Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.02.2010

LSG NRW (eltern, kläger, sgg, darlehen, höhe, einkommen, prozessführungsbefugnis, behörde, treu und glauben, prozessstandschaft)

Landessozialgericht NRW, L 19 (20) AS 45/09
Datum:
08.02.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 19 (20) AS 45/09
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 18 (23) AS 107/08
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 14 AS 44/10 B
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold
vom 19.08.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung eines Betrages von 510,00 EUR.
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Seit dem 01.01.2005 bezieht der am 00.00.1972 geborene Kläger ununterbrochen
Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Zweites Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II).
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Der Kläger wohnt in dem Haus seiner Eltern, die Altersrenten beziehen. Die Beklagte
übernahm die anteiligen Heiz- und Stromkosten des Klägers als Leistungen nach § 22
SGB II.
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Durch Bescheid vom 04.01.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelleistung
nach § 20 SGB II in Höhe von 345,00 EUR mtl. für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006.
Mit weiterem Bescheid vom 19.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30.08.2006 bewilligte die Beklagten dem Kläger Regelleistung nach § 20 SGB II in
Höhe von 310,00 EUR mtl. für Zeit von 01.07. bis 31.12.2006.
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Am 14.12.2006 beantragte der Kläger die Weitergewährung von Leistungen ab Januar
2007. In diesem Zusammenhang legte er eine Umsatzübersicht seines Girokontos für
die Zeit vom 01.06. bis zum 14.12.2006 vor. Danach erfolgten in der Zeit vom 01.06. bis
zum 14.12.2006 vier Bareinzahlungen auf das Konto, und zwar am 14.06.2006 in Höhe
von 200,00 EUR, am17.08.2006 in Höhe von 100,00 EUR, am 26.09.2006 in Höhe von
120,00 EUR und am 07.11.2006 in Höhe von 210,00 EUR.
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Laut Gesprächsvermerk der Mitarbeiterin der Beklagten Frau L vom 05.01.2007 gab der
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Kläger bei einer persönlichen Vorsprache an, dass es sich bei den Einzahlungen um
Unterstützungsleistungen seiner Eltern handele. Mit Schreiben vom 08.01.2007,
abgesandt am 09.01.2007, hörte die Beklagte den Kläger hinsichtlich der beabsichtigen
Aufhebung der Bewilligungsbescheide und Rückforderung von Leistungen wegen des
Erhalts von Unterstützungsleistungen durch seine Eltern nach § 24 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Daraufhin teilte der Kläger mit, dass es sich bei den
Einzahlungen seiner Eltern nicht um Schenkungen, sondern um Darlehen handele, die
er zurückzahlen müsse. Die Darlehen seien zur Deckung seines Kontos gewährt
worden, um den Anfall von Verzugszinsen zu vermeiden. Die Darlehen seien zinsfrei
gewährt worden, jedoch sei er zur Rückzahlung verpflichtet. Die Darlehensverträge
seien jeweils mündlich unmittelbar vor der Einzahlung der Beträge geschlossen
worden. Sie hätten dazu gedient, Kontorückstände auszugleichen.
Durch Bescheid vom 02.01.2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 04.01.2006 für
den Zeitraum vom 01.06. bis 30.06.2006 sowie den Bescheid vom 19.06.2006 für den
Zeitraum vom 01.08. bis 30.09.2006 und vom 01.11. bis 30.11.2006 nach § 48 Abs. 1
Satz 2 Nr. 3 SGB X wegen geänderter Einkommensverhältnisse auf und forderte nach §
50 Abs. 1 SGB X einen Betrag von 510,00 EUR zurück. Sie verfügte, dass zur
Erstattung der Überzahlung nach § 50 SGB X ab März 2008 monatlich ein Betrag in
Höhe von 103,50 EUR einbehalten wird.
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Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Kreis N durch Widerspruchsbescheid
vom 17.06.2008 als unbegründet zurück.
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Im einstweiligen Rechtschutzverfahren vor dem Sozialgericht Detmold nach § 86b Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), S 11 AS 54/06 ER, gab der Kläger in der eidesstattlichen
Versicherung vom 25.02.2008 an, dass die vier Bareinzahlungen von Eltern als zinslose
Darlehen auf unbestimmte Laufzeit gegeben worden seien. Seine Eltern hätten ihm
diese Gelder nicht geschenkt. Er sei verpflichtet, diese Gelder nach besten Kräften an
zurückzuzahlen. Die Darlehen seien jeweils dafür verwandt worden, sein Konto
auszugleichen, um Kontoüberziehungskosten zu vermeiden.
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Am 16.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, dass er die einzelnen
Beträge als Darlehen auf unbestimmte Zeit und zur Rückzahlung nach Kräften seitens
seiner Eltern erhalten habe. Es habe sich um keine Schenkungen gehandelt. Die
Rückzahlung der Darlehen sei ihm nicht erlassen worden. Eine feste Auferlegung von
Rückzahlungsverpflichtungen dem Datum und der Höhe nach wäre auch unrealistisch
gewesen. Dem stehe aber keinesfalls entgegen, dass er im Falle einer
Einkommensverbesserung durch eine Erwerbsaufnahme die Darlehen in einer Summe
oder in Raten zurückzahle. Es entspreche den normalen Lebensumständen, dass im
Angehörigenbereich, in dem ein besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis zwischen
den Darlehensparteien bestehe, über die hier in Rede stehenden geringen
Darlehenssummen kein schriftlicher Darlehensvertrag geschlossen werde. Nach seinen
Stellungnahmen vom 17.01.2007 und 15.06.2007 habe er weiterhin darauf vertraut,
dass sich die Angelegenheit ordnungsgemäß geklärt hätte und er keine finanziellen
Nachteile zu befürchten habe. Die Einzahlungen habe er jeweils zur Deckung seines
Kontos verwendet, die von der Beklagten erhaltenen Leistungen seien bereits seit
langem verbraucht. Bei ihm bestehe ein Vertrauenstatbestand. Außerdem sei bei Erlass
des Aufhebungsbescheides die Jahresfrist abgelaufen gewesen. Zudem seien die
Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 43 SGB II nicht gegeben gewesen. Im
Erörterungstermin am 17.06.2009 hat der Kläger erklärt, dass er die Bareinzahlung am
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07.11.2006 für eine Autoreparatur benötigt habe. Er habe Reifen bestellt, die er in einer
Werkstatt habe auswuchten und aufziehen lassen. Die Reifen habe er am 06.11.2006
durch einen Überweisungsauftrag bezahlt. Die Werkstattkosten habe er bar bezahlt.
Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid vom 02.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
17.06.2008 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Im Erörterungstermin vom 17.06.2009 hat das Sozialgericht Detmold die Eltern des
Klägers als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.06.2009 Bezug genommen.
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Durch Urteil vom 19.08.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die
Berufung zugelassen Es hat ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine teilweise
Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 04.01.2006 und vom 16.06.2006 nach § 48
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gegeben seien. Bei den Bareinzahlungen der Eltern auf das
Konto des Klägers habe es sich um einmalige Einnahmen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II
gehandelt. Die Zahlungen seien in Form eines Privatdarlehens gewährt worden, wobei
zwischen dem Kläger und seinen Eltern keine konkreten Rückzahlungsmodalitäten,
sondern eine Rückzahlung der Darlehen - abhängig von der finanziellen Situation des
Klägers - vereinbart worden sei. Der Einkommenszufluss durch darlehensweise
gewährte Mittel stelle für einen Leistungsempfänger eine tatsächlich zur Verfügung
stehende Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II dar unabhängig davon, ob der
Leistungsempfänger möglicherweise zur Rückzahlung verpflichtet sei. Im Rahmen einer
wirtschaftlichen Betrachtungsweise könne sich eine andere Bewertung in solchen
Fällen ergeben, in denen sich die Rückzahlungspflicht auch tatsächlich unmittelbar auf
die finanzielle Situation des Leistungsempfängers auswirke, etwa weil er zur
unverzüglichen ratenweisen Tilgung des Darlehens verpflichtet sei und dieser
Verpflichtung auch nachkomme. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Auf die weiteren
Gründe wird Bezug genommen.
17
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 21.09.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am
08.10.2009 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter. Er trägt vor, dass unter
Beachtung der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen - Urteil
vom 11.12.2008, L 7 AS 62/08 - das Sozialgericht zu dem Ergebnis hätte gelangen
müssen, dass die mit einer Rückzahlungsverpflichtung belegten zinslosen Darlehen
seiner Eltern nicht als Einkommen zu qualifizierende bedarfsmindernde Einnahme zu
berücksichtigen seien.
18
Der Kläger beantragt,
19
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.08.2009 zu ändern und nach dem
erstinstanzlichen Klageantrag zu entscheiden.
20
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
22
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
23
In der mündlichen Verhandlung am 08.02.2010 hat die Beklagte den Bescheid vom
02.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2008 insoweit
aufgehoben als in ihm eine Aufrechnung erklärt worden ist. Der Kläger hat dieses
Teilanerkenntnis angenommen.
24
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Eltern des Klägers als
Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 08.02.2010 Bezug genommen.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akte
des Sozialgerichts Detmold, S 11 AS 54/08 ER, Bezug genommen, deren wesentlicher
Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
27
Die Berufung ist zulässig (I), aber unbegründet (II).
28
I. Die Berufung ist statthaft, da das Sozialgericht die Berfung zugelassen hat. Der Senat
ist an die Zulassung der Berufung gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).
29
Richtige Beklagte ist die Stadt Q. Sie ist Rechtsträgerin der Leistungen nach dem SGB
II. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 5 Abs. 2 u. 3 des Gesetzes zur Ausführung des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW
i.d.F. vom 16.12.2004, GVBl NRW 821 und § 5 Kreisordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen (KrO NW i.d.F. vom 14.07.1994, GVBl NRW 646) hat der Kreis N durch § 1
der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
SGB II im Kreis Minden-Lübbecke vom 13.12.2004 (Durchführungssatzung SGB II) der
kreisangehörigen Stadt Q die Durchführung der ihm als Träger der Grundsicherung für
Arbeitssuchende obliegenden Aufgaben, die in §§ 4 und 5 der Satzung näher
bezeichnet sind, im eigenen Namen übertragen. Bei der Durchführung der Aufgaben
nach § 4 und § 5 der Durchführungssatzung SGB II wird die Stadt Q mithin für den Kreis
N tätig. Nach § 5 der Durchführungssatzung SGB II umfasst die Übertragung der
Aufgaben nach § 1 die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung von
Verwaltungsakten nach den Vorschriften des SGB X sowie die Geltungmachung und
Durchsetzung von Erstattungs- und Ersatzansprüchen im Sinne des SGB X. Damit ist
die Stadt Porta Westfalica gegenüber dem Kläger im Außenverhältnis materiell zur
Aufhebung von Bewilligungsbescheiden betreffend die Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II nach den Vorschriften des SGB X sowie zur Geltendmachung und
Durchsetzung von Erstattungsansprüchen nach § 50 SGB X berechtigt (vgl. hierzu BSG,
Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 56/06 R -; LSG NW, Urteil vom 22.08.2006 - L 1 AS
5/06).
30
Das Passivrubrum ist nicht zu ändern. Der Bürgermeister der Stadt Q ist nicht der
richtige Beklagte. Er ist als Behörde nicht prozessführungsbefugt für seine
Rechtsträgerin, die Stadt Q, die in sozialgerichtlichen Verfahren betreffend die
Ansprüche nach dem SGB II und deren Rückabwicklung nach §§ 4, 5
31
Durchführungssatzung SGB II zumindest passivlegitimiert ist. Unter
Prozessführungsbefugnis ist das Recht verstehen, über das behauptete Recht einen
Prozess als richtiger Beteiligter im eigenen Namen zu führen, ohne dass eine (eigene)
materiell-rechtliche Beziehung zum Streitgegenstand vorzuliegen braucht (vgl.
Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., vor § 50 Rn 18). Fallen die Aktiv- oder
Passivlegitimation und Prozessführungsbefugnis auseinander, liegt ein Fall der
Prozessstandschaft vor, bei der ein anderer als der Inhaber des Rechts im eigenen
Namen am Prozess beteiligt ist. Die Frage nach der Prozessstandschaft ist
insbesondere bei der Bestimmung des persönlichen Umfangs der Rechtskraft einer
Entscheidung nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG relevant, wonach die Rechtskraft eines
Urteils grundsätzlich nur die Beteiligten bzw. ihre Rechtsnachfolger bindet. Nur wenn
ein Verfahren zulässigerweise in Prozessstandschaft betrieben wird, wirkt das Urteil
ohne weiteres gegen einen Rechtsträger, der nicht am Verfahren beteiligt gewesen ist
(vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 141 Rn 18).
Die Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen, zu denen auch der Bürgermeister einer
Kommune zählt, sind nach § 70 Nr. 3 SGG i.V.m. § 3 Gesetz zur Ausführung des
Sozialgerichtsgesetzs im Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGG) vom 08.12.1973 (GVBl
NRW 412, aufgehoben mit Wirkung zum 31.12.2010 durch Art. 2 Ziffer 29 des Gesetzes
zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen
(JustG NRW) vom 26.01.2010, GVBl NRW 30) grundsätzlich fähig, im
sozialgerichtlichen Verfahren als Beteiligte aufzutreten. Aus der Beteiligtenfähigkeit
einer Behörde im sozialgerichtlichen Verfahren folgt aber nicht zwangsläufig deren
Prozessführungsbefugnis für ihren Rechtsträger. Bei der Beteiligtenfähigkeit und der
Prozessführungsbefugnis, insbesondere im Fall der Prozessstandschaft, handelt es sich
um zwei verschiedene Prozessvoraussetzungen, deren Vorliegen getrennt geprüft
werden muss.
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Die Voraussetzungen für die Annahme einer gewillkürten Prozessstandschaft des
Bürgermeisters für die Stadt Q liegen nicht vor. Ebenso ist eine gesetzliche
Prozessstandschaft des Bürgermeisters nicht gegeben. Der Senat folgt nicht der vom 8.
Senat des Bundessozialgerichts (BSG) vertretenen Auffassung, dass der
Bundesgesetzgeber im SGG unausgesprochen vorausgesetzt hat, dass dann, wenn das
Landesrecht eine Beteiligtenfähigkeit der Behörde anordnet, zwangsläufig diese
Behörde auch für ihren Rechtsträger prozessführungsbefugt ist und damit im Fall der
Anordnung der Beteiligtenfähigkeit der Behörde durch den Landesgesetzgeber
ausschließlich die Behörde und nicht der Rechtsträger richtiger Beteiligter im
sozialgerichtlichen Verfahren ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 - B 8 SO 19/08 R - Rn
14 m.w.N.; ebenso anscheinend der 1. Senat des Bundessozialgerichts für den Fall der
isolierten und kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54
Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 56 SGG: Urteil vom 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R - ohne nähere
Begründung; a. A. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 56/06 R -, der ohne nähere
Begründung eine Kommune des Landes Nordrhein-Westfalen als Beklagte bezeichnet
und keinen Anlass für eine Rubrumsberichtigung gesehen hat; BSG, Urteil vom
23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R -, wonach der Rechtsträger wie auch die Behörde, die in
seinem Namen handelt, beteiligtenfähig sind). Nach dem eindeutigen Wortlaut
beschränkt sich der Regelungsgehalt des § 70 SGG, der inhaltlich identisch mit der
Bestimmung der Beteiligtenfähigkeit von Behörden im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren (§ 61 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO -) ist, auf die Festlegung, wer im
sozialgerichtliche Verfahren die Fähigkeit besitzt, als Beteiligter aufzutreten. Eine
erweiternde Auslegung des § 70 Nr. 3 SGG dahingehend, dass mit der Anordnung der
33
Beteiligtenfähigkeit von Behörden durch den Landesgesetzgeber nach dem SGG auch
deren Prozessführungsbefugnis für ihren Rechtsträger verbunden ist, escheint auch aus
systematischen, teologischen und historischen Gründen nicht geboten. Bei der
Beteiligtenfähigkeit und der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um zwei
verschiedene Prozessvoraussetzungen. Aus der Beteiligtenfähigkeit folgt insbesondere
im Fall der Prozessstandschaft nicht zwangsläufig die Prozessführungsbefugnis eines
Beteiligten, sondern deren Vorliegen ist getrennt zu prüfen. Im Gegensatz zum
finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Prozessstandschaft der Finanzbehörden für
den Rechtsträger vom Bundesgesetzgeber grundsätzlich festgelegt wurde (§ 63 FGO),
bzw. zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem der Bundesgesetzgeber die
Befugnis des Landesgesetzgebers zur Anordnung der Prozessführungsbefugnis von
Behörden auf bestimmte Verfahrensarten beschränkt hat (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, siehe
auch BVerwG, Beschlüsse vom 28.08.2002 - 9 VR 11/02 - und - 5 C 25/01-, wonach
eine Behörde, die nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO verklagt werden kann, in
Prozessstandschaft für das Land handelt), enthält das SGG keine Bestimmung, ob und
unter welchen Voraussetzungen eine beteiligtenfähige Behörde für ihren Rechtsträger
als Prozessstandschafter im Verfahren auftreten kann. Soweit der 8. Senat des SG aus
der Bestimmung des § 70 Nr.3 SGG und dem Fehlen von Bestimmungen über die
Prozessführungsbefugnis von Behörden im SGG folgert, dass eine gesetzliche
Prozessstandschaft der Behörden vom Bundesgesetzgeber angenommen worden ist,
hat dieser (unterstellte) Wille des Bundesgesetzgebers im SGG keinen Niederschlag
gefunden, obwohl insbesondere im Hinblick auf die Festlegung des persönlichen
Umfangs der Rechtskraft von Entscheidungen die Annahme einer gesetzlichen
Prozessstandschaft einer eindeutigen Regelung bedarf. Aus dem Fehlen von
Bestimmungen über die Prozessführungsbefugnis von beteiligtenfähigen Behörden im
SGG lässt sich lediglich ableiten, dass es dem Gesetzgeber des Bundes wie auch eines
Landes freisteht, die Prozessführungsbefugnis einer beteiligtenfähigen Behörde im
sozialgerichtlichen Verfahren zu regeln. Dies entspricht auch dem Willen des
historischen Gesetzgebers, wonach es den Ländern überlassen bleiben sollte, an Stelle
juristischer Personen, deren Organe einen Verwaltungsakt erlassen haben, auch
Behörden als solche am Verfahren teilnehmen zu lassen (Drucksache Nr. 4357 Seite
25). Der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen hat zwar in § 3 AG-SGG die
Beteiligtenfähigkeit von Landesbehörden im sozialgerichtlichen Verfahren geregelt,
jedoch keine Bestimmung im Hinblick auf die Prozessführungsbefugnis getroffen. Auch
aus § 63 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein Westfalen (GO NRW) vom
14.07.1994 (GVBl NRW 666) lässt sich eine Prozessführungsbefugnis des
Bürgermeisters als Behörde für die Kommune nicht ableiten, da in § 63 GO nur die
gesetzliche Vertretung der Gemeinde durch den Bürgermeister, nicht aber die Befugnis
des Bürgermeisters im eigenen Namen für die Kommune in einem Verfahren
aufzutreten, normiert ist. Auch im AG-SGB II NW ist eine Prozessführungsbefugnis der
Behörden für die Rechträger nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht geregelt, so dass der
Bürgermeister der Stadt Q im vorliegenden Fall nicht prozessführungsbefugt ist.
Die Stadt Q wird als Delegationsnehmerin im Gerichtsverfahren durch den Kreis N nach
§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 8 Satz 1 der Durchführungssatzung SGB II
vertreten. Gesetzlicher Vertreter des Kreises N ist nach § 42 Buchst. e KrO NRW der
Landrat (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.209 - B 9 SB 3/08 R).
34
II. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Der Kläger ist
nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Aufhebungs- und
Erstattungsbescheid vom 02.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
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17.06.2008, in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 08.02.2010, ist rechtmäßig.
Durch den angefochtenen Bescheid hat die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom
04.01.2006 teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit für den Monat Juni 2006 in
Höhe von 170,00 EUR sowie den Bewilligungsbescheid vom 19.06.2006 für die Monate
August 2006 in Höhe von 70,00 EUR, für September 2006 in Höhe von 90,00 EUR
sowie für November in Höhe von 180,00 EUR aufgehoben.
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Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
37
Zum Erlass des Aufhebungsbescheides vom 02.01.2008 ist die Beklagte nach § 5 der
Durchführungssatzung SGB II sachlich legitimiert gewesen. Der Kreis N hat den
Widerspruchsbescheid vom 17.06.2008 als sachlich zuständige Behörde nach § 6 Abs.
2 Satz 1 SGB II i.V.m. §§ 1, 5 Abs. 3 AG-SGB II, § 8 Durchführungssatzung SGB II
erlassen.
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Der angefochtene Bescheid vom 02.01.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 17.06.2008 ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 33 Abs. 1
SGB X. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn für den verständigen
Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine
unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (BSG, Urteil vom 29.01.1997 -
11 RAr 43/96). Dabei kommt es bei der gebotenen Auslegung der Bescheide nicht
darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Empfänger selbst
nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der angefochtenen
Bescheide unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen muss (BSG, Urteil
vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R). Aus dem Verfügungssatz muss für den Betroffenen
vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Zur Auslegung
des Verfügungssatzes kann die Begründung des Verwaltungsaktes herangezogen
werden. Zudem kann auf ihm beigefügte Unterlagen und Anlagen, aber auch auf früher
zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte zurückgegriffen werden (BSG,
Urteil vom 06.02.2007 - B 8 KN 3/06 R -; Urteil vom 02.06.2004 - B 7 AL 58/03 -; Urteil
vom 15.05.2002 - B 6 KA 25/01 R -; BSG, Urteil vom 20.04.2006 - B 7 AL 58/03 R ).
Unbestimmt i.S. von § 33 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein
Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der
davon Betroffene bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen
Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten. Aus dem
Aufhebungsbescheid vom 02.01.2008 ergibt sich hinreichend bestimmt, welche
Bewilligungsbescheide – die Bescheide vom 04.01.2006 und vom 19.06.2006 -, welche
Leistungen - Regelleistung nach § 20 SGB II - , für welche Zeiträume - 01.06 bis
30.06.2006, 01.08 bis 30.09.2006, 01.11 bis 31.11.2006 - und in welchem Umfang - im
Juni 2006 um 170,00 EUR, im August um 70,00 EUR, im September 2006 um 90,00
EUR und im November 2006 um 180,00 EUR - teilweise aufgehoben werden. Da in den
Bewilligungsbescheiden vom 04.01.2006 und vom 19.06.2006 ausschließlich die
Gewährung einer Regelleistung nach § 20 SGB II an den Kläger geregelt ist, ist
eindeutig, welche bewilligten Leistungen nach dem SGB II durch den angefochtnen
Bescheid aufgehoben werden. Dies gilt auch für den Umfang der verfügten Aufhebung.
Im Verfügungssatz wird zwar nur der Gesamtbetrag der Erstattungsforderung von 510,00
EUR genannt. Jedoch ergibt sich aus den dem Bescheid beigefügten Anlagen über die
Bedarfsberechnung für die Monate Juni, August, September und November 2006 unter
Berücksichtigung des Einkommens des Klägers, auf die in der Bescheidbegründung
ausdrücklich Bezug genommen wird, hinreichend bestimmt der Umfang der
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Aufhebungen für die einzelnen Monate.
Der Kläger ist zum Wegfall bzw. zur Minderung seines Anspruchs auf Leistungen nach
dem SGB II wegen der Anrechnung der Unterstützungsleistungen seiner Eltern als
Einkommen im Sinne des § 11 SGB II nach § 24 SGB X angehört worden.
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Der angefochtene Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die Beklagte ist berechtigt
gewesen, die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Monate Juni, August,
September und November 2006, also mit Wirkung für die Vergangenheit, teilweise
aufzuheben.
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Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom
04.01.2006 und vom 19.06.2006 wegen der Anrechnung von Einkommen nach § 11
Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Monate Juni, August, September und November 2006 ist §
48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 SGB III.
Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der
Änderung der Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben,
aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen
oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs
geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach § 48 Abs. 1
Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen
zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Gesetzbuches
anzurechnen sind, der Beginn des Anrechnungszeitraumes. Bei den
Bewilligungsbescheiden vom 04.01.2006 und vom 19.06.2006 handelt es sich um
Dauerverwaltungsakte.
42
Nach Erlass der beiden Bewilligungsbescheide ist in den Verhältnissen betreffend die
Monate Juni, August, September und November 2006 durch den monatlichen Zufluss
von Zuwendungen der Eltern eine wesentliche Änderung i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB
X eingetreten. Die Bareinzahlungen der Eltern auf das Konto des Klägers in den
Monaten Juni, August, September und November 2006 sind als Einkommen i.S.v. § 11
Abs. 1 SGB II auf den Hilfebedarf des Klägers nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II
anzurechnen. Bei diesen Bareinzahlungen handelt es sich weder um privilegiertes
Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II noch greifen die Vorschriften der
Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) in der hier anwendbaren Fassung
der ersten Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 22.8.2005 (BGBl I, 2499) zu
Gunsten des Klägers ein. Es handelt sich weder um einmalige Einnahmen von weniger
als 50,00 EUR nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V noch um zweckbestimmte Einnahmen nach
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V. Vielmehr stellen die Zuwendungen sonstiges Einkommen im
Sinne von § 2b Alg II-V dar, auf das die Vorschrift des § 2 Alg II-V entsprechend
anzuwenden ist. Denn es handelt sich um Einnahmen in Geld i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1
SGB II, die nicht aus nichtselbständiger Arbeit, aus selbständiger Arbeit, aus
Gewerbebetrieb oder aus Land- und Forstwirtschaft, sondern aus Zuwendungen Dritter
stammen. Dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen
Geldzuflüsse aus einem Darlehen als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu
werten sind (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.07.2008 - L 13
AS 97/08 ER, Brühl in LPK-SGB II, § 11 Rn 24, wonach Darlehen, die zur
Unterhaltsdeckung verwendet werden können, berücksichtigungsfähige Einkommen
darstellen; LSG NRW, Urteil vom 11.12.2008 - L 7 AS 62/08 -; Mecke in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. § 11 Rn 29; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K §
11 Rn 42e, wonach Mittel aus einem Darlehen nicht als Einkommen anzusehen sind, es
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sei denn, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung (rechtlich oder faktisch) entfällt).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass es sich bei den vier Bareinzahlungen der
Eltern nicht um Zuflüsse aus Darlehen, sondern um (verschleierte) Schenkungen
handelt. Die Beweisaufnahme hat nicht erbracht, dass zwischen den Eltern und dem
Kläger Darlehensverträge geschlossen worden sind. Zwar hat sich der Kläger nach
Erhalt des Anhörungsschreibens nach § 24 SGB X durchgehend im Verwaltungs- und
Gerichtsverfahren dahingehend eingelassen, dass es sich bei den Bareinzahlungen um
Zuflüsse aus zinslosen Darlehen gehandelt habe, die er an seine Eltern zurückzuzahlen
müsse. Jedoch lässt sich die Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung zwischen
dem Kläger und seinen Eltern, die für die Annahme eines Darlehensvertrags nach § 488
Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wesentlich ist (siehe zur Abgrenzung
eines Darlehensvertrages zu andere Vertragstypen: Weidenhoff in Palandt, BGB, 69.
Aufl., Vorb. v. § 488 Rn 6, § 488 Rn 12 ff), nicht feststellen. Schon die Angaben des
Klägers im Verwaltungsverfahren und einstweiligen Rechtschutzverfahren begründen
erhebliche Zweifel an einer vertraglichen Absprache über die Pflicht zur Rückzahlung
der von den Eltern zur Verfügung gestellten Geldbeträge in Höhe von insgesamt 630,00
EUR in den Monaten Juni bis November 2006. Zum einen hat die Mitarbeiterin der
Beklagten die ersten mündlichen Angaben des Klägers am 05.01.2007 zur Herkunft der
vier Bareinzahlungen dahingehend verstanden, dass es sich um
Unterstützungsleistungen seiner Eltern handele. Erst nach Erhalt des
Anhörungsschreibens, betreffend die Anrechnung der Bareinzahlungen als Einkommen
auf die bewilligte Regelleistung, hat der Kläger vorgetragen, dass es sich um zinslose
Darlehen seiner Eltern zwecks Ausgleichs von Sollständen auf seinem Girokonto
gehandelt habe. Diese Angaben hat er in der eidesstattlichen Versicherung vom
25.02.2008 dahingehend präzisiert, dass die Laufzeit des Darlehens unbestimmt
gewesen sei und er zur "Rückzahlung nach besten Kräften" verpflichtet sei. Die
Angaben des Klägers über wiederholte (4) mündliche Vereinbarungen von Darlehen
seitens der Eltern ohne Vereinbarung einer Verzinsung, eines konkreten Zeitpunkts der
Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung, der Tilgungsbedingungen verbunden mit dem
Fehlen einer konkreten Aussicht auf Verbesserung seiner Einkommensverhältnisse, z.
B. durch eine Arbeitsaufnahme, sprechen gegen einen ernsthaften Willen des Klägers
und seiner Eltern, Darlehensverträge abzuschließen. Diese Zweifel sind durch die
Einlassungen des Klägers im Gerichtsverfahren noch verstärkt worden. Der Kläger hat
gegenüber dem Sozialgericht bestätigt, dass keine konkrete Vereinbarung über die
Rückzahlungsmodalitäten zwischen ihm und seinen Eltern getroffen worden ist, sondern
die Rückzahlung von einem insbesondere in Hinblick auf die seit dem Jahr 2002
bestehende Arbeitslosigkeit des Klägers, mehr als ungewissen Ereignis, der Erzielung
von Einkommen abhängig sein sollte. Des weiteren hat er im Gerichtsverfahren erstmals
vorgetragen, dass die Bareinzahlungen seiner Eltern dazu gedient haben,
Aufwendungen, die er für das von ihm überwiegend genutzte Auto seiner Mutter getätigt
hatte, zu erstatten. Dabei haben weder der Kläger noch seine Eltern für den Senat
nachvollziehbar darlegen können, aus welchem Grund die Eltern dem Kläger die von
ihm im Jahr 2006 getätigten Aufwendungen für das Auto seiner Mutter, das fast
ausschließlich vom Kläger unentgeltlich genutzt wurde, wobei die Eltern die
Kraftfahrzeugsteuer und die Beiträge zur Kraftfahrzeugversicherung getragen haben, mit
der Auflage der Rückzahlung in der Zukunft erstattet haben. Der vom Kläger und seinen
Eltern im Gerichtsverfahren angebene wirtschaftliche Hintergrund der
Darlehensgewährung ist nicht plausibel, auch nicht unter Berücksichtigung des Vortrags
des Klägers im Verwaltungsverfahren, dass die Darlehen zum Ausgleich von
Sollständen auf dem Konto gedient hätten. Es ist nicht erkennbar, dass die Ausgaben
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des Klägers für das Auto zu entsprechenden Sollständen des Kontos geführt haben. In
den Kontoauszügen ist unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers lediglich eine
Abbuchung am 06.11.2006 über 103,76 EUR "E AG" dokumentiert, die im
Zusammenhang mit Kosten für das Auto - den Kauf von Reifen - steht. Auch die in der
Zeit vom 01.06. bis zum 30.11.2009 getätigten Barabhebungen vom Konto des Klägers
in Höhe von insgesamt 260,00 EUR - Abhebung von 70,00 EUR am 17.06.2006, von
50,00 EUR am 21.06.2006, von 50,00 EUR am 18.07.2006, von 20,00 EUR am
04.08.2006, von 20,00 EUR am 06.09.2006, von 30,00 EUR am 03.10.2006, von 20,00
EUR am 22.11.2006 -, die wesentlich geringer als die behaupteten Darlehensbeträge
von insgesamt 630,00 EUR sind, lassen keinen Rückschluss darauf zu, dass
Barzahlungen des Klägers für das Auto seiner Mutter, die er durch Barabhebungen vom
Konto finanziert hat, ursächlich für die Sollstände gewesen sind. Die Eltern haben zwar
die Angaben des Klägers über die Gewährung von zinslosen Darlehen auf unbestimmte
Zeit mit der Verpflichtung, im Fall der Arbeitsaufnahme die Darlehen zurückzuzahlen,
bestätigt. Der Senat hält diese Angaben aber nicht für glaubhaft. Zwar kann die
Gewährung von Darlehen mündlich vereinbart werden, jedoch hat der Zeuge S, der
Vater des Klägers, als Darlehensgeber gegenüber den Senat eingeräumt, dass er sich
weder die Darlehensbeträge aufgeschrieben hat noch die konkrete Höhe der
Darlehensschuld des Klägers angeben kann. Dies spricht gegen einen ernsthaften
Willen der Eltern zur Rückforderung der auf das Konto des Klägers eingezahlten
Beträge. Auch die Bekundungen der Zeugin S, der Mutter des Klägers, dass ihr Sohn ab
2007 keine Beträge mehr für das Auto ausgelegt habe, sondern sie dem Kläger die
benötigten Geldbeträge vorgestreckt habe, ohne mit ihm eine
Rückzahlungsverpflichtung zu vereinbaren, begründen erhebliche Zweifel an den
Bekundungen der Zeugin hinsichtlich des Inhalts der Vereinbarungen mit ihrem Sohn im
Jahr 2006. Auch auf mehrmaliges Nachfragen des Senats hat die Zeugin nicht plausibel
darlegen können, aus welchem Grund ihr Sohn die von ihr bzw. ihrem Ehemann
erstatteten Aufwendungen für ihr Auto im Jahr 2006 zurückzahlen soll, während sie die
Aufwendungen für das Auto ab dem Jahr 2007 selbst trägt.
Die vier Bareinzahlungen der Eltern auf das Konto des Klägers unterfallen auch keiner
der in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausdrücklich geregelten Ausnahmen von den zu
berücksichtigenden Einnahmen in Geld oder in Geldeswert, so dass sie nach § 11 Abs.
1 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen sind. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V ist von diesen Zuwendungen der Eltern in den
Monaten Juni, August, September und November 2006 jeweils eine
Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR abzuziehen. Nach Abzug der
Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II sind die vier einmaligen
Einnahmen entsprechend den Vorgaben der §§ 2b, 2 Abs 3 Satz 1 Alg II-V zu verteilen.
Danach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie
zufließen. In Hinblick auf die Höhe der einmaligen Einnahmen hat die Beklagte
zutreffend von einer Aufteilung auf mehrere Monate nach § 2 Abs. 3 Satz 4 Alg II-V
abgesehen. Demnach mindert sich der Anspruch des Klägers auf die Regelleistung
nach § 20 SGB II wegen der Berücksichtigung von Einkommen für den Juni 2006 um
170,00 EUR, für August 2006 um 70,00 EUR, für September 2006 um 90,00 EUR sowie
für November um 180,00 EUR nach §§ 11 Abs. 1, 19 Satz 2 SGB II und liegen daher die
Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor.
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Der Aufhebungsbescheid ist nicht ermessensfehlerhaft. Bei den Entscheidungen über
die Aufhebungen von Leistungen nach dem SGB II nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X
- wie im vorliegenden Fall - handelt es sich nach §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330
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Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht um Ermessensentscheidungen, sondern um gebundene
Entscheidungen.
Die Fristen der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 3 SGB X sind gewahrt. Die Beklagte hat die
Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten, da sie
innerhalb eines Jahres nach der Anhörung des Klägers den Bescheid vom 02.01.2008
erlassen hat. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts
(§ 153 Abs. 2 SGG).
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Der Kläger ist verpflichtet, der Beklagten den Betrag von 510,00 EUR nach § 50 Abs. 1
Satz 1 SGB X zu erstatten. Die Erstattungsforderung ist nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II
nicht zu mindern, da die Aufhebungsentscheidung nicht Kosten der Unterkunft und
Heizung betrifft.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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