Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.03.2011

LSG NRW: aufschiebende wirkung, verwaltungsakt, sicherheitsleistung, zivilprozessordnung, prozesskosten, vergütung, vertretung, anwaltskosten, geldleistung, unternehmen

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 24.03.2011 (rechtskräftig)
Sozialgericht Köln S 4 AS 4788/10 ER
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 AS 365/11 B ER und L 19 AS 366/11 B
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28.01.2011 werden als
unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Am 14.09.2010 erließ die Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (nachfolgend: Antragsgegner) einen eine
Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 zweites Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) für die Zeit vom 14.09.2010 bis 30.09.2011, wonach der Antragsteller u.a. verpflichtet ist, im Turnus von 1
Monat jeweils 5 monatliche Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu
unternehmen und Nachweise über diese Bemühungen persönlich im Folgemonat bis zum 20. Tag einzureichen. Der
Verwaltungsakt wurde dem Antragsteller am 18.09.2010 zugestellt.
Durch Bescheid vom 23.11.2010 senkte der Antragsgegner die Regelleistung um 107,70 EUR wegen der Verletzung
der in der Eingliederungsvereinbarung vom 14.09.2010 festgelegten Pflichten - persönliche Vorsprache in der
Arbeitsvermittlung und Einreichung von 5 Bewerbungen - unter Berufung auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b, Abs. 6 SGB II
für die Zeit vom 01.12.2010 bis 28.02.2011 ab und hob den Bewilligungsbescheid vom 01.06.2010 entsprechend nach
§ 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Am 29.10.2010 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid vom 14.09.2010 eine Nichtigkeitsfeststellungsklage.
Am 29.11.2010 hat der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Bescheid
vom 14.09.2010 beantragt. Mit Schreiben vom 06.12.2010 hat der Antragsteller die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 23.11.2011 beantragt. Gleichzeitig hat er eine Überprüfung des
Bescheides vom 14.09.2010 nach § 44 SGB X und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Überprüfungsantrags beantragt.
Durch Beschluss vom 28.01.2011 hat das Sozialgericht Köln die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
der Widersprüche gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 14.09.2010 und vom 23.11.2010 und den Antrag auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Er trägt vor, dass eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt nach ständiger Rechtsprechung der
Sozialgerichte und der herrschenden Auffassung in der Literatur nicht sanktionierbar sei. Der Antragsgegner habe
durch den Bescheid vom 04.02.2011 die Regelleistung für die Zeit vom 01.03. bis 30.05.2011 um 60% abgesenkt.
Falls seinem Antrag nicht entsprochen werde, beantrage er einen Vorabentscheid beim Europäischen Gerichtshof.
II. Die Beschwerden sind als unzulässig zu verwerfen.
A. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den
Bescheid vom 23.11.2010 ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung des Gesetzes
zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (BGBl I 444) ist die Beschwerde in
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig
wäre. Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG seit dem 01.04.2008 nur zulässig bei einer Klage, die eine
Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, wenn die Beschwer einen Betrag von 750,00 EUR
übersteigt. Mit der Beschwerdeschrift hat sich der Antragsteller gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 23.11.2010 gewandt. Das
Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.09.2010
verfolgt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht weiter. Demnach beläuft sich die Beschwer des Antragstellers
im Beschwerdeverfahren vorliegend auf insgesamt 323,10 EUR (3 x 107,70 EUR). Denn der Antragsteller wendet sich
im Beschwerdeverfahren nur noch gegen die Absenkung einer Regelleistung um 107,70 EUR für die Dauer von drei
Monaten.
Im Fall des Unterschreitens des Beschwerdewertes im einstweiligen Rechtschutzverfahren ist auch nicht die
Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Das Sozialgerichtsgesetz in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung sieht
eine derartige Zulassung nicht vor (vgl. LSG NRW Beschluss vom 20.10.2010 - L 19 AS 1788/10 B ER - m.w.N.).
Der Senat sieht keinen Anlass, die Streitsache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Eine Verletzung von
gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
B. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe ist unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit das
erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte auf das bereits vor dem
Sozialgericht abgeschlossene Verfahren keine Auswirkungen, weil die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das
erstinstanzliche Verfahren mangels anwaltlicher Vertretung des Antragstellers nach § 122 Abs. 1 Zivilprozessordnung
(ZPO) ins Leere liefe (vgl. LSG NRW Beschluss vom 02.08.2010 - L 19 AS 1192/10 B ER -; LSG Baden-Württemberg
Beschluss vom. 17.11.2008 - L 7 AS 2588/08 PKH-B = NZS 2009, 349; Bayrischer VGH Beschluss vom 05.04.2004 -
12 C 04.42 - und vom 19.12.2002 - 12 C 02.2858).
Nach § 122 Abs. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass 1. die Bundes- oder Landeskasse a) die
rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, b) die auf sie übergegangenen
Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft,
gegen die Partei geltend machen kann, 2. die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die
Prozesskosten befreit ist, 3. die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht
geltend machen können. Vorliegend sind im erstinstanzlichen Verfahren aber weder Anwaltskosten noch
Gerichtskosten entstanden und auch eine Sicherheitsleistung ist nicht erfolgt. Unter diesen Umständen könnte die
rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe, die sonstige Allgemeinkosten (Schreibauslagen etc.) der Partei
nicht erfasst, keine Wirkung mehr entfalten (vgl. ausführlich dazu LSG NRW Beschluss vom 02.10.2009 - L 19 B
270/09 AS).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).