Urteil des LSG Saarland vom 25.03.1997

LSG Saa: kosten für unterkunft und verpflegung, fahrkosten, behandlung im ausland, ärztliche behandlung, ambulante behandlung, arztkosten, ermessensausübung, behandlungskosten, klinik, krankenkasse

Landessozialgericht für das Saarland
Urteil vom 25.03.1997 (rechtskräftig)
Sozialgericht für das Saarland
Landessozialgericht für das Saarland L 2 K 16/95
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29.03.1995 sowie die
Bescheide der Beklagten vom 04.08.1992 und 15.03.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
17.01.1994 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu bescheiden. Die Beklagte hat dem Kläger die in beiden Rechtszügen entstandenen Kosten zu erstatten. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, welche Kosten die Beklagte für eine ambulante Rehabilitationskur des Klägers in
Davos zu erbringen hat.
Der am xx geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an einem dyshidrotischen Handekzem
bei Atopie und Kontaktsensibilisierungen. Wegen dieser Erkrankung führte er im Jahre 1991 eine stationäre
Rehabilitationskur in der Klinik für Dermatologie und Allergie Davos durch. Kostenträger war die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.
Mit Schreiben vom 12.03.1992 beantragte die Hautärztin Dr. T. für den Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer
ambulanten Badekur in Davos. Der Kläger leide seit vielen Jahren an einem dyshidrotischen Handekzem. Nach der
stationären Heilbehandlung in Davos sei es zum Abheilen der Hautveränderungen gekommen. Da es jetzt wieder zu
einem schweren Schub mit erosiven Hautveränderungen an den Händen gekommen sei, sei eine mindestens
dreiwöchige ambulante Badekur in Davos erforderlich.
Die Beklagte holte ein Gutachten (vom 10.04.1992) beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein,
der nach Untersuchung des Klägers die Auffassung vertrat, die Durchführung einer ambulanten Reha-Maßnahme vor
Ablauf der Dreijahresfrist sei indiziert. Es solle ein Kurort in allergenarmer Gegend gewählt werden.
Mit Formularschreiben vom 21.04.1992 erteilte die Beklagte dem Kläger eine "Leistungszusage für eine ambulante
Vorsorge- oder Rehabilitationskur im Ausland". In dem Schreiben wurde der Kläger darauf hingewiesen, daß mit den
Ärzten und Kurverwaltungen im Ausland keine Verträge bestünden, so daß der Arzt am Kurort nicht direkt mit der
Beklagten abrechnen könne. Er werde daher eine Privatrechnung für den Kläger ausstellen. Nach beendetem
Aufenthalt solle er - der Kläger - die bezahlte Honorarrechnung vorlegen. Er erhalte dann den Betrag erstattet, wie er
bei einer vertragsbadeärztlichen Behandlung in der Bundesrepublik entstanden wäre. Auch die Kurmittel müsse er
zunächst bezahlen. Er erhalte dann die für Sozialversicherungsträger gültigen Sätze oder, falls keine vereinbart
worden seien, die Leistungen vergleichbarer Inlandssätze zurück, jedoch nicht mehr als die tatsächlichen
Aufwendungen.
In der Zeit vom 15.05. bis 12.06.1992 führte der Kläger die Kur in Davos durch. Die Behandlung erfolgte ambulant in
der Klinik für Dermatologie und Allergie Davos.
Mit Schreiben vom 28.07.1992, das bei der Beklagten am 03.08.1992 einging, beantragte der Kläger die Erstattung
der entstandenen Gesamtkosten. Bereits im vergangenen Jahr habe er sich auf Kosten der BfA in stationärer
Behandlung in Davos befunden. Nachdem im Frühjahr dieses Jahres nochmals allergische Reaktionen aufgetreten
seien, habe seine behandelnde Ärztin erneut eine Behandlung in Davos empfohlen. Als Kenner der Sachlage habe er
mit ihr eine ambulante Behandlung in derselben Klinik abgesprochen. Es sei nicht erforderlich gewesen, bei einem
teuren Pflegesatz hospitalisiert zu werden. So habe er sich in der Ambulanz der Klinik angemeldet und gleichzeitig
einen günstigen Hotelaufenthalt besorgt. Durch sein umsichtiges Verhalten habe er der Beklagten gegenüber einer
stationären Behandlung mindestens 15.000,00 DM erspart. Daher dürfe es außer Frage stehen, daß ihm die
entstandenen Gesamtkosten zu ersetzen seien.
Mit Bescheid vom 04.08.1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, wie aus ihrem Schreiben vom 21.04.1992 zu
ersehen sei, erstatte die Kasse die Kosten der Kurmittel und Arzneien bis zu dem Betrag, den sie im Inland zu zahlen
gehabt hätte. Die Kosten der badeärztlichen Behandlung würden in der Höhe vergütet, wie sie im Inland auf
Badearztausweis nach dem Badearztvertrag angefallen wären. Zu den Kosten für die Unterbringung und Verpflegung
könne sie keinen Zuschuß zahlen, ebenso nicht für die angefallenen Fahrkosten von H. nach Davos.
Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 12.08.1992, das die Beklagte als Widerspruch
behandelte. Im weiteren Verlauf des Verfahrens stellte er klar, daß es ihm um die Erstattung der restlichen Arztkosten
in Höhe von 437,87 DM, eines Tageszuschusses von insgesamt 420,00 DM (15,00 DM täglich) sowie der Fahrkosten
in Höhe von 309,40 DM (Eisenbahnkosten 2. Klasse), insgesamt 1.167,27 DM, gehe.
Mit Bescheid vom 15.03.1993 lehnte die Beklagte erneut die Erstattung weiterer Kosten ab. Dem Kläger seien für eine
ambulante Badekur in Davos Leistungen nach den Sätzen zugesagt worden, wie sie bei ärztlichen Leistungen im
Inland zugrunde zu legen gewesen wären. Der darüber hinaus nach § 16 Abs. 1 der Satzung der Kasse alle nicht-
medizinischen Leistungen abgeltende Zuschuß von 15,00 DM täglich werde nach einem alle Kassen betreffenden
Beschluss des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) für Kuren im Ausland nicht erbracht. Die
Erstattung der ärztlichen Behandlungskosten und der Kosten für die therapeutischen Maßnahmen zu den
Inlandsätzen beruhe auf einem Bescheid des Bundesversicherungsamtes in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde.
Der Kläger habe die Leistungen erhalten, die ihm zugesagt worden seien und die nach Art und Umfang einer
ambulanten Badekur entsprechen würden. Fahrkosten würden für ambulante Kuren auch für Maßnahmen im Inland bei
zum Teil weiteren Entfernungen nicht übernommen.
Mit Schreiben vom 26.04.1993 machte der Kläger unter Bezugnahme auf § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch -
Verwaltungsverfahren (SGB X) geltend, wenn eine notwendige Behandlung nur außerhalb des Geltungsbereichs der
Bundesrepublik Deutschland möglich sei, könne die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung sowie
weitere Kosten für den Versicherten gemäß § 18 Sozialgesetzbuch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ganz
oder teilweise übernehmen. Außer Streit stehe, daß die bei ihm erforderliche Behandlung nicht innerhalb der
Bundesrepublik, wohl aber in Davos/Schweiz möglich sei. Soweit der Kasse nach § 18 SGB V ein Ermessen bei der
Bemessung der Leistungen eingeräumt worden sei, müsse dieses in jedem Einzelfall pflichtgemäß ausgeübt werden.
Das sei aber hier gerade nicht der Fall gewesen, da die Beklagte sich hinsichtlich des die nicht medizinischen
Leistungen betreffenden Tageszuschusses in Höhe von 15,00 DM auf einen nicht näher bezeichneten "alle Kassen
betreffenden Beschluss des VdAK", der Erstattung der ärztlichen Behandlungskosten nach Inlandsätzen auf einen
nicht näher bezeichneten Bescheid des Bundesversicherungsamtes in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde und
der Fahrkosten auf die Praxis, daß "für ambulante Kuren auch für Maßnahmen im Inland bei zum Teil weiteren
Entfernungen" keine Fahrkosten übernommen würden, berufen habe. Es fehle daher gänzlich an einer eigenen
Ermessensausübung der Beklagten, zumindest aber liege ein Ermessensfehlgebrauch vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.1994 wurde der Widerspruch des Klägers vom 12.08.1992 zurückgewiesen. Die
Kosten für die einzelnen Behandlungsmaßnahmen seien im satzungsgemäßen Umfang erstattet worden. Die
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach § 18 SGB V seien nicht erfüllt, weil der MDK nicht bestätigt
habe, daß die Krankheit nur im Ausland behandelt werden könne. Aus seinem Gutachten vom 10.04.1992 ergebe sich
zwar, daß die Kur in einer allergenarmen Gegend durchgeführt werden solle, aber nicht, daß ausschließlich Davos in
Frage kommen müsse. Bei entsprechenden klimatischen Bedingungen und vorhandener fachärztlicher Betreuung
hätte die Behandlung auch im Bundesgebiet durchgeführt werden können. Solche Voraussetzungen biete z.B.
Höchenschwand mit einer Höhenlage von mehr als 1000 m oder eine der Nordseeinseln.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat die Klage mit Urteil vom 29.03.1995 abgewiesen. In den Gründen hat es
ausgeführt, Ansprüche des Klägers auf Erstattung der restlichen Arztkosten in Höhe von 437,87 DM und von
Tageszuschüssen in Höhe von insgesamt 420,00 DM sowie der Fahrkosten in Höhe von 309,40 DM bestünden nicht.
Was die Arztkosten betreffe, so sei in dem Bewilligungsbescheid vom 21.04.1992 ausgeführt worden, daß derjenige
Betrag erstattet werde, wie er bei einer vertragsbadeärztlichen Behandlung in der Bundesrepublik entstanden wäre.
Insoweit sei unstreitig eine Erstattung erfolgt. Nach § 16 der Satzung erhielten Versicherte, denen die Beklagte
medizinisch erforderliche Maßnahmen in Form einer ambulanten Rehabilitationskur (§ 40 SGB V) erbringe, zu den
übrigen Kosten der Kur einen Zuschuß von 15,00 DM täglich. Diese Bestimmung sei aber, wie sich aus der
Bezugnahme auf § 40 SGB V ergebe, auf Inlandskuren ausgerichtet, vorliegend also nicht einschlägig. § 18 SGB V
stelle das "Ob" und den Umfang der Kostenerstattung bei Auslandsbehandlungen in das Ermessen der
Krankenkasse, wobei auch eine Beschränkung auf diejenigen Kosten, die bei einer entsprechenden Behandlung im
Inland entstanden wären, zulässig sei. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Ermessensausübung sei dabei auch der
Erlaß von Richtlinien gemäß § 35 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -
(SGB IV) zulässig. Seien aber derartige Ermessensrichtlinien zulässig, so könne es der Beklagten auch nicht
verwehrt sein, sich im Rahmen der Ermessensausübung auf einen Bescheid des Bundesversicherungsamtes zu
berufen, soweit dieser gleichmäßig angewendet werde. Demgemäß sei die Erstattungsbeschränkung betreffend die
Arztkosten nicht zu beanstanden. Was den Tageskostenzuschuß betreffe, so sei ebenfalls § 18 SGB V einschlägig,
d.h., daß die Leistung im Ermessen der Beklagten stehe, so daß auf die oben gemachten Ausführungen in
Verbindung mit dem Beschluss des VdAK verwiesen werden könne. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf
Erstattung der Fahrkosten. Rechtsgrundlage sei auch insoweit § 18 SGB V, was sich bereits aus § 60 Abs. 4 S. 2
SGB V ergebe. Darüber hinaus sehe § 60 SGB V auch bei ambulanten Reha-Kuren im Inland eine
Fahrkostenübernahme grundsätzlich nicht vor. Auch die Behauptung des Klägers, ihm habe ein Anspruch auf eine
stationäre Reha-Kur zugestanden, rechtfertige kein abweichendes Ergebnis. Denn er habe einen Antrag auf eine
ambulante Reha-Kur in Davos gestellt und mit Bescheid vom 21.04.1992 sei auch eine ambulante Reha-Kur im
Ausland bewilligt worden.
Gegen dieses ihm am 18.04.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 16.05.1995 eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt.
Er trägt vor, entgegen der Ansicht des SG sei die Begründung einer Ermessensentscheidung mit einer Richtlinie oder
einem Bescheid unzulänglich, da die Existenz einer Richtlinie oder eines Bescheides des
Bundesversicherungsamtes, selbst dann, wenn sie zwecks gleichmäßiger Ermessensausübung erlassen worden sein
sollten, den Entscheidungsträger nicht der Pflicht zur konkreten Ausübung eines Ermessens enthebe. Darüber hinaus
werde ihm - dem Kläger - der Wortlaut des angeblichen, nicht näher bezeichneten "Bescheides" des
Bundesversicherungsamtes vorenthalten. Die bloße Behauptung eines Bescheides stelle keine nachvollziehbare
Entscheidungsbegründung dar. Dies gelte auch für den von der Beklagten zur Begründung für die Ablehnung des
Tageszuschusses herangezogenen, nicht näher bezeichneten "alle Kassen betreffenden Beschluss des VdAK". Von
der Beklagten nicht behauptet noch bewiesen sei die vom SG für notwendig erachtete tatsächliche gleichmäßige
Anwendung der angeblichen Richtlinie. Entgegen der Auffassung des SG sehe § 60 Abs. 1 SGB V auch die
Übernahme von Fahrkosten zu ambulanten Reha-Kuren vor, wenn dadurch eine an sich gebotene stationäre
Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt werde. Seine Kurbehandlung wäre vom MDK aber auch als
stationäre Maßnahme bewilligt worden, hätte er - der Kläger - nicht auf einer - billigeren - ambulanten Maßnahme
bestanden.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29.03.1995 sowie die Bescheide der Beklagten vom 04.08.1992
und 15.03.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.1994 aufzuheben, 2. die Beklagte zu
verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der MDK habe den Antrag des Klägers befürwortet und einen Kurort in allergenarmer Gegend
vorgeschlagen. Weil der Kläger als Kurort Davos gewählt habe, habe sie - die Beklagte - am 21.04.1992 Leistungen
"für eine ambulante Vorsorge- oder Rehabilitationskur im Ausland" bewilligt. Fahrkosten zum Kurort sowie einen
Zuschuß zu den übrigen Kosten der Kur - wie für Behandlungsmaßnahmen im Inland vorgesehen - habe sie nicht
bewilligt. Die medizinischen Voraussetzungen für Leistungen nach § 18 SGB V lägen nicht vor, da die Behandlung
des Klägers im Bundesgebiet möglich gewesen wäre. Im übrigen bezieht sie sich auf das Urteil des SG, das sie für
zutreffend hält.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten; der Inhalt der Beiakte war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Dem Kläger steht ein
Anspruch auf erneute, ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrages auf Erstattung der noch geltend gemachten
Kosten zu.
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 04.08.1992 und 15.03.1993 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 17.01.1994. Das Schreiben vom 04.08.1992 ist zwar nicht mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Da die Beklagte mit diesem Schreiben die Übernahme weiterer Kosten für die
ärztliche Behandlung sowie eine Beteiligung an den Kosten für Unterbringung und Verpflegung und an den Fahrkosten
abgelehnt hat, handelt es sich inhaltlich um eine Regelung mit Außenwirkung und damit um einen Verwaltungsakt im
Sinne des § 31 SGB X. Das Schreiben des Klägers vom 12.08.1992, mit dem er sich gegen diese Entscheidung
gewandt hat, wurde daher von der Beklagten zu Recht als Widerspruch aufgefaßt. Der Bescheid vom 15.03.1993, mit
dem die Beklagte die ablehnende Entscheidung bestätigt hat, ist entsprechend § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) kraft Gesetzes Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden, ohne daß es hierzu eines
erneuten Widerspruchs bedurfte. Das Schreiben des Klägers vom 26.04.1993, mit dem er sich wegen der -
vermeintlichen - Versäumung der Widerspruchsfrist auf § 44 Abs. 1 SGB X berufen hat, ist daher lediglich als weitere
Widerspruchsbegründung anzusehen.
Die rechtliche Beurteilung richtet sich nach § 18 SGB V, der die Kostenübernahme bei einer Behandlung im Ausland
regelt und eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V darstellt, wonach der Leistungsanspruch
- von den im Gesetz bestimmten Ausnahmen abgesehen - ruht, solange sich der Versicherte im Ausland aufhält.
Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V kann die Krankenkasse, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist, die Kosten der
erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen. In den Fällen des Abs. 1 kann die Krankenkasse gemäß
§ 18 Abs. 2 SGB V auch weitere Kosten für den Versicherten ganz oder teilweise übernehmen.
Mit Schreiben vom 21.04.1992 hat die Beklagte dem Kläger eine "Leistungszusage für eine ambulante Vorsorge- oder
Rehabilitationskur im Ausland" erteilt. Da der Kläger ausdrücklich die Gewährung einer ambulanten Reha-Kur in Davos
beantragt hatte, kann diese Zusage nur dahingehend ausgelegt werden, daß sie - wie beantragt - für eine ambulante
Kur in Davos erteilt wurde. Daß die Beklagte selbst die Zusage so verstanden hat, geht eindeutig aus ihrem Bescheid
vom 04.08.1992 hervor, in dem sie wörtlich ausgeführt hat, daß sie am 21.04.1992 eine Leistungszusage für eine
ambulante Kurmaßnahme in Davos erteilt habe. Bei dieser schriftlichen Zusage handelt es sich ebenfalls um einen
Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte verbindlich das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Auslandsbehandlung
gemäß § 18 SGB V anerkannt hat. Hieran ist die Beklagte gebunden, so daß sie sich im Rechtsstreit nicht darauf
berufen kann, eine Behandlung des Klägers sei auch im Bundesgebiet möglich gewesen.
Weiterhin wurde mit dem Bescheid vom 21.04.1992 verbindlich zugesagt, daß die Arztkosten jedenfalls in der Höhe
erstattet werden, wie sie bei einer vertragsbadeärztlichen Behandlung in der Bundesrepublik entstanden wären.
Bezüglich der Kosten für Unterkunft und Verpflegung und der Fahrkosten wurden in dem Bescheid vom 21.04.1992
keine Regelungen getroffen, weder im positiven noch im negativen Sinn. Er enthält lediglich noch den Hinweis an den
Kläger, daß er sich, falls er mit einem Zug anreisen wolle, nach Fahrpreisermäßigungen erkundigen solle.
Über den Antrag des Klägers vom 03.08.1992, über die bereits erteilte Zusage hinaus weitere Kosten zu erstatten,
hatte die Beklagte daher im Rahmen des § 18 Abs. 1 und 2 SGB V nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Bei Ermessensentscheidungen steht der Behörde bzw. Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Ermessensspielraum
zu, der nur in eingeschränktem Maße der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet wurden und von dem Ermessen in einer dem Zweck der
Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 54 Abs. 2 S. 2 SGG), ist aber nicht berechtigt,
anstelle der Behörde oder Körperschaft eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen.
Nach § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V steht es im Ermessen der Beklagten, die erforderlichen Behandlungskosten ganz oder
teilweise zu übernehmen. Gleiches gilt gemäß § 18 Abs. 2 SGB V für die Übernahme weiterer Kosten. Zu den
"weiteren Kosten" gehören alle Kosten, die nicht Behandlungskosten sind, somit auch die Kosten für Unterkunft und
Verpflegung sowie die Fahrkosten (siehe Noftz in Hauck/Haines, SGB V - gesetzliche Krankenversicherung, Komm.,
K § 18 Rdnr. 6). § 60 SGB V, der für die Übernahme der Fahrkosten Einschränkungen vorsieht, findet bei der
Auslandsbehandlung keine Anwendung. Dies ergibt sich aus § 60 Abs. 4 S. 2 SGB V, der den § 18 SGB V
ausdrücklich unberührt läßt. Die Übernahme der Fahrkosten richtet sich daher allein nach § 18 Abs. 2 SGB V (siehe
dazu Noftz a.a.O. Rdnr. 6 a mit Hinweisen auf die Gesetzesbegründung und weiteren Nachweisen).
Die Beklagte hat vorliegend offensichtlich verkannt, daß ihr hinsichtlich der Übernahme der noch streitigen Kosten ein
Ermessen zusteht, daß insbesondere auch die Übernahme der ganzen Kosten zulässig ist. In den angefochtenen
Bescheiden sind keinerlei Ermessenserwägungen enthalten. Die Beklagte ist vielmehr davon ausgegangen, daß eine
weitere Kostenübernahme von vornherein nicht in Betracht kommt und beruft sich insoweit auf einen "alle Kassen
betreffenden Beschluss des VdAK" und einen "Bescheid des Bundesversicherungsamtes".
Bei diesem "Beschluss", den die Beklagte im Berufungsverfahren vorgelegt hat, handelt es sich um die Niederschrift
eines Besprechungsergebnisses - wer an dieser Besprechung teilgenommen hat, geht aus den Unterlagen nicht
hervor -, wonach übereinstimmend bekräftigt worden sei, daß bei Auslandskuren keine Pensionskostenzuschüsse
(abgesehen vom Gasteiner Tal) zu bewilligen seien. Abgesehen davon, daß hier nur von Pensionskostenzuschüssen
die Rede ist, ist nicht ersichtlich, inwieweit ein solches Besprechungsergebnis die Beklagte von ihrer Pflicht entbinden
könnte, bei einer Entscheidung über einen Leistungsantrag die gesetzlichen Vorschriften zu beachten, die von ihr eine
Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles verlangen.
Bei dem vorgelegten "Bescheid" des Bundesversicherungsamtes handelt es sich um ein Schreiben vom 07.12.1989
an die Ersatzkasse, in dem die Rechtsauffassung vertreten wird, daß bei Auslandskuren die Aufwendungen für in
Anspruch genommene Leistungen nach deutschen Inlandssätzen erstattet werden könnten, sofern die ausländischen
Sätze nicht bekannt seien. Daß die erstattungsfähigen Beträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen
dürften, sei selbstverständlich. Ferner könne auch die Zahlung eines Zuschusses zu den übrigen Kosten der Kur
vorgesehen werden. Die Kostenübernahme nach Inlandssätzen ist eine im Rahmen des § 18 SGB V mögliche
Entscheidung, § 18 SGB V läßt aber darüber hinaus auch die Übernahme der gesamten Kosten zu. Bezüglich der
übrigen Kosten der Kur kann auch nach der Auffassung des Bundesversicherungsamtes eine Kostenbeteiligung
erfolgen. Auch insoweit ist nicht nachvollziehbar, wieso die Beklagte meint, dieses Schreiben des
Bundesversicherungsamtes könne sie von der Verpflichtung einer Ermessensentscheidung im Einzelfall entbinden.
Zwar ist der Vorstand des Versicherungsträgers gemäß § 35 Abs. 2 SGB IV befugt, Richtlinien für die Führung der
Verwaltungsgeschäfte zu erlassen, die gerade bei Ermessensentscheidungen einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis
dienlich sind. Ob es für die Auslandsbehandlung solche Richtlinien des Vorstandes der Beklagten gibt, kann
dahinstehen, da die Beklagte sich in den angefochtenen Bescheiden nicht auf solche Richtlinien stützt. Das
Schreiben des Bundesversicherungsamtes und das Besprechungsergebnis des VdAK können jedenfalls nicht als
solche Verwaltungsrichtlinien angesehen werden, zumal die Kompetenz zum Erlaß dieser Richtlinien beim Vorstand
des Versicherungsträgers und nicht beim Bundesversicherungsamt oder dem VdAK liegt.
Im Ergebnis ist somit festzustellen, daß die Beklagte beim Erlaß der angefochtenen Bescheide das ihr im Rahmen
des § 18 SGB V zukommende Ermessen nicht ausgeübt hat, so daß die Bescheide rechtswidrig sind. Die Beklagte
ist verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Übernahme der geltend gemachten Kosten unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Dabei wird sie bei ihren Ermessenserwägungen auch die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zu berücksichtigen haben (siehe dazu Noftz a.a.O. Rdnr.
4; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 18 Rdnrn. 31, 36), zu denen sie bisher noch keinerlei
Ermittlungen angestellt hat.
Nach alledem war der Berufung des Klägers stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.