Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 09.09.2009

LSG NRW (abschlag, zeitlich befristet, krankenversicherung, juristische person, vergütung, kommentar, sozialversicherung, sgg, verfassungsbeschwerde, vereinbarung)

Landessozialgericht NRW, L 16 KR 7/09
Datum:
09.09.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 KR 7/09
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 40 KR 296/07
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 1 KR 24/09 R
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 18.12.2007 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch
die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Klägerin (Kl) macht (nach einem vor dem Senat geschlossenen Teil-
Unterwerfungsvergleich) noch Restvergütungsansprüche über zusammen 61,70 EUR
für drei Krankenhausbehandlungen von Versicherten der Beklagten (Bekl) im Zeitraum
zwischen dem 20.06.2007 und dem 02.07.2007 geltend. Streitig ist, ob ihre Vergütung
zu Recht um den mit Wirkung vom 01.01.2007 eingeführten Abschlag in Höhe von 0,5 %
des Rechnungsbetrages als sog "Krankenhaus-Sanierungsbeitrag" nach § 8 Abs 9 Satz
1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in der Fassung (idF) des Art 19 Nr 2 des
"Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung"
(GKV-WSG) vom 26.03.2007 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I, 378) gemindert worden ist.
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Die Kl betreibt als gGmbH ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
zugelassenes Krankenhaus (KH) in E. Sie ist Mitglied der Krankenhausgesellschaft
Nordrhein-Westfalen (KGNW), die wiederum Mitglied der Deutschen
Krankenhausgesellschaft (DKG) ist. Zwischen der KGNW und (unter anderem - ua -)
dem Landesverband der Betriebskrankenkassen, dem die Bekl angehört, ist zwecks
Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Mitglieder der Bekl mit stationären
Krankenhausleistungen ein Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V
geschlossen worden (Vertrag vom 06.12.1996 idF des Änderungsvertrages vom
19.08.1998 (Sicherstellungsvertrag)), der trotz zwischenzeitlicher Kündigung aufgrund
einer Vereinbarung zwischen der KGNW und den Verbänden der Krankenkassen
vorläufig bis zur Neuregelung des Vertragsverhältnisses weiter gilt (vgl die vom Senat
im Verfahren L 16 KR 111/08 eingeholte Auskunft der KGNW vom 24.02.2009). Danach
richtet sich die Rechnungslegung einschließlich der Zuzahlungen gemäß § 39 Abs 4
SGB V nach der Datenübermittlungs-Vereinbarung gemäß § 301 Abs 3 SGB V in der
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jeweils aktuellen Fassung.
Auf Bundesebene vereinbarte die DKG mit den Verbänden der Krankenkassen
("Empfehlungsvereinbarung zur Umsetzung der Abschlagsregelung nach § 8 Abs 9
KHEntgG" vom 04.04.2007 idF des Nachtrags vom 13.04.2007), dass der oben
genannte (og) Sanierungsbeitrag nach § 8 Abs 9 KHEntgG als Abschlag zur
Fortschreibung der Anlage Datenübermittlungs-Vereinbarung gemäß § 301 Abs 3 SGB
V auf jeder Rechnung ausgewiesen werden solle. Dabei machte die DKG ausdrücklich
folgenden Vorbehalt geltend (Schreiben an den Verband der Angestellten-
Krankenkassen eV (VdAK) vom 12.04.2007):
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"Der in § 8 Abs 9 KHEntgG geregelte Sanierungsbeitrag, dessen technische
Realisierung ein wesentlicher Bestandteil des Nachtrags vom 13.04.2007 ist, ist nach
Einschätzung der DKG verfassungswidrig. Er wird daher unberechtigt erhoben und von
uns nicht akzeptiert. Die Nachtragsregelung zur technischen Durchführung und
entsprechende Rechnungskürzungen erkennen wir daher nur vorläufig und unter dem
Vorbehalt der gerichtlichen Klärung der Frage der Verfassungsmäßigkeit des
Sanierungsbeitrages an."
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Dieser Rechtsauffassung schloss sich die KGNW mit Schreiben an die Landesverbände
der Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 04.07.2007 voll inhaltlich an.
Mit Schreiben vom 27.06.2007 behielt sich die Kl gegenüber der Bekl aufgrund des von
ihr ebenfalls als verfassungswidrig erachteten Sanierungsbeitrages "alle weiteren
Rechte" ausdrücklich vor, insbesondere:
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" ... die Geltendmachung der Rückerstattung der einbehaltenen bzw zu Unrecht
gekürzten Mittel."
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Für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 übermittelte die Kl der Bekl für
erbrachte Krankenhausleistungen auf der Grundlage der Bundesempfehlungen nach
der Datenübermittlungs-Vereinbarung nach § 301 Abs 3 SGB V zusammen 289
Schlussrechnungen für nach dem 30.06.2007 entlassene Patienten (siehe Anlage 6 der
Klageschrift vom 28.11.2007). Zu Gunsten der Bekl wies sie dabei jeweils einen
Abschlag von 0,5 % des jeweiligen Rechnungsbetrages nach § 8 Abs 9 KHEntgG von
zusammen 6.352,45 EUR aus und erhielt von der Bekl die entsprechend gekürzte
Vergütung ausgezahlt.
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Wegen des Restvergütungsanspruchs in Höhe von 6.352,45 EUR hat die Kl am
18.12.2007 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage gegen die Bekl erhoben und
sich zur Begründung auf ein Rechtsgutachten des Prof Dr T aus Juni 2007 (Anlage zum
KGNW-Rundschreiben Nr 204/2007 vom 09.07.2007) berufen, wonach die Vorschrift
des § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG verfassungswidrig sei: Der Sanierungsbeitrag stelle eine
unzulässige Abgabe dar, für welche die Gesetzgebungskompetenz fehle. Die vom
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellten Anforderungen an eine zulässige
Sonderabgabe seien nicht erfüllt. Der Sanierungsbeitrag greife in die durch Art 12 Abs 1
Grundgesetz (GG) gewährleistete Berufsfreiheit privater Krankenhausträger ein und
verletze den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Da auch in bereits
entstandene Vergütungsforderungen eingegriffen werde, werde auch Art 14 Abs 1 GG
verletzt.
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Die Kl hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihr 6.352,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.12.2007 zu zahlen, hilfsweise,
das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) auszusetzen und dem BVerfG zur
Entscheidung vorzulegen, ob § 8 Abs 9 KHEntgG formell und materiell
verfassungsmäßig ist.
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Die Bekl hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten: Die Leistungsklage sei bereits unzulässig, weil ihr der
geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen könne.
Es gehe der Kl ausschließlich um die Verfassungsmäßigkeit des KHEntgG, deshalb sei
sie auf die Verfassungsbeschwerde zu verweisen. Der Kl fehle ferner die
Klagebefugnis, weil sie nicht Trägerin von Grundrechten sei (Hinweis auf BVerfG NJW
1990, 63, 78 ff). Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Ein über die bereits erbrachten
Zahlungen hinausgehender Vergütungsanspruch stehe der Kl nicht zu. Der
Sanierungsbeitrag nach § 8 Abs 9 KHEntgG sei weder aus formellen, noch aus
materiellen Gründen verfassungswidrig.
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Mit Urteil vom 18.12.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als echte Leistungsklage zulässig. Die Kl sei
auch klagebefugt. Die Klage sei aber unbegründet. Der 0,5 %-ige Abschlag sei
rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sei § 8 Abs 9 KHEntgG, der der konkurrierenden
Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art 74 Abs 1 Nr 12 GG
unterfalle. Die dort begründete Kompetenz für den Bereich der Sozialversicherung
umfasse auch Regelungen zu deren Finanzierung, wozu nicht nur Beiträge im engeren
Sinne, sondern auch Regelungen zur finanziellen Entlassung rechneten.
15
Der Abschlag stelle keine Sonderabgabe im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG dar.
Es handele sich hier vielmehr um einen Zwangsrabatt im Sinne einer staatlichen
Preisreglementierung, ähnlich der schon vom BVerfG für zulässig erachteten
Rabattverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen nach § 130a SGB V (Hinweis
auf BVerfG, Beschluss vom 13.09.2005 - 2 BvF 2/03 - Sozialrecht (SozR) 4-2500 § 266
Nr 9= BVerfGE 114, 196).
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§ 8 Abs 9 KHEntgG sei auch materiell-rechtlich verfassungskonform: In Ansehung des
legitimen Zwecks der Regelung (vgl Bundestagsdrucksache (BT-Drucks) 16/3100 S 1,
2, 89), nämlich der Beteiligung auch der Krankenhäuser an der Stabilisierung der
gesetzlichen Krankenversicherung, verstoße die Vorschrift nicht gegen Art 12 Abs 1 GG.
Preisabschlagsregelungen stellten zwar Eingriffe in die unternehmerische Freiheit in
Form von Berufsausübungsregelungen dar, die Regelung des § 8 Abs 9 KHEntgG sei
aber durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig.
Sie sei geeignet, weil sie zur Senkung der Ausgaben der Krankenkassen und dadurch
zur Stabilität des Beitragssatzes beitrage, wobei dem Gesetzgeber eine weite
Einschätzungsprärogative zukomme. Sie sei auch erforderlich, weil es keine milderen
aber gleich geeigneten Mittel gebe. Auch insoweit entspreche es dem
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Kostensteigerung nicht durch
Beitragserhöhungen abzufangen. Ferner sei die Regelung verhältnismäßig im engeren
Sinne, weil der Gesetzgeber die Interessen der Krankenhäuser an angemessener
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Vergütung und der Krankenkassen bzw ihrer Versicherten an der Stabilität der
Beitragssätze zu einem insgesamt angemessenen Ausgleich bringe. Zu berücksichtigen
sei dabei sei auch, dass die Sicherstellung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen
Krankenversicherung ein Gemeingut von überragend wichtiger Bedeutung sei und dass
die Kl als Krankenhausträgerin gleichzeitig von der Einbindung in das System der
gesetzlichen Krankenversicherung profitiere. Zudem sei weder substantiiert vorgetragen
noch ersichtlich, dass die Krankenhäuser durch den - ohnehin zeitlich befristet
angelegten - Sanierungsbeitrag in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten.
Ebenfalls sei § 8 Abs 9 KHEntgG gemäß der Rechtsprechung des BVerfG zu § 130a
SGB V mit Art 14 Abs 1 GG vereinbar. Ein Eingriff in Eigentumspositionen der Kl liege
nicht vor, weil diese erst mit der Behandlung entstehen könnten; vorher könne lediglich
die abstrakte Aussicht auf Erlangung einer Forderung gegenüber der Krankenkasse
existieren. Es handele sich damit auch nicht um eine Enteignung, sondern um eine
durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigte Inhalts- und
Schrankenbestimmung.
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Schließlich könne in § 8 Abs 9 KHEntgG kein Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG gesehen werden, denn alle Krankenhäuser,
die dieser Belastung unterliegen, seien nach dem Zweck der Regelung gleich betroffen
(BT-Drucks 14/4247, 64). Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG lasse sich auch nicht durch
einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern wie Vertragsärzten oder Apothekern
oder mit den Leistungsempfängern begründen.
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Bestätigt gesehen hat das SG seine Auffassung durch die Rspr des SG Aachen (ua
Urteil vom 22.04.2008, Az.: S 13 (2) KR 101/07, und des SG Trier, Urteil vom
10.09.2008, Az.: S 5 KR 98/07).
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Gegen das am 02.01.2009 zugestellte Urteil hat die Kl am 14.01.2009 Berufung
eingelegt. Sie vertritt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die
Auffassung, der auf § 8 Abs 9 KHEntgG beruhende Rechnungsabschlag von 0,5 % der
Rechnungs-summe verletze sie in ihren Rechten und verstoße gegen Art 3, 12 und 14
GG.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.09.2009 hat die Kl ihr Begehren auf drei
mit der Bekl abgestimmte Behandlungsfälle der Versicherten der Bekl
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(1.) Fallnummer (FN)000, Versicherter E.S., Abschlag 24,63 EUR, (2.), FN 001,
Versicherte M.B., Abschlag 19,29 EUR , (3.) FN 002, Versicherte M.G, Abschlag 17,78
EUR
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beschränkt und dementsprechend die Forderung auf die diesen Rechnungen
zugrundeliegenden Restvergütungsansprüche von 61,70 EUR begrenzt. Hinsichtlich
aller übrigen streitigen Forderungen von noch 6.290,75 EUR haben die Beteiligten
einen Unterwerfungsvergleich (§ 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), bezogen auf
eine abschließende, rechtskräftige Entscheidung im hier zur Entscheidung stehenden
Rechtsstreit, vereinbart.
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Die Kl beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.12.2008 zu ändern und die Beklagte zu
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verurteilen, ihr aus Anlass der Behandlung der Versicherten E.S., M.B. und M.G. ,
Fallnummern 000, 001 und 002 mit einer Rechnungslegung vom 19.07. bzw.
02.08.2007 noch 61,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz ab 18.12.2007 (Rechtshängigkeit/Klageerhebung) zu zahlen,
hilfsweise,
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das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz auszusetzen und dem
Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, ob § 8 Abs 9 KHEntgG formell
und materiell verfassungsmäßig ist/war.
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Die Bekl beantragt,
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die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom
18.12.2008 zurückzuweisen.
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Sie bezieht sich auf die ihrer Meinung nach zutreffenden Entscheidungsgründe der
angefochtenen Entscheidung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakten, der Verwaltungsakten der Bekl sowie der die drei streitigen
Behandlungsfälle betreffenden Krankenhausakten, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Kl ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet
abgewiesen.
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Die Kl ist klagebefugt, sie macht einen eigenen Vergütungsanspruch für Leistungen des
von ihr betriebenen Krankenhauses geltend. Die Klagebefugnis fehlt nur dann, wenn
der Kl das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen
kann, die Möglichkeit einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte nicht möglich erscheint
(sog Möglichkeitstheorie: BSGE 43,134 = SozR 4100 § 34 Nr. 6;
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 96,302). Der Anspruch der Kl auf
ungekürzte Vergütung ihrer Leistungen kann zwar, worauf die Bekl richtig hingewiesen
hat, nur dann bestehen, wenn die Abschlagsregelung für nichtig oder für mit der
Verfassung nicht vereinbar erklärt wird, was außerhalb der Befugnisse der angerufenen
Fachgerichte liegt. Entgegen der Ansicht der Bekl kann die Kl aber nicht auf die
Verfassungsbeschwerde verwiesen werden. Die Verfassungsbeschwerde gemäß Art 93
GG ist subsidiär; die Erschöpfung des Rechtswegs ist in den Fällen erforderlich, in
denen ein Rechtsweg prinzipiell eingeräumt ist (vgl § 90 Abs 2 S 1
Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG -). Selbst wenn eine
Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz gegeben wäre oder die
Ausschöpfung des Rechtswegs wegen der Eindeutigkeit der Rechtslage als dem
Beschwerdeführer ausnahmsweise unzumutbar angesehen würde (vgl dazu Pieroth in
Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 9. Aufl 2007, Art 93 Rn 64 nwN), würde dies die
gleichwohl erhobene Klage vor den Fachgerichten nicht unzulässig machen, zumal
auch dieser Weg über Art 100 GG zum Erfolg führen könnte.
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Die Kl verfolgt ihren Vergütungsanspruch zutreffend im Wege der (echten)
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Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG. Die Klage eines Krankenhauses auf Zahlung der
vollständigen Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein
Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch
Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine
Klagefrist zu beachten ist (ständige Rechtsprechung (stRspr), vgl BSG, Urteile vom
16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR R und B 1 KR 10/08 R - juris.de; vom 20.11.2008 - B 3 KN
4/08 KR R - juris.de). Der Klage kann auch nicht entgegen gehalten werden, der
Restvergütungsanspruch sei nicht schon vorprozessual erhoben worden, denn die
Ausweisung der gekürzten Rechnungsbeträge erfolgte auf der Grundlage der
Vereinbarungen der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung und der
DKG vorläufig und unter Vorbehalt. Schließlich hat die Kl hat ihre Klageforderung auch
mit 61,70 EUR konkret beziffert (zur Notwendigkeit der Bezifferung einer Klage auf
Vergütung von Krankenhausleistungen, BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR
R - aaO).
Die Klage ist aber unbegründet. Die Kl hat für die drei stationären Behandlungen (FN
009, 001 und 002) keinen Restvergütungsanspruch.
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Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche der Kl ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm
§§ 7 und 8 KHEntgG und dem Fallpauschalen-Katalog nach § 9 Abs 1 Nrn 1-3
KHEntgG sowie dem zu § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V in NRW geschlossenen
Sicherstellungsvertrag vom 06.12.1996 idF vom 19.08.1998 (zur Abrechnung von
Vergütungsleistungen im DRG-System, BSG, Urteil vom 18.09.2008 - B 3 KR 15/07 R -
juris.de).
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Das Klinikum der Kl hat an den Versicherten E.S., M.B. und M.G. notwendige stationäre
stationäre Krankenhausbehandlungen durchgeführt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) und
diese richtig gegenüber der Bekln abgerechnet. Das ergibt sich aus den vom Senat
beigezogenen Behandlungsunterlagen und der Überprüfung der Rechnungen anhand
des WebGroupers des Universitätsklinikums N. Ohne die hier streitige Kürzung des
Vergütungsanspruchs um den sog Sanierungsbeitrag hätte sich danach, wie unter den
Beteiligten unstreitig ist, für die hier noch in Rede stehenden stationären Behandlungen
ein um insgesamt 61,70 EUR höherer Vergütungsanspruch ergeben. Die Kl kann aber
diesen Restbetrag nicht verlangen, denn die Kürzung ist zu Recht erfolgt.
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Das ergibt sich aus § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG. Danach ist bei gesetzlich
krankenversicherten Patienten, die nach dem 31.12.2006 entlassen werden, ein
Abschlag von 0,5 % des Rechnungsbetrages vorzunehmen und auf der Rechnung des
Krankenhauses auszuweisen. Das ist in den drei zur Entscheidung gestellten
stationären Behandlungsfällen geschehen, was zwischen den Beteiligten ebenfalls
nicht umstritten ist. Sachlich und rechnerisch richtig und in Übereinstimmung mit der in §
1 der "Empfehlungsvereinbarung zur Umsetzung der Abschlagsregelung nach § 8 Abs 9
KHEntgG" vom 04.04.2007 idF des Nachtrags vom 13.04.2007 hat die Kl auf den drei
Endabrechnungen, die ausnahmslos auch nur Behandlungsfälle von gesetzlich
krankenversicherten Mitgliedern der Bekl nach Juli 2007 (Entlassungsdatum) betreffen,
den Abschlag von 0,5 % des Rechnungsbetrages (§ 8 Abs 9 Satz 3 KHEntgG)
vorgenommen, ausgewiesen und dem technisch-maschinellen Abrechnungsverfahren
zugeführt. Die um den Abschlag gekürzte Vergütung hat die Bekl geleistet. Damit hat sie
die hier allein noch streitigen Behandlungsfälle vollständig vergütet.
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Weil danach die Hauptforderung der Kl nicht begründet ist, besteht auch kein
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Zinsanspruch.
Der Hilfsantrag der Kl ist nicht begründet, weil die Voraussetzungen des Art 100 Abs 1
GG nicht erfüllt sind. Der Senat ist nicht von der Verfassungswidrgkeit des § 8 Abs 9
Satz 1 KHEntgG überzeugt.
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Entgegen der Auffassung der Kl fällt der streitige Abschlag in die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art 74 Abs 1 Nrn 12 und 19a GG.
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Die konkurrierende Bundesgesetzgebung erstreckt sich gemäß Art 74 Abs 1 Nr 12 GG
ua auf die Sozialversicherung und gemäß Art 74 Abs 1 Nr 19a GG auf die wirtschaftliche
Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze.
44
Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine Sozialversicherung im Sinne von Art 74
Abs 1 Nr 12 GG. Die durch diese Vorschrift begründete Gesetzgebungskompetenz
erfasst auch Regelungen zur Finanzierung der Sozialversicherung. Dazu rechnen nicht
nur Regelungen über die Beitragsaufbringung, sondern insbesondere auch Regelungen
zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungssysteme (vgl BVerfGE 113,167,196
f; Axer in Bonner Kommentar, Stand Dezember 2006, Art 74 Nr 12 Rn 40; Degenhart in
Sachs, GG Kommentar, 4. Aufl 2007, Art 74 Rn 59 zum Risikostrukturausgleich). Halten
sich gesetz-geberische Regelungen - wie hier die über den Abschlag nach § 8 Abs 9
Satz 1 KHEntgG - sachlich-gegenständlich im Kompetenzbereich Sozialversicherung,
sind deshalb die zur Finanzierung getroffenen Regelungen des Beitrags- und
Finanzierungsrechts kompetenzrechtlich unbedenklich (vgl Sännwald in Schmidt-
Bleibtreu/Hofmann/Hopfau GG Kommentar, 2008, Art 74 Rn 162). Mit Recht hat deshalb
das SG die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 12 GG bejaht,
weil § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG dem Erhalt der Leistungsfähigkeit des
Krankenversicherungssystems durch Verringerung der Kosten für die
Krankenhausbehandlungen dient.
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Der Senat teilt ferner nicht die auf T gestützten Bedenken der Kl gegen die
Qualifizierung des Abschlags nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG als Regelung der
Krankenhauspflegesätze im Sinne des Art 74 Abs 1 Nr 19a GG Pflegesätze sind
Entgelte der Nutzer oder Kostenträger für die (teil-)stationären Leistungen der
Krankenhäuser (vgl Degenhardt, aaO Rn 89; siehe auch § 2 Nr 4 des Gesetzes zur
wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der
Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG)). Der Abschlag
nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG setzt zwar keine Vergütung für eine bestimmte
Einzelleistung des Krankenhauses fest, regelt aber mit der Kürzung um 0,5% (nach
Maßgabe seines Satzes 3) das Entgelt des Krankenhauses für die insgesamt im
jeweiligen Behandlungsfall erbrachten Leistungen und ist damit eine Regelung der
Krankenhauspflegesätze im Sinne des Art 74 Abs 1 Nr 19a GG, für die der
Bundesgesetzgeber (in Verbindung mit Art 72 Abs 2 GG) zuständig gewesen ist.
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Der Senat hat sich auch nicht davon überzeugen können, dass die Kl in ihren
Grundrechten aus Art 12 Abs 1, Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG verletzt ist.
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Die von der Bekl aufgeworfene Frage, ob die Kl als juristische Person des Privatrechts
nach Art 19 Abs 3 GG Trägerin dieser Grundrechte ist, kann der Senat letztlich offen
lassen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG können allerdings juristische Personen
des Privatrechts, wenn diese sich überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand
48
befinden, nicht auf den Schutz der materiellen Grundrechte berufen, soweit sie
bestimmungsgemäß öffentliche Aufgaben wahrnehmen und in dieser Funktion von dem
angegriffenen Hoheitsakt betroffen sind (vgl zuletzt BVerfG (Kammer), Beschluss vom
18.5.2009 - 1 BvR 1731/05 - mwN). So hat das BVerfG die Frage, ob sich ein
mehrheitlich in öffentlicher Hand befindliches Stromversorgungsunternehmen auf
materielle Grundrechte berufen kann, ausdrücklich verneint (vgl BVerfG NJW 1990,
1783; kritisch dazu zB Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 9. Aufl 2007, Art 19 Rn 17 ff).
Inwieweit die Kl von einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts beherrscht wird
und dem bestimmenden Einfluss eines Hoheitsträgers unterliegt, kann hier, abgesehen
davon, dass die Grundrechte des GG auch objektiv-rechtliche Wertentscheidungen der
Verfassung darstellen, deshalb dahinstehen, weil, wie das SG richtig erkannt hat, der
Abschlag nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG ohnehin nicht geeignet ist, mögliche
Grundrechte der Kl zu verletzen.
Gemäß Art 12 Abs 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und
Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf
Grund eines Gesetzes geregelt werden. Art 12 Abs 1 GG schützt die Erwerbszwecken
dienende Tätigkeit und ist insoweit nach Art 19 Abs 3 GG im Grundsatz auch auf
inländische juristische Personen oder privatrechtliche Vereinigungen anwendbar (vgl
BVerfGE 114,196= SozR 4-2500 § 266 Nr 9; Hofmann aaO, § 12 Rn 7).
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Da der Abschlag nach § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG die Entgelte der Krankenhäuser
reglementiert, enthält er eine Berufsausübungsregelung im Sinne des Art 12 Abs 1 S 2
GG (vgl BVerfGE 114,196). Diese Berufsausübungsregelung ist jedoch entgegen der
Ansicht der Kl durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls, nämlich das Ziel der
Stabilisierung der GKV (BT-Drucks 16/3100, S 1, 89) gerechtfertigt. Er ist insbesondere
geeignet, erforderlich und angemessen. Das hat das SG zutreffend, durch die
Rechtsprechung des BVerfG belegt, eingehend und überzeugend dargelegt, sodass der
Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils Bezug nehmen kann, denen er sich nach eigener Prüfung
anschließt (§ 153 Abs 2 SGG). Auch der Senat sieht insbesondere unter Würdigung des
Beschlusses des BVerfG vom 13.09.2005 (aaO) grundsätzlich keine tiefgreifenden
verfassungsrechtlichen Bedenken, die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als
Zielvorgabe mit einer staatlich vorgegebenen Preisreglementierung zu unterstützen.
Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass nach § 8 Abs 9 Satz 1 letzter Halbsatz
KHEntgG die Maßnahme ohnehin nur zeitlich befristet angelegt war und von einer
Existenzgefährdung der betroffenen Krankenhäuser durch den Abschlag nach § 8 Abs 9
Satz 1 letzter Halbsatz KHEntgG tatsächlich nicht gesprochen werden kann.
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Ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht der Kl liegt in der Abschlagsregelung
des § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG nicht. Gemäß Art 14 Abs 1 GG werden Eigentum und
Erbrecht gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
Träger dieses Grundrechts können auch inländische juristische Personen sein (vgl zB
Hofmann aaO, Art 14 Rn 3; Wendt in Sachs, GG aaO, Art 14 Rn 16). Die bloßen
Erwerbsmöglichkeiten oder Erwerbserwartungen der Klägerin, die sich aus dem bloßen
Fortbestand der früheren - für die Kl günstigeren - Gesetzeslage ergaben, werden von
Art 14 GG jedoch nicht erfasst (vgl Wendt, aaO, Rn 44 mwN). Insoweit hat das SG richtig
dargelegt, dass die aus den zugrunde liegenden Behandlungsfällen resultierenden
Vergütungsansprüche erst mit der Behandlung der Versicherten im Laufe des Jahres
2007 entstanden sind. Selbst wenn man Art 14 Abs 1 GG neben Art 12 Abs 1 GG für
einschlägig halten wollte, weil durch Art 14 Abs 1 GG über den Bestand des
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Unternehmens hinaus dessen gesamte funktionswesentliche Tätigkeit umfasst wird und
deshalb der gewinnbringende Einsatz des Unternehmens überhaupt geschützt wird (vgl
Wendt aaO, Rn 48) ergeben sich unter dem Blickwinkel des Art 14 Abs 1 GG keine
anderen Aspekte hinsichtlich der Schrankenbestimmung und der Rechtfertigung der von
der Kl beanstandeten Regelung, als sie vom SG zu Art 12 Abs 1 GG dargelegt worden
sind. Der Einwand der Kl insbesondere, es handele sich um eine unzulässige
Sonderabgabe, ist bei Preisregulierungsregelungen wie dem Abschlag nach § 8 Abs 9
KHEntgG in diesem Zusammenhang irrelevant (vgl BVerfGE 114, 196 ff).
Zu Recht hat das SG schließlich auch eine Verletzung des allgemeinen
Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) verneint.
52
Nach Art 3 Abs 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Selbst wenn man mit
der Bekl die Kl als von einer Gebietskörperschaft beherrscht ansehen würde (siehe
oben) und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts insoweit gleich stellte, als
für diese das Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG nicht gilt, soweit sie öffentliche Aufgaben
wahrnehmen, beanspruchte der allgemeine Gleichheitssatz gleichwohl hier jedenfalls
Geltung als Wertentscheidung und fundamentales Verfassungsprinzip. Verletzt ist Art 3
Abs 1 GG indes durch den der Kl auferlegten Abschlag nicht. Auch insoweit nimmt der
Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe
des angefochtenen Urteils Bezug. Das SG hat dort insbesondere überzeugend
ausgeführt, dass es nicht sachwidrig ist, dass bestimmte Leistungserbringer, hier die
nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser, stärker an der von den am
Gesundheitssystem der gesetzlichen Krankenversicherung Beteiligten
(Leistungserbringern und Versicherungsträgern mit ihren Versicherten) zu leistenden
Sanierung zu beteiligen. Auch hinsichtlich der Entwicklung von
Unterstützungsbedürftigkeit der Krankenkassen einerseits und der Leistungsfähigkeit
der anderen am System der gesetzlichen Krankenversicherung Beteiligten andererseits
steht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, deren Grenze hier nicht
überschritten worden ist.
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Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a SGG iVm § 154
Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen, obwohl die
Regelung des § 8 Abs 9 Nr 1 KHEntgG ausgelaufen ist, denn er misst der Rechtssache
wegen der Vielzahl der anhängigen Gerichtsverfahren grundsätzliche Bedeutung bei.
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