Urteil des LSG Saarland vom 25.05.2005

LSG Saarbrücken: der unfallbedingten MdE bei Gelenk- und Knorpelschäden., ablauf der frist, juristische person, unfallfolgen, kernspintomographie, gonarthrose, zustellung, bestandteil, satzung, klinik

LSG Saarbrücken Urteil vom 25.5.2005, L 2 U 133/04
Höhe der unfallbedingten MdE bei Gelenk- und Knorpelschäden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 14.10.2004 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Wiedergewährung einer Verletztenrente.
Der 1935 geborene Kläger erlitt am 25.02.1978 einen Arbeitsunfall, als er beim
Aussteigen aus seinem PKW an den Pedalen hängenblieb und stürzte. Dabei zog er sich
einen Abriss der Quadricepssehne an der linken Kniescheibe zu.
Die Beklagte holte ein Gutachten (vom 07.07.1978) bei den Dres. R. und M., St.E.-Klinik,
S., ein, die als Unfallfolge eine Narbe oberhalb der Patella und Verdickung der
Quadricepssehne nach operativer Behandlung eines Quadricepssehnenabrisses ohne
Bewegungseinschränkung des Gelenks beschrieben. Unfallunabhängig hätten sich im
Bereich des linken Kniegelenkes eine beginnende Arthrose mit Verschmälerung des
medialen Gelenkspaltes sowie eine mediale und laterale Meniscopathie gefunden. Auch im
Bereich des rechten Kniegelenkes finde sich eine beginnende Gonarthrose mit medialer
Meniscopathie. Eine Bandlockerung der Kniegelenke sei nicht vorhanden gewesen. Ab
Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 16.05.1978 sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) für 3 Monate mit 20 vom Hundert, nach dieser Zeit mit unter 10 vom Hundert
anzunehmen.
Gestützt auf dieses Gutachten gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom
24.10.1978 (Widerspruchsbescheid vom 13.12.1978) für die Zeit vom 16.05. bis
31.08.1978 vorläufige Rente nach einer MdE von 20 vom Hundert. Als Folgen des
Arbeitsunfalls vom 25.02.1978 wurden eine „Narbe oberhalb des linken Kniegelenks und
Verdickung der Quadricepssehne links“ anerkannt. Nicht als Folgen des Arbeitsunfall
anerkannt wurden Knick-Senk-Füße sowie eine beginnende Arthrose mit Verschmälerung
des medialen Gelenkspaltes an beiden Kniegelenken mit Meniscopathie.
Die anschließende Klage (S 4 U 2/79) nahm der Kläger am 05.06.1981 zurück, nachdem
der Sachverständige Dr. Sto. in seinem Gutachten vom 20.05.1981 die Feststellungen der
Vorgutachter bestätigt hatte.
Wegen einer beruflich bedingten Hauterkrankung (Nr. 5101 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom
19.01.1988 Rente ab dem 07.10.1986 nach einer MdE von 20 vom Hundert. Auf Grund
einer Besserung des Hautleidens wurde diese Rente mit Bescheid vom 25.08.1992 auf 10
vom Hundert herabgesetzt. Außerdem bezieht der Kläger wegen eines weiteren
Arbeitsunfalls, der zu einer Verletzung des rechten Daumens geführt hat, eine weitere
Rente nach einer MdE von 10 vom Hundert.
Am 08.03.1988 stellte der Kläger u.a. wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom
25.02.1978 einen Verschlimmerungsantrag. Die Beklagte holte ein Gutachten (vom
11.08.1988) bei Prof. Dr. W. ein, der die unfallbedingte MdE auf Dauer mit unter 10 vom
Hundert einschätzte und hochgradige degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk
beschrieb, die als unfallunabhängig zu betrachten seien.
Mit Bescheid vom 27.09.1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
16.12.1988 lehnte die Beklagte daraufhin eine Rentengewährung ab, da eine wesentliche
Verschlimmerung in den Unfallfolgen nicht eingetreten sei.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage (S 4 U 6/89)
nach Einholung von Gutachten von Amts wegen bei Prof. Dr. F. (vom 15.12.1989) und
Prof. Dr. R. (vom 04.12.1990) sowie nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr.
M. (vom 09.06.1990) mit Urteil vom 04.02.1991 abgewiesen. Der erkennende Senat hat
im anschließenden Berufungsverfahren (L 2 U 27/91) Befundberichte der orthopädischen
Universitätsklinik H. vom 05.01.1996 und der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F.
vom 20.07.1996 beigezogen sowie eine ergänzende Stellungnahme (vom 03.11.1997)
von Prof. Dr. R. eingeholt und die Berufung mit Urteil vom 27.01.1998 zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, zwar seien im Gesundheitszustand
des unfallbetroffenen linken Knies des Klägers nach Erlass des Widerspruchsbescheides
vom 13.12.1978 erhebliche Verschlechterungen eingetreten. Diese seien jedoch nicht auf
das Unfallereignis vom 25.02.1978 zurückzuführen, sondern anlagebedingter Natur. Die
Sachverständigen Prof. Dr. W., Prof. Dr. F. und Prof. Dr. R. hätten in ihren Gutachten
übereinstimmend ausgeführt, dass eine wesentliche Verschlimmerung im
Unfallfolgezustand nicht eingetreten, die unfallbedingte MdE des Klägers vielmehr weiterhin
mit unter 10 vom Hundert zu bewerten sei. Prof. Dr. R. habe in seinem Gutachten vom
04.12.1990 ausgeführt, bei dem im Jahre 1978 abgelaufenen Unfallereignis sei es nicht zu
einer Verletzung des eigentlichen Kniebinnenraumes links gekommen, hierbei sei lediglich
die in die linke Kniescheibe inserierende Sehne des Musculus Quadriceps ausgerissen. Diese
sei bei der jetzigen Überprüfung vollständig intakt gewesen, beide Kniegelenke seien
seitengleich streckbar gewesen. Auf Grund der Tatsache der zunächst seitengleichen
Kniegelenksbeweglichkeit und der Art des Unfallereignisses könne die sich im weiteren
Verlauf herausgebildete Kniegelenksarthrose links nicht dem damaligen Unfallereignis
angelastet werden, insbesondere da bereits am Unfalltag nach Angaben der
Vorbeschreiber beginnende arthrotische Veränderungen des linken Kniegelenkes
vorgelegen hätten. Zum Zeitpunkt der Gutachtenerstattung seien außer einer reizlosen,
quer verlaufenden Narbe oberhalb der linken Kniescheibe und zwei in der Patellasehne sich
darstellenden Verkalkungen keine weiteren Unfallfolgen mehr ersichtlich. Eine messbare
MdE lasse sich aus diesen Unfallfolgen nicht ableiten. Von den gehörten Sachverständigen
habe lediglich Prof. Dr. M. die Auffassung vertreten, dass die erhebliche
Bewegungseinschränkung mit Beugebehinderung ab 100° des linken Kniegelenks als Folge
des Unfallereignisses vom 25.02.1978 anzusehen und die MdE insoweit mit 10 vom
Hundert zu bewerten sei. Dagegen seien sowohl die Gonarthrose des linken Kniegelenkes
als auch die Coxarthrose rechts und geringer auch links nicht auf das Unfallereignis
zurückzuführen, da es sich hier um eigenständige im degenerativen Prozess befindliche
Krankheitsbilder handele. Die linksseitige Gonarthrose komme bereits auf den Unfallbildern
zur Darstellung, wenn auch nicht so ausgeprägt wie auf den Aufnahmen zum Zeitpunkt der
Gutachtenerstattung; sie sei jedoch nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, da sie ja
bereits zum Unfallzeitpunkt als Gesundheitsschädigung vorgelegen habe. Der Senat folge
der Bewertung von Prof. Dr. R., wonach nicht nachgewiesen sei, dass die Folgen des
Unfalls vom 25.02.1978 über einen Zeitraum von 3 Monaten nach Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit des Klägers hinaus zu einer MdE von wenigstens 10 vom Hundert geführt
hätten. Prof. Dr. M., der zu einer abweichenden MdE-Beurteilung gelangt sei, berücksichtige
nicht, dass wenige Monate postoperativ eine freie Kniegelenksbeweglichkeit festgestellt
worden sei. Die von Prof. Dr. M. als Mitursache der eingeschränkten Beugefähigkeit
angeführte Verkalkung der Quadricepssehne sei auch bereits im Gutachten der St.E.-Klinik
vom 07.07.1978 festgestellt worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem das linke Kniegelenk
noch frei beweglich gewesen sei. Sie könne demzufolge nicht als Ursache der später
aufgetretenen Einschränkung der Beugefähigkeit angesehen werden.
Die vom Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom
Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 19.04.1999 (B 2 U 137/98 B) als unzulässig
verworfen.
Am 28.10.1999 stellte der Kläger erneut einen Verschlimmerungsantrag. Die
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in F., in deren Sprechstunde er sich am 06.09.1999
vorgestellt habe, habe ihm empfohlen, einen Verschlimmerungsantrag zu stellen. Als
anlagebedingte gesundheitliche Beeinträchtigung könne allenfalls die sich im linken Knie
ausbreitende Arthrose bezeichnet werden, wobei zumindest teilweise die Arthrose auch
auf das Unfallereignis vom 25.02.1978 zurückzuführen sei. Die Patellasehnenverkürzung,
das Festsitzen der linken Kniescheibe und das Streckdefizit im linken Knie seien jedenfalls
als unfallbedingt zu bezeichnen. Seine Beschwerden hätten sich erheblich verschlechtert.
In einer von der Beklagten angeforderten ärztlichen Stellungnahme der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in F. vom 11.08.2000 führte der Oberarzt Dr. D.
aus, zur Kausalität hätten keine neuen Feststellungen getroffen werden können, sodass
eine unfallbedingte Verschlimmerung nicht mit der letzten klinischen Befundsituation vom
06.09.1999 in Übereinstimmung gebracht werden könne. Dieser Sachverhalt sei der
Bevollmächtigten des Klägers telefonisch und schriftlich zugetragen worden.
Mit Bescheid vom 16.05.2001 lehnte die Beklagte die Neufeststellung einer Rente ab. Bei
dem Unfall vom 25.02.1978 habe der Kläger sich eine Ruptur der Quadricepssehne links
zugezogen. Durch zahlreiche Begutachtungen sei bereits festgestellt worden, dass die
verbliebenen Unfallfolgen keine MdE in messbarem Ausmaß bedingten. Die bestehenden
Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenkes seien Folge von anlagebedingten
Verschleißschäden, die in keinem ursächlichen Zusammenhang zu dem Unfall stünden.
Dies sei zuletzt auch durch das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom
27.01.1998 bestätigt worden. Nach Mitteilung der behandelnden
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F. am Main seien die Kniebeschwerden, auf Grund
derer der Kläger erneut einen Verschlimmerungsantrag gestellt habe, als unfallunabhängig
zu bewerten.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2001
zurückgewiesen.
Das SG hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bei Dr. T. (vom
31.01.2002) sowie eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG bei Dr. A. (vom
29.01.2003) mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2004 abgewiesen. In den Gründen hat es
ausgeführt, zu Recht habe die Beklagte den Antrag des Klägers auf Neufeststellung einer
Rente abgelehnt. Das Gericht habe den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. im
Gutachten vom 29.01.2003 nicht zu folgen vermocht. Seine MdE-Einschätzung ab dem
07.07.1978 (20 vom Hundert) sei rein spekulativ und berücksichtige nicht die
unfallunabhängigen degenerativen Schäden des Klägers. Insbesondere würden von ihm
auch die einschlägigen Vorgutachten nicht ausreichend gewürdigt. So habe bereits Prof. Dr.
R. in seinem Gutachten vom 04.12.1990 dargelegt, dass von dem Unfall vom 25.02.1978
am Tag der Untersuchung außer einer reizlosen quer verlaufenden Narbe oberhalb der
linken Kniescheibe und zwei in der Patellasehne sich darstellenden Verkalkungen keine
weiteren Unfallfolgen mehr ersichtlich gewesen seien. Eine messbare MdE lasse sich
daraus nicht ableiten. Auch werde von Dr. A. der Befundbericht der orthopädischen
Universitätsklinik des Saarlandes vom 05.01.1996 nicht ausreichend gewürdigt. Danach sei
am 15.12.1992 eine Arthroskopie des linken Kniegelenkes mit Nachweis ausgeprägter
arthrotischer Veränderungen mit dritt- bis viertgradigen Knorpelschäden durchgeführt
worden. Die Veränderungen des linken Kniegelenkes erklärten die vom Kläger
vorgebrachten Beschwerden. Sie stünden jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang
zu der am 25.02.1978 erlittenen Ruptur der Quadricepssehne links. Dass sowohl die
Arthrose des linken Kniegelenkes als auch des rechten Hüftgelenkes nicht auf das
Unfallereignis zurückzuführen seien, es sich dabei vielmehr um einen eigenständigen
degenerativen Prozess handele, werde auch im Gutachten der Universitätsklinik H. vom
09.06.1990 dargelegt, was auch von Dr. A. nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Im
Übrigen stehe den Ausführungen des Dr. A. auch das Gutachten des Sachverständigen Dr.
T. entgegen. Dieser habe auf Grund fehlender unmittelbarer Beziehung zum
Kniebinnenraum unfallbedingte Knorpelschäden mit daraus resultierender
posttraumatischer Arthrose ausgeschlossen. Im Falle des Klägers habe bereits im
Unfallzeitpunkt eine degenerative Schadensanlage im Bereich des linken Kniegelenks
vorgelegen, die im weiteren Verlauf fortgeschritten sei und schließlich zu einem Verschleiß
des gesamten Gelenkknorpels geführt habe. Bei der Panarthrose des linken Kniegelenkes
handele es sich um einen schicksalhaft und nicht traumatisch bedingten Verschleiß. Die
Funktionseinschränkung im linken Kniegelenk sei nach Auffassung des Gutachters
zweifelsfrei auf den radiologisch nachgewiesenen massiven Gelenkverschleiß mit Verlust
der Kniescheibengleitfähigkeit und nicht auf eine Verkürzung der Quadricepssehne
zurückzuführen. Eine MdE in messbarem Grade bestehe beim Kläger nicht. Das Gericht
habe keine Bedenken, diesen Ausführungen des Gutachters zu folgen.
Gegen den ihm am 22.10.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem
am 28.10.2004 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt.
Unter Vorlage von Stellungnahmen des Dr. A. trägt er vor, Dr. A. habe bei der von ihm
durchgeführten Untersuchung die modernsten technischen Hilfsmittel, eine
Kernspintomographie, eingesetzt, die es zur Zeit der früheren Untersuchungen in der
verfeinerten Art, wie sie nun eingesetzt werde, noch nicht gegeben habe, und eine Ruptur
des vorderen Kreuzbandes festgestellt, die auf den Unfall vom 25.02.1978 zurückzuführen
sei. Der Unfallmechanismus gebe die Möglichkeit einer Rotationsschädigung her, da eine
Verkippung des Rumpfes beim Herauskippen aus dem Auto nachfolgende
Rotationsverletzungen des Kniegelenkes ermöglichen könne. Dies schließe auch eine
gleichzeitige Quadricepssehnenverletzung nicht aus. Der fehlende Nachweis von giving
ways gebe im Umkehrschluss nicht die Begründung für ein nicht rupturiertes vorderes
Kreuzband, da über einen gewissen Zeitraum sicherlich Kompensationsmechanismen bei
guter Muskulatur möglich seien. Bis 2003 sei er laufend bei Dr. Ro. in orthopädischer
Behandlung gewesen. Hätte er zwischen 1978 und 2003 einen erneuten Unfall gehabt,
der sich auf die Instabilität des Knies ausgewirkt hätte, wäre dies sicherlich von Dr. Ro.
festgestellt worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts für das Saarland
vom 14.10.2004 sowie des Bescheides vom 16.05.2001 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 23.08.2001 zu verurteilen, ihm wegen Verschlimmerung der
Folgen des Unfalls vom 25.02.1978 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 vom
Hundert, hilfsweise von 10 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides an.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten (2 Bände) der Beklagten; der Inhalt
der Beiakten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage
abgewiesen. Dem Kläger steht infolge des Arbeitsunfalls vom 25.02.1978 auch weiterhin
kein Anspruch auf eine Verletztenrente zu.
Der Rentenanspruch des Klägers ist noch nach den bis 31.12.1996 gültigen Vorschriften
der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen. Die Vorschriften über Renten des am
01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) gelten für
Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind,
nur dann, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals
festzusetzen sind (§ 214 Abs. 3 SGB VII). Da vorliegend bereits im Jahr 1978 dem Kläger
eine vorläufige Rente gewährt worden war, finden noch die Vorschriften der RVO
Anwendung.
Ein Anspruch des Klägers auf Wiedergewährung von Verletztenrente würde nur bestehen,
wenn im Unfallfolgezustand, der dem bindenden Bescheid vom 24.10.1978 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1978 zu Grunde lag, eine wesentliche Änderung
im Sinne einer Verschlimmerung eingetreten wäre (§ 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des
Sozialgesetzbuchs – SGB X), die, da vorliegend ein Stützrententatbestand im Sinne des §
581 Abs. 3 RVO bestünde, zu einer MdE von wenigstens 10 vom Hundert geführt hätte.
Diese Voraussetzungen sind jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erfüllt.
Der Sachverständige Dr. T. führt in seinem Gutachten aus, nach übereinstimmender
Auffassung im medizinischen Schrifttum heile eine korrekt versorgte
Quadricepssehnenruptur ohne Funktionsdefizite aus. Lediglich bei größeren
Substanzdefekten oder stärkeren Verkürzungseffekten nach Sehenrekonstruktion mit
Zugspannung sei mit einer Funktionseinbuße zu rechnen. Derartige pathomorphologische
Veränderungen hätten im vorliegenden Fall nicht vorgelegen. Eine Verkürzung der
Veränderungen hätten im vorliegenden Fall nicht vorgelegen. Eine Verkürzung der
Quadricepssehne werde in keinem der zahlreichen Gutachten objektiv nachgewiesen. Ein
erstmals nach mehr als 20 Jahren festgestelltes Streckdefizit im Bereich des linken
Kniegelenkes (Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F. vom 05.10.1999), das
auch bei der jetzigen Untersuchung nachweisbar gewesen sei, sei nicht ursächlich auf das
Unfallereignis vom 25.02.1978 zurückzuführen, sondern ausschließlich auf die festgestellte
Femuro-Patellargelenkarthrose, die zu einem Verlust der Gleitfähigkeit der Kniescheibe als
funktionell wichtigem Bestandteil des Streckapparates geführt habe.
Auf Grund fehlender unmittelbarer Beziehungen zum Kniebinnenraum seien intraartikuläre
Folgeschäden – beispielsweise im Bereich des Gelenkknorpels – nach
Quadricepssehnenverletzungen auszuschließen. Unfallbedingte Knorpelschäden mit daraus
resultierender posttraumatischer Arthrose setzten eine unmittelbare Schädigung des
Gelenkknorpels voraus. Im vorliegenden Fall habe bereits zum Unfallzeitpunkt eine
degenerative Schadensanlage im Bereich des linken Kniegelenkes vorgelegen, die im
weiteren Verlauf fortgeschritten sei und schließlich zu einem Verschleiß des gesamten
Gelenkknorpels geführt habe. Auf Grund des dokumentierten Verlaufs handele es sich bei
der Panarthrose des linken Kniegelenks um einen schicksalhaft und nicht traumatisch
entstandenen Gelenkverschleiß. Die Tatsache, dass beim Kläger auch andere Gelenke
(rechtes Hüftgelenk, rechtes Kniegelenk, Sprunggelenke) ohne erkennbare äußere Ursache
in einem Degenerationsprozess betroffen seien, spreche zweifelsfrei für eine allgemeine
anlagebedingte Verschleißkrankheit.
Bei der jetzigen Untersuchung habe sich als Folge des Unfalls vom 25.02.1978 lediglich
eine reizlose Narbenbildung oberhalb der linken Kniescheibe gefunden. Die linke Kniescheibe
sei vollständig auf der Unterlage fixiert. Am linken Kniegelenk seien eine Streckhemmung
um 15° und eine Einschränkung der Beugefähigkeit um 25° nachweisbar. Auffallend sei
eine deutliche Mehrbemuskelung des linken Beines um bis zu 2 cm, die gegen eine
verminderte Belastbarkeit des linken Beines spreche. Die Funktionseinschränkung im linken
Kniegelenk sei zweifelsfrei auf den radiologisch nachgewiesenen massiven Gelenkverschleiß
mit Verlust der Kniescheibengleitfähigkeit und nicht auf eine Verkürzung der
Quadricepssehne zurückzuführen. Die Panarthrose des linken Kniegelenkes sei mit
Sicherheit konstitutionell und nicht unfallbedingt. Als Folge des Unfalls vom 25.02.1978
liege lediglich eine reizlose Narbenbildung oberhalb der linken Kniescheibe vor. Eine
Verschlimmerung des Unfallfolgezustandes sei nicht eingetreten. Eine MdE in messbarem
Grad bestehe nicht.
Der Gutachter Dr. A. hat als Unfallfolgen eine muskuläre Atrophie des linken Beines, eine
posttraumatische Arthrose linksseitig, ein Streckdefizit des linken Knies von 25° als Folge
des Muskelsehnenabrisses, eine vollständige Fixation der Patella sowie einen Zustand nach
Ruptur des vorderen Kreuzbandes linksseitig beschrieben.
Als Folge des Unfalls vom 25.02.1978 sei eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes
festzustellen. Im Rahmen der Kernspintomographie und des Röntgens sei am linken
Kniegelenk eine gegenüber dem rechten Kniegelenk deutlich voraneilende deformierende
Arthrose zu objektivieren. Seit dem Gutachten des Dr. Sto. vom 20.05.1981 sei eine
stärkere Schmerzhaftigkeit des linken Beines gegenüber der rechten Seite festgestellt,
ebenso eine funktionelle Beeinträchtigung, die links stärker ausgeprägt sei als rechts,
sodass in Bezug auf das fachorthopädische Gutachten vom 07.07.1978 (Dres. M. und R.)
diese funktionelle Beeinträchtigung zugenommen habe. Aus diesem Grund möchte er – Dr.
A. – ab diesem Zeitpunkt die Verschlimmerung festlegen. Unter Würdigung der
Aktenunterlagen könne man feststellen, dass die vordere Kreuzbandruptur, die jetzt
festgestellt worden sei, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch seit dem
Unfall aus dem Jahr 1978 bestehe, wobei die Aktenlage dies nicht hergebe und der Kläger
glaubhaft versichere, dass er in der Zwischenzeit keine Knieverletzung mehr erlitten habe.
Insofern sei sicherlich eine Verschlimmerung der posttraumatischen Veränderung
festzustellen, wobei die Kreuzbandruptur an sich schon Bestandteil des Unfalls aus dem
Jahr 1978 gewesen sei. Unter Würdigung dieser Ausführungen sei die MdE seit dem
fachorthopädischen Gutachten vom 07.07.1978 auf 20 vom Hundert einzuschätzen.
Durch die Instabilität des linken Kniegelenkes habe sich eine vorauseilende
posttraumatische Arthrose eingestellt.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T. an, wonach im
Unfallfolgezustand des Klägers keine wesentliche Änderung eingetreten und die
unfallbedingte MdE auch weiterhin mit unter 10 vom Hundert zu bewerten ist. Dem
abweichenden Gutachten des Dr. A. vermag der Senat nicht zu folgen.
Bereits im vorangegangenen Verfahren S 4 U 6/89 – L 2 U 27/91 wurde festgestellt, dass
die stetig fortschreitende Arthrose im linken Kniegelenk des Klägers keine Folge des
Arbeitsunfalls vom 25.02.1978, sondern anlagebedingt entstanden ist. Bereits aus den
Röntgenaufnahmen vom Unfalltag, die die Dres. M. und R. in ihrem Gutachten vom
07.07.1978 beschrieben haben, war die beginnende Arthrose des linken Kniegelenks
erkennbar. Alle im damaligen Verfahren gehörten Gutachter, auch Prof. Dr. M., der in
seinem Gutachten vom 09.06.1990 zu einer abweichenden MdE-Einschätzung gelangt
war, haben bestätigt, dass die Arthrose bereits vor dem Unfall ihren Anfang genommen
hatte, ständig fortgeschritten und unfallunabhängig entstanden ist. Der Senat hat mit dem
Urteil vom 27.01.1998 entschieden, dass es sich um eine anlagebedingte
Gesundheitsstörung handelt, die nicht auf den Unfall vom 25.02.1978 zurückzuführen ist.
Damit stellt auch die durch den Gelenkverschleiß bedingte zunehmende
Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks keine Folge dieses Unfalls dar, wie Dr. T.
nachvollziehbar dargelegt hat.
Auch die Auffassung des Dr. A., die er in seinen im Berufungsverfahren vom Kläger
vorgelegten Stellungnahmen nochmals aufrecht erhalten hat, dass der Unfall eine Ruptur
des vorderen Kreuzbandes verursacht habe, überzeugt nicht. Die Diagnose einer
Kreuzbandruptur wurde erstmals von Dr. A. gestellt anhand einer Kernspintomographie,
die am 28.01.2003 – rund 25 Jahre nach dem Unfall vom 25.02.1978 – gefertigt wurde, in
der das vordere Kreuzband nicht mehr dargestellt wurde. Nach dem Unfall vom
25.02.1978 wurde aber im Bereich des linken Knies keine Bandinstabilität festgestellt. Im
OP-Bericht des Heiliggeist-Krankenhauses vom 26.02.1978 wird keine Bandverletzung
beschrieben. Bei der klinischen Untersuchung anlässlich der Erstbegutachtung vom
07.07.1978 wurde die Bandfestigkeit überprüft. Es zeigte sich keine Lockerung der
Seitenbänder und auch eine Kreuzbandlockerung bestand nicht. Streckung und Beugung
des Kniegelenks waren frei. Auch bei den späteren zahlreichen Begutachtungen wurde
keine Bandinstabilität beschrieben. Dr. A. hat selbst eingeräumt, dass die Aktenlage die
Feststellung, die Kreuzbandruptur bestehe seit dem Unfall aus dem Jahre 1978, „nicht
hergibt“. Bei fehlendem Anhalt für eine Bandverletzung zeitnah zum Unfall vom
25.02.1978 spricht mehr dafür, dass der Verlust des vorderen Kreuzbandes
unfallunabhängig als Folge der fortschreitenden Arthrose im Kniegelenk entstanden ist, wie
es Dr. Hochstein in seiner von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen
Stellungnahme vom 07.04.2003 dargelegt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines
Unfallzusammenhangs ist bei dieser Sachlage nicht erwiesen.
Die Einholung eines weiteren Zusammenhangsgutachtens, wie in dem vom Kläger
vorgelegten Befundbericht des Prof. Dr. Th., vom 03.05.2005 empfohlen, zur Klärung, ob
zusätzlich ein Kreuzbandriss entstanden ist und die Arthrose des linken Kniegelenks
unmittelbare Folge des Unfalls war, ist nach Auffassung des Senats nicht geboten. Mit dem
Vorliegen eines Kreuzbandrisses hat sich bereits Dr. A. gutachterlich befasst, was Prof. Dr.
Th., offensichtlich nicht bekannt war. Dass die Arthrose des linken Kniegelenks keine Folge
des Arbeitsunfalls vom 25.02.1978 ist, wurde – wie dargelegt – schon im Verfahren S 4 U
6/89 – L 2 U 27/91 durch mehrere Gutachten geklärt, so dass für eine weitere
Begutachtung kein Anlass besteht.
Damit war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann nicht mit der Revision angefochten werden, weil sie gesetzlich
ausgeschlossen und vom Landessozialgericht nicht zugelassen worden ist.
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom
Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der
Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem beim Bundessozialgericht zugelassenen
Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich
beim Bundessozialgericht, Kassel (Postanschrift: 34114 Kassel) einzulegen. Die
Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht
eingegangen sein.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a) die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen
von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von
Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von den
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche
Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem
sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die
unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihres
Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Erfüllung dieser Aufgaben bieten, sofern
die Bevollmächtigten kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind.
Gleiches gilt für Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen, deren Anteile
sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen,
handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und
Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt
und wenn die Vereinigung für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
b) jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt.
Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen sich nicht
durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem
zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die
Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil
abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann, bezeichnet werden.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs.1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt
werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht
schon durch einen Bevollmächtigten der unter I a) genannten Gewerkschaften oder
Vereinigungen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines
Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim
Bundessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen
Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und
Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der
Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten
und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum
Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils)
beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt
benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht,
einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der
beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen
Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.