Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 15.01.2007

LSG Rpf: versammlung, religionsgemeinschaft, versicherungsschutz, unfallversicherung, anerkennung, geringfügigkeit, freiwilligkeit, unentgeltlich, statut, körperschaft

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 15.01.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Mainz S 5 U 13/04
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 2 U 100/06
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.10.2005 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall und über die Gewährung von
Entschädigungsleistungen.
Der 1980 geborene Kläger erlitt am 27.10.2001 einen Unfall, als er beim Bau eines Königreichssaals für Jehovas
Zeugen von einem umstürzenden Kranausleger getroffen wurde und aus einer Höhe von ca. 5 bis 7 Meter zu Boden
fiel. Er zog sich hierbei ausweislich des Durchgangsarztberichts der BG-Unfallklinik L vom 2.11.2001 eine
Weichteilverletzung am linken Oberschenkel mit Einriss der Vena poplitea, eine Beckenschaufelfraktur links und eine
Clavikulafraktur links zu.
Bauherr des Königshauses war der Verein Zeugen Jehovas Versammlung., eine Untergliederung der
"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." mit Sitz in B. Beim Bau solcher Königreichssäle
der Zeugen Jehovas werden im Wesentlichen unentgeltliche Helfer aus der eigenen Versammlung und den
umliegenden Versammlungen tätig. Sie führen den ganz überwiegenden Teil der Bauarbeiten in Eigenleistung durch.
Der Königreichssaal, bei dessen Errichtung der Kläger verunglückte, sollte aufgrund eines Beschlusses des
Vorstands des Vereins in der Zeit vom September 2001 bis Dezember 2001 in V , Gro-Harlem-Brundtland-Strasse,
erbaut werden. Beim Bau dieser Versammlungsstätte halfen nach Auskunft der Versammlung V. ca. 50
Gemeindemitglieder/Verkündiger aus der eigenen Versammlung und 400 Freiwillige aus 97 anderen Versammlungen
und aus ca. 51 anderen Orten mit. Etwa 90 % der Arbeiten wurden nach den Ermittlungen der Beklagten bei diesem
Vorhaben in Eigenleistung erbracht, etwa 10 % durch Fremdfirmen. Eine solche Fremdfirma, die Firma W Autokrane
und Schwertransporte GmbH in L , war für den Aufbau des Krans verantwortlich. Sie war bei der Gerling Allgemeine
Versicherungs-AG haftpflichtversichert, gegen die der Kläger zivilrechtliche Forderungen auf Schadensersatz und
Schmerzensgeld geltend macht.
Der Kläger, gelernter Tischler, war im Zeitpunkt des Unfalls getauftes Mitglied der übergeordneten
"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." und gehörte der örtlichen Versammlung Mainz-
Südwest als Gemeindemitglied/Verkündiger an. Er war kein Vereinsmitglied der örtlichen Versammlung Mainz-
Südwest. Zu solchen Vereinsmitgliedern gehören lediglich die 10 bis 12 Ältesten der Versammlung. Er half aus
eigenem Antrieb unentgeltlich am Bauprojekt mit. Nach seinen eigenen Angaben war sein Einsatz auf eine ca. 8 bis
10-stündige Tätigkeit am Tag des Unfalls beschränkt.
Nach dem Statut der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." vom 14.8.1999 gehört zu den
Vereinszwecken, "gottesdienstliche Zusammenkunftsstätten wie z.B. Königreichssäle und Kongresssäle zu
beschaffen, zu unterhalten und zu verwenden" (§ 2 Abs 3d des Statuts). Die örtliche Versammlung ist die unterste
Gliederung der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V.", mit der die Mitglieder der
Glaubensgemeinschaft verbunden sind (§ 3 Abs. 3 der Statuts). In § 4 Abs 1 des Statuts heißt es: "Freiwilligkeit und
Eigenverantwortlichkeit eines jeden Zeugen Jehovas sind grundlegende Prinzipien der Religionsgemeinschaft. Alle
Dienste werden aus religiös motivierter Freiwilligkeit geleistet in dem Bewusstsein, dass es sich dabei um heiligen
Dienst zur Ehre und Verherrlichung Gottes handelt. Von Gott in den verschiedenen Diensten gebraucht zu werden,
wird von jedem Zeugen Jehovas als Auszeichnung betrachtet."
Mit Bescheid vom 20.3.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des
Ereignisses vom 27.10.2001 ab. Der Kläger sei als Helfer unentgeltlich tätig und somit nicht gemäß § 2 Abs 1 Nr. 1
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versichert gewesen. Er habe auch nicht zum Kreis der nach § 2 Abs 2
SGB VII versicherten Personen gehört. Bei der Verrichtung von mitgliedschaftlichen Vereinspflichten, die auf einer
allgemeinen Übung beruhe, bestehe nur dann Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn
Arbeitsleistungen vollbracht würden, die über die Mitgliedschaftspflichten hinausgingen. Die am Unfalltag ausgeübte
Tätigkeit habe der Verein der Zeugen Jehovas von jedem der Gemeindemitglieder erwarten können. Die
Arbeitsleistung sei nicht über die mitgliedschaftsrechtlichen Verpflichtungen hinausgegangen.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass für seine Mitwirkung an der Errichtung des Königreichssaals
keine mitgliedschaftliche Verpflichtung bestanden habe. Weder enthalte die Satzung des bauenden Vereins eine
solche Verpflichtung noch sei ein entsprechender Beschluss gefasst worden. Eine solche Verpflichtung gegenüber
dem Verein existiere auch deshalb nicht, weil er nicht Vereinsmitglied sei. Eine Verpflichtung stehe auch im
Gegensatz zum Selbstverständnis der Gemeinschaft. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Erwartungshaltung zur
Errichtung von Königreichssälen innerhalb der Glaubensgemeinschaft bestehe, müsse auf die Gesamtheit der
Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland abgestellt werden. Nur ein Bruchteil der
Mitglieder werde jedoch beim Bau von Königreichssälen tätig. Umfangreiche Bauarbeiten gehörten nach der
Rechtsprechung nicht mehr zu den auf allgemeiner Übung beruhenden Mitgliedspflichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.1.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.2.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Mainz erhoben.
Das SG hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört und die Klage mit Urteil vom 19.10.2005 abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zum Zeitpunkt des Unfalls nicht unter dem Versicherungsschutz
in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 10 SGB VII gestanden. Auch scheide ein
Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr.1 i.V.m. Abs 2 SGB VII aus, weil der Kläger mit seiner rund sechs- bis
achtstündigen Tätigkeit beim Bau des Königreichssaals in Viernheim eine geringfügige Tätigkeit verrichtet habe, die
die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V. von jedem seiner Mitglieder habe erwarten
können.
Gegen das ihm am 22.3.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.4.2006, einem Montag, Berufung beim
Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingelegt.
Der Senat hat die G Allgemeine Versicherungs-AG auf ihren Antrag gemäß § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum
Verfahren beigeladen.
Der Kläger trägt vor, es sei unzulässig, von vermeintlichen Mitgliedschaftspflichten gegenüber der
"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." auf das Vorliegen von Vereinspflichten gegenüber
dem bauenden Verein Jehovas Zeugen Versammlung V. zu schließen. Übertragen auf den Bereich des Fußballs
würde dies bedeuten, dass Mitglieder des einen Vereins nicht versichert seien, wenn sie einem anderen Verein beim
Bau eines Vereinsheims behilflich seien, wenn entsprechende Hilfspflichten in der Satzung des DFB existierten.
Abgesehen davon bestünden keine Pflichten zur Errichtung eines Königreichssaales gegenüber der
"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas Deutschland e.V." Nur ein Bruchteil der Mitglieder sei jemals an
Bauprojekten beteiligt. Auch handele es sich bei der Mitwirkung am Bau um eine außergewöhnliche und nicht um eine
übliche Tätigkeit. Alleine die religiöse Motivation, mit der er tätig geworden sei, rechtfertige die Herstellung eines
solchen Zusammenhangs nicht. Eine Schlechterstellung aufgrund seiner Religion sei nach Art 3 Abs 3 Grundgesetz
(GG) und nach Art. 9, 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig.
Die Beigeladene schließt sich dem Vortrag des Klägers an und legt ein Merkblatt der Beklagten zur gesetzlichen
Unfallversicherung bei Eigenbaumaßnahmen von Vereinen vor. Daraus ergebe sich, dass der Kläger unter
Versicherungsschutz stehe. Aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung sei die Beklagte verpflichtet, den Unfall des
Klägers als Versicherungsfall anzuerkennen.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.10.2005 sowie den Bescheid
der Beklagten vom 20.3.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2003 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 27.10.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Entschädigungsleistungen
in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, es treffe nicht zu, dass der Kläger alleine aufgrund seiner Religionszugehörigkeit nicht unter
Versicherungsschutz gestanden habe. Unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
zum Versicherungsschutz von Vereinsmitgliedern, die für alle Vereine gleichermaßen gelte, sei der Kläger zum
Zeitpunkt des Unfalls im Rahmen des Vereinszwecks aufgrund seiner auf allgemeiner Vereinsübung beruhenden
Mitgliedspflichten tätig gewesen. Die Erwartungen an die Vereinsmitglieder könnten je nach Verein unterschiedlich
sein. Jedoch gingen die Erwartungen an die Bereitschaft der Mitglieder zur Verrichtung von Arbeiten für den Verein bei
den Zeugen Jehovas viel weiter als die Erwartungen in einem Fußballverein. In der Realität kämen die Zeugen
Jehovas den hohen Erwartungen ihres Vereins auch nach. Hierzu werde auf einen Artikel der EKD vom 27.2.2006
Jehovas den hohen Erwartungen ihres Vereins auch nach. Hierzu werde auf einen Artikel der EKD vom 27.2.2006
verwiesen, wonach die Zeugen Jehovas jährlich durchschnittlich 150 Predigtstunden aufwendeten. Wie sich aus den
Ermittlungen und aus Zeugenaussagen ergebe, würden die Königreichssäle in kürzester Bauzeit ganz überwiegend
von einer großen Zahl geeigneter unentgeltlich tätiger Helfer erbaut. Es handele sich auch nicht um eine
außergewöhnliche, sondern um eine typische Tätigkeit. Die Arbeitsleistung des Klägers sei schließlich nicht über das
Maß dessen hinausgegangen, was üblicherweise geleistet werde. Zur gleichen Auffassung sei das LSG Baden-
Württemberg in seinem Urteil vom 11.9.2003 - L 7 U 2955/01 gelangt. Aus dem Inhalt des von der Beigeladenen
vorgelegten Merkblattes ergebe sich, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht versichert gewesen sei. Im Übrigen
sei zu beachten, dass eine Selbstbindung der Verwaltung nur bei Ermessensentscheidungen in Betracht komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte der
Beklagten und auf die Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt (Geschäftszeichen ) Bezug genommen. Sie waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 ff, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG ist
rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung des Unfalls vom 27.10.2001 als
Arbeitsunfall zu. Gemäß § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den
Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger stand bei der
unfallbringenden Tätigkeit weder nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII noch nach § 2 Abs 1 Nr. 10 SGB VII noch nach § 2
Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB VII, die bei der vorliegenden Sachlage allein in Betracht kommen, unter dem
Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) scheidet bereits deshalb
aus, weil Anhaltspunkte für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit und eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Bauherr, des "Jehovas Zeugen Versammlung V.", nicht
ersichtlich sind.
Der Kläger war im Unfallzeitpunkt auch nicht nach § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII versichert. Nach dieser Vorschrift
genießen Personen Unfallversicherungsschutz, die für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften ehrenamtlich
tätig sind. Der Rechtsstreit zur Frage der Anerkennung der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in
Deutschland e.V." als Körperschaft des öffentlichen Rechts war nach Ausschöpfung des Instanzenzuges vom
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) an das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zurückverwiesen worden (Urteil des
BVerfG vom 19.12.2000 - 2 BvR 1500/97). Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG war eine
Prognose darüber anzustellen, ob der Verband der Zeugen Jehovas in Deutschland die Gewähr dafür bietet, dass
fundamentale Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter und die Grundprinzipien
des Religions- und Staatskirchenrechts eingehalten würden. Das BVerwG verwies den Rechtsstreit durch Urteil vom
17.5.2001 - 7 C 1/01 an das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin zurück und gab ihm auf, wegen eines zu
großzügigen Verständnisses der rechtlichen Verleihungsvoraussetzungen eine weitere Sachaufklärung zu möglichen
Gefährdungen der Grundrechte Dritter durchzuführen. Das OVG gelangte in seiner Entscheidung vom 2.12.2004 - 5 B
12.01 auf der Grundlage des ihm von den Beteiligten unterbreiteten Erkenntnismaterials und unter Ausschöpfung aller
ihm sonst zugänglichen Erkenntnisquellen zur Feststellung, dass kein Anlass bestehe, an der Rechtstreue des
klagenden Verbandes zu zweifeln. Diese Entscheidung wurde vom BVerwG bestätigt (Beschluss vom 1.2.2006 - 7 B
80/05). Am 5.7.2006 wurde der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." die
Verleihungsurkunde übergeben. Ungeachtet der nunmehr erfolgten Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft
des öffentlichen Rechts ist im vorliegenden Fall maßgebend der Rechtszustand im Unfallzeitpunkt, so dass die erst
im Jahr 2006 erfolgte Anerkennung der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen
Rechts keine Auswirkungen auf den vorliegenden, in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt hat.
Aber auch die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII sind nicht erfüllt. Danach sind
Personen versichert, die "wie" nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII Versicherte tätig werden. Dies erfordert eine ernsthafte,
dem Unternehmen zu dienen bestimmte und seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprechende Tätigkeit,
die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt
zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und die unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer
Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Eines persönlichen oder wirtschaftlichen
Abhängigkeitsverhältnisses bedarf es bei einem Tätigwerden nach § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht
(BSGE 5, 168; 17, 211 mwN).
Das hier zu beurteilende Tätigwerden des Klägers am 27.10.2001 stellt zwar eine ernsthafte, dem Willen der
Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas entsprechende Arbeitsleistung dar. Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2
Satz 1 SGB VII scheidet jedoch deshalb aus, weil der Kläger aufgrund seiner übernommenen Pflichten als
Vereinsmitglied handelte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schließt die Mitgliedschaft in einem
rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Verein weder die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 2 Abs
1 Nr 1 SGB VII noch eine versicherte Tätigkeit "wie" ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII von
vorneherein aus (BSGE 17, 211; BSG, Urteil vom 12.5.1981- 2 RU 40/79 = BSGE 52, 11 = SozR 2200 § 539 Nr 81).
Es ist zu unterscheiden zwischen Arbeitsleistungen, die nur auf Mitgliedspflichten beruhen, und Arbeitsleistungen, die
außerhalb dieses Rahmens verrichtet werden. Letzteres setzt voraus, dass die Verrichtung über das hinausgeht, was
Vereinssatzung, Beschlüsse der Vereinsorgane oder allgemeine Vereinsübung an Arbeitsverpflichtungen der
Vereinsmitglieder festlegen. Daran fehlt es bei Tätigkeiten, die z.B. auf gesellschaftlichen oder körperschaftlichen
Verpflichtungen beruhen. Folglich ist derjenige, der aufgrund von Mitgliedschaftspflichten für seinen Verein tätig wird,
auch nicht wie ein Beschäftigter nach § 2 Abs 2 SGB VII gegen Arbeitsunfälle versichert (BSG, Urteil vom 13.8.2002
- B 2 U 29/01 = HVBG info 2002, 2511, 2520 mwN; Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 2 Rz 285, 286). Zu den auf
allgemeiner Vereinsübung beruhenden Mitgliedschaftspflichten zählen nach ständiger Rechtsprechung des BSG im
Allgemeinen Tätigkeiten, die ein Verein von jedem seiner Mitglieder erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser
Erwartung entsprechend auch verrichtet werden (BSG, Urteil vom 12.5.1981, aaO; Schlegel in Schulin, HS-UV, § 14
RdNr 56), wie z.B. regelmäßige Arbeit zur Herrichtung und Reinigung von Sportplätzen, Verkauf von Eintrittskarten
und Ordnungsdienst bei Veranstaltungen. Gekennzeichnet sind diese geringfügigen Tätigkeiten im Allgemeinen
dadurch, dass sie nur wenig zeitlichen oder sachlichen Arbeitsaufwand erfordern. Zur Vereinsübung gehören nach der
älteren Rechtsprechung des BSG Arbeiten in einem Umfang von 3 bis 4 Stunden (BSG, Urteil vom 5.8.1987 - 9b RU
18/86 = SozR 2200 § 539 Nr. 123), 7 Stunden (BSG, Urteil vom 19.5.1983 - 2 RU 55/82) oder von 3 Wochen (BSG in
SozR 3-2200 § 539 Nr 41). Dagegen wurden über diesen Rahmen hinausgehende umfangreichere Arbeitsleistungen
(z.B. Bau eines Vereinsheimes, BSGE 14,1) nicht mehr als geringfügig angesehen. Nach der neueren
Rechtsprechung des BSG wird die Grenze der Geringfügigkeit weiter gezogen. Wenn die Bereitschaft der
Vereinsmitglieder, Arbeiten für den Verein zu verrichten, größer ist, wird auch die Grenze, von der an der Verein diese
Arbeiten allgemein aufgrund einer sich so entwickelnden Vereinsübung von seinen Mitgliedern erwarten kann und die
von den Mitgliedern entsprechend dieser Erwartung verrichtet werden, höher liegen. Allgemein betrachtet ist die
Grenze der Geringfügigkeit dort überschritten, wo sich eine Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert deutlich
erkennbar von dem Maß vergleichbarer Aktivitäten abhebt, das die Vereinsmitglieder üblicherweise aufwenden Die
Grenze der Geringfügigkeit überschreiten kann eine Tätigkeit sowohl hinsichtlich ihres Umfanges als auch ihrer Art
nach. Ferner kann die Geringfügigkeit bei jedem Verein verschieden sein (BSG, Urteil vom 13.8.2002, aaO, mwN;
Urteil vom 10.10.2002 – B 2 U 14/02 R in HVBG info 2002, 3468, 3478).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat der Kläger bei seiner Mithilfe beim Bau des Königreichssaales
lediglich in Wahrnehmung seiner Pflichten als Vereinsmitglied gehandelt. Die Ausführungen der Beigeladenen zu dem
von der Beklagten herausgebrachten Merkblatt basieren auf der unrichtigen Annahme, der Kläger sei kein
Vereinsmitglied. Hierbei wird verkannt, dass der Versicherungsschutz des Klägers deshalb ausgeschlossen ist, weil
er seine Tätigkeit ausschließlich im Rahmen seiner durch Taufe erworbenen Mitgliedschaft in der
"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V." verrichtete und hierbei einen der Vereinszwecke,
nämlich die Errichtung von Königreichssälen (§ 2 Abs. 3d des Statuts), förderte.
Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass in diesem Statut nicht geregelt ist, auf welche Art und Weise die
Vereinszwecke erreicht werden sollen. Welche Vereinsmitglieder hierbei in welchem Umfang tätig werden sollen, ist
ebenfalls nicht geregelt. Insoweit existieren auch keine Beschlüsse von Vereinsorganen, aus denen eine
entsprechende Verpflichtung des Klägers abgeleitet werden könnte. Das Aufstellen solcher Regelungen kommt jedoch
für die Zeugen Jehovas schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. Denn ausgehend von ihrem
Selbstverständnis ist diese Glaubensgemeinschaft vom Prinzip der Freiwilligkeit geprägt, was eine verbindliche
Festsetzung von Mitgliederpflichten ausschließt.
Der Kläger ist jedoch aufgrund einer allgemeinen Vereinsübung tätig geworden.
Zwar gehört der Bau eines Königreichsaales aus Sicht der örtlichen Versammlungen der Zeugen Jehovas nicht zu den
im Vereins- bzw. Gemeindeleben häufig vorkommenden Ereignissen wie etwa die Abhaltung von Gottesdiensten oder
sonstigen Veranstaltungen. Die bundesweite Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, auf die hier allerdings
abzustellen ist, sieht die Errichtung von Königshäusern jedoch als einen ihrer Vereinszwecke an und erwartet von
ihren Mitgliedern, sich bei solchen Großprojekten entsprechend ihren Kräften und Möglichkeiten zu engagieren. Es
handelt sich um eine typische und sich wiederholende und nicht um eine außergewöhnliche und nur ausnahmsweise
vorkommende Aufgabe.
Das Vorliegen einer allgemeinen Vereinsübung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass nicht alle
Vereinsmitglieder, sondern nur ein Teil von ihnen die für bestimmte Tätigkeiten erforderliche persönliche und fachliche
Eignung besitzen (BSG, Urteil vom 5.8.1987, aaO). Hinsichtlich der Vereinsübung ist allein wesentlich, ob der Verein
erwarten kann, dass bestimmte Aufgaben von geeigneten Mitgliedern wahrgenommen werden und geeignete
Mitglieder regelmäßig der Erwartung des Vereins auch nachkommen (BSG, Urteil vom 5.8.1987, aaO, mwN). Dies ist
vorliegend der Fall. In § 4 Abs. 1 des Statuts heißt es hierzu, dass alle Dienste aus religiös motivierter Freiwilligkeit
geleistet werden in dem Bewusstsein, dass es sich dabei um einen heiligen Dienst zur Ehre und Verherrlichung
Gottes handelt. Es wird als Auszeichnung betrachtet, in den verschiedenen Diensten gebraucht zu werden. In diesen
Formulierungen kommt zum Ausdruck, dass die Erwartungshaltung sehr viel weiter geht als dies beispielsweise bei
dem vom Kläger angeführten DFB der Fall ist. Während die Mitgliedschaft in einem Sportverein lediglich der
Freizeitgestaltung dient, prägt das Glaubensbekenntnis zur Gemeinschaft der Zeugen Jehovas in einem wesentlich
stärkeren Umfang die Lebensführung.
Zur Überzeugung des Senats zeigt auch die Vereinswirklichkeit, dass die hohe Erwartungshaltung der
"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V.", die sie in ihre Mitglieder setzt, nicht enttäuscht
wird. Der Verein kann ohne weiteres darauf vertrauen, dass sich genügend Freiwillige für die Erledigung auch größerer
Aufgaben finden. Der mit der Errichtung von Königshäusern verbundene hohe Aufwand wird dadurch bewältigt, dass
Bauvorhaben überwiegend durch Eigenleistungen von Mitgliedern realisiert werden, die nicht der bauenden
Versammlung angehören bzw. kein Vereinsmitglied sind. So wurden etwa 90 % der anfallenden Bauleistungen bei der
Errichtung des Königreichssaales in Viernheim in Eigenleistung und nur etwa 10 % durch Fremdleistung erbracht.
Dass der Kläger mit seiner Arbeitsleistung einer berechtigten Erwartung der bundesweiten Glaubensgemeinschaft der
Zeugen Jehovas nachgekommen ist, wird dadurch bestätigt, dass beim Bau des Königshauses in V nach Auskunft
der bauenden Versammlung ca. 50 Gemeindemitglieder/Verkündiger aus der Versammlung V und 400 Freiwillige aus
97 anderen Versammlungen aus ca. 51 anderen Orten mithalfen. Nur einem kleinen Teil der Helfer kam der
Königreichssaal nach seiner Fertigstellung zugute. Gerade diese Fakten sprechen nach Auffassung des Senats für
das Bestehen einer engen und unmittelbaren Verbundenheit eines getauften Mitglieds der Zeugen Jehovas mit der
übergeordneten und bundesweit tätigen Glaubensgemeinschaft. Diese unmittelbare Verbundenheit mit diesem Verein
besteht über die Grenzen der örtlichen Versammlungen hinweg und motiviert zu uneigennützigen freiwilligen und
eigenverantwortlichen Arbeitsleistungen (§ 4 Abs 1 des Statuts). Entgegen der Auffassung des Klägers spielt keine
entscheidende Rolle der Umstand, dass er zum Unfallzeitpunkt weder ein Gemeindemitglied der bauenden
Versammlung V. noch formelles Vereinsmitglied der Versammlung Mainz-Südwest, der er als
Gemeindemitglied/Verkündiger angehörte, war. Ob eine Differenzierung danach gerechtfertigt ist, ob ein Zeuge
Jehovas getauft ist oder nicht, weil sich die Regelungen des Statuts lediglich an den getauften Zeugen Jehovas und
nicht an den ungetauften Verkündiger richten (§ 4 des Statuts) kann der Senat offen lassen. Jedenfalls lässt sich eine
Differenzierung danach, ob ein Zeuge Jehovas als Ältester/Vereinsmitglied/Vorstandsmitglied/Gemeindemitglied der
bauenden örtlichen Versammlung oder lediglich als ein "einfaches" (getauftes) Gemeindemitglied einer anderen
Versammlung tätig wurde, weder aus dem Statut noch aus der Vereinswirklichkeit herleiten. Die Handlungstendenz
des Klägers bei der Mithilfe war schließlich unabhängig vom Standort des Königreichssaales und unabhängig von der
bauenden Versammlung auf die Verwirklichung eines Vereinszweckes der übergeordneten "Religionsgemeinschaft der
Zeugen Jehovas in Deutschland e.V.", der er als Mitglied angehörte, ausgerichtet.
Der Maßstab für die allgemeine Vereinsübung, Mitglieder zu Arbeitsleistungen heranzuziehen, muss nicht notwendig
für alle Mitglieder gleich sein, wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat. Sofern der Verein bestimmte Personen
dadurch aus dem Kreis seiner Mitglieder heraushebt, dass er ihnen ehrenamtliche Vereinsfunktionen überträgt, so
treffen diese Funktionäre auch qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als "einfache Vereinsmitglieder".
Umgekehrt gilt Gleiches, wenn der Verein von bestimmten "einfachen Mitgliedern" die Ausführung gefährlicher und
besondere Fachkunde erfordernder Arbeiten verlangt (BSG, Urteil vom 5.8.1987- 9b RU 18/86= SozR 2200 § 539 Nr
123, Schlegel in Schulin, aaO, § 14 Rn 55). Die Betätigung des Klägers, einem gelernten Tischler, beim Bau des
Königshauses entsprach der Erwartung, dass geeignete Mitglieder bei dieser handwerklichen Aufgabe mitwirken.
Es kann dahinstehen, ob eine Versammlung von einem "einfachen Mitglied" einen geringeren Einsatz erwartet als von
einem Ältesten bzw. Mitglied des Vorstandes (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.9.2003- L 7 U
2955/01). Von einem "einfachen" Mitglied konnte jedenfalls ein eintägiger Arbeitseinsatz von ca. 8 bis 10 Stunden
ohne weiteres erwartet werden. Diesen zeitlichen Umfang hätte die Arbeitsleistung des Klägers nach dessen
unbestrittenen Angaben gehabt, wenn er nicht verunglückt wäre. Jene Arbeitsleistung hob sich nicht wesentlich von
dem Maß vergleichbarer Aktivitäten ab, die andere Mitglieder zum Bau der Königshäuser aufgewendet haben. Dass
der Kläger einen überobligatorischen Einsatz für den Verein erbracht hätte, ist daher nicht feststellbar.
Mit seinem Einwand, Angehörige der Zeugen Jehovas würden bei Ablehnung des Versicherungsschutzes schlechter
gestellt als Mitglieder weltlicher Vereine, vermag der Kläger nicht durchzudringen. Eine Schlechterstellung alleine
aufgrund einer Religionszugehörigkeit stellt zwar einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3
Grundgesetz (GG) und gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 9, 14 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) dar. Allerdings liegt eine solche Diskriminierung nicht vor, da Anknüpfungspunkt
für die Versagung im vorliegenden Fall nicht die Religionszugehörigkeit ist. Auch Mitglieder weltlicher Vereine stehen
nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie in Erfüllung von Vereinspflichten tätig werden.
Die Übersendung des Merkblatts -Gesetzliche Unfallversicherung bei Eigenbaumaßnahmen von Vereinen- an den die
Baumaßnahme ausführenden Verein begründet den Versicherungsschutz des Klägers nicht. Eine Selbstbindung der
Verwaltung insoweit kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Entscheidung, ob einem Versicherten
Versicherungsschutz zu gewähren ist, nicht im Ermessen der Behörde steht.
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.