VI sind nicht anwendbar. Der Versicherungsfall und der Zeitpunkt seines
Eintritts sind ein Element des Entstehens eines Rechts auf Rente und daher keine
Rechtsfolge, deren Eintritt im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs geregelt werden könnte.
Wie das BSG - auch zur Überzeugung des Senats - in der genannten Entscheidung
weiterhin ausgeführt hat, spricht der Wortlaut des § 43 Abs. 5 SGB VI a.F. dafür, dass für
Zeiten des Bezugs von Renten wegen Berufsunfähigkeit in der Zeit vom Januar 1999 bis
zum Dezember 2000 bei gleichzeitigem Bezug von Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion
nur deren Geldwert, nicht ihre Bemessungsgrundlage, als erzielter Hinzuverdienst
berücksichtigt werden darf (vgl. erneut: BSG, Urteil vom 17.12.2002, a.a.O.). Durch das
Gesetz zur Änderung des 6. Buchs Sozialgesetzbuch und andere Gesetze (SGB VI-ÄndG)
vom 15. Dezember 1995 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I 1824) wurde in der
Erwerbsminderungsversicherung auch bei Renten wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1.
Januar 1996 durch den § 43 Abs. 5 SGB VI a.F. der Überversicherungseinwand bei
Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze eingeführt, welche in § 96a SGB VI ausgestaltet
wurde. Sofern ein Stammrecht auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach Maßgabe des bis
zum Ende 2000 gültigen § 43 Abs. 1 bis 4 SGB VI a.F. entstanden war, bestimmte seit
dem 1. Januar 1996 bis Ende 2000 der § 43 Abs. 5 SGB VI a.F., dass eine Rente wegen
Berufsunfähigkeit abhängig vom Hinzuverdienst (§ 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) in voller Höhe,
in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet wird. Dadurch wurde
klargestellt, dass ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB
VI nicht das Stammrecht auf Rente selbst betrifft, sondern ausschließlich die daraus
monatlich erwachsenen Einzelansprüche auf Zahlung ganz oder teilweise vernichten soll
(vgl. Bundestagsdrucksache 13/3150 S. 42 zu Nr. 15a). Falls der erzielte Hinzuverdienst
eine der genannten individuellen Grenzen übersteigt, wird der Einzelanspruch, der in Höhe
des Wertes des Stammrechts erwachsen ist, in dem in § 43 Abs. 5 SGB VI genannten
Umfange vernichtet. Der über der Grenze liegende Hinzuverdienst wird also gerade nicht
auf den monatlichen Zahlungsanspruch angerechnet. § 43 Abs. 5 SGB VI i.V.m. § 96a Abs.
2 Nr. 2 SGB VI a.F. ist - anders als die bis Ende 1998 gültige Regelung über die Anrechnung
von Arbeitslosengeld auf die Ansprüche aus einem Stammrecht auf BU-Rente - keine
Anrechnungsermächtigung (zu Vorstehendem: BSG, Urteil vom 17.12.2002, a.a.O.).
Ebenso wie das BSG ist der Senat der Auffassung, dass § 43 Abs. 5 SGB VI a.F. -
insbesondere unter dem Blickpunkt verfassungskonformer Auslegung mit Art. 100 Abs. 1
Grundgesetz - eine Anwendung des dort nicht in Bezug genommenen § 96a Abs. 3 Satz 3
SGB VI nicht zulässt. Die Beklagte hat daher zu Unrecht angenommen, sie dürfe aufgrund
der ab 1. Januar 1999 gültigen Regelung des § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI entgegen der bis
Ende 2000 gültigen Fassung des § 43 Abs. 5 SGB VI einen fiktiven, in Wirklichkeit nicht
erzielten "Hinzuverdienst" in die Prüfung der Frage einbeziehen, ob die
Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI im jeweiligen Monat überschritten
sind. Zwar ist es aufgrund des Sinnzusammenhanges zwischen der rechtlichen Grundnorm
des § 43 Abs. 5 SGB VI und der diese teilweise ergänzenden Bezugsnorm des § 96a Abs. 2
Nr. 2 SGB VI gerechtfertigt, in erweiternder Auslegung des § 43 Abs. 5 SGB VI auf § 96a
Abs. 1 Satz 1 bis 6 SGB VI a.F. zurückzugreifen, und zwar in dessen ebenfalls am 1. Januar
1996 in Kraft getretener und über das Jahr 2000 gültig gewesener Fassung. Diese
erweiternde Auslegung verändert indes den Rechtsinhalt des § 43 Abs. 4 SGB VI a.F. nicht,
weil sie die darin enthaltene Bezugsnorm des § 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI a.F. überhaupt
erst anwendbar macht. Denn aus § 96a Abs. 1 Satz 2 bis 6 SGB VI ergibt sich erst, dass
"Hinzuverdienst" der Arbeitsverdienst ist, der für den selben Zeitraum erzielt wurde, auf
den der Einzelanspruch bezogen ist.
In die vorgenannte, über die staatliche Verweisung in § 43 Abs. 5 SGB VI (a.F.)
hinausgehende erweiterte Auslegung kann § 96 Abs. 3 Satz 3 SGB VI, der bestimmt, dass
als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist, indes nicht mit einbezogen werden, weil er im
Widerspruch zum ausdrücklichen Tatbestand des § 43 Abs. 5 SGB VI a.F. steht, wonach
Rente wegen BU abhängig vom "erzielten" Hinzuverdienst geleistet wird. § 96 Abs. 3 Satz
3 SGB VI stellt demgegenüber einen nicht erzielten fiktiven Arbeitsverdienst dem erzielten
gleich. Eine Auslegung, die zu einer Inhaltsänderung des Gesetzes gegen dessen Wortlaut
führt, ist grundsätzlich "contra legem" und im Regelfall schon deshalb verfassungswidrig.
Die gesetzliche Unterscheidung zwischen erzieltem und fiktivem Hinzuverdienst hat auch
im Wortlaut des einleitenden ersten Halbsatzes des § 96a Abs. 3 Satz 1 SGB VI seinen
Niederschlag gefunden, in dem von einem Hinzuverdienst, der erzielt wird, die Rede ist.
Hinzu kommt, dass der Deutsche Bundestag bei der Neufassung des § 96a SGB VI durch
das RRG 1999 den Wortlaut und insbesondere die statische Verweisung des § 43 Abs. 5
SGB VI gerade nicht verändert hat. Eine abermalige erweiternde Auslegung der Verweisung
auf § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI kommt daher wegen des Widerspruchs der Normen nicht
in Betracht (vgl. erneut zu Vorstehendem: BSG, Urteil vom 17.12.2002, a.a.O.).
Steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte bei der Frage der
Berechnung der Rente wegen Berufsunfähigkeit bis zum 31.12.2000 den Hinzuverdienst
falsch berechnet hat, vermag der Kläger mit seinem Anfechtungsbegehren insoweit auch
durchzudringen.
II. Die Klage ist ebenfalls im Hinblick auf das geltend gemachte Verpflichtungsbegehren im
tenorierten Umfange begründet. Dabei können im vorliegenden Fall die
entscheidungserheblichen Tatsachen nur ermittelt und entschieden werden, wenn sich der
Senat völlig an die Stelle der Verwaltung setzt. Denn sämtliche Ermittlungen und alle
Berechnungen müssten noch durchgeführt werden. Das aber wäre mit dem gesetzlichen
(§ 117 SGB VI) und verfassungsrechtlichen Verwaltungsvorbehalt für verfügende
Einzelfallentscheidungen nicht vereinbar (so auch BSG Urteil vom 17.12.2002, a.a.O.).
III. Soweit der Kläger mit seiner Berufung die Entscheidung der Beklagten über den
31.12.2000 hinaus angreift, war diese zurückzuweisen. Mit dem Wegfall des § 43 SGB VI
a.F. entfiel nämlich ab dem 01.01. bzw. 02.01.2001 auch die im Abs. 5 enthaltene
Regelung, wonach eine Rente wegen Berufsunfähigkeit abhängig vom erzielten
Hinzuverdienst (§ 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in
Höhe von einem Drittel geleistet wird. Ab diesem Zeitpunkt ist nunmehr § 96a SGB VI
insgesamt und damit auch die Vorschrift des § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI anwendbar,
wonach bei dem Bezug von Sozialleistungen das dieser zugrunde liegende monatliche
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen - wie von der Beklagten in Ansatz gebracht - zu
berücksichtigen ist. Eine dem § 43 Abs. 5 SGB VI a.F. vergleichbare Regelung enthalten
weder die neue Vorschrift zur Erwerbsminderungsrente (§ 43 SGB VI n.F.) noch die
Regelung des § 240 SGB VI über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei
Berufsunfähigkeit.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.