Urteil des LSG Saarland vom 14.10.2005

LSG Saarbrücken: rumänien, unbezahlter urlaub, beitragszeit, arbeitsunfähigkeit, wahrscheinlichkeit, rente, bestätigung, archiv, sicherheit, glaubhaftmachung

LSG Saarbrücken Urteil vom 14.10.2005, L 7 RJ 98/03
Fremdrentenrecht - rumänische Beitragszeit - Glaubhaftmachung - Nachweis - Beweiswert
von rumänischen Arbeitsbescheinigungen und Lohnlisten - Adeverinta - Kürzung
Leitsätze
Arbeitsbescheinigungen aus Rumänien ( Adeverintas ) sind auch dann, wenn sie auf der
Grundlage von Lohnlisten erstellt worden sind, grundsätzlich nicht geeignet, den Vollbeweis
für die ununterbrochene Zurücklegung von Versicherungszeiten zu erbringen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
28.01.1999 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen, als die Zeiten vom
05.08.1972 bis 30.09.1977 und vom 01.07.1978 bis 22.11.1984 hiervon betroffen sind.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die volle Anerkennung von in Rumänien zurückgelegten
Versicherungszeiten.
Der 1954 geborene Kläger stammt aus Rumänien und lebt seit dem 19.12.1984 in der
Bundesrepublik Deutschland. Er ist Inhaber des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge
„A".
Zu einem am 11.06.1985 gestellten Antrag auf Kontenklärung reichte er eine
Bescheinigung der Betriebsleitung ein, wonach er in der Zeit vom 05.08.1972 bis
22.10.1984 bei der Station für die Mechanisierung der Landwirtschaft in S.B.A. (S.M.A.) als
landwirtschaftlicher Mechaniker, Werkstattmechaniker, Drehermechaniker und Dreher
beschäftigt gewesen war. Weiter gab er an, dass er vom 01.10.1977 bis 28.06.1978 bei
der rumänischen Wehrmacht gedient habe.
Mit Bescheid vom 23.04.1987 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers
fest, wobei sie u.a. die Zeiten vom 05.08.1972 bis 22.10.1984 mit insgesamt 147
Pflichtbeiträgen anerkannte.
Mit Bescheid vom 21.05.1997 teilte die Beklagte dem Kläger dann u.a. mit, dass die
Zeiten vom 05.08.1972 bis 22.10.1984 als Beitragszeiten in der Rentenversicherung der
Arbeiter nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigt würden. Zugrunde gelegt
werde die Qualifikationsgruppe 4, Bereich 14 der Anlage 14 zum 6. Buch des
Sozialgesetzbuchs, Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), Tabellenwerte um 1/5
erhöht. Die Anrechnung könne nur zu 5/6 erfolgen, weil die Beitrags- und
Beschäftigungszeiten nicht nachgewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht seien.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass seine
Beitrags- und Beschäftigungszeiten nachgewiesen seien.
Der eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.1998 als
unbegründet zurückgewiesen.
In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde u.a. ausgeführt, dass die Beurteilung
der in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten nach § 22 Abs. 3, 4 FRG erfolgt sei.
Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 FRG (volle Anerkennung bei zehnjähriger Dauer der
Beschäftigung beim selben Arbeitgeber) sei durch Art. 15 Rentenreformgesetz (RRG) 1992
gestrichen worden. Bescheide, die außerhalb einer Rentenbewilligung aufgrund der
Versicherungsunterlagen-Verordnung oder des Fremdrentenrechts Feststellungen getroffen
hätten, seien zu überprüfen, ob sie mit den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden
Vorschriften des SGB VI und des Fremdrentenrechts übereinstimmten. Beginne eine Rente
nach dem 31.07.1991, sei die für diese Rente nach diesem Zeitpunkt maßgebende
Fassung des SGB VI und des Fremdrentenrechts von ihrem Beginn an auch dann
anzuwenden, wenn der Feststellungsbescheid nach Satz 1 noch nicht durch einen neuen
Feststellungsbescheid ersetzt sei. Die Aufhebung des Bescheides vom 23.04.1987 sei
nach Art. 38 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) zulässig.
Gegen den am 27.01.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am
23.02.1998 Klage erhoben.
Zur Begründung hat er u.a. eine Bescheinigung (Adeverinta) der Handelsgesellschaft
„A.S.S. vom 22.04.1998 vorgelegt, wonach der Kläger bei der Handelsgesellschaft vom
05.08.1972 bis 22.11.1984 in der Funktion „Dreher" gearbeitet habe, wie aus im Archiv
befindlichen Zahlungslisten hervorgehe. Er habe 8 Stunden täglich, 48 Stunden wöchentlich
gearbeitet, keinen Krankenurlaub gehabt und nicht unentschuldigt gefehlt. Die Gesellschaft
habe gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat mit Urteil vom 28.01.1999 die Beklagte unter
Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, die in Rumänien abgeleisteten
Versicherungszeiten entsprechend der Bescheinigung vom 22.04.1998 voll (6/6) zu
berücksichtigen.
Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 22
Abs. 3 FRG in der ab 01.02.1992 geltenden Fassung die Entgeltpunkte für nicht
nachgewiesene Beitragszeiten nach dem FRG um 1/6 gekürzt würden. Dadurch wolle der
Gesetzgeber sicherstellen, dass ausländische Versicherungszeiten nicht in einem größeren
Umfang angerechnet würden, als sie nach bundesdeutschem Recht zu berücksichtigen
seien. Unter das FRG fallende Personen sollten so gestellt werden, als hätten sie in der
Bundesrepublik Deutschland gearbeitet. Die bis zum 31.12.1991 geltende Vorschrift des §
19 Abs. 2 FRG, wonach die Zeit einer ununterbrochenen Beschäftigung von mindestens 10
Jahren bei demselben Arbeitgeber in vollem Umfange anzurechnen sei, sei auf
Versicherungsfälle ab dem 01.01.1992 nicht mehr anwendbar. Für den Nachweis der
Beitragszeit i.S.d. § 22 Abs. 3 FRG sei der so genannte Vollbeweis erforderlich. D.h., es
müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass die Beitragszeit
im behaupteten Umfang zurückgelegt worden sei. Dagegen sei eine Tatsache nur
glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend
wahrscheinlich sei (§ 4 FRG). Bei Beachtung dieser Grundsätze habe der Kläger zur
Überzeugung des Gerichts jedoch nachgewiesen, dass er in dem hier maßgeblichen
Zeitraum eine versicherungspflichtige Beitragszeit zurückgelegt habe.
Zwar gelte allgemein, dass nach dem zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Klägers in Rumänien
geltenden Recht zu den für die rumänische Rentenversicherung maßgeblichen Arbeitszeiten
nicht nur die Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung gezählt hätten, sondern u.a. auch die Zeiten einer zeitweiligen
Arbeitsunfähigkeit, obwohl dafür keine Beiträge geleistet worden seien. Die Anrechnung
dieser Zeiten nach rumänischem Recht habe der Anrechnung von Ausfallzeiten nach
bundesdeutschem Recht entsprochen. Da Krankheitszeiten nach den rumänischen
Rechtsvorschriften als versicherungspflichtige Arbeitszeiten anerkannt worden seien, sei in
den rumänischen Arbeitsbüchern auf ihre besondere Aufzeichnung verzichtet worden.
Deshalb gelte vom Grundsatz her, dass aus der Bestätigung des rumänischen Arbeitgebers
über eine ununterbrochene Beschäftigung nicht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit geschlossen werden könne, dass ununterbrochen Beiträge entrichtet
worden seien. Vielmehr seien auch in diesem Fall Beitragszeiten nur dann als
nachgewiesen zu 6/6 anzurechnen, wenn aus den vorgelegten Unterlagen (Beitrags- oder
Mitgliedsbescheinigungen, Arbeitsbüchern, Zeugnissen, Arbeitsbescheinigungen) eindeutig
zu entnehmen sei, dass die Zeiten nicht unterbrochen worden seien, oder wenn die
Unterbrechungszeiträume im Einzelnen genau bescheinigt worden seien. Ohne einen
solchen Nachweis könne eine von einem dortigen Arbeitgeber oder Versicherungsträger
bestätigte Zeit grundsätzlich nur als glaubhaft gemacht angesehen werden. Erst wenn eine
solche Arbeitsbescheinigung außer den glaubhaften Angaben über den Umfang der
Beschäftigung auch Angaben über dazwischen liegende Ausfallzeiten enthalte, könne auf
eine ununterbrochene Beitragsleistung geschlossen werden. Gerade eine solche
Bescheinigung werde jedoch vom Kläger vorgelegt. Wie sich aus dieser ergebe, habe der
Kläger während der maßgeblichen Zeit keinen Krankenurlaub gehabt und nicht
unentschuldigt gefehlt. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, bisher sei es nicht
gelungen, eine Bestätigung darüber zu erhalten, ob und in welchem Umfang in den
Betrieben Lohnunterlagen archiviert seien und genaue Daten daher nicht als gesichert zu
betrachten seien, sei nicht entscheidungserheblich. Dies würde nämlich bedeuten, dass der
vorliegenden Bescheinigung, in der auf sich im Archiv der früheren Arbeitgeberin befindliche
Zahlungslisten Bezug genommen werde, keinerlei Beweiskraft zukommen würde. Dies
wiederum würde dazu führen, dass der Kläger mit den ihm zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten einen Beweis in keinem Fall führen könnte. Hinzu komme, dass der Kläger im
Rahmen der mündlichen Verhandlung auch einen Zeugenbeweis angeboten habe. Im
Hinblick darauf, dass die Kammer die vorliegende Bescheinigung für ausreichend erachtet
habe, halte sie eine solche Beweisaufnahme für entbehrlich.
Gegen das ihr am 15.04.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.04.1999
Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass ihres Erachtens die
Arbeitsbescheinigung vom 22.04.1998, in der neben dem Beschäftigungszeitraum das
Nichtvorliegen von Krankenurlaub und unentschuldigtem Fehlen bestätigt werde, nicht für
den Nachweis der Beitragszeiten ausreiche. Der Nachweis einer Beitragszeit sei nur dann
erbracht, wenn sich aus den Beweismitteln zuverlässig ergebe, ob und in welchem Umfang
Fehlzeiten, wie z.B. Krankheit oder unbezahlter Urlaub, vorhanden seien. Seien Fehlzeiten
oder ihr Nichtvorliegen bestätigt, so hänge ihre Nachweisfähigkeit u.a. davon ab, in
welchem Grad es wahrscheinlich sei, dass die bestätigende Stelle diese Angaben
überhaupt machen konnte. Von Bedeutung seien dabei die in dem entsprechenden
Herkunftsland bestehenden Aufzeichnungspflichten sowie die Aufbewahrungsfristen für
solche Unterlagen. Bisher sei es den deutschen Rentenversicherungsträgern nicht
gelungen, eine Bestätigung darüber zu erhalten, ob und in welchem Umfang in den
rumänischen Betrieben Lohnunterlagen archiviert seien, aus denen sich diese genauen
Daten ergeben würden. Die vorgelegte Arbeitsbescheinigung sei daher nicht geeignet, die
an einer ununterbrochenen Beitragsleistung bestehenden Zweifel zu widerlegen, so dass
nur eine Anrechnung zu 5/6 infrage komme.
Aufgrund inzwischen abgeschlossener Ermittlungen sei allerdings festzustellen, dass die
Zeit des Grundwehrdienstes, den der Kläger in seinem Herkunftsland abgeleistet habe, und
zwar vom 01.10.1977 bis 30.06.1978 als nachgewiesene Zeit anzusehen sei. Folglich sei
dieser Zeitraum i.S.v. § 15 FRG zu 6/6 anzuerkennen. Im ursprünglichen
Kontenklärungsantrag habe der Kläger aber bereits angegeben gehabt, im Zeitraum vom
01.10.1977 bis 28.06.1978 militärischen Dienst abgeleistet zu haben. Diese Dienstzeit sei
aber weder in der Arbeitsbescheinigung vom 29.12.1984 noch in der Bescheinigung vom
22.04.1998 dokumentiert. Aus einem Gutachten des Instituts für Ostrecht in München
vom 15.12.1999 sei ersichtlich, dass die in Rumänien einberufenen Arbeitnehmer während
des regulären Wehrdienstes lediglich einen Anspruch auf Vergütung des noch nicht in
Anspruch genommenen Jahresurlaubes gehabt hätten; eine Entlohnung sei demnach nicht
erfolgt. Allerdings sei der Arbeitsvertrag grundsätzlich bestehen geblieben, habe aber als
ausgesetzt gegolten. Damit seien also auch während des Grundwehrdienstes in Rumänien
keine Beiträge nach dem dort geltenden Recht zu entrichten gewesen. Aufgrund dieser
Tatsache und des der normalen Lebenserfahrung widersprechenden Aspekts einer
ununterbrochenen zwölfjährigen Beschäftigungszeit bestünden begründete Zweifel daran,
dass der Bescheinigung aus dem Jahr 1984 die Auswertung der Lohnlisten als Grundlage
gedient habe.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
das Urteil des SG vom 28.01.1999 teilweise aufzuheben und die Klage insoweit
abzuweisen, als die Zeiten vom 05.08.1972 bis 30.09.1977 und vom 01.07.1978 bis
22.11.1984 hiervon betroffen sind.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
wobei er zur Begründung im Wesentlichen vorträgt, dass der ehemalige Arbeitgeber die
Bestätigung vom 22.04.1998 nach Durchsicht der sich im Archiv befindlichen
Zahlungslisten erstellt habe. Ein noch stärkerer Beweis lasse sich nicht erbringen; sollte die
vorgelegte Bescheinigung nur als Glaubhaftmachung angesehen werden, dürfte die
Führung eines Vollbeweises gänzlich unmöglich sein. Rein vorsorglich werde noch einmal
der Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren auf Vernehmung des benannten Zeugen
wiederholt. Auf keinen Fall könnten aus einem in einem anderen Verfahren in Auftrag
gegebenen Gutachten irgendwelche Schlüsse gezogen werden.
Die Beklagte hat das in dem Verfahren L 9 RJ 2551/98 vor dem Landessozialgericht Baden-
Württemberg erstattete Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht vom 15.12.1999 zu
den Gerichtsakten gereicht. Wegen des Inhalts dieses Gutachtens wird auf die bei den
Akten befindliche Ausfertigung verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den weiteren
Akteninhalt sowie auf die Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die von der Beklagten eingelegte Berufung, gegen deren Zulässigkeit sich keine Bedenken
ergeben, ist – soweit sie noch anhängig ist – begründet.
Denn entgegen der Auffassung des SG ist der angefochtene Bescheid vom 21.05.1997 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.1998 insoweit nicht zu beanstanden,
als hiermit die noch streitbefangenen Zeiten vom 05.08.1972 bis 30.09.1977 und vom
01.07.1978 bis 22.11.1984 nur zu 5/6 angerechnet worden sind.
Rechtsgrundlage für die Korrektur des Bescheides vom 23.04.1987 war Artikel 38 RÜG
vom 25.07.1991 (BGBl I 1991, 1606) in der durch das Rentenüberleitungs-
Ergänzungsgesetz (Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I 1993, 1038) geänderten Fassung.
Danach sind Bescheide, die außerhalb einer Rentenbewilligung aufgrund der
Versicherungsunterlagen-Verordnung oder des Fremdrentenrechts Feststellungen getroffen
haben, zu überprüfen, ob sie mit den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden
Vorschriften des SGB VI und des Fremdrentenrechts übereinstimmen. Beginnt eine Rente
nach dem 31.07.1991, so ist gemäß Artikel 38 Satz 2 RÜG die für diese Rente nach
diesem Zeitpunkt maßgebende Fassung des SGB VI und des Fremdrentenrechts von ihrem
Beginn an auch dann anzuwenden, wenn der Feststellungsbescheid nach Satz 1 noch nicht
durch einen neuen Feststellungsbescheid ersetzt ist. Der Feststellungsbescheid ist im
Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ohne Rücksicht auf die
Voraussetzungen der §§ 24 und 48 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs,
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) aufzuheben. Artikel 38 RÜG
stellt damit eine Sonderregelung zu den allgemeinen Verfahrensvorschriften über die
Aufhebbarkeit von Herstellungsbescheiden dar. Dabei wurde durch das Rü-ErgG in einer
Ergänzung (BGBl I 1993, S. 1052) klargestellt, dass es bei der Aufhebung der früheren
Bescheide im Rentenverfahren keiner Anhörung bedarf und dass die Aufhebung unabhängig
vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 SGB X für die Vergangenheit möglich ist (vgl.
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 28.03.2003, Az.: L 13 RJ 591/00).
Der Bescheid vom 23.04.1987 ist mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.05.1997
auch insoweit zu Recht korrigiert worden, als die noch streitbefangenen
Versicherungszeiten nur noch mit 5/6 anerkannt worden sind.
Zwar stehen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG in Verbindung mit § 1 lit. a) FRG bei einem
anerkannten Vertriebenen - wie dem Kläger - Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht
zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Für die Feststellung derartiger Beitragszeiten genügt
es gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG grundsätzlich auch, dass sie glaubhaft gemacht werden.
Wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ergibt, ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr
Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren
Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Für die Glaubhaftmachung
ist es demgemäß ausreichend, wenn bei Würdigung aller Gesamtumstände die gute
Möglichkeit besteht, dass sich der Vorgang so, wie es behauptet wird, zugetragen hat, und
wenn für das Vorliegen dieser Möglichkeit trotz verbleibender begründeter Zweifel letztlich
mehr spricht als dagegen. Der vollständige Beweis (Nachweis) ist demgegenüber
regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen
Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht,
dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt
(vgl. Hessisches LSG vom 28.03.2003 a.a.O.).
Die bis zum 31.12.1991 geltende Vorschrift des § 19 Abs. 2 FRG, wonach die Zeit einer
ununterbrochenen Beschäftigung von mindestens 10 Jahren bei demselben Arbeitgeber in
vollem Umfang anzurechnen war, ist aber auf Versicherungsfälle ab dem 01.01.1992 nicht
mehr anzuwenden. Seither gilt gem. § 22 Abs. 3 FRG in der Fassung des RÜG, dass für
Beitrags- und Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, die ermittelten
Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt werden. Grund für diese pauschale Kürzung ist, dass bei
einem fehlenden Nachweis von Beitragszeiten in diese Zeiten auch Zeiten einer
Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen können, für die der
Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten musste. Die gesetzliche
Regelung geht hierbei von der Erfahrung aus, dass Beschäftigungszeiten im Durchschnitt
nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom
11.12.2000, Az.: L 9 RJ 2551/98).
Durch die vom Kläger im Verwaltungsverfahren ursprünglich vorgelegte Bescheinigung
(Adeverinta) vom 29.12.1984 war lediglich nachgewiesen, dass der Kläger in den
angegebenen Zeiträumen in Rumänien in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat
und dass er während dieser Zeiten grundsätzlich der Beitragspflicht zur
Rentenversicherung unterlag. Echte Beitragszeiten i.S.d. § 15 FRG können jedoch nur unter
der Voraussetzung als bewiesen angesehen werden, dass feststeht, dass für einen
bestimmten Zeitraum auch tatsächlich Beiträge entrichtet worden sind. Ausreichend ist
hierbei jedes irgendwie geartete Beitragsaufkommen, das auf die betreffenden Zeiten zu
beziehen ist (vgl. Hessisches LSG vom 28.03.2003 a.a.O. m.w.N.). Nachgewiesen sind
Beitragszeiten in diesem Sinne allerdings nicht bereits dann, wenn lediglich Anfang und
Ende des jeweiligen Zeitraums einer beitragspflichtigen Beschäftigung genau bekannt sind.
Vielmehr muss darüber hinausgehend auch feststehen, dass während der Dauer der
Beschäftigung keine Ausfalltatbestände (krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit,
Arbeitslosigkeit usw.) eingetreten sind, die zu einer – wenn auch nur vorübergehenden –
Unterbrechung der Beitragsentrichtung geführt haben. Wenn Anfang und Ende einer
Beschäftigungszeit genau bekannt sind, besteht zwar keine zwingende Vermutung
dahingehend, dass zwischen den beiden Zeitpunkten irgendwelche Ausfallzeiten gelegen
haben müssen. Das FRG macht jedoch den Unterschied zwischen glaubhaft gemachten
und nachgewiesenen Zeiten deshalb, weil es von der Erfahrung ausgeht, dass
Beschäftigungszeiten im Allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Angesichts
dessen können Beitragszeiten nur dann als nachgewiesen angesehen werden, wenn
aufgrund konkreter und glaubhafter Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten
und der dazwischen liegenden Ausfallzeiten keine Zweifel daran bestehen, dass im Einzelfall
eine den Anteil von 5/6 übersteigende höhere Beitragsdichte erreicht worden ist (vgl.
Hessisches LSG vom 28.03.2003 a.a.O. m.w.N.). Es müssen mithin
Unterbrechungszeiträume den vorgelegten Unterlagen im Einzelnen zu entnehmen sein
bzw. es muss eindeutig und zweifelsfrei feststehen, dass der Gesamtzeitraum nicht
unterbrochen worden ist.
Ein derartiger Nachweis kann im vorliegenden Fall bei verständiger Würdigung aller
Umstände des Einzelfalls nicht als geführt angesehen werden.
Für aus Rumänien stammende Unterlagen gilt allgemein, dass Angaben im Arbeitsbuch
(Carnet de Munca) für eine Feststellung ununterbrochener Beschäftigungszeiten nicht
ausreichen, da sie zwar Beginn und Ende von Beschäftigungszeiten verzeichnen, nicht
jedoch deren Unterbrechungen, insbesondere durch Krankheit oder Schwangerschaft.
Letztere führen in Rumänien nämlich nicht zu einer Unterbrechung des
Beschäftigungsverhältnisses und mussten daher im Arbeitsbuch nicht verzeichnet werden,
obwohl im Krankheitsfall die Pflicht zur Lohnzahlung entfiel und der Versicherte Anspruch
auf Krankengeld aus der Sozialversicherung hatte (vgl. LSG Baden-Württemberg vom
11.12.2000 a.a.O. m.w.N.).
Etwas anderes kann auch nicht für - im vorliegenden Fall vorgelegte -
Arbeitsbescheinigungen (Adeverintas) gelten. Insoweit lässt sich nach dem von der
Beklagten vorgelegten Gutachten des Instituts für Ostrecht zwar zweifelsfrei feststellen,
dass in Rumänien seit 1949 bis heute ohne Unterbrechung Lohnlisten geführt werden, und
es kann mit größter Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Betriebe,
wenn auch nach unterschiedlichen Detailregelungen, seit 1949 fortlaufend verpflichtet
waren, in diesen Lohnlisten Arbeitszeiten, Arbeitsunterbrechungen sowie entschuldigte und
unentschuldigte Fehlzeiten zu erfassen (vgl. hierzu im einzelnen die detaillierten
Ausführungen in dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 11.12.2000 a.a.O.). Soweit
das LSG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 11.12.2000 hieraus allerdings
den Schluss gezogen hat, dass Arbeitsbescheinigungen, die auf der Grundlage von
Lohnlisten erstellt worden sind, unter Umständen als Nachweis für eine ununterbrochene
Beschäftigungszeit dienen könnten, kann dem im Hinblick auf die wesentlichen
Unterschiede zwischen dem rumänischen staatlichen Sozialversicherungsrecht und dem
bundesdeutschen Recht nicht gefolgt werden. Das rumänische Recht sah z.B. bei
Arbeitsunfähigkeit Beihilfeleistungen vor, die je nach Dienstalter und Arbeitsplatz bis zu 80%
des tariflichen Arbeitslohnes erreichen konnten, und die Beschäftigung galt bei
vorübergehender Arbeitsunfähigkeit nicht als unterbrochen, wenn die krankheitsbedingte
Fehlzeit 90 Tage nicht überschritt. Als Beschäftigungszeiten galten auch solche Zeiten, in
denen ein Arbeitnehmer beruflich oder politisch ausgebildet wurde (vgl. Urteil des
Hessischen Landessozialgerichts vom 27.01.2004, Az.: L 2 RJ 1062/02 m.w.N.). Nach
dem Gutachten des Instituts für Ostrecht wurde weiterhin bei geringfügigen und
kurzfristigen Erkrankungen zur Vermeidung bürokratischen Aufwandes in Betrieben häufig
auf das ordnungsgemäße Verfahren der Gewährung von Krankengeld durch die
Sozialversicherung und der Berechnung des entsprechend zu kürzenden Lohns verzichtet
und der Erkrankte kurzfristig freigestellt, mit dem Ergebnis einer gesetzlich nicht
vorgesehenen Lohnfortzahlung. Eine Berücksichtigung von krankheitsbedingten
Arbeitsunterbrechungen als Beitragszeiten ist dem deutschen Rentenrecht aber fremd. Mit
dem Hessischen Landessozialgericht (Urteil vom 27.01.2004 a.a.O.) sieht der Senat auch
keine Möglichkeit, die jeweiligen einzelbetrieblichen Praktiken aufzuklären, die auch durch
Lohnlisten nicht offenbar werden, oder das „kaum überschaubare Dickicht von inhaltlich
verschiedenartigen und sich teilweise überschneidenden Regelungen" im Zusammenhang
mit dem Besuch von beruflichen und politischen Fortbildungslehrgängen zu entwirren.
Darüber hinaus handelt es sich auch bei einer rumänischen Lohnliste um die inhaltliche
Zusammenfassung von individueller Lohnliste und kollektiven Anwesenheitsbögen pro
Monat, wobei Arbeitsunterbrechungen nach der Anzahl der Tage, aber nicht mit Angabe
der genauen Daten und auch nicht monatsübergreifend ausgewiesen wurden (vgl.
Hessisches Landessozialgericht von 27.01.2004 a.a.O.). Daraus folgt, dass selbst die
Lohnlisten keine zwingend zum Vollbeweis geeigneten Unterlagen darstellen; dies gilt erst
recht für auf Lohnlisten verschiedenartigster Ausgestaltung beruhende rumänische
Arbeitsbescheinigungen (Adeverintas), die in ihrer Beweiswirkung nicht weiterreichen
können als die in einer Lohnliste zusammengefassten Angaben selbst (so auch Hessisches
Landessozialgericht von 27.01.2004 a.a.O.)
Selbst wenn man aber der oben dargestellten Auffassung des LSG Baden-Württemberg
(Urteil vom 11.12.2000 a.a.O.) folgen wollte, ließe sich hieraus für den vorliegenden Fall
kein anderes Ergebnis herleiten. Denn dass die Lohnlisten einen Vollbeweis für das
Vorliegen einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit bieten können, gilt auch nach den
Ausführungen des LSG Baden-Württemberg nur unter der Voraussetzung, dass die
Angaben des Versicherten und die vorgelegten Unterlagen in sich schlüssig sind und kein
Verdacht besteht, dass es sich um bloße Gefälligkeitsbescheinigungen oder gefälschte
Bescheinigungen handelt. Hiervon kann im vorliegenden Fall indes nicht ausgegangen
werden. Denn die im Klageverfahren vorgelegte Adeverinta vom 22.04.1998 bescheinigt,
dass der Kläger bei der Handelsgesellschaft A in der Zeit vom 05.08.1972 bis 22.11.1984
gearbeitet, keinen Krankenurlaub und nicht unentschuldigt gefehlt habe. Dies steht indes -
worauf die Beklagte zu Recht hinweist - in klarem Widerspruch zu der Tatsache, dass der
Kläger nach den vorgelegten Unterlagen in der Zeit vom 01.10.1977 bis 30.06.1978
seinen Militärdienst bei der rumänischen Armee abgeleistet hat. Im Hinblick darauf besteht
der Verdacht, dass es sich bei der Bescheinigung vom 22.04.1998 um eine reine
Gefälligkeitsbescheinigung handelt. Der Nachweis einer ununterbrochenen
Beschäftigungszeit ist damit nicht erbracht.
Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19.01.1998 (Az.: L 4
J 164/97) kann der Nachweis einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit allerdings unter
J 164/97) kann der Nachweis einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit allerdings unter
Umständen auch durch zusätzliche Zeugenerklärungen erbracht werden. Dies gilt allerdings
nur unter der Voraussetzung, dass sich aus den Zeugenerklärungen mit ähnlicher
Sicherheit wie aus Versicherungsunterlagen oder Lohnlisten ergibt, dass eine
ununterbrochene Beitragsleistung vorgelegen hat. Hinsichtlich der zur mündlichen
Verhandlung geladenen Zeugen hat der Kläger vorgetragen, dass diese keine
Arbeitskollegen von ihm gewesen seien, sondern zusammen mit ihm den Wehrdienst
abgeleistet hätten. Da die Zeugen folglich keine Angaben zu den noch streitbefangenen
Beschäftigungszeiten hätten machen können, haben die Beteiligten auf eine Vernehmung
verzichtet und der Senat davon abgesehen.
Auf die Berufung der Beklagten waren das erstinstanzliche Urteil nach alldem abzuändern
und die Klage insoweit abzuweisen, als die Zeiten vom 05.08.1972 bis 30.09.1977 und
vom 01.07.1978 bis 22.11.1984 hiervon betroffen waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.