Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.05.2006

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Landessozialgericht NRW, L 11 KA 53/04
Datum:
10.05.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 KA 53/04
Vorinstanz:
Sozialgericht Münster, S 2 KA 50/02
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Münster vom 26.04.2004 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der
Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über eine Honorarrückforderung für das Jahr 1997 in Höhe von
53.341,22 Euro aufgrund der Überschreitung der gesetzlichen Punktmengengrenze.
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Der Kläger nimmt als Vertragszahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil.
Die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) hatte nach Aufhebung der
Vorschriften zum degressiven Punktwert (§ 85 Abs. 4b ff. Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 30.06.1997 geltenden Fassung) durch das
Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der
gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG vom 23.06.1997, BGBl. I., 1520) zum
01.07.1997 die Auffassung vertreten, dass die im Gesetz genannte Punktmengengrenze
von 350.000 Punkten ungeachtet der Aufhebung der Vorschrift auch im Jahre 1997 für
alle Vertragszahnärzte gelte, die mindestens vom 01.01.1997 bis 30.06.1997
zugelassen waren. Demgemäß ermittelte die Beklagte die Degressionsbeträge nur in
den Fällen, in denen Vertragszahnärzte die Punktmengengrenze von 350.000 Punkten
bereits im ersten Halbjahr überschritten hatten. Gegenüber dem Kläger erging zunächst
kein Bescheid.
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Die Vierteljahresabrechnungen für die Quartale I/1997 im Juli 1997 und II/1997 im
Oktober 1997 enthielten folgenden Vorbehalt: "Diese Vierteljahresabrechnung erfolgt
gemäß § 3 des gültigen Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der KZV Westfalen-Lippe
unter den dort genannten Vorbehalten. Alle Zahlungen der KZV Westfalen-Lippe gelten
gemäß § 4 Abs. 1 des HVM als Vorschüsse auf den endgültigen Vergütungsanspruch,
bis die Bescheide rechtsbeständig und die Vorbehalte gemäß § 3 HVM erledigt sind". §
3 des seinerzeit maßgeblichen HVM sah einen Vorbehalt für die Abrechnungen unter
anderem in Nr. 3 wegen "Berichtigung wegen Überschreitung gesetzlicher
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Punktmengengrenzen (§ 85 Abs. 4b SGB V - Degression)" vor.
Die Krankenkassen vertraten gegenüber der Beklagten die Auffassung, dass
Degressionsbeträge unter Zugrundelegung einer maximal hälftigen Jahrespunktmenge
zu berechnen seien und rechneten zum Teil gegenüber Gesamtvergütungsforderungen
der Beklagten mit Zahlungsansprüchen auf Abführung der Degressionsbeträge für 1997
auf. Die Beklagte erhob deswegen im November 2001 Zahlungsklagen gegen
Krankenkassen (siehe BSG Urt. v. 27.04.2005 - B 6 KA 18/04 R).
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Unter Hinweis auf die streitige Frage der degressionsfreien Punktmenge für das Jahr
1997 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2001 von dem Kläger unter
Zugrundelegung der hälftigen Jahrespunktmenge Honorare in Höhe von 53.341,22 Euro
zurück. Da die vierjährige Ausschlussfrist für Honorarrückforderungen gegenüber dem
einzelnen Zahnarzt mit Ende des Jahres 2001 ablaufe und daher
Degressionskürzungen für das Jahr 1997 gegenüber dem einzelnen Zahnarzt nicht
mehr geltend gemacht werden könnten, sehe sich der Vorstand gezwungen,
Degressionsbescheide zu erstellen, die bezogen auf den Zeitraum 01.01.1997 bis
30.06.1997 eine degressionsfreie Punktmenge entsprechend der Auffassung der
Krankenkassen ausweisen. Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die
Anwendung der Degressionsvorschriften und die Halbierung der Jahrespunktmenge
und meinte zudem, der Vorbehalt in den Honorarbescheiden sei zu unbestimmt
gewesen, um eine Rückforderung wegen der Degressionsberechnung zu rechtfertigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
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Zur Begründung der am 06.08.2002 erhobenen Klage hat der Kläger seine
Argumentation aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vor allem seinen Vortrag
dazu vertieft, dass der Vorbehalt in den Honorarbescheiden den späteren Grund für eine
Honorarberichtigung nicht ausreichend konkret benannt habe.
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Mit Urteil vom 26.06.2004 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid
aufgehoben. Es hat gemeint, der Rückforderung stehe der Ablauf der vierjährigen
Auschlussfrist für die Honorarkorrektur entgegen. Für den Lauf der Frist sei auf den
Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung für die Quartale I/1997 und II/1997 abzustellen.
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Gegen das ihr am 03.05.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.05.2004
Berufung eingelegt. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 28.04.2004 (L
11 KA 150/03) macht sie geltend, die vierjährige Ausschlussfrist habe erst ab dem
01.01.1998 zu laufen begonnen, so dass sie bei Erlass des Bescheides vom 19.11.2001
noch nicht abgelaufen gewesen sei. Das Sozialgericht beachte bei seiner Entscheidung
nicht, dass die Degression nicht quartalsbezogen berechnet werde, vielmehr werde ein
quartalsübergreifendes Degressionskonto geführt.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 26.04.2004 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und macht zudem unter Hinweis auf
seinen bisherigen Vortrag geltend, der Bescheid sei auch aus anderen Gründen
rechtswidrig, insbesondere wegen eines unzureichenden Vorbehalts der Änderung.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des
Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat zu
Unrecht den Bescheid vom 19.11.2001 aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtmäßig.
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I. Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 19 lit.a Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-
Z) bzw. § 12 Abs. 1 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte (EKV-Z), wonach die Beklagte die
von den Vertragszahnärzten eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und
gebührensordnungsmäßig zu prüfen und gegebenenfalls zu berichtigen hat. Diese
Bestimmungen setzen die Möglichkeit einer nachträglichen Honorarberichtigung voraus.
Zahlungen an den Vertragszahnarzt haben nur vorläufigen Charakter; bis zum Ablauf
der für die Einleitung und Durchführung von Prüfverfahren vorgesehenen Fristen muss
der Vertragszahnarzt mit einer nachträglichen Prüfung und Berichtigung rechnen (BSG
SozR 3-5555 § 32 Nr. 1; SozR 4-2500 § 85 Nr. 11). Die genannten Vorschriften
verdrängen in ihrem Anwendungsbereich gemäß § 37 Abs. 1 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I) § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ((SGB X), vgl. BSGE
74, 44; 89, 90). Die Berichtigungsbefugnis besteht unabhängig davon, welcher Sphäre
der zu Unrichtigkeit des Honorarbescheides führende Fehler zuzurechnen ist und gilt
auch für die Umsetzung der Vorschriften über die Honorarminderung wegen eines
degressiven Punktwertes gemäß § 85 Abs. 4b ff. SGB V (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr.
11).
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II. 1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berichtigung der ursprünglichen
Bescheide über die Degressionsberechnung liegen vor. Die Auffassung der Beklagten,
dass den Zahnärzten für die ersten sechs Monate des Jahres 1997 eine
degressionsfreie Punktmenge von 350.000 Punkten zugestanden habe, ist im
Gerichtsverfahren nicht bestätigt worden. Vielmehr kommen die in § 85 Abs. 4b SGB V
(in der bis 30.06.1997 geltenden Fassung) für ein Kalenderjahr genannten
Punktmengengrenzen entsprechend dem verkürzten Geltungszeitraum der Norm nur
zeitanteilig zur Anwendung, so dass die Punktmengengrenze für das Jahr 1997
maximal 175.000 Punkte beträgt (BSG Urt. v. 27.04.2005 - B 6 KA 18/04 R).
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2. Die Beklagte durfte das in den Honorarbescheiden für die Quartale I/1997 und II/1997
festgesetzte Honorar in Anwendung des § 85 Abs. 4b SGB V wegen Überschreitung der
gesetzlichen Punktmengengrenze mindern. Die Ansicht des Klägers, der Vorbehalt in
den Honorarbescheiden sei nicht ausreichend konkret gewesen, trifft nicht zu. Das BSG
fordert für eine sachlich-rechnerische Berichtigung nur, dass aufgrund entsprechender
Hinweise hinreichend deutlich ist oder sich zumindest aus den dem Vertragszahnarzt
bekannten Gesamtumständen hinreichend deutlich ergibt, unter welchen
Voraussetzungen und in welchem ungefähren Umfang sich die KZV auf die
Vorläufigkeit des Bescheides berufen will (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 42). Diese
Voraussetzungen liegen vor.
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Die Honorarbescheide enthielten einen ausdrücklichen Hinweis auf die Vorbehalte des
§ 3 HVM. Nach § 3 Nr. 3 HVM ergehen Abrechnungen unter dem Vorbehalt einer
Überschreitung wegen gesetzlicher Punktmengengrenzen. Da ausdrücklich § 85 Abs.
4b SGB V zitiert wird und diese Vorschrift für die Degressionsberechnung auf eine
jahresbezogene Punktmenge abstellt, erfasst der Vorbehalt eindeutig den Fall, dass bei
einer quartalsübergreifenden Betrachtung sich herausstellt, dass die gesetzlich
festgelegte Punktmengengrenze überschritten ist und daher die Regelungen zum
degressiven Punktwert eingreifen (vgl. auch Senat, Urt. v. 05.06.2002 - L 11 KA 146/00).
Die Bezugnahme auf § 3 HVM im Honorarbescheid ist daher ausreichend, um dem
Vertragszahnarzt deutlich zu machen, dass es wegen (späteren) Überschreitens der
Punktmengengrenzen zu einer Minderung des Honorars kommen kann. Die Forderung
der Klägerin, bereits der Honorarbescheid müsse einen Hinweis auf eine evtl.
Honorarkürzung wegen der Degressionsregelung enthalten, ist angesichts des
ausdrücklichen Hinweises auf § 3 HVM bloße Förmelei, zumal dem Vertragszahnarzt
die Bestimmungen des HVM bekannt sein müssen. Erst recht ist kein Hinweis
erforderlich, unter welchen Voraussetzungen eine Rückforderung in Betracht kommt,
denn es liegt für alle Beteiligten auf der Hand, dass (nur) bei Vorliegen der gesetzlichen
Voraussetzungen die Rückforderung erfolgen wird.
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3. Da gegenüber dem Kläger kein Degressionsbescheid ergangen war, stellt sich die
Frage, unter welchen Voraussetzungen eine ursprüngliche Berechnung der
Degressionsminderung korrigiert werden darf (s. dazu das Senatsurteil vom heutigen
Tag im Parallelverfahren L 11 KA 52/04), nicht.
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4. Der Honorarrückforderung steht auch nicht der Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist
für die Korrektur der Honorarbescheide entgegen.
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Für sachlich-rechnerische Richtigstellungen gilt in Anlehnung an die im Sozialrecht für
die Verjährung von Sozialleistungen (§ 45 Abs. 1 SGB I), Beiträgen (§ 25 Abs. 1 Viertes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) und Erstattungsansprüchen (§ 27 Abs. 2 SGB IV, § 50
Abs. 4 Satz 1 SGB X, § 113 Abs. 1 SGB X) geltende Verjährungsfrist von vier Jahren
eine vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer die Beanstandung dem Betroffenen
bekannt gegeben werden muss (BSG SozR 3-5535 § 119 Nr. 1; SozR 3-2500 § 82 Nr.
3). Diese Ausschlussfrist begann erst mit dem Ablauf des Jahres 1997, d.h. ab dem
01.01.1998, zu laufen, so dass sie bei Erlass des Bescheides vom 19.11.2001 noch
nicht abgelaufen war.
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Für den Fristbeginn ist entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht auf die
Bekanntgabe der Honorarbescheide abzustellen. Die vom Sozialgericht für seine
Auffassung zitierte Rechtsprechung ist nicht einschlägig. Das BSG hat im Beschluss
vom 27.04.2005 (B 6 KA 46/04 B) dargelegt, dass es zwar in seiner bisherigen
Rechtsprechung für den Fristbeginn auf das Ergehen des zu berichtigenden
Quartalsbescheides abgestellt habe, diese Entscheidungen aber quartalsbezogene
Korrekturen des Honorars betroffen hätten. Soweit Gegenstand des
Korrekturbescheides insgesamt das dem betroffenen (Zahn)Arzt in diesem Jahr für
seine Leistung zustehende Honorar sei, sei offen, ob bei rückwirkender Korrektur des
Honorars für ein Jahr bei der Frist für die teilweise Aufhebung der für alle Quartale
ergangenen Bescheide auf die Bekanntgabe der einzelnen Honorarbescheide, auf den
Zeitpunkt des für das betroffenene Jahr abschließenden Honorarbescheides oder auf
den Schluss des jeweiligen Kalenderjahres abzustellen sei.
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Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 28.04.2004 (L 11 KA 150/03) die Auffassung
vertreten, dass sich aus einer Gesamtanalogie zu § 45 Abs. 1 SGB X, § 25 Abs. 1 Satz
1, 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV, 50 Abs. 4 Satz 1, 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X ergebe, dass die
Frist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der ursprüngliche
Honorarbescheid ergangen ist, zu laufen beginnt. Er hat dazu in dem genannten Urteil
ausgeführt:
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"Diese Gesamtanalogie ist gerechtfertigt, nachdem es hinsichtlich der Fristen für
sachlich-rechnerische Berichtigungen und damit erst recht für deren Beginn oder Ablauf
keine eigenständigen Fristen gibt. Die genannten Vorschriften betreffen alle
wesentlichen im Sozialrecht auftretenden Konfliktlagen: den Leistungsanspruch des
Versicherten (§ 45 Abs. 1 SGB I) ebenso wie die Rückforderung zu Unrecht erbrachter
Leistungen (§ 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X), Beitragsforderungen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB
IV) gleichermaßen wie Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge (§ 27 Abs. 2 Satz 1
SGB IV) und schließlich die Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger
untereinander (§ 113 SGB X). In allen Fällen hat es der Gesetzgeber für angemessen
gehalten, die Geltendmachung des Anspruchs nach vier Jahren auszuschließen und mit
Ablauf dieser Frist ungeachtet der materiellen Berechtigung des Anspruchs
Rechtsfrieden einkehren zu lassen. Da sozialrechtliche Ansprüche mithin in aller Regel
nach Ablauf von vier Jahren verjähren, ist die Anwendung dieser Frist auch auf
sachlich-rechnerische Berichtigungen gerechtfertigt. Dies entspricht der
Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1), wobei das BSG
ausdrücklich ausführt, es handele sich um "die vierjährige Frist, wie sie im sonstigen
Sozialrecht z.B. für die Verjährung von Sozialleistungen und Erstattungsansprüchen
gilt" (BSGE 89, 90, 103).
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Im Hinblick darauf ist gerechtfertigt, sich auch hinsichtlich Beginn und Ablauf der Frist an
den genannten Vorschriften zu orientieren. Diese zeichnen sich sämtlich dadurch aus,
dass die Frist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das
verjährungsbegründende Ereignis eingetreten (z.B. die Fälligkeit des Anspruchs oder
die Unanfechtbarkeit des die Leistung gewährenden Bescheides) ist. Sie stehen in
Einklang mit den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen, nach denen die
Regelverjährungsfrist von dort drei Jahren ebenfalls erst mit dem Jahresschluss zu
laufen beginnt (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Soweit es - wie hier
- auf die Bekanntgabe des Honorarbescheides ankommt, läuft die Frist danach ab dem
01.01. des Folgejahres (hier am 01.01.1997) und endet am 31.12. des vierten folgenden
Jahres (hier am 31.12.2000).
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Hierfür sprechen im Übrigen dieselben sachlichen Erwägungen, die im Sozialrecht wie
im bürgerlichen Recht dieser sog. Ultimo-Verjährung zugrunde liegen. Gegen den
ursprünglichen Regierungsentwurf hat sich der Gesetzgeber bei der Abfassung des § 19
Abs. 1 Nr. 1 BGB für diese Verjährungsform nach der Sachverständigenanhörung
entschieden, weil sie nicht unerhebliche praktische Erleichterungen biete (vgl. BT-
Drucks. 14/7052, S. 180). Auch im Sozialrecht soll der Verjährungsablauf am Letzten
des jeweiligen Jahres die Überwachung der Fristen erleichtern (vgl. Seewald in
KassKomm, § 25 SGB IV Rdnr. 5). Gerade im Bereich der Massenverwaltung, zu der
auch die vertrags(zahn)ärztliche Honorarverteilung gehört, gewinnt dieser
Gesichtspunkt an besonderer Bedeutung. Da die Honorarbescheide nicht förmlich
bekannt gemacht und nicht einmal ihre Absendung von den Kassen(zahn)ärztlichen
Vereinigungen individuell festgehalten wird, lässt sich das genaue Datum ihrer
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Bekanntgabe häufig gar nicht feststellen. Wegen der unsicheren Postlaufzeiten weil sich
die Ausfertigung eines Honorarbescheides jedenfalls bei den Kassenärztlichen
Vereinigungen oft über mehrere Tage hinzieht und in mehreren Ausfertigungsdaten auf
den einzelnen Bestandteilen des Bescheides niederschlägt, erscheint es ebenso wenig
gerechtfertigt, auf das Datum der Ausfertigung abzustellen. Die Überwachung der
genauen Fristdaten würde aus diesen Gründen für die Kassen(zahn)ärztlichen
Vereinigungen - ebenso wie für die Vertrags(zahn)ärzte - zu einem zusätzlichen und
vermeidbaren Verwaltungsmehraufwand führen".
An dieser Auffassung hält der Senat jedenfalls für nicht quartalsbezogene
Korrekturbescheide fest (das LSG Schleswig konzediert in seinem Urteil vom
28.06.2005 - L 4 KA 9/05, dass gewichtige Gründe für diese Fristberechnung sprechen).
Wenn das Sozialgericht für die Fristberechnung spätestens auf den Erlass des das
zweite Quartal 1997 betreffenden Honorarbescheides abstellen will, weil die
Degressionsberechnung ausschließlich die beiden ersten Quartale betreffe, überzeugt
dies nicht. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die Degression nicht
quartalsbezogen berechnet werde. Die Honorarminderung aufgrund der
Degressionsregelung betrifft auch im Jahre 1997 unverändert das Gesamthonorar des
Jahres, wobei lediglich wegen der Aufhebung des § 85 Abs. 4b SGB V zum 01.07.1997
für das zweite Halbjahr keine Punktmengengrenze mehr bestand. Aus diesem Grund
unterlagen nur die im ersten Halbjahr 1997 abgerechneten Punkte der - anteiligen -
Jahresmengenbegrenzung, so dass sich die Degressionsberechnung nur auf die im
ersten Halbjahr 1997 abgerechneten Punkte bezog. Dies rechtfertigt aber nicht, für den
Lauf der Ausschlussfrist auf den Erlass der Honorarbescheide für die einzelnen
Quartale abzustellen. Vielmehr ist es sachgerecht, dass die Frist zur Berichtigung erst
mit dem Ablauf des Kalenderjahres, für das die Degressionsberechnung vorgenommen
wird, beginnt.
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Fehler bei der Berechnung der Höhe der Honorarminderung aufgrund der Degression
sind nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Die Verpflichtung des
Klägers zur Rückzahlung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der Bescheid vom
19.11.2001 ist somit nicht zu beanstanden.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
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Der Senat misst insbesondere der Frage der Fristberechnung für die Korrektur von
Honorarbescheiden grundsätzliche Bedeutung bei und hat daher die Revision
zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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